KANADA 🇨🇦

Reiseroute 2015

VancouverSquamish (Wanderung auf den „Chief“) – Alice Lake Park (Mittagspause) – Whistler (Ziplining) – Lillooet (Mittagspause) – Wells Gray Provincial Park (u.a. Kanutour auf dem Clearwater Lake) – Jasper (u.a. Wanderung zu den Cavell Meadows) – Icefields Parkway (u.a. Wanderung auf den Athabasca Glacier) – Banff (u.a. Wanderung vom Lake Louise zum Lake Agnes Teahouse) – Golden (Rafting auf dem Kicking Horse River) – KamloopsVancouver

Kanadier haben einen an der Waffel
(aber bitte mit Ahornsirup!)

Das ist das Schöne am Reisen: Man erlebt immer wieder Überraschungen, aber manches ist auch genauso, wie man es sich vorgestellt hat!

Kanadier sind ausgesprochen freundlich.
„Das liegt daran, dass unser Land so dünn besiedelt ist“, erklärt Rafting-Guide Tyler. „Da freut man sich, wenn man andere Menschen sieht.“ Schon auf dem Flughafen in Vancouver winken zur Begrüßung ein paar Feuerquallen aus ihrem Aquarium. Die Einreise ist schnell und unkompliziert. Keine blöden Fragen wie in den USA. Unterwegs stoßen wir an einer Tankstelle dann doch einmal auf einen ruppigen Mann. Irgendwie beruhigend, da fühlt man sich gleich wieder wie zuhause…

Kanadier lieben Ahornsirup.
Im Zentrum des „Continental Breakfast“ in meinem Hotel in Vancouver steht ein Waffeleisen, das Überstunden schiebt. Daneben befindet sich die obligatorische Karaffe mit Ahornsirup. Auch in jedem Souvenirladen werden Fläschchen damit in allen erdenklichen Formen verkauft. Im „WhiteTooth“-Pub in Golden finde ich auf der Karte sogar Mojitos mit Ahornwhiskey. Ein weiteres Nationalgericht scheint Bacon zu sein. Im „Wild Bill’s“ in Banff gibt es ihn zu fast allen Gerichten (selbst Fisch). Sogar bei einem der Cocktails gehört er dazu. In einem Geschäft sehe ich Zahnseide mit Bacon-Geschmack.

Kanadier schämen sich für Justin Bieber.
Schon auf früheren Trips in alle Welt habe ich immer wieder Kanadier in meinen Gruppen getroffen. Ebenfalls mitreisende US-Amerikaner beklagten sich, dass niemand etwas gegen Kanadier habe und gaben zu, dass sie sich zu Zeiten von George W. Bush im Ausland als Kanadier ausgeben hätten. „Ich hatte sogar kanadische Fähnchen in meinem Portemonnaie“, gestand meine aus Colorado stammende Zimmergenossin. Gibt es denn nichts, was man Kanadiern vorhalten könnte? Alle überlegen. „Ihr habt Justin Bieber!“ Die Kandier sind angenehm unangenehm berührt.

Die einzige Erwartung, die sich nicht erfüllt: Wir machen einen zünftigen Campingtrip, aber wir haben nicht einmal ein Lagerfeuer. Die sind wegen akuter Waldbrandgefahr überall streng verboten. Im Schnitt ist der Juli 2015 im Südwesten Kanadas zehn Grad wärmer als üblich. Selbst in den Bergen herrschen fast 40 Grad und alles ist knochentrocken.

Seitenanfang

Wilder Südwesten inklusive

Ein weites Land (o.: Blick auf Banff vom Sulphur Mountain) voller Seen (v.l.: Clearwater Lake, Lac Beauvert, Lake Peyto, Lake Bow, Moraine Lake, Lake Louise, Lake Agnes, Pinantan Lake, Lake Paul)…

 

… und Wasserfälle (v.l.: Shannon Falls, Dawson Falls, Helmcken Falls, Moul Falls, Athabasca Falls, Takkakaw Falls)

 

Zwar leben wir weitgehend im Staub – Wasser sehen wir auf unserer Reise trotzdem jede Menge. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste See im Land? Das ist wirklich unmöglich zu sagen. Die spektakulärsten Farben haben sicherlich Gletscherseen wie Lake Peyto am Icefields Parkway und Lake Louise im Banff National Park. Aus den Felsen gespülte Sedimente lassen das Wasser in einem unglaublichen Türkis schimmern. Dafür sind diese Seen eiskalt. Lac Beauvert bei Jasper, der Clearwater Lake im Wells Gray Provincial Park oder Pinantan Lake in der Nähe von Kamloops hingegen erreichen im Sommer durchaus angenehme Temperaturen und sind perfekt zum Schwimmen geeignet. Das Wasser im Clearwater Lake ist so sauber, dass man es direkt trinken kann. Ungewohnt! Das würde ich mir auf der Hamburger Außenalster verkneifen…

„Wo ist denn der Wasserfall, ihr Arschlöcher?“ Das ist in unserer Familie seit einem Bayernurlaub in den 70ern ein geflügeltes Wort. Mein Vater pflegte die gemeinsamen Ferien mit seiner Super-8-Kamera zu dokumentieren, und Filmmaterial war kostbar. Also gab er meiner Mutter und mir genaue Regieanweisungen: „Ihr kommt den Weg entlang, bleibt stehen, dreht euch zum Wasserfall und zeigt darauf. Ich schwenke dann rüber.“ Von unseren „Rollen“ gelangweilt, trabten wir beiden los, hielten an – und drehten uns zur falschen Seite. Mein Vater war nicht amüsiert (s.o.). In Kanada könnte so etwas kaum passieren. Hier ist alles eine Nummer größer und unübersehbar. Die Takkakaw Falls im Yoho-Nationalpark beispielsweise zählen mit 254 Metern zu den höchsten Wasserfällen Kanadas. Die Helmcken Falls im Wells Gray Provincial Park erreichen immerhin 141 Meter. Die Athabasca Falls am Icefields Parkway hingegen beeindrucken weniger durch ihre Höhe als durch die gewaltige Wassermenge, die hinüberrauscht.

Obwohl wir zwei Wochen unterwegs sind, sehe ich nur einen ziemlich kleinen Teil des riesigen Kanadas. Die Einheimischen nennen den Südwesten wegen seines vergleichsweise milden Klimas „Banana Belt“. Dort wächst immerhin Wein. Ausgangs- und Endpunkt meiner Reise ist Vancouver, das nicht umsonst als eine der lebenswertesten Städte der Welt gilt. In Fußnähe meines Hotels liegt der große Stanley Park auf einem Landzipfel – ein Paradies für Fußgänger, Fahrradfahrer und Inlineskater, die jeweils eigene Spuren auf den Wegen haben. Ich laufe um die Lost Lagoon, einen ehemaligen Meeresarm, der durch einen Damm zum Süßwassersee wurde. Alles ist voller Kanadagänse (hier gehören sie wenigstens hin). Aber auch Entenfamilien, Kormorane und Reiher tummeln sich auf dem Gewässer. Unter einer Brücke treibt sich eine Waschbären-Mutter mit drei Kindern herum. Daneben befindet sich der Vancouver Beach. Etwas weiter Richtung Stadtzentrum: English Bay, von der man einen schönen Blick auf die Skyline hat. Besonders auffällig ist ein Hochhaus mit einem ausgewachsenen Baum auf dem Dach. Dahinter befindet sich das quirlige Westend, das Schwulenviertel, wo sogar die Zebrastreifen in Regenbogenfarben leuchten.

Die Touristen-Zentren sind sehr hübsch herausgeputzt: Whistler, der Olympiaort von 2010 hat eine große Fußgängerzone, was sehr angenehm ist. Jasper liegt am Athabasca River und bietet ein reichhaltiges Angebot an Restaurants. In „Evil Dave’s Grill“ gibts „Cowboy Sushi“ – gefüllt mit Rindfleisch und frittiert. Nach Banff gehts über den Icefields Parkway, der zu den schönsten Straßen Nordamerikas zählt. Unterwegs stoppen wir an diversen Sehenswürdigkeiten. Banff hat ein gutes Nahverkehrssystem. Mit dem Bus fahre ich vom Campingplatz zur Gondel auf den 2295 hohen Sulphur Mountain, dann erhole ich mich in den heißen Quellen. Anschließend ein kleiner Bummel durch die Hauptstraße voller Geschäfte mit konventionellen (Ahornsirup) und verrückten (einteilige Schlafanzüge mit Elchen und einer Hinternklappe, auf der „Don’t moose with me“ steht) Souvenirs.

Wenig los hingegen ist im von Halbwüste umgebenen Lillooet. Auf der Grünfläche, wo wir Mittagspause machen, steht vor einem Baum ein Schild, das an den verblichenen Bob „Shit Happens“ Elless erinnert. Daneben die Glocke eines verunglückten Zuges, in dem der Lokführer und der Bremser starben. Scheint eine sehr gefährliche Gegend zu sein… Auch die Kleinstadt Hope zwischen Kamloops und Vancouver hat nicht allzu viel zu bieten, außer dass dort 1982 „Rambo“ gedreht wurde.

Auf dem Weg von Golden nach Kamloops überquert unsere Gruppe den 1330 Meter hohen Rogers Pass. Wir sind nicht die Ersten: Eine Tafel informiert über weibliche Pioniere, die (Skandal!) Hosen trugen. Dabei steht ein Zitat aus einer lokalen Zeitung von 1911. Der Autor schlägt vor, diese Frauen zu schlagen und ins Bett zu schicken: „Hosen wurden für Männer gemacht und nicht für Frauen. Frauen wurden für Männer gemacht und nicht für Hosen.“ Heute hingegen kann man als Frau in Blechhosen ungestraft für ein Erinnerungsfoto posieren. Die Erdhörnchen posieren auch. Aber ohne Hosen.

Seitenanfang

Nichts für Schnarchbären

Natürlich kann man in Kanada einfach nur Faulenzen. Aber dann würde man das Beste verpassen. Es ist wirklich ein Paradies für Outdoor-Enthusiasten. Ideal zum…

WANDERN

Squamish Auf dem Weg von Vancouver nach Whistler stoppen wir, um den „Chief“ zu besteigen. Der Weg auf den ca. 600 Meter hohen Felsen ist steil und startet bei den Shannon Falls. Im oberen Teil klettert man teilweise sogar an Ketten hoch. Der Blick entschädigt allerdings für die Mühen. Frustrierend: Ständig werde ich von superfitten Einheimischen, darunter sogar Kinder und Hunde, überholt. Immerhin schaffe ich es bis zum ersten von drei Gipfeln.

Jasper National Park Als wir in die Rocky Mountains kommen, werden die Berge höher (bis fast 4000 Meter). Unter Führung von Paula, die die Firma „Walks and Talks“ betreibt, wandere ich zu den Cavell Meadows. Es geht acht Kilometer von 1700 auf 2300 Meter Höhe und zurück. Die Wildblumen blühen, u.a. ein haariges Gewächs namens „Hippie on a Stick“. Auf dem Weg sind Massen von Leuten unterwegs. Die Gegend um den berühmten Maligne Lake, wo sich sonst die Touristen tummeln, ist wegen eines Waldbrandes gesperrt. Ständig fliegen Hubschrauber mit Wasserbomben hin und her. Paula, die aus Jasper stammt, erzählt, dass die Wälder ab und zu brennen müssen. In dem 1907 gegründeten Nationalpark hat die Verwaltung in den ersten Jahren die regelmäßig entstehenden Feuer so gründlich gelöscht, dass der Wald teilweise überaltert und krank ist. Der Weg führt vorbei an zwei Gletschern. Ein Dritter ist 2012 nach einer Hitzewelle vom Fels in den darunter liegenden See gerutscht und hat eine Flutwelle ausgelöst. Der Sommer 2015 ist im Schnitt zehn Grad wärmer als normal. Keine guten Aussichten für die Übrigen… Auch im letzten Winter war es „nur“ minus 19 statt minus 30 Grad.

Athabasca Glacier Ich mache mit untergeschnallten Spikes eine Wanderung auf den ca. 2100 Meter hoch gelegenen Gletscher, der fast bis an den Icefields Parkway heranreicht. Man sieht an Markierungen, wieviel seit dem 19. Jahrhundert schon weggetaut ist. Überall rauscht Wasser in Sturzbächen den Berg hinunter. Der Guide erklärt anhand eines Mars-Riegels, wie sich ein Gletscher bewegt, und lässt uns in tiefe Spalten blicken.

Lake Louise An einem Ende des Sees steht ein klotziges Schlosshotel. Von dort aus führt ein 3,4 Kilometer langer Wanderweg zum Lake Agnes Teahouse hinauf. Auf 1700 Metern sind es ca. 20 Grad, also deutlich kühler als die letzten Tage. Zwischendurch geht ein heftiger Regenschauer runter. Als ich endlich oben ankommen ist das Teehaus total überfüllt. Also kein Essen, kein Heißgetränk. Dafür gibts etwas oberhalb eine schöne Aussicht auf Lake Louise und den oberhalb gelegenen Mirror Lake.

ZIPLINING

In Whistler mache ich wieder einmal Ziplining. Luxus: Mit der „Peak To Peak“-Gondel fahren wir zur Mittelstation des Whistler Mountain, also kein Hochkraxeln zum Start. Bremsen muss man auch nicht selbst. Das machen die Guides. Neben uns rasen Mountainbiker bergab und springen über Schanzen. Der Lift, der im Winter die Skifahrer zu den Pisten transportiert, schaufelt jetzt sie den Berg hinauf. Umgebaute Sessel halten die Fahrräder.

PADDELN

Im Wells Gray Provincial Park übernachten wir auf einer Guest Ranch. Besitzer Mike trägt Bart, Cowboyhut und ist ein waschechter – Österreicher! Morgens packen wir die Sachen, fahren zum Clearwater Lake und steigen vom Truck in Kanus um. Unser Paddel-Guide Kevin hat ein T-Shirt mit der Aufschrift „Vegetarian: Indian word for lousy hunter“ an, ist ein Nachfahre von Pionieren, auf einer Ranch aufgewachsen und früher Rodeos geritten. Außerdem spielte er in einer Countryband Gitarre, bis er mit der rechten Hand in eine Säge kam. Die Landschaft ist völlig unberührt und dicht bewaldet. Vor allem mit ganz schlanken Nadelbäumen, die nicht wie die europäischen von unten, sondern von oben absterben. Die einzige Straße endet am Bootsanleger. Sonst ist das Ufer nur vom Boot aus zu erreichen, ebenso wie unser Campingplatz Diver’s Bluff. Der erste Weiße hat die Gegend erst 1921 betreten. Auch die Indianer haben hier nicht gelebt, sondern gejagt. Die einen kamen von Süden, die anderen von Norden. Am Battle Mountain haben sie sich regelmäßig getroffen und skalpiert. Denn die Verlierer der Schlacht mussten in schlechtere Jagdgründe ausweichen und hatten einen harten Winter.

RAFTING

In Golden raften wir auf der mittleren und unteren Sektion des Kicking Horse Rivers, der seinem Namen alle Ehre macht und fleißig um sich tritt. Das Wasser hat nur 3 Grad. Das letzte Mal war es vor 10.000 Jahren wärmer. Etwas zu spät gekommen… Immerhin gibts Neoprenanzüge für alle.

Seitenanfang

Die Hörnchen sind los

Am ersten Tag besuche ich das Vancouver Aquarium. Meine Favoriten sind die unglaublich putzigen Seeotter, ein riesiger orangefarbener Krake und die beiden Belugas, die in einer Show gezeigt werden. Sonst bekomme ich keine Meerestiere zu Gesicht, da wir nur kurz die Pazifikküste hochfahren, bevor wir Richtung Rocky Mountains nach Osten abbiegen.

Nachdem wir in Whistler erstmals die Zelte aufgeschlagen haben, bekommen wir Instruktionen, wie man sich „bear aware“ verhält. Dass wir uns den Lebensraum jetzt mit Bären teilen, sieht man an deren Hinterlassenschaften in unmittelbarer Nähe und Kratzspuren an den Bäumen. Tagsüber ist es den Räubern in der Regel zu unruhig. Aber nachts locken interessante Gerüche sie aus den Bergen hinunter. Man darf nicht nur keine Lebensmittel im Zelt lassen, sondern auch keine duftenden Artikel wie Seife oder Deo. Wir möchten zwar gerne Bären in freier Wildbahn beobachten, aber nicht den Schlafsack mit ihnen teilen. Bei Wanderungen hört man Glöckchen. Die werden nicht wie in den Alpen von Kühen getragen, sondern von anderen Wanderern, um Bären abzuschrecken. Alternativ kann man auch laut singen. Wie bei uns leise durch den Wald zu schleichen, um die Tiere nicht zu verscheuchen, wird nicht empfohlen. Überall stehen Schilder mit Bärenwarnungen. Tatsächlich läuft einem Mitreisenden bei einer Wanderung eine Schwarzbärenmutter mit drei Jungen über den Weg.

Ich hingegen sehe meine einzigen Bären im BC Wildlife Park in Kamloops. Dort gibt es sogar sogar einen der seltenen weißen Schwarzbären (auch Geisterbär oder Spirit Bear genannt), der versteckt im Gebüsch auf der faulen Haut liegt. Später kommt er heraus und kratzt sich ganz profan seinen Hintern an einem Baumstumpf. Drei dunkle Artgenossen kriegen in ihrem Gehege gerade Snacks (Wassermelonen, Gurken u. Ä.), die in Bäumen oder im Teich versteckt werden. Dann stürmt das Trio raus. Nein, die will man wirklich nicht im Zelt haben! Der kleine Tierpark beherbergt vor allem verletzte oder verwaiste Tiere (meist durch Autounfälle) wie den dreibeinigen Luchs Robert. Oder im Zoo geborene Tiere, die nicht ausgewildert werden können, z.B. Elchdame Cherry. Auf dem ganzen Trip waren ellenlange Güterzüge unsere ständigen Begleiter (Frage an die Deutsche Bahn: Wieso ist in einem Land mit eiskalten Wintern und heißen Sommern Schienenverkehr möglich, aber bei uns nicht?). Das Zoogelände durchziehen ebenfalls Gleise. Allerdings im Kleinformat und mit einem Personenzug drauf. Am Ende des Parks führt ein Weg an einem Bach entlang hinauf zu den Dipper Falls. Kurz davor steht eine hölzerne Geisterstadt mit Minihäusern, die wohl einst von Vögeln bewohnt wurden.

In Golden besuchen wir eine Bisonfarm. Büffel-Bulle „Chester Junior“ wacht über eine Herde, zu der auch drei Babys gehören. Er hatte Glück. Normalerweise enden die Männchen als Burger, wenn sie geschlechtsreif werden, um Kämpfe zu vermeiden. Aber „Chester Senior“ ist im hohen Alter von 26 Jahren gestorben. Nebenan leben acht Grauwölfe, die in Gefangenenschaft zur Welt kamen. Einer wird an einer Leine spazierengeführt, damit er Bewegung bekommt. Eine Wärterin stellt die Tiere vor und ermuntert am Ende die Menschen, zu heulen. Die Wölfe fallen sofort ein. Später höre ich, dass die Nachbarn von dem Projekt nicht allzu begeistert sind…

Der Campingplatz Whistlers in Jasper ist furchtbar groß. Alles sieht gleich aus, ständig verirrt man sich. Immerhin erblicke ich am zweiten Abend auf dem weiten Weg zur Dusche direkt neben dem Spielplatz einen kapitalen Hirsch. Und erinnere mich, dass Guide Paula uns bei der morgendlichen Wanderung gesagt hat, die seien gefährlicher als Bären. Verwirrend: Hirsch heißt hier Elk, Elch hingegen Moose. Kürzlich soll ein Grizzly zwischen den Zelten Jagd auf Hirschkälber gemacht haben.

Auf dem Campingplatz in Banff werden wir gewarnt, selbst tagsüber nichts Duftendes im Zelt zu lassen. Denn es gibt hier nicht nur Bären, sondern auch massenhaft Erdhörnchen und Mäuse. Selbst, wenn die alles anknabbern – sie sind unheimlich niedlich. Überhaupt kommen Hörnchen-Freunde wie ich in Kanada voll auf ihre Kosten: Auf dem „Chief“, wuselt ein winziger Chipmunk herum, am Camp Diver’s Bluff am Clearwater Lake empfängt uns ein Streifenhörnchen. Aus den Bäumen hört man seltsame Geräusche. Die stammen von größeren Eichhörnchen. In der Nähe vom Lake Agnes Teahouse hockt sogar ein Murmeltier. „Ihr Name ist Laureen“, sagt eine Kellnerin vom Restaurant. Sie wurde als Baby von Menschen gerettet und ist dadurch nicht scheu.

 

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME

BRITISH VIRGIN ISLANDS 🇻🇬

Reiseroute 2015

Road Town (Tortola, Hauptstadt der BVI) – Hodge’s Creek (Tortola, Marina) – Trellis Bay (Beef Island, erste Nacht auf dem Schiff) – The Bath (Virgin Gorda) – George Dog (Schnorchelstop) – Saba Rock (zweite Nacht auf dem Schiff) – Anegada (dritte Nacht auf dem Schiff) – Monkey Point (Schnorchelstop) – White Bay (Guana Island, Strandstop) – Little Jost Van Dyke (vierte Nacht auf dem Schiff) – Sandy Cay (Strand- und Schnorchelstop) – White Bay (Jost Van Dyke) – Sopers Hole (Tortola, Einkaufsstop) – The Bight (Norman Island, fünfte Nacht auf dem Schiff) – The Indians (Schnorchelstop) – The Caves (Norman Island, Schnorchelstop) – Salt Island (sechste Nacht auf dem Schiff) – Wrack der „Rhone“ (Schnorchelstop) – Cooper Island (siebte Nacht auf dem Schiff) – Hodge’s Creek (Tortola) – Lambert Bay (Tortola)

Planespotting

 

Nachdem ich mir im Skiurlaub 2014 das rechte Knie zerlegt hatte, war ich fast ein Jahr lang nicht reisefähig. Im März 2015 hebe ich endlich wieder ab, lasse es allerdings schön langsam angehen: Segeln in der Karibik! Über Amsterdam fliege ich zunächst nach St. Maarten. Nach neuneinhalb Stunden in der Luft befinde ich mich immer noch auf niederländischem Boden. Irgendwie. Am Flughafen schnüffeln Hunde. Einer schlägt bei meinem Handtäschchen an. Er sucht nicht etwa Drogen. „Wieviel Bargeld haben Sie dabei?“, fragt der Zöllner. Ca. 300 Dollar.“ Und Euro? „Ca. 30.“ Das reicht weder zur Steuerhinterziehung, noch zur Gründung einer Briefkastenfirma. Also darf ich gehen und die drei Stunden Umsteigezeit nutzen, um den wohl verkehrsgünstigsten Strand der Welt zu besichtigen. Zehn Minuten Fußweg, dann stehe ich am Maho Beach. Dort ziehen einem die landenden Flugzeuge mit dem Fahrwerk fast einen Scheitel, während die Triebwerke der Startenden alles wegpusten – Handtücher, Sonnenschirme und sogar einen Mann. Bei der nahen Bar steckt ein Surfbrett im Sand, auf dem mit Kreide die Ankunft- und Ablugzeiten der Jets notiert sind. Zum Weiterflug auf die benachbarten British Virgin Islands steige ich in die zweitkleinste Maschine, in der ich je gesessen habe. Die Pilotenkabine hat keine Tür, von Reihe 2 aus kann ich den beiden über die Schulter gucken. Navigiert wird über ein Samsung Tablet, das in einer selbstgebastelten Halterung steckt. Hier muss keiner sein Handy ausschalten. Elektronik zum Stören gibt es wohl nicht…

Seitenanfang

Lila Pause mit Hühnern

Den Strand in St. Maarten „zieren“ Hochhäuser, überhaupt scheint die Insel ziemlich dicht bebaut zu sein. Tortola, die Hauptinsel der BVI hingegen sieht schon von oben verheißungsvoller aus. Nach der Landung auf dem Flughafen im benachbarten Beef Island fahre ich mit dem Taxi über eine Brücke an die Südküste in die Hauptstadt Road Town. Auf der Gegenfahrbahn herrscht Stau. Offenbar sind gerade alle 25.000 Einwohner der Inselgruppe gleichzeitig unterwegs. Zum Glück haben die ca. 400.000 dort registrierten Briefkastenfirmen keine Mitarbeiter. Sonst würde es richtig eng. Vom Verkehr abgesehen ist der Ort beschaulich. Nicht hässlich, jedoch auch nicht übermäßig schön. Bevor ich zum Treffen mit der Yachtcrew zur Marina in Hodge’s Creek fahre, sehe ich mich um. Die größte Attraktion ist Main Street mit ihren alten Häusern. Den Gogol-Bordello-Song „Start Wearing Purple“ scheint man hier wörtlich zu nehmen: Viele der Häuser sind lila, auch der Supermarkt in Sopers Hole am Westende von Tortola, wo sich die Yachtbesatzungen unterwegs versorgen. Dementsprechend kommen die Leute nicht mit Autos, sondern mit Dinghis zum Einkaufen. Sogar ein Müllwagen glänzt in der Farbe. Überall in Road Town laufen Hühner herum. Als ich in einem Imbiss frühstücke, kommt sofort eine Mutter mit zwei Küken angelaufen und pickt die Muffinkrümel unter mein Stuhl weg. Während ich meinen Kaffee trinke, passiert etwas Unerwartetes: ES REGNET! Ok, in der Nacht hatte es kräftig geschüttet. Das kennt man ja aus den Tropen. Ich trage nur ein Hemdchen, Shorts und Sonnenbrille und warte, dass es wieder aufhört. Zum Glück ist meine Sonnencreme wasserdicht… Ich kaufe einen Schirm, um wieder ins Hotel zurückzukommen. Es steht auf den Fundamenten eines Forts, das die Holländer vor 1666 erbaut hatten. Daher zielt immer noch im Garten eine Kanone in die Bucht, in der nun unbewaffnete weiße Segelschiffe liegen. Nach meinem Törn verbringe ich die letzte Nacht meines Urlaubs im Nordosten Tortolas in der Lambert Bay. Das Beach Resort hat einen Riesenpool mit Bar. Am Strand darf man an diesem Tag leider nicht baden. Die Brandung ist verlockend, aber es gibt wohl eine gefährliche Unterströmung. Vor meinem Rückflug genieße ich am Flughafen in einem Café draußen noch einmal die Wärme. Dort hängen auch ein Hahn, zwei Katzen und drei Spatzen herum.

 

Seitenanfang

Frei wie ein Fisch

Insgesamt umfassen die British Virgin Islands mehr als 60 Inseln und Riffs. Am besten macht man es wie einst die „Piraten der Karibik“ und erkundet sie per Schiff. Nicht mit einem der Kreuzfahrtriesen, die nur in der Bucht vor Road Town ankern können, sondern mit einem kleinen Katamaran, der einen direkt zu den zahllosen Stränden und Schnorchelplätzen bringt. Die Gegend ist ein ideales Segelrevier, da stetig der Passatwind weht. Zudem ist der Atlantik hier nicht so rau: Die meisten Inseln gruppieren sich um den geschützen Sir-Francis-Drake-Kanal herum.

Mein Zuhause für den Segeltörn ist ein 44 Fuß langes Boot von Fountaine Pajot mit vier erstaunlich großen Kabinen, von denen jede ein eigenes Bad hat. Weil wir nur vier Passagiere sind, müssen wir nicht mal teilen. „I am Free“ – der Name ist Programm. Weniger passend hingegen wurde der „Bitter End Yacht Club“ auf Virgin Gorda getauft – ist eigentlich mehr ein „Happy End“. Auch die Traumbuchten „White Bay“ auf Guana Island und „White Bay“ auf Jost Van Dyke hätten originellere Bezeichnungen verdient. Sehr kreativ dagegen finde ich „De Loose Mangoose“. So heißt das Restaurant auf der Flughafeninsel Beef Island, in dem unseren kleine Gruppe nach einem Großeinkauf im Supermarkt den ersten Abend verbringt. In den folgenden Tagen klappern wir ein Highlight nach dem anderen ab:

 

THE BATH Die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit der BVI befindet sich am Süd­ende der Insel Virgin Gorda: Ein Haufen riesiger, bizarr geformter Felsblöcke liegt am Strand, als hätte ein Riese damit Murmeln gespielt. Teilweise stapeln sie sich über­einander und bilden Höhlen. Auf einem Pfad kann man vom Spring Bay Beach zum Devil’s Bay Beach (wieder so ein unpassender Name!) wandern und dabei um sie herum, drüber und drunter klettern. Das ist nichts für allzu breit gebaute Menschen und mancher untrainierte Kreuzfahrer hat hier schon sein Leben gelassen, erzählt unser Captain.

SABA ROCK ist ein kleiner Felsen vor der Nordostküste von Virgin Gorda. Darauf steht ein Hotel mit Restaurant. Fisch liegt nicht nur auf dem Teller: Vor dem Anleger tummeln sich riesige Tarpune, die mit Futter angelockt werden. Vor dem Essen wandere ich vom Bitter End Yacht Club aus auf den Biras Hill, von dem man einen herrlichen Blick auf die Bucht hat.

ANEGADA – die einzige Insel im Archipel, die nicht vulkanischen Ursprungs ist. Sie besteht aus Korallen und ist extrem flach. Die Tsunami-Warnungen, die sonst überall hängen, bringen hier nichts. Mit dem Taxi fahren wir von unserem Ankerplatz im Süden zum Loblolly Bay Beach an der Nordküste. Abends probiere ich den Hummer, für den dieses Eiland berühmt ist. Nicht übel!

LITTLE JOST VAN DYKE Die Insel ist wie ihre „große Schwester“ nach einem holländischen Piraten benannt und hauptsächlich von Ziegen bewohnt. Trotzdem lohnt sich auch für Menschen ein Besuch: Wir setzen über zur „B-Line Beach Bar“. Nach einer Weile erscheint der sehr entspannte Besitzer und mixt uns Cocktails.

SANDY CAY Ein unbewohntes kleines Paradies südöstlich von Jost Van Dyke. Der dichte Dschungel ist voller Leben: U.a. tummeln sich dort Einsiedlerkrebse, Eidechsen und kleine gelbe Vögel. Am Strand herrscht herrlicher Wellengang, der einen umwirft und durch den weißen Sand schmirgelt.

JOST VAN DYKE Wir ankern in der „White Bay“, wo sich die berühmte „Soggy Dollar Bar“ befindet. Ihren Namen verdankt sie der Tatsache, dass viele der Gäste von den Yachten herüberschwimmen und ihre Drinks dementsprechend mit feuchtem Geld bezahlen. Die Scheine werden dann zum Trocknen auf eine kleine Wäscheleine gehängt. Wir trinken alle einen „Painkiller“, der dort erfunden wurde. Ein etwas seltsamer Anblick bietet sich in den beiden benachbarten Bars, wo jeweils (im März!) noch geschmückte Plastiktannenbäume stehen.

THE BIGHT In der Bucht von Norman Island liegt „Willy T“. Angeblich finden auf dem Barboot regelmäßig legendär wilde Partys statt, was auch diverse Fotos beweisen. An diesem Abend jedoch ist außer uns kaum jemand an Bord. Allerdings ist das Essen (gegrillter Thunfisch) sehr lecker.

THE INDIANS Die auffälligen Felsen liegen nordwestlich vor Norman Island und tragen ihren Namen nicht von ungefähr: Sie wirken, als würde der Kopfschmuck von mehreren Indianern aus dem Wasser ragen. Drumherum und zwischendurch lässt es sich wunderbar Schnorcheln.

THE CAVES In den Höhlen auf Norman Island haben früher Piraten ihre Beute gelagert. Schließlich diente der Ort als Vorbild für Robert Louis Stevensons Buch „Die Schatzinsel“. Leider sind die Goldmünzen inzwischen wohl alle gefunden und geplündert worden. Immerhin kann man in die Höhlen hineinschwimmen.

SALT ISLAND Früher wurde auf der Insel Salz gewonnen. Seit der letzte Bewohner gestorben ist, wohnt dort niemand mehr. Die verlassene Siedlung wirkt gruselig: Im Foyer des ehemaligen Gästehauses stehen noch ein verrosteter Kühlschrank und ein verstaubtes Telefon. Vor einigen der verfallenen Hütten ist ein „Welcome“ in den Beton geschrieben worden.

WRACK DER „RHONE“ Die schroffen Felsen und Riffe der BVI sind schon vielen Schiffen zum Verhängnis geworden. 1867 beispielsweise strandete die „Rhone“ in einem Hurrikan vor Salt Island. Inwischen wurde das Wrack zum Nationalpark erklärt. Die Überreste sind auch für Schnorchler gut zu erkennen, weil das Wasser so klar ist.

COOPER ISLAND In der halbmondförmigen Manchioneel Bay ankern viele Yachten. An einem Ende gibt es ein Riff, das sich als einer der besten Schnorchelplätze des Törns erweist. Am Strand ist ein hübsches, kleines Resort mit einem guten Restaurant – ein perfekter Platz für einen entspannten letzten Tag.

Zum Abschluss noch ein paar Impressionen von unseren vielen Schnorchelstops: Es lohnt sich, auf den BVI den Kopf ins Wasser zu stecken! Neben den üblichen Verdächtigen wie Papageienfischen entdecke ich großäugige Eichhörnchenfische, zwei verschiedene Rochenarten, Barracudas, Meeresschildkröten, Igel- und Kofferfische. Die Riffe sind sehr lebendig. Besonders beeindruckend sind die lilafarbenen, fächerförmigen Korallen, die ich bisher noch nirgendwo sonst gesehen habe.

 

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME

MYANMAR 🇲🇲 

Reiseroute 2014

YangonBagan (Ausflug nach Mt. Popa) – Sagaing (Stop unterwegs) – Mandalay (Ausflug nach Pyin U Lwin) – U Bein-Brücke (Stop unterwegs) – Kalaw (Wanderung durch die Dörfer der Umgebung) – Pindaya (Stop unterwegs) – Nyaungshwe (Inle-See, Ausflug nach Indein) – YangonKawthoungMyeik-Archipel (u.a. Insel 115, Bo Cho, Lampi Kyun, Swinton, Macleod) – Yangon

Ein Land im Wandel

„Wo fährst du denn hin?“, werde ich vor meiner Abreise gefragt. Diesmal stellt mich das vor eine Herausforderung: Sage ich nun „Birma“, „Burma“ oder „Myanmar“? (Und sind die Einwohner eigentlich Birmanen, Burmesen, Myanmarer, Myanmanen, Myanmarier, Myanmaren, Myanmaresen…?) „Burma“ ist der alte englische Name aus der Kolonialzeit, „Birma“ die deutsche Version und von den Militärs wurde das Fleckchen Erde zwischen Indien, Bangladesch, China, Laos und Thailand 1989 in „Myanmar“ umgetauft (ebenso wie viele Orte, was für Verwirrung sorgt). Beide Begriffe leiten sich von „Bamar“ ab, der größten der vielen Bevölkerungsgruppen.

Nur Bares ist Wahres. Kreditkarten werden nirgendwo akzeptiert. FALSCH! Das Land verändert sich so schnell, dass Anfang 2014 die Angaben in 2013 erschienenen Reiseführern schon nicht mehr stimmen. Inzwischen steht selbst mitten in Yangons Shwedagon Pagode ein Geldautomat, der die Landeswährung Kyat ausspuckt. Lediglich auf dem Land sind makellose Dollar-Noten (seltsamerweise am liebsten 100er, für die gibt es einen besseren Kurs als für kleine Scheine) für den Umtausch nach wie unverzichtbar. Unerwartet habe ich an vielen Orten Internet-Zugang via W-LAN, komme problemlos an meine E-Mails. Nicht die einzige Überraschung: Bis vor kurzem durfte man weder Handys noch Presseprodukte nach Myanmar einführen. Jetzt wundert sich die Reisegruppe über einen Straßenstand mit Massen von Zeitungen und Zeitschriften, die Namen wie „Democracy“ tragen. „Die Pressezensur wurde abgeschafft“, erklärt unser Guide Louis, „60 Prozent des Inhalts bestehen aus Politik. Die Leute interessieren sich brennend dafür“. 2015 stehen (hoffentlich freie) Wahlen an. Louis kann jetzt offen sagen, dass er die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi unterstützt und uns ihr Haus zeigen. Früher undenkbar. Seit die Militärs 2011 nach rund 50 Jahren Diktatur einen zivilen Präsidenten als Staatsoberhaupt einsetzten, befindet sich das Land im Aufbruch. Überall wird gebaut, gestrichen (Bordsteine weißrot) und ordentlich gepflanzt. Auch die ursprünglich für den Abriss vorgesehenen Kolonialgebäude im Zentrum der ehemaligen Hauptstadt Yangon sollen erhalten werden.

Immer mehr Touristen besuchen Myanmar. An abgelegeneren Orten sind Fremde allerdings noch eine Attraktion. Zweimal sprechen mich an einem Wasserfall bei Pyin U Lwin Einheimische an, die sich mit mir fotografieren lassen wollen. Darunter ist auch ein junger Mönch mit seiner kompletten Familie, inkl. Oma. Unterwegs halten wir einmal in einem Dorf, in dem gerade ein Pagodenfestival stattfindet. Leider ist das Ochsenkarren-Rennen schon vorbei. Auch der Gesangswettbewerb mit traditionellen birmanischen Liedern neigt sich dem Ende zu. Während der letzte Teilnehmer singt, dreht sich das Publikum plötzlich um und blickt uns an. Eine ältere Frau nähert sich und befühlt die schneeweiße Haut einer englischen Mitreisenden. In der Stadt Kawthoung im äußersten Süden errege ich ebenfalls weit mehr Aufmerksamkeit, als mir lieb ist. Beim Bummel durch die Straßen folgen mir alle Augen. Ein kleiner Junge kommt sogar aus einem Haus angelaufen und überreicht mir feierlich eine Mango. „She su be (danke)!“ Damit habe ich ein Drittel meines birmanischen Wortschatzes angebracht. (Die Begrüßung „Mingalaba“ und die Abschiedsflokel „Tata“ sind der Rest). „Take care of tourists“, mahnt ein Schild die Einheimischen. Etwas doppeldeutig. Wenn nicht jeder, der mir entgegenkommt, so freundlich grüßen würde, wäre es mir unheimlich… Auf einem Felsen am Hafen befindet sich ein hübscher Park mit einer martialischen Statue von einem früheren König, der gerne mal im nahen Thailand eingefallen ist. Ich suche mir ein schattiges Plätzchen unter einem kieferartigen Baum. Auf einmal fühle ich, dass ich beobachtet werde. Vier Jungs sehen mich mit unverhohlener Neugier an. Ich denke: „Hey, ich bin die Touristin. Es ist mein Job, Leute anzustarren.“ Wieder bringe ich meinen Wortschatz an.

Seitenanfang

Von wegen
„Friede, Freude, Eierkuchen“!

Fast 90 Prozent der Einwohner Myanmars sind Buddhisten, einige der größten buddhistischen Heiligtümer befinden sich im Land. Darunter ist die Shwedagon Pagode in Yangon. Sie besteht aus 60 Tonnen Gold und ist damit der größte Brocken der Welt. Dementsprechend glänzt sie. Bundespräsident Gauck ist auch gerade da. Ulkig, in Deutschland habe ich ihn noch nie getroffen. Viele der Buddha-Figuren in den Tempeln sind echt erleuchtet – mit bunt blinkenden Heiligenscheinen. Rund um die Pagode befinden sich einzelne Altäre für die acht (!) Wochentage (Mittwoch wird in Vormittag und Nachmittag unterteilt), die jeweils Tieren zugeordnet sind. Ich bin an einem Dienstag geboren und damit Löwe. In der Pagode sollen sich acht Haare Buddhas befinden. Des vierten der bisherigen Buddhas, man wartet gerade auf Nummer fünf. Wenn er erscheint, ist Armageddon: Die Welt, wie wir sie kennen, geht unter. Oder so. Es ist kompliziert. Unser Guide erzählt noch von 28 anderen Buddhas. Sind es also insgesamt 32? Nein, irgendwie nicht. Es ist sehr kompliziert. Der Buddhismus wird im Westen gerne als emanzipiert, tolerant und friedfertig idealisiert. Die Realität relativiert diesen Eindruck ein wenig.

Emanzipiert? Die Terrasse der Shwedagon Pagode dürfen Frauen nicht betreten, andere Heiligtümer wie den Goldenen Fels bei Bago und Mönche nicht berühren. Viele der inbrünstig Betenden sind weiblich: Sie wollen nicht etwa Schönheit oder Reichtum, sondern im nächsten Leben als Mann wiedergeboren werden. Frauen können nämlich nicht erleuchtet werden und das Nirwana erreichen, müssen also in jedem Fall noch mindestens eine Runde auf der Erde drehen. Tolerant? In Mandalay sehen wir einmal eine Prozession von Indern vorbeikommen, die Buddha und eine Hindu-Gottheit tragen. Moslems dürften auf der Straße nicht so einen Krach machen, erklärt Louis. Im Rakhaing-Staat kommt es mit der moslemischen Minderheit der Rohingya sogar zu brügerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Friedfertig? In Bagan wurden vom 11. bis 13. Jahrhundert tausende von Tempeln und Pagoden errichtet, von denen viele noch erhalten sind. In der Regel wurden sie von Reichen und Mächtigen gestiftet, die etwas kompensieren wollten. Narathu beispielsweise hat im 12. Jahrhundert erst den Vater, dann den älteren Bruder umgebracht, um König zu werden. Als ihn später seine Frau genervt hat, auch sie. Um sein Karma-Konto auszugleichen, ließ er in Bagan aus Ziegelsteinen den Dhammayangyi Tempel bauen. Damit die Arbeiter anschließend nie wieder so etwas Perfektes schaffen konnten, wurden sie lebendig eingemauert. Dort sitzen sie immer noch. Innen wirkt das Ganze entsprechend gruselig, überall hängen Fledermäuse an der Decke. Auch heute noch werden manchmal Menschen geopfert, erfahren wir von Louis. Vor fünf Jahren verloren fünf unverheiratete Männer mit glücksverheißenden Namen ihr Leben, damit ein Brückenprojekt unter einem guten Stern steht. (Aber das fällt mehr in den Bereich „Aberglaube“, s.u.).

In den sehr alten Tempeln Bagans sind auch indische Gottheiten wie Brahma und Vishnu zu sehen. Allerdings wurden sie von den Buddhisten zu Geistern (Nats) degradiert. Umgekehrt betrachten die Hindus Buddha ähnlich wie die Moslems Jesus nur als eine Art Propheten. Manche der Monumente kann und darf man besteigen. Die Stufen sind sehr steil. Der Himmel muss halt erarbeitet werden.

Beim Besuch von Tempeln, Pagoden, Heiligtümern und Klöstern erscheint für Außenstehende manches widersprüchlich oder skurril: Schuhe müssen grundsätzlich draußenbleiben. Vor dem Betreten muss man sie ausziehen und stehenlassen. Auch die Socken. (Was ist eigentlich, wenn einer einen Gips trägt?) Da kennen die Buddhisten keine Gnade, selbst wenn es schneit. Als wir die Höhlen von Pindaya mit ihren 8000 Buddhas besichtigen (nach der Penishöhle in Thailand die zweitschrägste Grotte, die ich je gesehen habe), ist es ziemlich frisch. Kalte Füße! Komischerweise befinden sich beispielsweise in der Two Snake Pagode auf dem Mandalay Hill überall Stände, die Schuhe verkaufen. Wieso dürfen die hier rein? In Indein nahe dem Inle-See, wo sich zahllose Stupas in allen Stadien der Renovierung befinden, steht sogar ein Motorrad direkt im Eingang des Tempels. Müsste das nicht wenigstens die Reifen ablegen?

Jeder Buddhist sollte hin und wieder Zeit im Kloster verbringen. Insgesamt gibt es rund 500.000 Mönche in Myanmar. Schon Kinder leben mindestens fünf Tage lang als Mönch oder Nonne. Alle werden kahlgeschoren. Jungs und Mädchen sind oft nur an Farbe des Gewands zu unterscheiden. Einmal sehe ich einen Mini-Mönch mit einer Plastikpistole spielen. Ein seltsamer Anblick… In Sagaing besichtigen wir die Sun U Ponnya Shin-Pagode, die von der Terrasse einen herrlichen Blick bietet. Dort telefoniert ein Mönch gerade mit dem Handy. Beim Besuch auf dem Mandalay Hill knipsen sich junge Mönche fleißig gegenseitig. Buddha hat zwar gesagt, Luxus sei schlecht. Handys, Tablets und Fotoapparate hat er hingegen vor ca. 2500 Jahren nicht erwähnt. Ähnlich: Mönche dürfen nicht trinken, doch das Rauchen hat Buddha nicht ausdrücklich verboten. Íst also erlaubt. Irgendwie. Während sich Mönche morgens barfuß ihr Essen erbetteln, sieht man sie sonst auch auf Motorrädern vorbeiknattern.

Eine Kuriosität existiert leider nicht mehr: Im Inle-See gibt es das Kloster Nga Phe Chaung Kyaung, in dem Mönche die örtlichen Katzen durch Reifen springen ließen. Das haben sie aufgegeben, weil sich die Touristen dafür weit mehr interessierten, als für die historischen Altäre.

 

Seitenanfang

Links fahren bringt Unglück

Neben der Religion spielt der Glaube an Geister eine wichtige Rolle. Der Übergang ist fließend. Die sogenannten Nats wurden genormt, auf 37 reduziert und in den Buddhismus integriert. Sie lassen sich wohl ganz gut mit den katholischen Heiligen vergleichen. In der Regel sind es reale Personen, die eines unnatürlichen Todes gestorben sind. Die meisten sind Frauen (sind eher geeignet als böse Geister herumzuspuken). Ihr Zentrum ist Mt. Popa, bzw. die Felsnadel, die davor in der Ebene aufragt. Eine überdachte Treppe führt zum Tempel an der Spitze. Zwischen Buddhas in Schneekugeln toben wilde Affen herum. Auch in der Two Snake Pagode wird die Vermischung zwischen Geisterglauben und Buddhismus deutlich: Eine Figur zeigt eine Ogerin, die ihre abgeschnittenen Brüste in der Hand hält. Sie hat sie Buddha geopfert, um als König wiedergeboren zu werden. Das nutzte sie/er dann weidlich aus. Die Majestät hatte 500 offizielle und 500 inoffizielle Frauen und ließ in Mandalay einen riesigen Palast (jeweils 1 km im Quadrat) anlegen.

Die Macht, die Astrologie und Aberglaube in Myanmar ausüben, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Man darf z.B. einen Busfahrer nicht fragen, wann man da ist (bringt Unglück, warum auch immer). Im Gegensatz zu Männern dürfen Frauen nicht auf dem Dach eines Pickups sitzen (bringt Unglück, denn dann wären sie ja über ihnen). Den Shan-Staat darf man nicht mit neun Personen betreten (bringt Unglück, weil es hier neun Geister gibt). Notfalls muss man noch einen Stein als zehnte Person mitnehmen. Ex-Dikator Ne Win war besonders abergläubisch: Auf Rat seiner Astrologen hat er urplötzlich den Verkehr von links auf rechts umgestellt. Noch heute haben viele Autos das Steuer auf der nun falschen Seite. Eines anderen Tages hat er einige Banknoten für ungültig erklärt und stattdessen 45er und 90er eingeführt. Angeblich sollte die 9 seine Glückszahl sein. Die 8 war es definitiv nicht: Daraufhin wurde er am 8.8.88 gestürzt.

 

Seitenanfang

Mehr als Pagoden und Stupas

„Overpagodaed“ oder „templed out“ heißt es auf Englisch, wenn Touristen genug vom Heiligen Bimbam haben. Tatsächlich gibt es in Myanmar noch weit mehr zu entdecken. Start-, End- und Mittelpunkt meiner Rundreise ist die ehemalige Hauptstadt Yangon. Zunächst schieße ich allerdings 675 km übers Ziel hinaus und lande in Bangkok, weil der Flughafen wegen schlechter Sicht geschlossen ist. Auftanken, warten, bis sich der Nebel verzogen hat. Endlich kann ich die City bei einem Spaziergang erkunden. Bis vor kurzem waren Autos unerschwinglich, jetzt wimmelt es vor hupenden Wagen. Immerhin hat irgendein Diktator einst Motor- und Fahrräder aus der Stadt verbannt, weil er sich darüber geärgert hatte. Trotzdem ist das Überqueren einer Straße etwas für Schnelle und Unerschrockene. Man muss irgendwann einfach loslaufen, sonst kommt man nie auf die andere Seite. Hier sind die Leute schicksalsergeben (wenn ich überfahren werde, sollte es so sein). Zum Glück bringt Leute Umzunieten schlechtes Karma und wird möglichst vermieden. Von den Balkons der Appartmenthäuser hängen Seile. Es sind Aufzüge für Geschäfte: Ein Säckchen gebratener Reis als Frühstück fährt hoch, das Geld dafür runter. An Straßenständen werden kleingehackte Betelnüsse in Blätter verpackt. Es ist eine Art Kautabak. Das erklärt auch die roten Flecken auf den Bürgersteigen. Kein Blut, sondern die Rückstände vom Ausspucken des Saftes. Die uralten Telefone, die überall bereitstehen, werden wohl bald verschwinden. Handys sind jetzt auch erlaubt, bezahlbar und nicht mehr aufzuhalten. Noch vor kurzem kostete eine SIM-Karte noch 3500 Dollar, heute zwei. Das Trinkwasser, das ebenfalls überall kostenlos angeboten wird, hingegen wird bleiben: Es gilt als gutes Werk, das Punkte auf dem Karma-Konto bringt.

An einem Nachmittag besuche ich den Zoo. 1906 gegründet, befindet er sich fast noch im Originalzustand. Einige Tiere (z.B. die weißen Tiger und die Malaienbären) bieten in ihren viel zu kleinen Käfigen einen traurigen Anblick, während andere schönere Gehege haben. Ungewohnt: Fast alle Tiere dürfen gefüttert werden. Sogar die Nilpferde kommen angwatschelt und reißen erwartungsvoll die Klappe auf.

Den letzten Abend mit der Gruppe verbringen wir im China-Restaurant „Junior Duck“ am Fluss. Interessante Speisekarte: Fischköpfe und Hühnerfüße gehören noch zu den konventionelleren Gerichten. Das bestellte Hühnchen in den Nudeln ist bestenfalls durch den Wolf gedrehtes Schweinefleisch. Am nächsten Tag will ich einen Pool zum Schwimmen. Nicht einfach, ein Hotel zu finden, das überhaupt einen hat, und zudem Nicht-Gäste zulässt. Schließlich lande ich erneut im Park Royal, das stolze 20 Dollar für ein ziemlich übersichtliches Becken verlangt. Auch die Cocktailpreise (7 Dollar) sind gesalzen.

 

Von Yangon fliegen wir in die ehemalige Königsstadt Bagan im Zentrum des Landes. Dort genieße ich eine traditionelle Massage direkt im Hotelzimmer, eine ganze Stunde kostet keine fünf Euro. Bei einer Fahrradtour von Tempel zu Tempel sehen wir auch, wie eine beliebte Süßigkeit hergestellt wrid: Palmen werden „gemolken“, der Saft wird gekocht. Wenn er abgekühlt ist, wird die Masse zu bonbonartigen Bällchen geformt. Außerdem wird das Ganze fermentiert zu einer Art Bier und destilliert zu einer Art Grappa.

Auf dem Ayeyarwady fahren wir mit einem Holzboot namens Shwe Naingngan (goldenes Land), das nur ca. 1,50 Meter Tiefgang hat, von Bagan nach Mandalay. In der Trockenzeit ist der Fluss voller Sandbänke, immer wieder stochern die Maate mit langen Bambusstangen, um die Wassertiefe zu testen. Es gibt weder Fahrwassermarkierungen noch ein Echolot. Viele Frachter mit Teakstämmen sind Richtung Yangon unterwegs. Das oberste Stück wird mit Bambusflössen zurückgelegt, dann wird auf Frachter umgeladen. Gemächlich fahren wir ihnen entgegen den Fluss hinauf, trinken frischen Ingwertee und genießen die leichte Brise. Zwischendurch halten wir im Dorf Yandabo, das aufs Töpfern spezialisiert ist, und probieren eine Spezialität der Gegend: klebrigen Reis.

Abends erleben wir einen stimmungsvollen Sonnenuntergang über dem Fluss und schlafen unter Moskitonetzen an Deck, soweit es möglich ist. Laute Musik schallt vom Ufer herüber. Es klingt, als würde jeder wild auf sein Instrument einhämmern, während eine Katze erwürgt wird, und geht die ganze Nacht. In einem Dorf, das man gar nicht sehen kann, ist gerade ein Festival. Gefeiert wird in Myanmar oft und ausgiebig, Gründe gibt es genug: Vollmond, Neumond, jeder der 37 Nats hat seinen Tag, Pagoden und Tempel ebenfalls, Initiation eines Mönchs oder einer Nonne… Morgens versöhnt uns ein herrlicher Sonnenaufgang über dem Fluss.

Von Mandalay machen wir einen Ausflug nach Pyin U Lwin, das den Engländern einst als Sommerfrische diente. Das Städtchen hat seinen Charme behalten. Noch heute fahren alte Pferdekutschen die Gäste umher. Wir besuchen den lebhaften Markt, einen Wasserfall und den wunderschönen botanischen Garten. Am nächsten Tag halten wir unterwegs in Amapurna. Es ist ebenfalls eine ehemalige Königsstadt. Von denen gibt es viele in Myanmar, da Könige, die etwas Schlimmes getan hatten, die Hauptstadt zwecks spiritueller Reinigung gerne verlegten. Wir laufen über die berühmte U Bein-Brücke, die komplett aus Teak besteht. Die Konstruktion ist leicht wackelig und hat kein Geländer.

 

Weiter geht es aus der staubigen Zentralebene hoch in die Berge des Shan-Staates. Wir befinden uns jetzt im Goldenen Dreieck. Offiziell sind Drogen streng verboten, aber Regierungsmitglieder bauen sie selbst an. Bei langen Nachtfahrten dopen sich die Trucker gerne, indem sie Amphetamin rauchen, erklärt unser Tourguide Louis. Dann brettern sie mit altersschwachen Lkw über die gewundene, enge Straße. Wer die Droge in Pillenform kaufen will, gibt das mit einer simplen Handgeste zu verstehen: Zeige-, Mittel- und Ringfinger hoch, Daumen und kleiner Finger als Kreis, sodass die Kuppe des kleinen Fingers wie eine Pille übersteht. Myanmar ist mittlerweile vor Afghanistan der weltgrößte Drogenproduzent.

Von Kalaw aus wandern wir durch die umliegenden Berge. Die Gegend ist äußerst fruchtbar: Es wachsen tropische Früchte wie Ananas und Bananen, dazu Zitrusfrüchte, Weintrauben, riesige Kohlköpfe, Ingwer, Zitronengras und vieles mehr. Im Dorf Pein Ne Bin essen wir zu Mittag. Dort leben die Palaung. Man darf ihre traditionelle Tracht anprobieren. Sehr kleidsam. Allerdings ist die turbanähnliche Kopfbedeckung für die verheirateten Frauen noch hübscher als die für die Singles, die etwas an die Schwarzwälder Bollenhüte erinnert. Schließlich endet die Tour in Myin Ga. Unterwegs unterhält der örtliche Guide die Gruppe, indem er aus einem Grashalm ein mit den Armen wedelndes Männchen bastelt, die Schale einer Mandarine so abschält, dass es aussieht, als würde ein Frosch die Frucht tragen, und einer Sonnenblume eine Sonnenbrille aufsetzt.

Bevor wir weiterfahren, bummeln wir über den großen Markt von Kalaw, der nur alle fünf Tage stattfindet. Von einem der Verkaufsstände bietet uns Louis einen Snack an. Es schmeckt nach Knoblauch und Chili und etwas säuerlich. Geröstete Ameisen! Im Shan-Staat essen sie auch Hunde (aber nur die Schwarzen). Unsere nächste Station ist Nyaungshwe. Von dort aus kreuzen wir mit einem Boot über den Inle-See. Er ist maximal vier Meter tief, am und im See stehen auf Pfählen 25 Dörfer mit 40.000 Einwohnern. In Nampan gehen wir über den Markt, der den See im Fünf-Tages-Rhythmus umkreist. Ferner besichtigen wir eine Weberei, die Stoffe aus Seide und Lotusfasern herstellt, eine Bootswerft, eine Werkstatt für Shan-Papier und eine Silberschmiede. Interessant sind auch die schwimmenden Gärten, in denen vor allem Tomaten angebaut werden. Weltweit einmalig ist die Rudertechnik der örtlichen Fischer: Sie paddeln mit einem Bein, damit sie beide Hände zum Arbeiten frei haben.

Bevor wir nach Yangon zurückfliegen, essen wir in der größten und ältesten Weinkellerei in Myanmar zu Abend. Insgesamt gibt es zwei. Wein wächst nur in der Gegend um den Inle-See. In der ultramodernen Anlage wird Sauvignon Blanc und Shyraz produziert, 150.000 Liter pro Jahr. Eichenfässer werden im Land hergestellt, aber Flaschen müssen importiert werden, weil es keine Fabriken dafür gibt. Besitzer ist ein ehemaliger Shan-Rebell, der sich allerdings Spezialisten aus Italien und Frankreich geholt hat. Dementsprechend ist der Wein richtig gut. Die andere Kellerei gehört einem Deutschen.

 

Seitenanfang

Tief im Süden

Von Yangon fliege ich in die Hafenstadt Kawthoung im äußersten Süden Myanmars an der Grenze zu Thailand. Auf dem Landweg dürfen Touristen die Strecke immer noch nicht zurücklegen. Die Propellermaschine macht zwei Zwischenlandungen und braucht so mehr als drei Stunden. Ich bin die einzige Nicht-Asiatin an Bord. In der ersten Reihe sitzt ein älterer Mönch, der offensichtlich ein wichtiger Würdenträger ist. Passagiere und Crew verneigen sich tief vor ihm. Als er in Myeik aussteigt, wird er von einer Pressemeute empfangen und mit einem golden glänzenden Schirm vom Rollfeld begleitet.

Im Gegensatz zu Yangon gibt es in Kawthoung (noch) kaum Autos. Dafür umso mehr Motorräder. Das Personal im Hotel ist sehr freundlich, spricht aber kaum Englisch. Einen Stadtplan haben sie nicht, aber W-LAN. Es ist extrem langsam, dennoch schaffe ich es Google Maps aufzurufen. So finde ich den Weg von etwas außerhalb des Zentrums zum Hafen und sehe einen Katamaran mit dem Logo des Reiseveranstalters in der Bucht liegen. Sonst sind lediglich ein zweiter Karamaran und ein Zweimaster zu sehen. Bevor ich am nächsten Morgen an Bord gehe, streife ich über den lebhaften Nachtmarkt.

Eine Woche lang segele ich durch den Myeik Archipel. Bis 1996 waren die unzähligen Inseln völlig von der Außenwelt isoliert. Abgesehen von einigen Tauchern, die meist auf ihren Schiffen bleiben, verirren sich nur wenige Ausländer dorthin. Dementsprechend leer sind die fantastischen Strände. Auf den wenigen bewohnten Inseln leben Moken. Einige der Seenomaden sind von der Regierung gezwungen worden, sesshaft zu werden. Viele jedoch suchen sich nur während der Regenzeit eine vorübergehende Bleibe und wohnen auf ihren Booten. Wie wir: Unser Schiff heißt „Simile“ und fährt unter deutscher Flagge. Kapitän Mike stammt aus Südafrika und versichert uns: „Nach diesen sechs Tagen werdet ihr nicht mehr dieselben sein. Ich werde Euch den besten Urlaub eures Lebens verschaffen.“ Um in meine Kajüte zu gelangen, lasse ich mich durch eine Luke fallen und taste mit dem Fuß nach einem Regalbrett, das als „Leiter“ dient. „Wie ist denn der reguläre Zugang?“, fragt Mitpassagier Roland. „Das ist der reguläre Zugang!“ Zwischen uns und dem Paradies steht nur noch die Einwanderungsbehörde. Der Beamte kommt an Bord, nimmt ungefragt ein Bier aus der Kühlbox, sammelt die Pässe und 140 Dollar pro Person ein und geht wieder. Dann warten wir erstmal zwei Stunden, bis der erlösende Anruf kommt. Wir dürfen losfahren. Die Pässe bleiben in Kawthoung. Das hat auch seine Vorteile: Zwei Wochen zuvor ist auf See ein Tauchboot in Brand geraten und explodiert. Passagiere und Crew konnten gerade noch ihr Leben retten, haben sonst aber alles verloren – bis auf die Pässe…

Die erste Fahrt machen wir mit dem Motor. Es weht zwar etwas Wind, aber leider von vorn. Im Dezember und Januar hat es kräftig geblasen, erzählt Mike. Im Moment ist eine ruhigere Phase, bevor die Regenzeit einsetzt. Dann ist Schluss mit Segeln in dem Gebiet: Taifune drohen. Überhaupt ist das Revier recht tückisch: Kräftige Strömungen und Korallenbänke sind nichts für Anfänger. Deshalb kann man auch nicht einfach ein Boot ohne Kapitän chartern. Die erste Nacht verbringen wir ankernd vor White Monkey Island. Am nächsten Mittag folgt der erste Schnorchelgang an einem nagelneuen Pier. Das dazugehörige Resort ist seit Jahren im Bau. Recht vielversprechend: u.a. entdecke ich Clownfische, Papageienfische, Kofferfische und lebende (!) Korallen die aussehen, als hätten sie Blüten (später erfahre ich; es sind Würmer), die sich bei Annäherung zurückziehen. Nach dem Schnorcheln geht Skipper Mike mit der Harpune ins Wasser, um das Abendessen aufzupeppen. Etwas enttäuscht kommt er mit zwei Groupern und einem Snapper zurück. Weiter gehts zur Nachbarinsel, die den banalen Namen 115 trägt. Die Seenomaden, die eine Woche zuvor in der Bucht gecampt haben, sind verschwunden. Dafür liegt einiges an Plastikmüll am Strand. Ganz so tradititionell ist ihre Lebensweise auch nicht mehr. Bei unserer Miniwanderung von einem Strand zum anderen findet unser birmanischer Guide Cho Cho den Rückweg selbst erst im zweiten Anlauf. Ein Relikt aus der Militärdiktatur: Jedes Schiff muss neben der Crew einen Guide des Tourismusministeriums MTT an Bord haben. Der ist mit 365 Dollar pro Woche das teuerste Crewmitglied, seufzt Mike. Und das Entbehrlichste, denn die meisten können kaum Englisch. Auch Cho Cho „antwortet“ auf Fragen mit einem freundlichen Lächeln und scheint den Urlaub selber zu genießen. Ist wohl ein Traumjob, den nur Jungs mit guten Regierungskontakten kriegen… Zum ersten Mal in meinem Leben gehe ich nachts schnorcheln. Es ist gar nicht so gruselig, wie gedacht. Im Schein meiner wasserdichten Taschenlampe tauchen ein Tintenfisch und ein großer Kofferfisch auf.

Am Tag darauf ist endlich genug Wind zum Segeln. Lässig pflügt Simile (15 Jahre alt, 8,5 Meter breit, 52 Fuß lang, weltweit ein Einzelstück und schon um Kap Horn gesegelt) durch die Wellen. Der grundsolide Katamaran schafft über 20 Knoten. Sein Eigner hat damit schon eine Regatta auf den Azoren gewonnen. Aber davon sind wir weit entfernt. Das Boot hat eine Pinne, die man mit zwei Fingern steuern kann, so gut hat Mike die Segel getrimmt. Plötzlich dreht er in den Wind: An der Angel hängt ein kleiner Thunfisch. Der wird gleich darauf in Teile verlegt und roh verzehrt – mariniert mit Zitronensaft, Tabasco und grünem Pfeffer. Wenn man ihn brät, wird er schnell trocken, meint Mike. Und frisch ist er ja.

Wir ankern vor der Insel Bo Cho und besuchen mit dem Dinghi Ma Kyone Galet, das mit ca. 850 Einwohnern größte Dorf der Region. Dort leben vor allem Moken, aber auch Fischer vom Festland. Hunde mit Welpen begrüßen uns. Sofort kommen Kinder anfgelaufen und haben riesigen Spaß an unseren Fotokameras (mein großer Touchscreen ist der Bringer). Beim Besuch der örtlichen Pagode ziehen wir – wie es sich gehört – die Schuhe aus (ein Mönch vor Ort trägt allerdings welche, ebenso ein Funkgerät, und raucht). Als wir zurückkommen, hat ein Junge zum Vergnügen seiner Freunde meine Gummi-Ballerinas an. Praktisch alle im Dorf leben vom Fischfang. Schon die Jüngsten jagen mit Mini-Speeren die Krabben in den Tümpeln, die die Ebbe zurückgelassen hat. Für die Schulkinder ist heute ein besonderer Tag: Die Schiffseigner und die Stiftung des Reiseveranstalters haben einen Computer mit einem Übersetzungsprogramm birmanisch/englisch und einen Drucker gekauft. Beides wird feierlich dem Direktor überreicht. An der Wand hängt ein Schild: „Building a Modern-developed Nation through Education“. Erst seit kurzem ist der Schulbesuch in Myanmar kostenlos. Nach wie vor ist er keine Pflicht, deshalb sehen viele nicht ein, warum sie gehen sollten. Es ist klar: Myanmar wird sich auch in dieser entlegenen Ecke ändern. Die Tage, in denen nur einmal pro Woche eine Handvoll Touristen vorbeischaut, sind gezählt. Das hinterlässt gemischte Gefühle: Zwar hat die Öffnung des Landes der bisher schwer drangsalierten Bevölkerung sehr geholfen, Touristen bringen Geld in die arme Gegend. Aber ob die traditionelle Kultur den erwarteten Ansturm überlebt?

Wieder an Bord nehme ich meinen Lieblingsplatz in einem der Bugkörbe ein und fühle mich über den Wellen schwebend wie Leonardo DiCaprio in „Titanic“. Zum Glück gibt es hier keine Eisberge! Wir nehmen Kurs auf Lampi Kyun, die größte Insel des Archipels. Abgesehen von Seenomaden, die manchmal dort campen, ist sie unbewohnt. Es gibt sogar Elefanten, die einst von illegalen Holzfällern hergebracht und zum Bäumefällen eingesetzt wurden. Die Holzfäller landeten im Gefängnis, während die Elefanten freigelassen wurden. In der Bucht liegen sieben Fischtrawler die abends hell beleuchtet auslaufen. Mit Seekajaks paddeln wir zum unberührten Strand. Leider herrscht Ebbe, sodass wir zu Fuß in die Mangrovensümpfe laufen müssen. Überall wieseln Krabben, Einsiedlerkrebse. Schlammspringer und kleine Fische herum. Leider kommen am späten Nachmittag die Sandfliegen heraus, die sich hungrig auf uns stürzen. Später versuche ich mich erstmals im Stehpaddeln auf einem Board. Mike macht es vor. Sieht ganz einfach und lässig aus. Meine ersten sechs Versuche, aufzustehen, landen sehr schnell im Wasser. Das Ganze ist viel kippeliger als vermutet. Dann habe ich plötzlich den Bogen raus. Wenn das Board einmal läuft, läuft es. Stolz umrunde ich „Simile“. Später liegen wir in den Beaniebags an Deck und starren stundenlang in den Sternenhimmel. Man hört nur das Plätschern der Wellen an den Strand und das Quaken der Baumfrösche im Dschungel.

Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, um Swinton zu erreichen. Für Mike ist es der schönste Ort des Törns: „Wenn ich dort ein anderes Boot liegen sehe, werde ich sauer.“  Am Abend ist ein Barbecue am Strand geplant. Deshalb ist er auf der Jagd. Der dunkle bewegte Fleck auf dem Wasser könnte vom einem Schwarm stammen, der von einem Schwertfisch umkreist wird. Aber der beißt nicht an. Werden wir nur Gemüse grillen können? Dann zieht es plötzlich an einer der beiden Angeln. Mike stoppt den Motor und kurbelt. Ein Wahoo! Der viertschnellste Fisch der Welt ist selbst ein Jäger mit messerscharfen Zähnen – und als exzellenter Speisefisch ein guter Fang. Mike nickt zufrieden: Das Dinner ist gerettet. Nach der Ankunft in Swinton schnorcheln wir erstmal eine Runde. Mike zieht noch einmal mit der Harpune los und bringt u.a. Sweetlips mit, deren Mund stark an Mick Jagger erinnert. Ganz viele Quallen treiben in der Bucht (zum Glück keine Feuerquallen). Wieder liegen in der Nähe sechs Fischerboote. Plötzlich kommt ein Moken-Paar angerudert und schenkt uns Tintenfische. Im Gegenzug bekommen sie Reis. Der ist hier wertvoll wie Gold, erklärt Mike. Den schneeweißen, feinsandigen Strand haben wir ganz für uns. Es sind viele verschiedene Pfoten- und Krallenspuren zu sehen, aber deren Verursacher zeigen sich nicht. Die verstecken sich im dichten Dschungel. Nach Einbruch der Dunkelheit gibt es ein Lagerfeuer. Daneben wird in einem Sandgraben gegrillt.

Am Morgen danach können wir endlich wieder Segel setzen. Teilweise schwappen sogar Wellen über das Vordeck. Wir steuern Macleod an, wo ein kleines Hotel steht. Die erste richtige Dusche seit Tagen! Direkt am Strand und kalt, aber Luxus pur. Das Wasser sprudelt aus einer Quelle, man kann es also unbeschwert laufen lassen. Zwar haben wir einen Wasserbereiter an Bord, der das Meerwasser trinkbar macht. Zu langen Körperreinigungen reicht das Süßwasser jedoch nicht, zumal der „Cleaner“ einen enormen Verbrauch hat. Neben Skipper Mike, dem Guide Cho Cho und dem Koch So gehört nämlich auch Win zur Crew, der seinen Job, das Boot zu putzen, sehr ernst nimmt. „Simile“ ist das sauberste Boot, das ich je gesehen habe. Nach dem Essen wird der Tisch gewischt, unterwegs die Reling abgeseift und poliert. Es ist kein Hightechboot: Wenn das Großsegel gesetzt wird, fassen alle vier das Großfall an und machen Tauziehen.

Auf dem Weg zum „Myanmar Andaman Resort“ haben meine Mitpassagierin Barb und ich unabhängig voneinander Visionen von Pizza. Ob die wohl auf der Karte steht? Mike lacht: „Das ist ein Luxushotel, das 220 Dollar die Nacht kostet. Was glaubt ihr wohl?“ Es gibt ein Menü für alle. In unserem Fall Algensalat, eine pikante Kürbissuppe und grünes Seafood-Curry. Auch gut – aber verflixt teuer. Sie haben auch Cocktails und Wein zu sehr europäischen Preisen. Die Anlage ist klein: 22 Bungalows, die 2005 so geschickt in die Landschaft eingefügt wurden, dass man sie nur ganz aus der Nähe sehen kann. Es sind kaum Gäste da, wir haben fast alles für uns. Das Resort ist nur Leuten zu empfehlen, die wirklich Ruhe suchen. Zweimal pro Woche bringt das hauseigene Speedboot mit zwei 300-PS-Motoren die Gäste von und nach Kawthoung. Das Ganze gehört einem Geschäftsmann aus Yangon, der sehr gute Regierungskontakte haben muss, und liegt in einer Bucht mit fantastischen Schnorchelmöglichkeiten. Neben den üblichen Verdächtigen (Papageienfische, Seeigel) sehe ich sehr große Anemonenfische, einen riesigen Kofferfisch, eine Meeresschildkröte, einen Cattlefisch (ähnelt einem Tintenfisch) und eine essende Seegurke, die stark an die Biester aus „Im Land der Raketenwürmer“ erinnert. Am nächsten Morgen gehen wir den einzigen vorhandenen Wanderweg: rauf auf den nächsten Hügel. Es ist so steil, dass man sich den letzten Teil an Seilen hochziehen muss. Aber die Aussicht von oben auf die Bucht entschädigt für die Mühen. Anschließend springe ich erstmal in das helltürkise Wasser und gönne mir noch eine Dusche!

Leider müssen wir schon wieder den Anker lichten. Es ist ein langer Weg zurück nach Kawthoung, das wir am letzten Tag sehr früh erreichen müssen, da mein Flug nach Yangon schon kurz nach zehn geht. Es ist der Einzige. Das ist der Grund, warum der Trip zunächst nur noch von Phuket aus angeboten wird. Unser Rückweg ist so lang, weil wie einen Umweg um eine Reihe von Inseln machen müssen, die nach wie vor militärisches Sperrgebiet sind. Zu sehen ist niemand. Nur etwas Rauch steigt auf. Am nächsten Tag allerdings sitzt ein Militärangehöriger mit im Flugzeug. Seine grüne Uniform hat viele bunte Streifen auf der Brust. Die Flip-Flops, die er dazu trägt, trüben den martialischen Eindruck ein wenig. Ist wohl auch ein Ausdruck der neuen Zeit.

 

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME

MADAGASKAR 🇲🇬 

Reiseroute 2013

AntananarivoAmbositra (über Ambotalampy und Antsirabe) – Ranomafana National ParkIsalo National Park (über Ambatovaki und Ambalovao) – IlakakaFianarantsoaAntsirabeAndasibe National ParkFoulpointeNosy Boraha (Besuch auf Nosy Nato)

Pest, Putziges und Putschversuche

Seit ich im Zoo erstmals Kattas und andere Lemuren gesehen habe, will ich auf die Insel, die solche schrägen Kreaturen hervorgebracht hat. Der Film „Madagascar“ bestätigt: lauter putzige Tiere. Der Reiseführer „Kulturschock Madagaskar“ hingegen warnt: ziemlich andere Sitten. So ist es bei verschiedenen Volksgruppen üblich, die Toten alle paar Jahre auszugraben und mit ihnen eine Riesenparty zu feiern. Die Internet-Recherche gibt ebenfalls zu denken: Der letzte von diversen Putschen war 2009. Ein 34-jähriger Ex-DJ hatte den regierenden Konzernchef, der das Land an die südkoreanische Firma Daewoo verkaufen wollte, mit Hilfe des Militärs abgesetzt. Ende Oktober 2013 (unmittelbar vor meiner Abreise) stehen endlich Präsidentschaftswahlen an, bei denen Unruhen ausbrechen könnten. Auf einer beliebten Ferieninsel im Norden wurden gerade drei Menschen von einem wütenden Mob als vermeintliche Organhändler bei lebendigem Leibe verbrannt. Ferner wurde das Land kürzlich von einer Heuschreckenplage heimgesucht, und ein Ausbruch der Beulenpest wird befürchtet. Schöne Aussichten: „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord“… Langweilig wird dieser Urlaub sicher nicht!

Schon der Weg dorthin ist ein Abenteuer: Beim Einchecken sehe ich zufällig, dass Air Madagascar meinen Rückflug zwei Tage nach hinten geschoben hat und muss blitzschnell umbuchen. Immerhin findet der Hinflug statt. Das Unterhaltungsprogramm an Bord der uralten Boeing, die wohl mal Air France gehörte (sieht man am abgewetzten Teppich), ist überschaubar. Auf dem winzigen Monitor stehen zwei Filme zur Auswahl: „Casino Royale“ und „Die Truman Show“. Die kann man sich aber nicht ansehen, weil das System nicht funktioniert. In Paris und Marseille muss ich umsteigen. Frankreich ist eigentlich ein schönes Land. Dummerweise sprechen alle Französisch. Selbst wenn sie Englisch sprechen. „All one“, beschreibt mir ein Mann am Schalter in Marseille den Weg zum Weiterflug nach Tana. Wie bitte??? Dann sehe ich, dass ich mich in „Hall 3“ befinde.

Seitenanfang

Hochzeit in Tana

Die Fahrt vom Flughafen ins Zentrum der Hauptstadt Antananarivo, die kurz „Tana“ genannt wird, erweist sich als wilder Slalom durch Ochsenkarren, Märkte, die sich vom Straßenrand in die Fahrbahn ausbreiten, Radfahrer und Fußgänger. Es ist samstagmorgens kurz nach fünf und alle drei Millionen Einwohner scheinen bereits auf den Beinen zu sein. Auf die Straße gemalte Spuren gibt es ebensowenig wie Ampeln. Erkennbare Verkehrsregeln auch nicht. Das Taxi ist ein rostiger Audi. Die Schwester des Fahrers lebt in Deutschland. Er hat ihn von dort in die TÜV-freie Zone importiert. Offenbar ist er nicht der Einzige: Viele der Autos haben noch Schweizer, französische oder deutsche Nummernschilder und Beschriftungen.

Im Hotel treffe ich schon drei meiner Mitreisenden und wir machen einen Rundgang durch die City. Als wir an der Internationalen Protestantischen Kirche vorbeikommen, findet gerade eine Hochzeit statt: Catherine ehelicht István. Eine Messdienerin lädt uns ein, hereinzukommen. Wahrscheinlich wundern sich die beiden anschließend, wer die vier weißen Frauen auf ihren Hochzeitsfotos sind. Anschließend fragt ein Messdiener nach unseren Nationalitäten. Als er hört, dass wir aus drei verschiedenen Ländern stammen, fragt er, ob wir zu den internationalen Wahlbeobachtern gehören, die die Präsidentenwahl eine Woche vorher im Auge hatten. Nach dem Gewusel des zentralen Marktes rasten wir im ehemaligen Bahnhof. Abends esse ich erstmals Zebu (sehr gutes Rindfleisch).

Seitenanfang

Salamo, Madagaskar!

Wir fahren durchs zentrale Hochland, die Heimat der Merina. Unter anderem durchqueren wir die höchste Stadt Ambotalampy (1600 m), die für ihre Aluminiumarbeiten bekannt ist. An einem Stand, der Spielzeugautos aus Holz und alten Dosen anbietet, halten wir kurz. Ich kaufe eine kleine lila Ente, die sogar eine Front- und eine Heckscheibe sowie winzige Lampen hat. Eigentlich sind die Autos als Trostpflaster für madagassische Jungs gedacht, wenn sie in einer feierlichen Zeremonie beschnitten werden. Mädchen werden zum Glück auf der Insel nicht beschnitten.

In der Stadt Antsirabe besichtigen wir eine Werkstatt, in der ein Familienbetrieb solche Spielzeuge in liebevoller Handarbeit herstellt – z.B. Mini-Fahrräder mit Schläuchen aus abgelaufenen Kanülen als Reifen. Es wird absolut nichts weggeworfen! Nebenan fertigt ein Mann Schmuck und alles mögliche andere aus Zebuhörnern an. Auch hier kreatives Recycling: Die Poliermaschine wird von einem Waschmaschinenmotor angetrieben, die Polierscheibe ist aus einem ehemaligen Ölfass herausgeschnitten und mit alter Jeans bezogen. Weiter gehts nach Ambositra, wo wir übernachten. Die Ortsnamen fangen fast alle mit „An“ an, weil das auf Malagasy eine Ortsbezeichnung ist und in etwa „da, wo“ bedeutet. In unserem Hotelzimmer liegen sechs Bibeln (dreimal das Neue Testament auf Malagasy, dreimal in deutsch/französisch). Sorry: Missionierung impossible. Ich bin Agnostikerin, meine Mitbewohnerin Jüdin. Bevor wir aufbrechen, machen wir einen kurzen Spaziergang durch das Städtchen, das deutlich kleiner als Antsirabe ist. Die Kinder gehen gerade zur Schule. Für viele ist der „Schulbus“ eine Rikscha (Pousse-pousse). Bevor wir in einem Vorort Holzschnitzer besuchen, lernen wir die Begrüßung in der Landessprache: Man sagt (bzw. singt) „Salamo“, „Salama“ oder „Salame“ – aber nicht „Salami“.

Über eine ungeteerte Straße mit Brücken aus wackeligen Holzbohlen ohne Geländer rumpeln wir zu einem Dorf, in dem Seide hergestellt wird. Unterwegs stoppen wir auf einem örtlichen Markt. Nicht nur frisches Obst und Gemüse wird angeboten. Einige Stände sind Gemischtwarenläden mit Nähgarn, Kugelschreibern u.Ä. Die Leute sind zu Fuß da und haben bis zu zwei Stunden Anmarsch hinter sich. Waren werden auf dem Kopf transportiert. Eine Frau beispielsweise balanciert einen Korb voller lebender Hühner. Für die Seidenherstellung nutzen die Dorfbewohner neben importierten chinesischen Raupen vor allem eine heimische Nachtfalterart (die Maden werden gegessen). Deren Kokons werden gekocht, fermentiert, zu Fäden gesponnen und zu Schals gewebt. Einer der Weberinnen (ist reine Frauensache) schauen wir über die Schulter. Ihr Arbeitszimmer ist gleichzeitig Schlafzimmer und Babystube für ein Huhn mit frisch geschlüpften Küken. An der Wand hängen ein muslimisches und ein christliches Motiv friedlich nebeneinander. Wir lernen, dass jede Weberin das Holz, mit dem sie die Fäden festzieht, gut hütet. Wenn sie nämlich damit geschlagen wird (absichtlich oder aus Versehen), bringt das Unglück für eine zukünftige Ehe. Dann kriegt sie wohl nie einen Mann. Aber wozu braucht sie ihn eigentlich, wenn sie doch diejenige ist, die das Geld verdient? Ich würde wahrscheinlich rufen: „Schlag mich!“ Auf dem Boden einer Hütte genießen wir ein traditionelles Mittagessen mit Reis, Bohnen und gekochtem Huhn. Die Einheimischen selbst essen nur zu besonderen Anlässen (z.B. Weihnachten) Fleisch. Zu trinken gibt es den aufgekochten Bodensatz aus dem Reistopf, der erstaunlicherweise fast wie grüner Tee schmeckt.

Überall an der Straße stehen Öfen, in denen drei bis vier Tage lang Ziegel gebrannt werden. Es passen 50.000 Stück hinein. Das reicht für zwei der typischen Hochland-Häuser der Merina. Meist haben sie drei Stockwerke: unten die Tiere, im ersten Stock Wohn-/Schlafzimmer, oben die Küche. Gerade werden die Reisfelder bestellt. Kinder fischen mit einem Moskitonetz im Fluss. Am Nachmittag fängt es wieder an zu gießen, wie an den Vortagen. Die Regenzeit ist etwas zu früh dran. Egal. Wir sitzen im Bus. Ist ein langer Weg nach Ranomafana.

 

Seitenanfang

Stotternde Kuckucks
und samtweiche Boas

Im Ranomafana National Park machen wir im Nieselregen eine fünfstündige Wanderung im Bergnebelwald. Fünf Lemurenarten können wir beobachten: Goldener Bambuslemur (sehr selten, erst 1986 wiederentdeckt, gibt es nur in Ranomafana), Großer Bambuslemur (noch seltener, einer sitzt direkt vor unserer Nase und fiept), Rotbauchmaki, Rotstirnmaki und den etwas größeren Edwards-Sifaka. Alle fressen oben in den Bäumen Blätter, kratzen oder putzen sich und pinkeln auf uns herunter. Wir erfahren, dass sie bei trockenerem Wetter auf den Boden kommen, um Dreck zu fressen. Das neutralisiert die Säure des Bambus.

Eine große, bunte Spinne (Weibchen) hängt mit ihren Kindern in einem goldenen Netz. Keine Spur vom Vater. Den hat Mama nach der Paarung verputzt. Außerdem zeigen die Ranger uns schwarze Giraffenhalskäfer. Ständig ist ein Kuckuck zu hören. Allerdings stottert die hiesige Art: „Ku-ku-ku-kuck“. Am Straßenrand außerhalb des Parks liegt eine Madagaskar-Boa, die sich sogar streicheln lässt (fühlt sich gar nicht kalt an, sondern samtig). Auf einer Nachtwanderung sehen wir den kleinen, großäugigen Braunen Mausmaki (unfassbar süß), ein winziges, ein etwas größeres und ein großes Chamäleon, Frösche und rote Giraffenhalskäfer.

 

Seitenanfang

Im Reich von King Julien

Auf dem Weg Richtung Süden halten wir in dem Dorf Ambatovaky. Mit Unterstützung des Isalo-Nationalparks haben die Bauern dort die Schmiedekunst gelernt und produzieren aus Altmetall Schaufeln, die sie auf einem nahen Markt verkaufen. Dementsprechend sieht man, dass viele neue Häuser gebaut werden. Im Gegensatz zu anderen Orten gibt es keine bettelnden Kinder. Die Gegend wird immer trockener und wüstenähnlicher, mit vielen Kakteen. Ein Stück verläuft die Straße parallel zu Bahngleisen. Die Züge brauchen für die knapp 170 Kilometer lange Strecke von Fianarantsoa zur Ostküste mindestens zehn Stunden, erklärt unser Tourguide Bruno. Ist ja fast wie bei der Deutschen Bahn…

In Ambalavao besuchen wir den zweitgrößten Viehmarkt des Landes. Das Riesengelände wimmelt vor handelnden Menschen und Zebus. Nachdem die Europäer ihre Kühe und damit deren Krankheiten eingeführt hatten, sind die ursprünglichen alle gestorben. Zebus mussten aus Südindien wieder neu importiert werden. Insgesamt leben neun Millionen der buckligen Rinder in Madagaskar.

Dann treffen wir im Rahmen eines Katta-Projektes endlich die Verwandten von King Julien aus der Animations-Komödie „Madagascar“. In der Nähe des Isalo National Parks zeigt die örtliche Bevölkerung den Touristen die geringeltschwänzigen Lemuren und einige Chamäleons (darunter welche der Kleinsten) in ihrem Lebensraum und verbessert dadurch ihren Lebensunterhalt. So ist der früher als wertlos angesehene Wald für die Anwohner plötzlich lukrativ und schützenswert.

Am nächsten Tag wandern wir durch den Isalo National Park. Ein örtlicher Guide erklärt uns die Gebräuche der Bara: Sie sind die einzige polygame Ethnie in Madagaskar. Ein Mann kann mehrere Frauen haben (eine Frau allerdings nicht mehrere Männer). Einem alten Brauch zufolge muss der Mann vor der Hochzeit ein Zebu klauen. Doch inzwischen greift die Regierung hart durch. Viehdiebstahl wird mit fünf bis zehn Jahren in einem Ratten- (und Pest-)verseuchten Gefängnis bestraft. Daher kaufen die meisten Bara heute die Kuh lieber. Die Begräbnissitten sind ähnlich wie den Merina speziell: Zunächst kommt der Leichnam zwei bis drei Jahre in eine kleine Höhle am Berg, die mit Steinen verschlossen wird. Wenn nur noch Knochen vorhanden sind, zieht der/die Tote in ein Seidentuch gewickelt ins Familiengrab um (eine größere Höhle im Massiv, oft nur durch Abseilen erreichbar). Das ist Anlass zu einer großen Familienfeier. Wir laufen über die Höhen durch sonnenverbranntes Grasland. Unten am Fluss hingegen gibt es dichte Vegetation mit Palmen. Zweimal erfrischen wir uns in Naturpools. Das Wasser ist erstaunlich kalt, denn die Quelle ist nicht weit entfernt. Da das Isalo-Massiv aus Sandstein besteht, gibt es sogar einen kleinen Strand am ersten Pool. Mittagspause machen wir auf einem Campingplatz, wo wir alle drei im Park vorkommenden Lemurenarten sehen: Katta (mit zwei geringeltschwänzigen Babys), Rotstirnmaki (auch mit Baby – die Mama versucht den Rucksack eines Touristen zu durchsuchen, der an einem Tisch sitzt), Larvensifaka (bewegt sich auf dem Boden auf den Hinterbeinen tänzelnd, was er uns leider nicht vormacht). Ferner sitzen ein grünes und ein braunes Chamäleon in den Bäumen.

MADAGASKAR 🇲🇬  weiterlesen

KROATIEN 🇭🇷 

Reiseroute 2013

Trogir – Split – Insel Brač (Bobovišća) – Insel Hvar (Stari Grad) – Blace – Insel Korčula (Korčula) – Insel Mljet (Polače) – Halbinsel Pelješac (Schnorchelstop) – StonSlano – Dubrovnik

Von der Seele
zum Herzen Dalmatiens

Meine erste Kroatienreise führte 1981 nach Istrien auf die Insel Rab. 32 Jahre später lande ich weiter südlich in Dalmatien. Eine Woche lang segele ich auf einer Bavaria 44 namens „Bionda“ zwischen dem Festland und den vorgelagerten Inseln hin und her. Die Adria sieht schon vom Flugzeug sehr verheißungsvoll aus. Ob dieses Revier auch etwas für meinen „Rasenden Hasen“ wäre? Schließlich kann auch er auf seinem Trailer mit dem Auto dorthin gebracht werden. Die Tour startet in Trogir, dessen komplett erhaltene Altstadt zum Weltkulturerbe zählt. Die Gassen sind ebenso verwinkelt wie die von Stone Town auf Sansibar. Auf „Wikipedia“ finde ich die Information, dass in „Winnetou III“ der Apachenhäuptling mit Old Shatterhand hier hindurchritt, weil Trogir das amerikanische Santa Fe darstellen sollte. Naja, das Städtchen kommt mir weder westernmäßig noch spanisch vor… Die erste Nacht verbringen wir (acht Passagiere, ein Skipper, diesmal leider kein Koch) in einer nahen Marina.

 

„Wenn Dubrovnik das Herz Dalmatiens ist, dann ist Split die Seele“, sagt die Tourbeschreibung über die zweitgrößte Stadt Kroatiens. Im Zentrum von Split liegt der Palast von Diokletian (ca. 245-313). Nachdem der römische Kaiser genug Christen verfolgt hatte, setzte er sich hier zur Ruhe. Später wurden die noch stehenden Mauern weiterverwendet: Die komplette Altstadt quetscht sich in die Ruinen hinein. Vom Kirchturm in der Mitte hat man einen schönen Blick auf das wild ineinandergebaute Ensemble von Häusern. Schließlich gehts mit dem Schiff weiter nach Brač. Wir legen in der Nähe von Bobovišća an einer Boje an, klappen die Badeleiter runter und kühlen uns erst einmal eine Runde ab. Das Nachtleben in dem urspünglichen 70-Einwohner-Dorf ist überschaubar: Es bietet zwei Restaurants und eine Kneipe.

 

 

Auf dem Weg zur Nachbarinsel Hvar sehen wir unterwegs Delfine. In einer Bucht machen wir einen Zwischenhalt und schnorcheln. Das Wasser ist glasklar. Allerdings sind die Fische weniger zahlreich und nicht so bunt wie in den Tropen. Dann fahren wir weiter nach Stari Grad. Weniger mondän als das benachbarte Hvar-Stadt, ist es ein hübsches, ruhiges Örtchen. Am Strand liegen immer noch mehr Einheimische als Touristen. Von einer Bar hallt Reggae herüber. Abends gehen wir aus. Unser Landgang ist etwas länger als geplant, da das Dingi uns wegen eines Gewitters nicht zum an einer Boje liegenden Schiff zurückbringen kann. Während wir warten, bringt uns ein mitreisendes Paar spezielle kanadische Gesten bei: Will man beispielsweise einen lästigen Verehrer loswerden und seine Freunde diskret um Hilfe bitten (Holt mich hier raus!), signalisiert man „akward turtle“. Für die „ungeschickte Schildkröte“ legt man die Handflächen übereinander und wedelt mit den Daumen.

 

Am nächsten Morgen ist endlich richtig Wind! Allerdings bläst der Maestral so kräftig, dass der Skipper entscheidet, nicht zu segeln. Auf der bisher so ruhigen See herrscht plötzlich ziemlicher Wellengang, ein Teil der achtköpfigen Crew ist seekrank. Mit Motor erreichen wir Blace auf dem Festland. Der Ort liegt an einem Flussdelta, die fruchtbare Umgebung gilt als das „Kalifornien Kroatiens“. Durch Olivenhaine laufe ich zu einem Aussichtspunkt auf den Klippen.

Seitenanfang

Der Wind ist launisch: Am folgenden Tag ist er fast völlig eingeschlafen. Also wird für die Überfahrt nach Korčula erneut der Motor angeworfen. Das gleichnamige Städtchen ist entzückend und ebenfalls komplett erhalten. Angeblich soll Marco Polo hier geboren sein. Selbst die Befestigungen stehen noch. Allerdings werden Besucher heute nicht mehr feindselig mit den Kanonen empfangen: In einem der Wehrtürme befindet sich jetzt eine Cocktailbar. Kein Wunder, dass meine Mutter, die als jung verheiratete Frau mit meinem Vater genau 50 Jahre zuvor dort zwei Wochen Badeurlaub verbracht hatte, heute noch von dem mittelalterlichen Kleinod schwärmt.

 

Als wir Korčula verlassen und hinter der Insel vorkommen, ist genug Wind zum Segeln. Auf der Nachbarinsel Mljet legen wir im kleinen Hafen Polače direkt neben der Ruine eines antiken Römerpalastes an. Angeblich strandete einst auch Odysseus auf der Insel, die zum großen Teil aus einem bewaldeten Nationalpark besteht. Das erste (und einzige Mal) in der ganzen Woche ziehe ich Socken an und schlüpfe in die Wanderschuhe. Der Weg zu den beiden Seen Veliko jezero und Malo jezero ist landschaftlich sehr schön, aber deutlich länger als gedacht. Meine Karte hatte keinen Maßstab…

 

Auf unserer letzten längeren Etappe ist gar kein Wind. Wenigstens können wir so an einer wunderschönen Stelle vor der Halbinsel Pelješac ankern und schnorcheln. Als ich an Land gehe, erweisen mir meine Badeschuhe gute Dienste: Die Felsen sind mit Seeigeln gespickt. Später wird die Bucht wird immer schmaler, die Fahrrinne enger. Am Ende erreichen wir Ston, das am Fuße eines Hügels liegt. Darüber verläuft eine Art Miniversion der chinesischen Mauer, die man begehen kann. Seltsamerweise liegt der Ort außerhalb der Mauer, die früher dem Schutz der benachbarten Salzfelder diente. Waschräume gibt es am kleinen Hafen nicht. Also duschen wir mit einem Gartenschlauch auf dem Kai. Der Wind föhnt die Haare trocken. Die Gegend ist berühmt für ihre frischen Muscheln. Abends überwinde ich mich und probiere ich die erste Auster meines Lebens. Angenehm salzig, aber auch irgendwie fischig. Am folgenden Morgen endet unser Segeltörn im benachbarten Slano.

 

Den Rest der Strecke fahren wir mit dem Taxi. Die letzte Nacht verbringe ich einem Gästehaus in der Altstadt von Dubrovnik. Ich habe ein winziges Zimmer, in das gerade ein Bett passt. Gegenüber befindet sich ein noch winzigeres Bad mit Klo und Dusche. Das Gemäuer hat Charakter (und W-LAN!). Es liegt superzentral in einer kleinen Gasse, aber auch superlaut. Nachts hallt die Musik der zahlreichen Bars über den nahen Lužaplatz. Praktisch: Direkt vor meinem Fenster im ersten Stock hängt eine Wäscheleine. Sie läuft über Rollen, sodass ich weiterdrehen kann, während ich Bikini und Badetuch aufhänge. Bevor ich auf der berühmten Mauer um die Stadt gelaufen bin, habe ich nämlich mit herrlichem Blick auf den kleinen Hafen ein letztes Bad in der Adria genommen. Neben Trogir und Split ist auch Dubrovnik Weltkulturerbe. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, duch ein Museum zu laufen. Überall pulsiert das Leben.

 

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME

THAILAND 2 🇹🇭

Reiseroute 2013

Kata Beach (Phuket) – Chalong Bay (Phuket) – Ko Rang Yai – Ko Hong Phang Nga – Ko Roi – Ko Chong Lat – Ko Hong Krabi – Rai Leh (von Felsen umschlossener Festlandort) – Ko Dam – Ko Phi Phi – Ko Yao Yai – Ko Kai Nai – Ko Mai Thon – Ko Racha Yai – Chalong Bay – Kata BeachKhao Sok National ParkKhao Lak (Tagesausflug zum Ko Surin National Park) – Ko Similan National Park (Inseln Ko Tachai, Ko Bon sowie die Similan-Inseln Nr. 9, 8 und 4).

Gegen den Wind
durch die Bucht von Phang Nga

Hurra: Eine Woche Segeln in der Bucht von Phang Nga! Wir starten in Chalong Bay auf Phuket. Unser Boot ist ein 52 Fuß langer, 14 Jahre alter Katamaran aus Aluminium names „Bohemian“. Skipper Phillip ist in den letzten zehn Jahren schon um die ganze Welt gesegelt: Kanaren, Karibik, Südsee, Neuseeland. Seit zweieinhalb Jahren lebt er in Thailand – auf seinem eigenen Boot, das nebenan liegt. Wo ist es denn am schönsten? „Hier!“ Die Nächte vor und nach dem Törn verbringe ich in einem Hotel in Kata Beach. Obwohl es der „ruhigste“ der drei Hauptbadeorte auf der Halbinsel sein soll, steht am Strand Liege an Liege. Erst habe ich ein Zimmer zur Straße, über die zahllose Mopeds knattern und am frühen Morgen Trucks die benachbarte Baustelle beliefern. Dann habe ich ein Zimmer hinten zum Pool hinaus, wo einen das „umpf, umpf“ der unterhalb gelegenen Nachtbars im Zentrum in den Schlaf wiegt. Was für ein Unterschied: Vor der Insel Ko Rang Yai, wo wir unseren ersten Stop einlegen, ankert nur eine Handvoll Boote, an Land befindet sich ein winziges Resort. Man hört lediglich die kleinen Wellen an den Strand plätschern und die Vögel im Dschungel rufen.

Das Leben an Bord macht faul: Zwischen den Rümpfen vorn sind Netze gespannt, darauf befinden sich Sitzsäcke – gemütlicher als eine Hängematte. Zwischendurch raffen wir uns auf und gehen eine Runde schwimmen oder schnorcheln. Man passt sich dem Rhythmus des Tageslichts an: Um 18.30 Uhr dämmert es, um 19.00 Uhr ist es bereits dunkel, um 21.00 Uhr hat man das Gefühl, es sei mitten in der Nacht. Der Mond scheint durch das Oberlicht über meiner Koje, eine leicht Brise macht den Ventilator arbeitslos. Wer möchte, kann auch unter freiem Himmel auf dem Trampolindeck schlafen. Die Nächte sind Ende Januar warm und trocken, Mücken kommen nur sehr vereinzelt von den Inseln herübergeflogen.

Die folgenden Tage verbringen wir im nördlichen Teil der Bucht. Dort ragen unzählige Felsen wie Zähne aus dem Meer. Der berühmteste ist „James Bond Island“, das Hauptquartier des Bösewichts aus „Der Mann mit dem goldenen Colt“. Auf den meisten Inselchen leben keine Menschen, dafür Vögel (z.B. Seeadler), Zikaden, handtellergroße Schmetterlinge und Wasserdrachen. Erinnert irgendwie an Jurassic Park, auch ein richtiger Dino würde gut hier hinpassen. Die Strände sind goldgelb, das Wasser ist etwas trüb und deshalb nicht zum Schnorcheln geeignet. Stattdessen ist die Gegend für Sea Kayaking ideal. Wir haben zwei von den flachen Plastikbooten an Bord, die auch zur Überfahrt vom ankernden Schiff an die Strände sehr praktisch sind. Marinas gibt es nämlich so gut wie gar nicht. Beim Landen und beim Schwimmen muss man aufpassen. Überall sind messerscharfe Korallen. Wir haben viel zu erforschen: Ko Hong Phang Nga beispielsweise hat schöne Höhlen und eine kleine Lagune zu bieten (allerdings auch Touristenmassen), ebenso wie Ko Hong Krabi („Hong“ heißt übrigens „Raum“). Ko Roi besitzt einen herrlichen Mangrovensumpf, den wir ganz für uns haben. In Ko Chong Lat ist „Bohemian“ das einzige Touristenboot, das vor der Insel ankert. Nur Fischer mit ihren Longtailbooten sind ebenfalls vor Ort. Phillip erzählt, dass er mal bei seiner Weltumsegelung in seinem Schlafsack Fische gefangen hat. Die waren direkt in sein Cockpit geflogen.

 

Rai Leh liegt zwar auf dem Festland, ist aber von Felsen umschlossen und nur mit dem Boot zu erreichen. Als ich durch den kleinen Ort zum Strand Hat Phra Nang laufe, tropft es neben mir. Ist doch gar keine Regenwolke am Himmel? Über mir im Baum sitzt ein Affe und pinkelt ungeniert. Eine ganze Bande treibt sich dort herum. Die kleinen Biester lassen sich gerne von Touristen füttern und trinken sogar Wasser manierlich aus Plastikflaschen. Wenn ein Affe zur Abwechslung eine Krabbe essen will, steckt er seinen Schwanz in deren Loch. Die Krabbe kneift zu und er zieht sie heraus. Zwischendurch zweigt ein Weg zu einer Lagune ab, der jedoch ziemlich selbstmörderisch aussieht. Es geht fast senkrecht hoch. Die ganze Gegend ist ein Paradies für Kletterer. Außerdem sind die Felsen von Höhlen durchzogen. Echt schräg: Einzelne vom Boden emporwachsende Tropfsteine sind mit bunten Bändern geschmückt und in den beiden Höhlen am Strand stehen zusätzlich kleine Altäre sowie Holzpenisse in allen erdenklichen Größen. Jetzt weiß ich auch, warum Phillip die Höhlen als „phallisch“ beschrieben hat… Abends setzen wir mit dem Dinghi zur benachbarten Bucht Ao Ton Sai über, die von urgemütlichen Strandbars mit Hippie-Flair gesäumt ist. Auf der Karte wird u.a. ein „Magic Mushroom Shake“ angeboten. Erstmals höre ich Reggae auf Thai. Wir landen bei Ebbe und müssen durch zähen, knöcheltiefen Schlick stapfen. Danach sehen wir aus, als würden wir Socken tragen.

 

Weiter südlich in der Bucht wird der Sand weißer, das Wasser klarer und türkiser. Hier kommen die besten Schorchelplätze der Region, z.B. Ko Dam, Ko Kai Nai und Ko Mai Thon. Auf Ko Phi Phi fahren wir von einer Traumbucht zur nächsten: Lanah BayMonkey Bay und wieder zur Maya Bay, wo „The Beach“ gedreht wurde. Während tagsüber dort die Hölle los ist, wird es bei Sonnenuntergang ruhig. Ausnahmsweise liegen noch zwei Motorboote am Strand. Die Kapitäne haben die Flut verpasst (die Gezeitenunterschiede sind in der flachen Bucht sehr groß, Ebbe und Flut wechseln schnell). Nun sitzen die Passagiere auf dem Trockenen und müssen warten. Naja, es gibt schlimmere Orte… Am nächsten Morgen machen wir schnell noch einen Schnorchelgang. Um 8.30 Uhr kommen die ersten Ausflugsboote. Wir gehen und nehmen Kurs auf Ko Yao Yai. Die Nachbarinsel von Ko Yao Noi, die ich ein Jahr zuvor besucht hatte, ist ebenso schön. Am Strand halten sich kaum andere Menschen auf. Dafür sind überall im Sand Löcher, aus denen mich wieselflinke Krabben mit Stielaugen anstarren. Eine wagt sich sogar aufs Handtuch. Abends grillen wir mit Blick auf den Sonnenuntergang und das ankernde Schiff. Bevor wir wieder nach Chalong Bay zurückkehren, verbringen wir die letzte Nacht vor Ko Racha Yai. Diesmal kann ich die Insel genießen. Beim Schnorcheln sehe ich u.a. einen Adlerrochen, einen Feuerfisch und Clownfische. Anschließend paddele ich mit dem Kanu an Land. Hinter dem Luxusresort des Hauptstrandes befindet sich ein idyllisches Dorf mit grasenden Kühen, dahinter dichter Dschungel.

 

Seitenanfang

Ich bin im Dschungelcamp –
Lasst mich hier drin!

Von Kata Beach aus fahre ich gut zweieinhalb Stunden lang mit einem Minibus nach Nordosten. Langsam ändert sich die Landschaft. Die durchgehende Bebauung weicht erst Plantagen, dann wird der Wald langsam dichter, die Landschaft hügeliger. Ziel ist das Elephant Hills Camp am Rande des Khao Sok National Parks. Neben Luxuszelten für Menschen (überdacht und mit angebautem Badezimmer, sowie Terrasse) bieten die Betreiber auch ein Camp für Elefanten. 16 Stück leben dort. Es sind alles Weibchen. Die Jüngste heißt „Haha“, ist knapp ein Jahr alt und wiegt bereits 350 Kilo. Den Namen hat sie, weil die Betreiber ihre Mutter kauften und dann feststellten, dass sie schwanger war. So hatten sie zwei Elefanten zum Preis von einem bekommen. Erwachsene Elefanten essen bis zu 250 Kilogramm Grünzeug pro Tag und trinken bis zu 200 Liter Wasser. Die Touristen fassen beim Füttern mit an. Anschließend nehmen die grauen Riesen ein ausgiebiges Schlammbad. Dann wird mit dem Wasserschlauch gewaschen und mit Kokosnussfasern per Hand poliert. Sollte ich mal wiedergeboren werden, dann bitte als Elefant in diesem Camp! Nicht mal mit Menschen ausreiten müssen die Ladys, weil die Betreiber das als nicht artgerecht betrachten. Allerdings haben nicht alle Elefanten in Thailand solch ein Glück: In Kata Beach steht ein verschüchtertes Jungtier mitten im Nachtleben und muss sich für Geld fotografieren lassen. Gezähmte Dickhäuter haben in Thailand eine lange Tradition und halfen früher beim Waldroden. Als man das 1984 verboten hat, wurden sie arbeitslos. Der Unterhalt ist teuer (s.o.) und so brachen harte Zeiten an. Die Mahouts (jeder Elefant hat seinen eigenen Führer) griffen zum Teil zu verzweifelten Methoden, um zu überleben.

Auf dem Programm stehen zudem eine Kanufahrt auf dem Sok River und ein Tagesausflug zur Küste nördlich von Khao Lak. Nach einem Zwischenstop auf dem Markt von Takua Pa gehts vom Sapan Pra Pier mit dem Speedboot weiter zur Insel Ko Maeo. Mit Kanus paddeln wir durch die Mangroven. Anschließend gibts auf einer burmesischen Dschunke Mittagessen. Bei der Siesta am Strand der Insel Ko Phra Thong ist unsere Mini-Gruppe unter sich. Auf der Rückfahrt biegt das Speedboot in einen Seitenkanal ab. Neben Tibetpalmen beeindrucken vor allem die riesigen Banyan-Bäume mit ihren Luftwurzeln.  Auf den Ästen sehen wir schlafende Schlangen. Am dritten Tag machen wir zum Abschluss vom Camp aus eine Wanderung durch den Dschungel. Beim Picknick im Wald isst ein weiblicher Waran mit. Es gibt Kokosmilchcurry mit Hühnchen und gegrilltes Schweinefleisch. „Die nehmen alles“, erklärt der Koch. Naja, es schmeckt ja auch toll und ist kräftig gewürzt. Die Kantine in unserer Firma würde wohl selbst die Echse verschmähen…

 

Seitenanfang

Armhakelnde Kraken
und eine mondäne Muräne

Vom Khao Sok Nationalpark ist es nur ein Katzensprung zum Küstenort Khao Lak, der viel ruhiger und leerer als Phuket ist. Kein Massentourismus. Keine Straße direkt am Strand. Zwar liegt auch hier Hotel neben Hotel, aber es ist nicht alles zubetoniert. Ich habe ein extra kleines Resort gewählt – eine gute Idee. Nur ein paar Liegen säumen den Streifen vor dem Sand. Direkt nebenan kann man sich für umgerechet 8,78 € eine Stunde lang den Rücken und Nacken massieren lassen. Aaaaaah!

Hinter Khao Lak liegt der Dschungel, davor befinden sich zwei der weltbesten Unterwasserreviere: die Surin– und die Similaninseln. Erstere besichtige ich bei einem Tagesausflug. Unglaublich, aber der Sand ist tatsächlich noch weißer, das Wasser noch klarer und türkiser, die Artenvielfalt noch größer als in der Bucht von Phang Nga. Auch an Land gibts was zu sehen – z.B. ein Dorf der Moken People: Seenomaden, die nach dem Tsunami dort sesshaft geworden sind. Tradition (Schilfhütten) trifft auf Moderne (zwei Satellitenschüsseln, zwischen denen eine Wäscheleine gespannt ist).

 

Zum Ko Similan National Park mache ich einen dreitägigen Schnorcheltrip mit dem 21 Meter langen Motorboot „Sanuk 3“. Skipper Uwe erklärt, wie der unglaublich feine, weiße Sand dort zustande kommt. Es ist nichts als – Fischscheiße! Sie knabbern vorn die Korallen ab und scheiden hinten den kleingemahlenen Muschelkalk wieder aus. Erste Station ist Ko Tachai, wo in wunderschönen Korallengärten u.a. ein Barracuda und Babytintenfische herumschwimmen. Beim Landgang stoßen wir im Dschungel auf riesige, finster blickende Chicken Crabs. Vor der Nachbarinsel Ko Bon sollen Mantas leben. Leider zeigen sie sich nicht. Dafür eine Muräne, die von einem kleinen blauen Fisch die Zähne geputzt kriegt. Kurz darauf entdecke ich zwei kämpfende (oder verliebte?) Kraken mit verhakten Armen. Der Sieger lässt sich zwischen zwei Steinen nieder und nimmt genau deren Farbe an.

Von dort gehts weiter zu den neun Similaninseln, die der Einfachheit halber durchnummeriert sind. Zunächst schnorcheln wir vor Nr. 9. Es wird einfach nie langweilig: Eine schwarzweiß geringelte Seeschlange zieht unter mir durch, ebenso wie riesige Papageienfische, auf denen kleine Anhalter mitschwimmen. Nr. 8 ist eine von zwei Inseln, die betreten werden dürfen. Wir landen in der Donald Duck Bay (benannt nach einem Felsen, der wirklich entenmäßig aussieht) und klettern zu einem Aussichtspunkt hinauf. Allein ist unsere Minigruppe (vier Passagiere) allerdings nicht. Vom Festland kommen ständig Schnellboote für einen Tag herüber. Abends ankern wir dann vor Nr. 7. Am nächsten Morgen erkunden wir Nr. 4 und setzen mit einem Schlauchboot in der Princess Bay zu einem weiteren unfassbar schönen Strand über. Die einzigen menschlichen Bewohner der Similans, die Ranger, haben hier ihr Hauptquartier. Zudem gibts ein paar Zelte und Bungalows für Gäste. Bei den letzten Schnorchelgängen zeigen sich endlich mal Schwarzspitzenriffhaie. Ein kleiner Trost, denn die geplanten Unterwassertouren vor den Inseln 5, 6 und 7 müssen leider ausfallen. Ein kräftiger Wind ist aufgekommen, und die See ist zu rau. Jetzt kann ich mir gut vorstellen, warum der gesamte Ko Similan National Park während der Regenzeit unzugänglich ist. Die Inseln 1, 2 und 3 sind ohnehin immer gesperrt: Nr. 1 hat einen Marinestützpunkt, die anderen beiden sind Eiablageplätze von Meeresschildkröten.

 

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME

SIMBABWE 🇿🇼 

Reiseroute 2012

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – NAMIBIA 🇳🇦 – BOTSWANA 🇧🇼 – NAMIBIA 🇳🇦 – BOTSWANA 🇧🇼 – Victoria Falls

Zum Schluss: Ein Fall für alle Fälle

Schon beim Betreten von Simbabwe merkt man, dass in dem krisengeschüttelten Land eine andere Stimmung herrscht, als in Südafrika, Namibia oder Botswana. In der Grenzstation hängen Schilder, die vor Korruption warnen. Viel zu helfen scheinen sie nicht. Unser Guide Johan erzählt, dass der Truck meist kurz hinter der Grenze von der Polizei angehalten wird: „Sie finden immer was. Neulich mussten wir eine Strafe zahlen, weil an einem Reifen eine Ventilkappe fehlte.“ Prompt macht der Truck eine Vollbremsung: Ein Auto blockiert die Straße. Nichts passiert. Sind das etwa gar keine Cops, sondern Räuber? Nein! Es ist bloß eine Fahrschülerin, die beim Wenden ihren Wagen abgewürgt hatte. Schließlich erreichen wir unseren Zielort Victoria Falls. Dort kann man sofort Milliardär oder Billionär werden, denn Straßenhändler bieten entsprechende Noten von Simbabwe-Dollar an. Zum Zahlen taugen sie allerdings nicht mehr, da die Währung wegen Hyperinflation ausgesetzt und durch den US-Dollar verdrängt wurde. Das Hotel entpuppt sich als im bombastischen Diktatorenstil erbauter Betonbunker. Davor stehen lange Schlangen von dunklen Mercedes-Limousinen. Es läuft gerade eine Tagung von Regierungsmitgliedern…

Nach über 2700 Kilometern heißt es hier Abschied nehmen von unserem Truck. Irgendwie hat man ihn in den drei Wochen liebgewonnen, auch wenn er morgens regelmäßig angeschoben werden musste und einmal im Sand steckenblieb. Unglaublich, wie abwechslungsreich die Landschaften waren – mediterran, Küste, Wüste, Savanne, Sumpf und jetzt tropischer Regenwald. Vom Balkon meines Hotelzimmers kann ich in der Ferne noch die Gischt der Fälle aus dem Dschungel aufsteigen sehen. In dieser Gegend ist es selbst in der Trockenzeit immer feucht. Überall im Garten turnen Affen (Meerkatzen und Paviane) herum. Deshalb sollte man keine Fenster offenlassen. Ein Meerkatzen-Kindergarten und grasende Warzenschweine lassen die gewöhnungsbedürftige Architektur des Hotels vergessen.

Der majestätischen Schönheit der Victoriafälle können die sozialen Probleme im Land ohnehin nichts anhaben. Unbeeindruckt stürzt der Sambesi bis zu 107 Meter tief in eine Schlucht. Und direkt hinter den Fällen beginnt eine der wildesten Raftingstrecken der Welt. Der teilweise etwas schlüpfrige Abstieg zum Fluss lohnt sich. Ich mache mit dem Schlauchboot eine Tour durch die Stromschnellen 1 bis 19, die klangvolle Namen wie „Des Teufels Kloschüssel“ tragen. Unterteilt sind sie in Kategorien von 1 bis 6, wobei 6 selbst für Profis als zu gefährlich gilt. Daher lassen wir Nummer 9 aus und klettern über die Felsen drumherum. Richtig Spaß machen die Kategorie-5-Stromschnellen. Manchmal verliert das Boot ein paar von seinen acht Passagieren. Die werden wieder aus dem Fluss gefischt. Ich bleibe an Bord und habe das Gefühl: Ist doch halb so wild. Bis in der vorletzten Stromschnelle unser Boot umschlägt. Jetzt weiß ich, wie sich die Wäsche in der Waschmaschine fühlt. Während ich noch überlege, wo oben und unten ist, zieht mich die Schwimmweste wieder an die Wasseroberfläche. Das Härteste allerdings kommt nach dem Rafting. Dann muss man wieder aus der Schlucht des Sambesi herausklettern, die am Ende der Strecke 250 Meter tief ist.

Am letzten Tag passiere ich erneut eine Grenze und fahre von Victoria Falls über eine Brücke auf die andere Seite der Fälle ins benachbarte Livingstone, das zu Sambia gehört. Die Grenze verläuft genau in der Mitte. Wer mit dem Auto unterwegs ist, muss aufpassen und die Seiten wechseln: In Simbabwe herrscht Linksverkehr, in Sambia Rechtsverkehr. Von Livingstone aus fliege ich über Johannesburg nach London und komme am 4. November frühmorgens in Heathrow an. Von 40 auf 4 Grad in ein paar Stunden. Der Duty Free Shop im Flughafen ist weihnachtlich geschmückt, im Hintergrund dudelt besinnliche Musik. Ich bin noch voll auf Sommer eingestellt. Holt mich hier raus!

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME

BOTSWANA 🇧🇼 

Reiseroute 2012

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – NAMIBIA 🇳🇦 – Okavango DeltaNAMIBIA 🇳🇦 – Chobe NationalparkSIMBABWE 🇿🇼 

Ein Fluss ins Nichts
und endlich ein Leopard

Kaum zu glauben, dass ein so breiter Fluss wie der Okavango einfach in der Kalahariwüste versickert. Zuvor verzweigt er sich labyrinthartig im Okavango Delta, in das wir bei unserem ersten Abstecher nach Botswana hineinfahren. Dafür wechseln wir kurz hinter der Grenze zu Namibia vom Truck auf das Hausboot „Delta Belle“. Es ist äußerst komfortabel und hat nur vier große Kabinen. Nachts lasse ich die bodenhohe Balkontür offen und wache von einem „grummel, grummel, grummel, schnauf“ auf. Ein Nilpferd schwimmt vorbei. Außerdem sehen wir wieder Krokodile und Massen von Vögeln. Mit dem Truck fahren wir weiter den Fluss entlang Richtung Süden und verbringen die nächste Nacht auf einem etwas engerem Hausboot namens „Inkwazi“. Von dort aus machen wir mit einem Mokoro, dem traditionellen Einbaum, einen Ausflug noch tiefer in die Sümpfe. Heute werden die Boote allerdings nicht mehr aus Leberwurstbäumen hergestellt, sondern aus Fiberglas. Die Bäume brauchen nämlich 80 bis 100 Jahre, um nachzuwachsen und wurden in der Gegend fast komplett abgeholzt. Ich versuche auch mal, so ein Teil durchs flache Wasser zu staken. Es ist nicht so einfach, wie es aussieht. Aus unerfindlichen Gründen drehe ich mich und fahre plötzlich rückwärts. Außerdem besichtigen wir auf einer Insel im Delta ein kleines Dorf. Eine Einheimische zeigt uns alles und erzählt, dass jeder Bürger Botswanas sich ein unbebautes Grundstück aussuchen und auf sich re­gis­trie­ren lassen kann. Dann gehört es einem. Selbst die aus Sand gefertigten Steine zum traditionellen Hausbau gibts umsonst.

Abends erweitere ich mal wieder meine Sprachkenntnisse und lerne ich von unserem Fahrer, einem Herero, etwas Afrikaans. Gute Nacht  z.B. heißt „Lekker Slaap“. Ein australischer Mitreisender steuert ein schönes Schimpfwort für kleine Männer mit großen Komplexen zu meinem Wortschatz bei: „duck’s arse syndrome“.

Der zweite Besuch in Botswana führt uns in den Chobe Nationalpark, der an dem gleichnamigen Fluss liegt. Neben zig verschiedenen Huftieren sieht man hier endlich Raubkatzen aus der Nähe. Ein vollgefressener Löwe ruht sich aus, eine offenbar noch hungrige Löwin streift am Ufer herum. Der Ranger fährt weiter: „Die sind nachher auch noch da. Ich will erstmal einen Leoparden.“ Wir auch! Endlich ist es soweit: Das wunderschöne Tier schleicht sich gerade an nichtsahnende Impalas he­ran.

 

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME

NAMIBIA 🇳🇦 

Reiseroute 2012

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – Orange RiverFish River CanyonSossusvleiSwakopmundWindhoekDamaralandEtosha Nationalpark – Okavango River BOTSWANA 🇧🇼 – Caprivi StripBOTSWANA 🇧🇼 – SIMBABWE 🇿🇼 

Ein wirklich weites Land

Hinter der südafrikanischen Grenze wird die Landschaft noch karger. Nur an den Ufern des Orange River sieht man noch Grün. Hier wächst dank Bewässerung sogar Wein. Wir übernachten in strohgedeckten Hütten, die am Hang liegen und einen schönen Blick aufs Wasser bieten. Am nächsten Morgen machen wir eine Kanutour auf dem Fluss, der sogar in seinen „Stromschnellen“ die Ruhe bewahrt. Weiter gehts zum Fish River Canyon, dem zweitgrößten Canyon der Welt. Vom zentralen Aussichtspunkt machen wir am oberen Rand entlang eine kleine Wanderung mit spektakulärer Aussicht. In die Schlucht hinabzusteigen, ist zu dieser Jahreszeit strikt verboten. In der Nähe sichten wir das erste Wild: ein Straußenpaar und einen Springbock.

Während der langen Fahrten auf den endlosen Straßen unterhält der Guide Johan die Gruppe mit Anekdoten. So hat er früher als Game Ranger gearbeitet. Eine der Aufgaben für die Rangerprüfung war eine mehrtägige Wanderung. Jeder Teilnehmer bekam ein lebendiges Huhn mit auf den Weg. Wer es unterwegs aß, war durchgefallen. Also ernährten sich die Prüflinge von Würmern und Beeren. Und am Ende? Da wurden die Hühner dann geschlachtet und gegrillt. „Meins hatte sogar einen Namen. Ich liebte dieses Huhn, aber es hat prima geschmeckt. Ich war so hungrig.“ Ein anderes mal beschreibt Johan ein Rezept, mit dem die Ranger sich in der Nebensaison die Langeweile vertrieben haben: Man nehme ein paar Bier, einen der Rundfahrt-Jeeps und einen Topf blaue Farbe. Dann suche man einen Elefanten, schleiche sich heran, klatsche ihm eine mit blauer Farbe beschmierte Hand auf den Hintern und renne schnell weg. Später haben sich die Touristen dann über die einzigartigen blauärschigen Elefanten in dem privaten Wildpark gewundert…

Jede Unterkunft hat einen eigenen Charakter: Das Hotel in Seeheim, einer einsamen Bahnstation, sieht es bisschen wie ein Spukschloss aus. Zu den Zimmern führen verwinkelte Treppen. Vor dem Haus lebt eine Oryx-Antilope in einem Gehege. Auf der Bar turnt ein zahmer Graupapagei (ist nicht von hier, sondern aus Zentralafrika) herum. Am nächsten Morgen hüpft er auf den Frühstückstisch und pickt nach meinem Teller. Es gibt u.a. Oryx-Salami… Die Lodge bei Solitaire liegt wunderschön in einer Steppenlandschaft. Vom Pool aus kann man ein Erdmännchenpaar mit vier Kindern beim Spielen beobachten. Später laufen sie hinters Haus und kratzen sich Käfer aus dem Boden. Von einem nahegelegenen Hügel bietet sich ein spektakulärer Blick auf die untergehende Sonne.

Cornflakes, Weißbrot und kratzige Woll-Läppchen mit Laken drumherum – normalerweise vermisse ich bei meinen Auslandsreisen Müsli, Brot mit Kruste und vernünftige Bettdecken. In Namibia nicht! Lustig wirds, wenn sich traditionelle deutsche Küche mit lokalen Zutaten mischt. In einem Hotel in Maltahöhe stehen u.a. Zebrarouladen und Gnugulasch auf der Speisekarte.

Seitenanfang

Der größte Sandkasten der Welt

Am nächsten Morgen brechen wir sehr früh zum Sossusvlei auf. Die Sanddünen dort leuchten in allen Rottönen. Wir besteigen Düne 45. Das Hochkraxeln ist allerdings schwerer, als es aussieht, da der Sand so fein ist. Anfangs ist es noch sehr nebelig, was die Tiere freut. Sie sammeln die Feuchtigkeit am Körper und lecken sie dann vom Fell oder von den Schuppen. Überall im Sand sind Spuren. Ab und zu sieht man auch flitzende Geckos, Eidechsen und Käfer. Jeder hats eilig, denn der Sand kann sehr heiß werden. Atemberaubend schön ist das benachbarte Deadvlei. Es kommt mir bekannt vor: Einer der verdorrten Kameldornbäume in der Ebene dient bei einem meiner Bildbearbeitungsprogramme als Musterfoto.

Wir überqueren auf dem Weg nach Swakopmund den Wendekreis des Steinbocks und fahren durch die Naukluft. Mitten im Nichts steht ein Wegweiser zu einem Hotel: „Rostock Ritz“. Erst schlängelt sich die Straße durch eine bergige Mondlandschaft, dann wirds flach. Stundenlang leere Weite. Ganz selten kommen uns Autos entgegen. Dies ist definitiv keine Gegend für Agoraphobiker!

Vom hübschen Städtchen Swakopmund aus mache ich zum Sandboarding einen Ausflug in die Dünen der Namib, die in Küstennähe weiß sind. Die Ausrüstung besteht aus uralten Snowboards und -schuhen. Der „Berg“ ist 90 Meter hoch. Nachteil: Es gibt keinen Lift. Man muss zu Fuß wieder hochklettern. Außerdem muss das Board nach jedem Durchgang neu gewachst werden. Der Sand ist deutlich schwerer und langsamer als Schnee. Dafür fällt man schön weich. Als ich unten ankomme, klettert ein großer schwarzer Käfer auf mein Board. Der will wohl auch mal etwas Action. Erstmals wage ich einen Sprung von einer kleinen Schanze, da eine missglückte Landung hier viel weniger wehtut als im Schnee. Nach dem Boarden spielen wir „Kalahari Ferrari“. Dabei rast man bäuchlings auf einem dünnen Holzbrett einen recht steilen Hang hinunter. Ein Crewmitglied misst die Geschwindigkeit. Beim ersten Lauf erreiche ich 66 km/h, beim Zweiten 71 km/h. Anschließend ist überall Sand, selbst in den Ohren.

Seitenanfang

Stadtleben

Mit einem einheimischen Guide besichtige ich Swakopmunds Township Mondesa, die ca. 28.000 Einwohner hat. Unter der südafrikanischen Besetzung zwang das Apartheidsregime die Schwarzen nicht nur, aus der Stadt nach Mondesa zu ziehen. Es trennte dort sogar die verschiedenen Volksgruppen und sähte mit unterschiedlichen Hausarten (größere für die Herero, sehr kleine für die Ovambo, mittlere für die Damara) Missgunst, um eine Vereinigung der Schwarzen gegen das Regime zu vermeiden. Auch nach der Unabhängigkeit von Südafrika leben viele Menschen weiter hier. Gründe sind neben den über Jahre gewachsenen Nachbarschaften die günstigen Preise. Ein bescheidenes Häuschen inkl. Grundstück bekommt man schon ab 2000 €, der Staat gibt dafür Darlehen. Langsam vermischen sich die Volksgruppen, inzwischen leben auch 16 Weiße in Mondesa. Wir besuchen drei Frauen: Eine alleinerziehende Herero erzählt, wie schwierig es ist, drei Söhnen eine vernünftige Ausbildung zu ermöglichen. Sie trägt ein schickes Kleid mit weiten Röcken und einen farblich passenden, dreieckigen Hut. Das festlich wirkende Outfit, mit dem man in Deutschland locker auf eine Hochzeitsfeier gehen könnte, ist bei Hererofrauen die normale Alltagskleidung. Für ein Erinnerungsfoto darf ich auch mal hineinschlüpfen. Dabei verrät mir Thalita ein Frauengeheimnis („Sag es nicht dem Guide!“): Die spezielle Form der Kopfbedeckung die an Kuhhörner erinnern soll, wird mit Hilfe einer Zeitung erzeugt. Außerdem besuchen wir eine Nama, die sich mit Heilkräutern auskennt und eine 87-jährige Damara, die zum Chief ihres Stammes gewählt wurde.

Unser Guide ist auch ein Damara und weiht uns in die Feinheiten seiner Muttersprache ein. Sie besitzt vier verschiedene Klicklaute. Man muss aufpassen: Je nach Klicklaut am Anfang bedeutet das Wort „nam“ z.B. „lieben“ oder „töten“ und „Ich liebe dich“ oder „Ich töte dich“ ist ja manchmal ein Unterschied. Meine Versuche, die Laute nachzumachen, enden eher kläglich. Dabei ist Damara noch einfach. Die San haben sieben Klicklaute in ihrer Sprache… Bevor wir in die City zurückkehren, trinken wir noch ein Bier in einer lokalen Bar und probieren ein typisches Essen mit einer Art Porridge, wildem Spinat und Bohnen.

Weniger spannend finde ich die etwas gesichtslose Haupttadt Windhoek. Seltsam: An der Robert Mugabe Avenue (benannt nach dem Diktator des Nachbarlandes Simbabwe) steht direkt neben dem Parlament des unabhängigen Namibia das Reiterdenkmal eines deutschen Offiziers aus der Kolonialzeit, der an den Herero-Massakern beteiligt war. Immerhin haben wir ein hübsches Hotel und essen abends in einem urgemütlichen Biergarten. Dort genieße ich wieder Filet vom Oryx. Leckeres, zartes, schön mageres Fleisch – besser als Rind!

Seitenanfang

Ein Erdmännchen namens Susie

„Vorsicht! Antilope mit fliegenden Hörnern“, „Vorsicht! Warzenschwein“, Schilder am Straßenrand deuten es an: Das raue Damaraland ist eine wirklich wilde Gegend. Auf unserem Campingplatz Xaragu lebt Erdmännchen oder vielmehr Erdweibchen Susie. Sie steht auf Füße und fängt gleich an, meine Zehen aus den Schuhen zu graben. Weil sie mit der Hand aufgezogen wurde, lässt sich Susie sogar auf den Arm nehmen und gibt beim Streicheln eine Art Schnurren von sich. Als ich am Pool liege, schleicht sich das kleine Biest heran, trinkt meinen Gin Tonic ordentlich aus dem Strohhalm, pult mir im Bauchnabel und unter den Achseln herum. Im Garten buddelt es die frischgepflanzten Blumen aus. Demnächst soll Susie ein Erdmännchen bekommen und kann eine Erdfamilie gründen. Dann ist es wohl mit der Ruhe auf dem Campingplatz endgültig vorbei. Prima Klima hier: Das Thermometer zeigt 34,4 Grad, bei 13 Prozent Luftfeuchtigkeit. In den Zelten gibts natürlich keinen Strom. In der Bar hingegen sorgt ein Generator dafür, dass Betreiber und Gäste auf einem riesigen Flachbildschirm ein Rugbymatch per Satellit gucken können. Morgens singt das Personal traditionelle Lieder der Damara mehrstimmig. Es klingt wie ein professioneller Chor, ist aber ganz spontan improvisiert. Wirklich unglaublich, wie musikalisch die Menschen hier sind!

In Twyfelfontein besichtigen wir das Weltkulturerbe mit ca. 4000 bis 6000 Jahre alten Felsgravuren der San. Hauptsächlich werden Tiere und deren Spuren dargestellt. Die Felsen dienten vermutlich ähnlich wie bei den Aboriginal People in Nordaustralien als eine Art Schultafel. In der Nähe befindet sich ein „Lebendes Museum“. Die Damara zeigen, wie ihre Vorfahren gelebt haben. Sie selbst allerdings  ziehen sich abends moderne Kleidung an und haben vielleicht auch Satelitenfernsehen. Am nächsten Tag halten wir auf dem Weg zum Etosha Nationalpark an einem versteinerten Wald mit 280 Millionen Jahre alten Bäumen. Dazwischen wächst Namibias Nationalblume Welwitschia, die bis zu 2000 Jahre alt werden kann und nur einen Zentimeter pro Jahr zulegt.

Seitenanfang

Pure Natur und
ursprüngliche Dörfer: TIA!

Der Etosha Nationalpark ist etwa so groß wie Hessen. Anderthalb Tage fahren wir in unserem Truck dort herum, immer auf der Suche nach Tieren. Die können sich zwar auf der großen Fläche gut verstecken, müssen aber hin und wieder zu den Wasserlöchern kommen. Dort sehe ich erstmals trinkende Giraffen, die dabei viel von ihrer sonstigen Eleganz einbüßen. An einer anderen Stelle baden ca. 30 Elefanten. Aus der Ferne sehen wir mehrere Löwen unter Bäumen und eine Gepardin, die nach ihren Jungen ruft. Besonders faszinierend ist die Etosha-Pfanne im Zentrum des Parks. Man kann von einem Aussichtspunkt aus ein wenig hineinlaufen und fühlt sich dann wie die Siedler im Western: Voraus nichts als eine flirrend weiße Salzkruste soweit das Auge reicht. Die fast immer ausgetrocknete Ebene ist 110 Kilometer lang und bis zu 60 Kilometer breit.

Südlich des Parks übernachten wir in der luxuriösen Toshari Lodge, direkt hinter dem Osttor in der noch luxuriöseren Mokuti Lodge. Die Anlage hat ihren eigenen kleinen Tierpark: Zwischen den Bungalows grasen Springböcke und Dik Diks. Überall turnen kleine Eichhörnchen herum, eine Bande von Zebramangusten treibt ihr Unwesen. Außerdem gibts einen Reptilienzoo. Puffotter, Schwarze Mamba und Speikobra dürfen sich allerdings nicht frei bewegen. In dem üppig grünen (Bewässerungssystem!) Park liegt ein Riesenpool. Mein Zimmer hat sogar ein Sitzecke mit Sofa und Sessel sowie einen eigenen kleinen Garten mit Hollywoodschaukel. Das Essen ist vom Feinsten, u.a. gibts Elanfilets vom Grill. Die Gruppe ist angetan. „Oh“, meint Guide Johan, „Ihr werdet tief fallen.“

Auf dem Weg nach Divundu halten wir spontan in einem Dorf der Kuvango. Die Leute sind sehr freundlich. Zwei Jungen lassen uns für ein Foto auf ihren Eselskarren klettern. Gar nicht so einfach. Als einer der Mitreisenden aufteigen will, kippt das Ganze wie eine Wippe. Ein kicherndes Mädchen fotografiert fleißig mit seinem Handy. Zwei Frauen bauen gerade eine kleine Hütte und zeigen uns, wie sie aus nassem Sand mit den Händen die Ziegel formen, die zwischen Holzpfähle gepackt werden. Während es draußen recht heiß ist, ist es unter dem Strohdach angenehm kühl – eine natürliche Klimaanlage. In der örtlichen Bar (die Hocker bestehen aus Autofelgen mit angelöteten Füßen) gibts sogar eiskalten Red Bull. Die Haustiere leben frei und gefährlich: Ein selbstmörderischer Esel wälzt sich mitten auf der Hauptstraße. Kurz zuvor sehen wir eine überfahrene Kuh.

Schließlich erreichen wir den Okavango River. Erst ein Zwischenstopp in einer Lodge am Ufer, dann machen wir einen Abstecher nach Botswana ins Okavango Delta. Anschließend fahren wir durch die Mahango Reserve. Dieser Nationalpark ist kleiner, aber fast noch feiner als Etosha: viele Tiere, kaum Menschen. Nach einem Aufenthalt im Ngepi Camp (s.u.) reisen wir weiter durch den Caprivizipfel in die hinterste Ecke Namibias. Wegen des Bürgerkriegs im benachbarten Angola und politischer Unruhen um die Jahrtausendwende war der schmale Landstreifen lange nicht zugänglich. Heute kann man wieder unbesorgt die herrliche und dünn besiedelte Gegend genießen. Am Vierländereck mit Angola und Simbabwe überqueren wir erneut die Grenze nach Botswana.

Seitenanfang

Das Paradies hat eine Klo-Kollektion

Die wohl schrägste Unterkunft, die ich auf all meinen Reisen je hatte, ist ein Baumhaus im Ngepi Camp. „Ngepi“ heißt „wie gehts?“ und man kann nur sagen: „Großartig!“ Denn mit diesem einzigartigen Ort kann selbst die schicke Mokuti Lodge (s.o.) nicht mithalten. Für meine Fotosammlung Klo & Co. ist das Camp ebenso eine Fundgrube wie für meine Schilder aus aller Welt-Kollektion: Es gibt eine „Ablution Tour“, bei der man im wild wuchernden Tropengarten unter freiem Himmel Schüsseln mit Namen wie „Toilet of Eden“ oder „Tarzan & Jane“ besichtigen kann (und benutzen – sie sind voll funktionsfähig!). Als Pool dient ein Käfig, der im Okavango-Fluss hängt. So kommen die örtlichen Nilpferde und Krokodile nicht an die Badenden heran. In dem kleinen Quadrat kann man prima schwimmen, denn es besitzt eine Natur-Gegenstromanlage. Am Geländer hängt eine Warnung: „Nicht in den Pool urinieren (oder du wirst es später in deinem Kaffee trinken)“. Aber ob all die Hippos und Crocs das lesen können und ihr Geschäft brav am Ufer verrichten? Sicherheitshalber empfiehlt ein anderes Schild in dem urigen Busch-Pub des Camps, das Flusswasser immer abzukochen („Falls du kein heißes Wasser trinken willst, kannst du an der Bar eine Menge kaltes Bier kaufen“). Bei toller Musik feiert das Personal mit unserer kleinen Gruppe dort eine unvergessliche Party.

Natürlich sind die Menschen in einem solchen Paradies nicht unter sich. Neben meiner Hütte kriecht eine leuchtend grüne Schlange vorbei. Ich hätte den Reptilienzoo vielleicht doch nicht besichtigen sollen… Sieht die nicht aus, wie die tödlich giftige „Boom Slang“? Oder ist es eine harmlose Wasserschlange? Auf der Terrasse, die natürlich zwischen zwei Palmen eine Hängematte bietet, tummeln sich Skinks. Nicht nur grunzende Hippos und zahllose Vögel stören meinen Schlaf. Ein nachtaktives Kerlchen (möglicherweise eine Schilfmaus) durchwühlt lautstark mein Gepäck und beißt Löcher in die Plastiktüten. Die Betreiber verprechen einen „Sonnenaufgang zwischen den Zehen“, und das ist nicht übertrieben. Da die auf einer Plattform stehende Strohhütte nur drei Wände hat und zum Fluss hin offen ist, kann man ihn tatsächlich vom Bett aus sehen. Weil Dusche und Bad ebenfalls offen sind, können die Leute, die eine Bootsfahrt machen, die Baumhausbewohner vom Fluss aus genauso gut sehen. Ein älterer Herr greift sich schnell ein viel zu kleines Handtuch, als wir vorbeikommen.

Seitenanfang

SÜDAFRIKA 🇿🇦 

Reiserouten

1. Reise 2012

KapstadtLambert’s BayNAMIBIA 🇳🇦 – BOTSWANA 🇧🇼 – NAMIBIA 🇳🇦 – BOTSWANA 🇧🇼 – SIMBABWE 🇿🇼 

2. Reise 2016

JohannesburgBlyde River CanyonKrüger NationalparkSWASILAND 🇸🇿 – MOSAMBIK 🇲🇿 – St. Lucia EstuaryZululandDurbanDrakensberge (Tagesausflug nach LESOTHO) – LESOTHO 🇱🇸 – Chintsa (Besuch der Inkwenkwezi Game Reserve) – Addo-Elefanten-NationalparkTsitsikamma NationalparkKnysnaOudtshoorn (Cango Caves) – SwellendamKap AgulhasWeinroute R320HermanusKapstadt

Wie im Flug:
Hamburg – Kapstadt

Hinflug, 3.40 Uhr: Ich befinde mich gerade mitten über der Sahara. Irgendwie beruhigend, dass ich weiß, wo meine Schwimmweste ist und wie man sie im Notfall anlegt! 8.00 Uhr: Die Stewardess fragt, was ich zum Frühstück möchte – warme Würstchen oder Bohnen? Hmmm. Müsli? Naja, immerhin gibts auch ein Minimuffin mit dreieinhalb Sonnenblumenkernen drauf. Unterwegs muss ich zweimal umsteigen: 1. London. Heathrow ist ohnehin nicht gerade mein Lieblingsflughafen… Da der Flug aus Hamburg gut 45 Minuten Verspätung hat, bleibt mir nur eine knappe Stunde. Sehr wenig, selbst wenn man nicht den Terminal wechseln muss. Also losgerannt und erstmal auf die Schnauze gefallen (Stufe vom Flugzeug ins Gate übersehen). Dann U-Bahn gefahren (ja, das muss man im riesigen Heathrow auch innerhalb eines Terminals). Bei der Sicherheitskontrolle gibts zum Glück eine Überholspur. Danach wieder U-Bahnfahren. Zum Gate gerannt, das Boarden hat schon begonnen. Schwitz! Anschließend stehen wir mit dem voll besetzten Flugzeug noch ewig am Gate. Na, typisch! 2. Umsteigen: Johannesburg. Der Flug landet trotz der Verzögerung beim Start nur mit zehn Minuten Verspätung. Dafür steht an der Passkontrolle eine Riesenschlange und es existiert keine Überholspur. Die Zeit wird immer knapper. Nette Leute lassen mich vor. Immerhin fährt mein Rucksack schon auf dem Gepäckkarussel spazieren. Schnell durch den Zoll. Quer durch den Terminal, Treppe hoch, rennen! Nochmal den Rucksack einchecken. Riesenschlange! Aaaargh! Mein Gate schließt in 15 Minuten, sie boarden schon. Ich mogele mich an einen relativ leeren Business-Schalter. Dann noch durch die Sicherheitskontrolle, wo ist das Gate??? Erstmal irrtümlich im Untergeschoss gelandet, wieder hoch. Eine lange Reihe von Gates. D8 ist das Hinterste. Klar! Die Passagiere sind schon eingestiegen. Mit hängender Zunge an den Schalter. Die Angestellte lächelt: „Alles ok, sie sind noch pünktlich.“ Gerade eben! Schwitz!! Jetzt bin ich wirklich urlaubsreif.

Bei meiner zweiten Reise nach Südafrika starte ich in Johannesburg, muss also nach dem Interkontinentalflug nicht mehr umsteigen. Zum Glück! Denn wieder warte ich ewig vor der Passkontrolle. Offenbar sind vor meinem A380 weitere Großraummaschinen gelandet. Diesmal gehöre ich zu denjenigen, die eilige Umsteiger vorlassen.

Mein Hotel liegt zentral im neuen Zentrum Sandton. Überall wird gebaut. Auch die Bahnstationen des Gautrain, der vom Flughafen nur 15 Minuten braucht, sind nagelneu. Das Viertel gilt als sicher. Mit Kapstadt kann das ehemalige Stiefkind Johannesburg allerdings nicht mithalten. Eine Rundfahrt schenke ich mir also und verbringe den Nachmittag lieber am Pool. Abends gehen wir zum Essen zum nahen Einkaufszentrum am Nelson Mandela Square. Der Platz bietet bunte Wasserspiele und Skulpturen und ist von Restaurants gesäumt. Das Essen (Aubergine mit Fetakäse und Avocado) ist hervorragend und billig. Schon an der Hotelbar habe ich mich über den Caipi-Preis (60 Rand, knapp vier Euro) gewundert. Der Wechselkurs ist tatsächlich gerade sehr günstig. Die Mitarbeiterin im Reisebüro hatte gesagt, dass deshalb alle nach Südafrika fahren wollen.

Seitenanfang

TINRA

2010 habe ich in Ostafrika in freier Wildbahn vier der legendären fünf großen Tiere des Kontinents gesehen. Ein Leopard fehlt mir noch in meiner Sammlung. Ob es diesmal klappt? Kaum in Südafrika angekommen, habe ich zwei Jahre später die „Big Five“ gleich komplett – im Portemonaie. Denn auf dem 10-Rand-Schein ist ein Nashorn, den 20er ziert ein Elefant, den 50er ein Löwe, den 100er ein Wasserbüffel und den 200er ein Leopard. Ausgangspunkt meiner Tour zu den Victoriafällen ist Kapstadt. Ich bleibe dort nur einen Nachmittag und beherzige den Tipp einer Kollegin. Mein Hotel befindet sich in der Nähe der Waterfront. Am Aquarium springe ich in einen oben offenen Doppeldecker-Bus der „Red Line“. Für relativ wenig Geld (ca. 14 €) kann man eine zweistündige Rundfahrt über alle wichtigen Punkte der City machen. Es gibt 18 Haltestellen, an denen man ein- und aussteigen kann (die Busse fahren die Runde alle 15 Minuten). So sehe ich bequem die Sonnen- (grandioser Blick auf die Stadt von der Talstation der Seilbahn auf den Tafelberg, Traumstrände in den Vororten) und Schattenseiten (District 6). Erklärungen gibts über Kopfhörer, die man an jedem Sitz einstöpseln kann. Wirklich empfehlenswert!

2016 endet meine Reise in Kapstadt. Wir kommen morgens gegen halb elf an und ich fliege erst abends zurück. Diesmal nutze ich die Zeit, um die Victoria und Alfred Waterfront und das Two Oceans Aquarium zu besichtigen. Der alte Hafen besteht seit 1860 und ist zu klein für moderne Containerschiffe. Kleinere Frachter, Fischer- und Sportboote machen aber immer noch dort fest. In der Marina findet gerade eine Bootsausstellung statt. Dort treffe ich einen Südafrikaner, der mit einem 6, 40 Meter langen Ruderboot nach Rio paddeln will. Außerdem bietet die Waterfront zig Gechäfte und Restaurants. Ich esse im „Quai Four“, wo eine Liveband spielt. Zwei Gläser Weißwein und Fish (bestehend aus einem ganzen, superfrischen Fisch) and Chips für umgerechnet zehn Euro, da kann man wirklich nicht meckern.

 
Seitenanfang

2012 brechen wir von Kapstadt aus am ersten Morgen nach Norden auf. Die Gruppe besteht lediglich aus einem australischen Ehepaar und mir, sowie dem Guide und dem Fahrer. Fünf Leute in einem voll verglasten Safaritruck mit 19 Sitzen. Luxus!!! Hinter Kapstadt beginnt eine ländliche Gegend mit Weizenfeldern sowie blühenden Frühlingswiesen mit braunweißen Kühen drauf. So richtig sieht das noch nicht nach Afrika aus… Die Straße ist astrein und ohne Schlaglöcher, im Hotel gibts heißes Wasser, das Klo an der Raststätte ist pieksauber. Das fühlt sich auch nicht nach Afrika an… Ist ja europäischer hier als in Deutschland. Von wegen „TIA“ (vgl. Ostafrika)! TINRA (This is not really Africa). Den Feldern folgt ein Gebiet namens „Citrus“. Überall stehen Orangen- und Zitronenbäumchen ordentlich in Reih und Glied. Dann ein Tal voller Weinfelder (die Rebstöcke befinden sich nicht am Hang, sondern auf ebenen Flächen). Dementsprechend gibts überall guten und günstigen Wein. Plötzlich riecht unser Truck intensiv nach Duftbäumchen. Die Landschaft hat ein aufdringliches Parfum aufgelegt, denn gerade blühen die ganzen Wildblumen. Wir stoppen kurz im Städtchen Clanwilliam. Der Geldautomat spricht deutsch mit mir, der Nachbarort heißt Wuppertal und die Vorgärten werden wohl mit der Nagelschere gepflegt

Dann erreichen wir den Fischerort Lambert’s Bay an der Atlantikküste. Die herrlichen Wellen laden zum Baden ein. Aber die Wassertemperatur beträgt ca. 12 Grad. Zudem weht ein kühler Wind. In einem einfachen Strandrestaurant namens „Muisbosskerm“ esse ich das beste Seafood meines Lebens. U.a. wird Snoek serviert, eine Spezialität in Südafrika. Der Fisch kommt direkt aus dem Meer auf den Grill – frischer gehts nun wirklich nicht. Anschließend besichtigen wir im Hafen eine Kolonie mit 4000 Kaptölpeln. Die schrägen Vögel brüten gerade und drängen sich auf engstem Raum zusammen. Drumherum gibts Start- und Landebahnen, denn sie brauchen Platz, um abzuheben. Unser Hotel vermittelt einem ein sehr sicheres Gefühl: Direkt nebenan ist die Polizeiwache. Dahinter beginnt ein schöner, feinsandiger Strand für endlose Spaziergänge, dessen Dünenlandschaft an Sylt erinnert.

Wir folgen der Westküste weiter Richtung Norden. Langsam wird die Umgebung immer karger und beginnt „exotischer“ auszusehen. Im Namaqualand gibts nur noch kleine Büsche und die für diese Region typischen Köcherbäume. Schließlich erreichen wir den Orange River, den Grenzfluss nach Namibia, und überqueren ihn bei Noordoewer.

 

Seitenanfang
 

Jetzt ist die Ostküste dran!

Nachdem ich bei meinem ersten Besuch in Südafrika nur die Westküste gesehen habe, war klar: Hier muss ich nochmal hin! 2016 führt die Route am Indischen Ozean entlang Richtung Süden mit Abstechern nach Mosambik und in die kleinen Königreiche Swasiland und Lesotho. Die Landschaft ist unglaublich vielfältig: Mal ist die Gegend platt wie ein Brett, dann fahren wir durch sanfte Hügel oder sogar Hochgebirge. Weizenfelder wechseln sich mit Halbwüste, ausgedehnte Kieferwälder mit sonnenverbranntem Grasland ab. Dazwischen immer wieder exakte grüne Kreise. Die stammen jedoch nicht von Aliens, sondern von im Kreis fahrenden Bewässerungsanlagen.

Diesmal ist der Trip weniger komfortabel. Der Truck ist mit 16 Reisenden, dem Guide Simba und dem Fahrer Gordon bis auf den letzten Platz besetzt und ein Wrack. Ist es ein schlechtes Omen, dass wir am ersten Tag an einer Werkstatt vorbeikommen, die „Body Parts“ verkauft? Ein kleines Stück weiter ein Beerdigungsinstitut, dann noch eines. Weil es das Gesetz verlangt, schnallen wir uns brav an. Leider lassen sich die meisten Gurte nicht mehr verstellen und könnten nur noch einen Elefanten halten… Wie durch ein Wunder schaffen wir es ohne größere Pannen bis nach Oudtshoorn. Alle sind frühmorgens pünktlich bereit zur Abfahrt, nur der Truck nicht. Der muss angeschoben werden und will auch nach dem Besuch der Cango Caves nicht anspringen: Der Anlasser ist kaputt. Weil er vor Ort nicht repariert werden kann, müssen wir irgendwie Swellendam erreichen, wo abends ein Mechaniker das Teil austauscht. Die Fahrt geht durch die Kleine Karoo. Hier gäbe es sicher interessante Tiere zu sehen, aber anhalten können wir nur kurz für einen Toilettenstop. Gordon wagt es nicht, den Motor abzustellen. Ich frage mich, ob das Benzin reicht. Denn wie soll er mit laufendem Motor tanken? Hinter Barrydale führt die Straße R62 kräftig bergauf. Der Truck röhrt wie ein sterbender Hirsch und wird so langsam, bis er beinahe rückwärts fährt. Aber wir schaffen es.

Die Zelte, in denen wir die meisten Nächte (außer in den Städten und im Gebirge) verbringen, sind in einem ebenso schlechten Zustand. Vor allem sind sie weder wind-, noch richtig wasserdicht. Dummerweise haben wir viel Regen, sogar im Norden, wo eigentlich Trockenzeit herrschen sollte. Nach einigen nassen, saukalten Nächten hustet und schnupft die ganze Gruppe. Dabei hatte Simba am Anfang erzählt, sie hätten gerade die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten und die Hippos im Krüger Nationalpark seien gar nicht happy. Durch die unterschiedlichen Klimazonen muss man bei unserer Route wettermäßig ohnehin Kompromisse machen: Für den subtropischen Norden ist der Winter die bessere Reiszeit, für den gemäßigten Süden der Sommer. Also fahre ich September/Oktober, im Frühling. Trotz der manchmal widrigen Umstände begeistert mich Südafrika aufs Neue.

Seitenanfang

Unsere Route ist voller Höhepunkte: 

KRÜGER NATIONALPARK

Auf dem Weg zum Krüger Nationalpark halten wir am Blyde River Canyon. Nach dem Fish River Canyon in Namibia ist er der Zweitgrößte in Afrika. Daneben befinden sich Wasserlöcher, die sogenannten Potholes, an denen sich Ziegen tummeln. Den Aussichtspunkt God’s Window auf ca. 1500 Metern Höhe hingegen lassen wir links liegen. Zwar soll man vom High Veld einen tollen Blick aufs Low Veld, wo der Park liegt, haben. Aber der Himmel ist wolkenverhangen, die Sicht gleich Null.

 

Von den 147 Säugetierarten, 507 Vogelarten, 114 Reptilienarten, 49 Fischarten und 34 Amphibienarten, die der riesige Krüger Nationalpark zu bieten hat, sehen wir eine ganze Menge. Obwohl wir fast zwei Tage darin verbringen, können wir nur den südlichen Teil zwischen dem Paul Krüger Gate und dem Malelane Gate erforschen. Direkt hinter dem Eingang steht eins der seltenen Spitzmaulnashörner. Das ist wohl aus den entlegeneren Teilen des Parks dorthin in Sicherheit gebracht worden. Denn Wilderei ist ein Riesenproblem, erklärt Simba. Einige Drogendealer sind von Kolumbien nach Mosambik ausgewandert und betreiben das Ganze mit Hightech und Hubschraubern. Kurz darauf entdecken wir zwei Elefantenherden und zwei Wasserbüffel – drei der „Big Five“ in einer Viertelstunde. Wow! Am nächsten Tag stoßen wir unterwegs auf einen Stau. Auf einem Felsen liegt eine Leopardenmutter mit zwei Babys vor einer Höhle. Es ist ein Suchspiel: Mit viel Glück sieht man auf dem Felsen etwas Gepunktetes hinter Büschen. Ich erkenne es erst, als Mitreisende mit der Kamera daraufzoomen. Als wir noch zwei schlafende Löwinnen finden, sind die „Big Five“ komplett. Es ist die beste Jahreszeit, um Tiere zu beobachten: Wie bei uns sind die Bäume im Winter kahl. Die Tiere sammeln sich an den Wasserlöchern. Der Sabie Fluss, dem wir einige Zeit folgen, hatte vor kurzem fast gar kein Wasser mehr und füllt sich erst langsam wieder.

Am Weg sitzt eine Horde Paviane. Einer sieht aus, als würde er meditieren. An einem Baum mit Früchten bedienen sich die Affen und geben den unten wartenden Nyalas etwas ab. Das ist Zusammenarbeit: Die einen überwachen den Luftraum, die anderen den Boden. Bei Gefahr durch Raubtiere warnt man sich gegenseitig. Eine Giraffe putzt sich mit der Zunge die Nase. In einem anderen Baum warten schon die Geier. Im Nächsten hockt ein Adler, der aussieht, als würde er eine weiße Latzhose tragen. Eine Warzenschweinmutter mit zwei Halbwüchsigen weidet. Eins hinkt, aber Tierärzte gibt es hier nicht. Wenn es nicht heilt… Die Warzenschweine haben weiße Bärte. Wie üblich knien sie sich beim Essen auf die Vorderbeine und rutschen darauf weiter. Kudus angeln mit der Zunge nach den frischen Blättern, die die ersten Regenfälle nach der besonders heftigen Trockenzeit hervorgebracht haben. Am Straßenrand ist ein Nashorn-Klo, das gleichzeitig als schwarzes Brett dient. Beispielsweise hinterlassen Weibchen die empfängnisbereit sind, paarungswilligen Männchen mit ihrem Kot ihre Visitenkarte. Ein einsamer alter Elefant, der von einem jüngeren, stärkeren Männchen aus der Herde gejagt worden ist, kommt vorbei. An einem künstlichen Wasserloch, dessen Pumpe mit einem Solarpanel betrieben wird, säuft gerade ein Breitmaulnashorn. Viele Knochen liegen herum. Raubkatzen überraschen ihr Beute gerne beim Trinken. Auf unserem Picknickplatz treiben sich überall blauglänzende Stare und nistende Nashornvögel herum.

Eine Sonnenuntergangssafari in die Dunkelheit hinein machen wir nicht mit dem ungeliebten Truck, sondern mit einem offenen Jeep. Neben den üblichen Verdächtigen zeigen sich jetzt auch Buschhasen und zwei Stachelschweine, wahrscheinlich ein Paar, das ein Leben lang zusammenbleibt. Zwei Nilpferde grasen vier Kilometer vom Fluss entfernt. Sie brauchen 20 bis 30 Kilogramm Grünfutter pro Nacht und müssen viel herumlaufen.

 

Seitenanfang

iSIMANGALISO-WETLAND-PARK

Im St. Lucia Estuary machen eine Bootsfahrt durch die Lagune des iSimangaliso Nationalparks, der zum Weltnaturerbe zählt. Überall liegen grunzende Gruppen von Flusspferden im Wasser. Die Krokodile zeigen sich leider nicht. Dafür Massen von Vögeln, darunter weiße Reiher und leuchtend gelbe Weber, die ihre Nester im Schilf bauen. Für den Nestbau ist das Männchen verantwortlich. Das Weibchen guckt sich das Werk an. Gefällt es ihr nicht, macht sie es kaputt. Eigentlich ist es eine Sonnenuntergangsfahrt, aber die Sonne hat sich wieder verzogen.

 

Seitenanfang

ZULULAND

Von St. Lucia fahren wie weiter die Küste hinunter und biegen Richtung Pietermaritzburg ins Valley of a Thousand Hills ab. Im Dorf Kwanyuswa werden wir von Maxwell und Cindy mit einem dreifachen Handschlag begrüßt: Freundschaft, Einzigartigkeit, Zusammenhalt. Mit den beiden machen wir einen Spaziergang durch den Ort. Ein örtlicher Musiker spielt uns seine Soul-Songs vor. In der Metzgerei essen wir zu Mittag. Es gibt Fleisch vom Grill. Dann gehts weiter zu einer traditionellen Heilerin. Sie erzählt, dass sie mit 19 Jahren berufen und sechs Jahre lang ausgebildet wurde. Mit Hilfe von Tierknochen sagt sie für 100 Rand auch die Zukunft voraus und erklärt mir, dass ich zu intelligent für meinen Job bin und etwas Besseres verdiene. Genau! Einem schwulen Mitreisenden hingegen prophezeit sie, dass er bald seine Traumfrau findet. Naja: Nobody’s perfect! Ihre Hütte ist rund, damit sich die Geister der Ahnen ungestört darin bewegen können. Die Eingangstür ist sehr niedrig. Man muss sich automatisch bücken und so Respekt erweisen. Einige Mädchen zeigen traditionelle Tänze. Sie tragen nur Röcke, was einen angesichts der niedrigen Temperaturen erschauern lässt. Allerdings bewegen sie sich zu den Trommel-Rhythmen sehr viel.

Wir übernachten in einem Privathaus. Die Einrichtung ist einfach, bis auf den riesigen, nagelneuen Fernseher im Wohnzimmer. Unsere Gastgeberin nennen wir „Mama“. Außerdem sind noch Mamas Tochter und Mamas Enkelin anwesend. Sie hat gute Perspektiven: Ihre Mutter ist Lehrerin an der Highschool und legt Wert darauf, dass die Kleine schon mit zweieinhalb Jahren auch Englisch spricht. Die Gruppe ist geteilt worden. Wir sind zu Siebt plus Guide Simba. Ein Paar hat ein Zimmer in einem extra Häuschen, zwei Paare teilen sich ein Zimmer, ich schlafe mit Simba und dem lokalen Guide Cindy auf einer Matratze im Wohnzimmer. Etwas eng, aber auf beiden Seiten des Hauses entstehen weitere Gästezimmer. Man sieht die positiven Aspekte des Programms: Wir lernen das Alltagsleben in einem Zuludorf kennen, unsere Gastgeber können ihren Lebensstandard durch das zusätzliche Geld verbessern. Zum Abendessen gibt es Hühnchen, Beefcurry, eine reisartige Beilage, Kartoffeln, traditionelles Brot, Tomaten, Jalapenos und einen Salat mit Bohnen und Mayonnaise. Das ist alles erfreulich würzig um Gegensatz zum Essen, was wir im östlichen Afrika probiert haben. Anschließend waschen wir gemeinsam ab und fallen müde ins Bett, bzw. aufs Matratzenlager. Am frühen Morgen bekommen wir noch ein typisches Frühstück mit einer Art Porridge. Dann heißt es Abschied nehmen von Mama.

 

Unsere nächste Station ist das nahe gelegene Durban. Es ist die Stadt mit der größten indischen Bevölkerung außerhalb Indiens. Dort weht ein stürmischer Wind. Am Strand zu sitzen, steht also nicht zur Debatte. Ich verziehe mich mich in die uShaka Marine World, die u. a. aus einem großen Aquarium, der Sea World, und dem Spaßbad Wet ’n‘ Wild besteht. Für das mittägliche Picknick suche ich mir ein geschütztes Plätzchen an einem künstlichen Kanal, auf dem venezianische Gondeln verkehren, angetrieben von Elektromotoren. Als ich zum Ticketschalter gehe, zieht eine Parade vorbei mit Bläsern, Trommlern, Halloweenfiguren, afrikanischen Tänzern, einem Plüschhai und einem Plüschseelöwen mit Matrosenmütze. Das Aquarium befindet sich in einem alten Schiff. Es ist ähnlich wie die Sea World in Oberhausen gestaltet, aber viel größer. Sie haben u.a. Rochen, Haie, Koffer- und Kuhfische. Draußen kann man mit den Haien tauchen, die Rochen füttern oder in einer Lagune schnorcheln. Die Seelöwenshow fällt wegen des Windes aus, weil die Arena wegfliegen könnte, aber die Delfinshow findet statt.

 

Seitenanfang

DRAKENSBERGE

Mit bis zu 3482 Metern sind die Drakensberge das höchste Gebirge des südlichen Afrikas. Bei einer zweistündigen Wanderung im Royal Natal National Park bekommen wir einen guten Eindruck. Und von unserer 1200 Meter hoch gelegenen Unterkunft Amphitheatre Backpackers hat man einen herrlichen Blick auf die Bergkette. Am Abend wird es empfindlich kalt. Meinen Daunenschlafsack kann ich in einen Mantel verwandeln. Zum Essen in der halboffenen Küche trage ich ihn und werde von den anderen heiß beneidet. Nachher in der Bar ist es gemütlicher. Sie haben einen Kamin, einen Whirlpool und eine Sauna. Das Ganze ist sehr urig: Die Decke besteht aus plattgedrückten Bierdosen, die Fenster statt aus Glasbausteinen aus Jägermeisterflaschen.

Weil mich die eher kurze Wanderung beim Ausflug nach Lesotho nicht ausgelastet hat, mache ich am folgenden Tag einen einstündigen Rundgang über das riesige Grundstück, das die Lodge umgibt. Es geht durch Grasland an einem kleinen Stausee vorbei und einen Fluss entlang. Frösche quaken, Wasservögel planschen. Am Ufer wachsen Lilien. Pünktlich zum Sonnenuntergang erreiche ich einen etwas größeren Stausee.

 

Seitenanfang

WILD COAST

Wir sind jetzt in der Provinz Ostkap und machen in Queenstown Mittagspause. Schließlich erreichen wir den Campingplatz Buccaneers in Chintsa, der neben einem Fluss an der Küste liegt und kostenlos Kanus zur Verfügung stellt. Morgens paddele ich damit in die Lagune, die sich an der Flussmündung gebildet hat. Der Hinweg ist herrlich. Ich sehe viele Vögel, darunter einen weißen Löffler und meine guten Bekannten, die Nilgänse. Der Rückweg ist nicht ganz so schön, weil mir eine steife Brise entgegenweht. Mittags picknicke ich am Strand in den weißen Sanddünen mit Blick auf den tobenden Indischen Ozean. Ich verzichte auf ein Bad in der Brandung, denn der Wind ist kalt, ebenso wie das Wasser. Im geschützten Ort hingegen ist es eher subtropisch. Motorradfahrer kommen angeknattert. Eine Rockergang? Nein, einer hat ein Kreuz auf der Lederjacke. Es ist eine christliche Biker-Vereinigung.

 

In der nahen Inkwenkwezi Game Reserve, einem privaten Safaripark, mache ich eine Sonnenuntergangs-Safari. Er ist ca. 9000 Fußballfelder groß, aber das Highlight ist das 200 Fußballfelder große Löwengehege. Gefüttert werden sie mit den toten Kühen der örtlichen Farmer. Ab und zu gibts mal 15 Impalas, damit sie das Jagen nicht verlernen. Die sind nach einem Tag verputzt. Bevor wir ins Gehege fahren, nimmt Ranger Rudolf eine Pistole aus einem Safe. Drei der berühmten weißen Löwen (keine Albinos, sondern eine Genmutation, die nur in Südafrika vorkommt) liegen mitten auf der Straße und sind nicht so schläfrig, wie üblich. Auch die nächsten Raubkatzen, die wir sehen, sind nicht entspannt. Rudolf schlägt vor, das Gehege zu verlassen. Eine der Löwinnen hat schon einen Jeep attackiert und die Reifen zerbissen. Da keiner zum Reifenwechsel aussteigen konnte, mussten sie sich abschleppen lassen. Hinter dem Zaun steigen wir aus und trinken Savannas (der beste Cider auf dem Markt). Die Löwen kommen plötzlich alle hervor und beobachten uns. Können wir näher herangehen? Rudolf meint nein, die Löwen sind schon über den Zaun gesprungen. So nah wollen wir ihnen nun nicht kommen…

 

Seitenanfang

ADDO-ELEFANTEN-NATIONALPARK

Wir fahren durch East London und King William’s Town und legen in Grahamstown, das einst englische Kolonie war, einen Einkaufsstop ein. Inzwischen sind wir nicht mehr im Land der Zulu, sondern der Xhosa. Im Addo-Elefanten-Nationalpark angekommen, machen wir eine weitere Sonnenuntergangssafari. Es lohnt sich: U.a. zeigen sich eine Südafrikanische Kuhantilope, Kudus, eine Manguste, Erdmännchen, die namensgebenden Elefanten und Strauße, die unser Ranger Ryan „Kentucky Fried Chicken auf Steroiden“ nennt. Am nächsten Morgen öffnen die Tore um 5.30 Uhr. Diesmal gehen wir mit dem Truck auf Erkundungsfahrt. Wieder begegnen wir vielen Kudus, einer Herde Wasserbüffeln und anderen Huftieren.

 

Seitenanfang

GARDEN ROUTE

Im Titsikamma Nationalpark schlagen wir unsere Zelte im Storms River Mouth Rest Camp auf. Der Platz liegt direkt an der zerklüfteten Felsküste, die noch viel wilder als die Wild Coast ist. Am Abend erlebe ich dort einen Sonnenuntergang, der so unwirklich schön ist, als ob ihn jemand mit Photoshop bearbeitet hätte. Am nächsten Morgen ist strahlend blauer Himmel, ich buche hoffnungsvoll für Mittags einen Schnorcheltrip durch die Bucht. Vorher wandere ich zur Hängebrücke, die die Mündung des Storms River überspannt. Als ich zurückkomme, ist es zugezogen und das Wasser plötzlich sehr rau. Dementsprechend sehe ich neben ein paar Fischen vor allem Wasserbläschen. Einmal werfen mich die Wellen beinahe auf einen der vielen scharfen Felsen, ich komme mit einem kleinen Kratzer am Fuß davon. Das Wasser hat 17 Grad. Wenigstens trage ich einen langärmeligen Wetsuit und sogar eine Kapuze. Als ich mich gerade wieder angezogen habe, fängt es an zu regnen. Am Restaurant turnen Klippschliefer herum und grasen friedlich. Aus dem Regen wird ein kräftiger Guss. Als es „nur“ noch nieselt, mache ich einen kleinen Umweg über den Loerie Trail, bevor ich zum Zelt zurückkehre. Große Freude. Das uralte Mistding ist auch noch undicht! Weil es keinen Aufenthaltsraum gibt, essen wir im Waschraum und sitzen auf den Waschmaschinen und Trocknern. Die spenden wenigstens etwas Wärme. Die Nacht ist furchtbar, da das Zelt auch nicht winddicht ist. Meine Campinglaterne schaukelt kräftig hin und her. Wenigstens werden durch den Luftzug meine Sachen etwas trockener gepustet. Am nächsten Morgen herrscht wieder unschuldiger Sonnenschein.

 

Mit dem Truck fahren wir weiter nach Knysna. Die grüne Landschaft sieht inzwischen richtig europäisch aus. Am Yachthafen ist ein hübsches kleines Center mit Geschäften, Restaurants und einem Café, das uns den besten Kaffee des Trips beschert.

 

Seitenanfang

KLEINE KAROO

Oudtshoorn liegt in der Provinz Westkap in der Halbwüste Kleine Karoo und gilt als Straußenhauptstadt der Welt. Also besichtigen wir eine Straußenfarm. In der Cango Ostrich Farm lebt u.a. Dusty, eine zwergenwüchsige Straußenlady. Normalerweise wäre sie getötet worden, aber weil das eine Touristenfarm ist, durfte sie leben. Im Nachbargehege umarmt Betsy Leute (wenn man ihr das Futter entsprechend hinhält). Die Kleinsten sind gerade vier Tage alt und wedeln mit den Stummelflügeln. In einer Arena können Menschen bis zu 75 Kilogramm Strauße reiten. Aber offensichtlich mögen sie das nicht. Es ist mehr wie Rodeo. Abends im Restaurant Black Swan esse ich Straußen-Carpaccio. Lecker!

 

Am nächsten Morgen besuchen wir die Cango Caves. Die Höhlen sind recht beeindruckend. Die älteste Formation in dem Tropfsteinhöhlensystem ist 1,5 Millionen Jahre alt und hat den Spitznamen „Trauerweide“, eine andere heißt „Orgelpfeifen“. Fledermäuse wohnen darin, ein paar Kakerlaken, Spinnen und Läuse, die auf Algen leben. Ab und zu kommen an heißen Tagen Baumschlangen hinein.

 

Seitenanfang

KAP AGULHAS

Wieder weckt mich auf dem Campingplatz Kam Bati River Resort bei Swellendam, das mit holländischem Charme beeindruckt, morgens die Kälte auf. Das einlagige Zelt ist feucht von innen – Kondenswasser. Zunächst geht es durch Weizenfelder, dann durch eine Gegend, die in der Vegetation an die Nordseeküste erinnert, zum südlichsten Punkt Afrikas. Am Kap Agulhas treffen Indischer Ozean und Atlantik aufeinander. Laut einer Infotafel gibt es hier hinter Kap Hoorn die zweithöchsten Wellen der Welt. Aber es ist ein ruhiger Tag, nur etwas Wind und Sonne. Nach Durban und Tsitsikamma hatte ich erheblich wilderes Wasser erwartet.

 
Danach nehmen wir Kurs auf die  Weinroute R320. Die Wiesen sind lila. Hier blüht überall Lavendel und es sieht aus wie in Südfrankreich. Unterwegs machen wir eine Weinprobe im Gut Raka. Schließlich erreichen wir Hermanus. Das Städtchen hat eine schöne Promenade mit Blick auf eine Bucht, in der man mit Glück Wale direkt vom Land aus beobachten kann. Ich habe kein Glück. Wir machen eine zweite Weinprobe in einem Geschäft, das 17.000 verschiedene Sorten verkauft. Am nächsten Morgen bringt uns eine schöne Küstenstraße nach Kapstadt.

 

Seitenanfang

HOME, SWEET HOME