NIEDERLANDE 🇳🇱

1. Reise 2020

LangweerStarteilandNieuwe KruispolleStavorenHeegIdskenhuizenLemmerSlotenLangweer

2. Reise 2021

LemmerEnkhuizenStavoren – Lemmer

Mit dem Hasen auf Tour

Obwohl (oder vielleicht weil) die Niederlande so nah liegen, hatte ich dort zuletzt in den 1980ern Urlaub gemacht. 2020 kehre ich schließlich zurück. Eigentlich wollte ich Ende September ein zweites Mal nach Madagaskar, um den Westen zu sehen. Aber kaum hatte ich die Reise gebucht, kam Corona. Und war gekommen, um zu bleiben. Der Pandemie fiel zunächst Anfang Juni der geplante Besuch auf der schottischen Insel Skye zum Opfer. Diese Woche blieb ich zu Hause in Essen (bei mäßigem Wetter). Nun hatte ich im Herbst zwei weitere Wochen Urlaub und brauchte dringend Tapetenwechsel. Für Fernziele bestand nach wie vor eine Reisewarnung, und auch in Europa wurde es immer enger. Daher die Idee: Ich schnalle mir mein Segelboot „Rasender Hase“ hinter das Auto und gehe damit in der Nähe auf Tour.

Mehrere Mitglieder meines Yachtclubs empfehlen mir die niederländische Provinz Friesland. Mit ihren zahlreichen Seen und Kanälen ist sie ideal für ein kleines Boot mit wenig Tiefgang und auch für Anfänger geeignet. Ich fasse mir ein Herz: Auf gehts!

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Freitag, 18.09.2020: Duisburg – Langweer

Als ich mit dem Hasen in Duisburg losfahre, muss ich an die Liedzeile von Peter Fox denken: „Mein Teich ist zu klein…“ Es geht auf die A3 direkt in die Niederlande. Nach gut zweieinhalb Stunden fahre ich von der Autobahn ab. Das letzte Stück führt durch zwei Kreisverkehre (die ich schon ohne Trailer hasse) und zwei sehr hübsche Dörfer mit sehr engen Straßen. Natürlich kommen mir an den haarigsten Stellen eine fahrbare Pommesbude, ein Lkw und ein Bus entgegen. Trotzdem schaffe ich heil nach Langweer, frühzeitig für meinen Kran-Termin. Das Einkranen verzögert sich etwas, was gut passt, da der Hase wie ein Rollbraten verschnürt ist. Ich habe gerade die Leinen entwirrt, als der Hafenmeister mich rückwärts einweist (so klappt es…) und blitzschnell ins Wasser bringt. Dann hilft er mir noch, den Mast zu stellen und weist mir eine freie Box zu. Die ist viel zu groß für den kleinen Hasen. Elegant lege ich am Steg an und merke dann, dass ich die Heckleinen schon beim Passieren über einen der hinteren Dalben hätte werfen müssen. Die stehen einige Meter vom Steg weg und ich bin leider kein Cowgirl. Lassowerfen liegt mir nicht. Notgedrungen muss ich mit dem Motor wieder rückwärts raus, bis ich die Leine endlich drüber bekomme. Zum Glück versperrt das große Schiff neben mir die Sicht auf mein missglücktes Manöver. Dann bin ich aber fest, baue bei schönstem Wetter den Rest auf und setzte zum Abschluss meine niederländische Gastflagge.

Dass es nach Sonnenuntergang kühl wird macht mir in meinem Daunenschlafsack nichts, aber es wird sehr feucht (Tau). Als mich dann noch Mücken überfallen, verziehe ich mich in die Kajüte. Weil ich den Kasten mit dem Stromanschluss, der ohnehin einige Stege weiter ist, nicht aufkriege, mache ich mir auf meinem Mini-Festbrennstoffkocher Wasser für einen asiatischen Nudelcup heiß. Ich habe keine Energie mehr, um im Dorf nach einem Restaurant zu suchen. Der Liegeplatz ist windgeschützt, aber bei der Anreise bin ich an einem der Seen vorbeigekommen, der kleine Schaumkronen hatte. Das wird morgen spannend! Ich will mich mit zwei befreundeten Paaren im Sneeker Meer treffen.

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Samstag, 19.09.2020: Langweer – Starteiland

Bevor ich in See steche, mache ich einen kleinen Rundgang durchs Dorf und hole mir in einer Bäckerei einen Kaffee und ein Croissant. Der Ort ist sehr hübsch, hat mehrere Hafenbecken und sogar einen kleinen Strand. Die Bedingungen sind ideal: Sonne und Wind!

Mit klopfendem Herzen fahre ich aus dem Hafen hinaus in die Langweerder Wielen, wo ich in Ruhe mein Segel setzen kann. Dummerweise ist die Vorschot verdreht, und ich muss in den Bug klettern. Aber dann passt alles. Es ist ziemlich viel Betrieb. Ungewohnt sind die vielen Motorboote. Ich überquere den See und fahre in einen kleinen Kanal ein. Die Ufer sind von Schilf gesäumt und zunächst kommt der Wind schön von der Seite. Gut, dass ich ein Schiffs-Navi habe. Was ist das für ein Labyrinth von Kanälen! Wenn sich zwei kreuzen, sieht man manchmal Segelboote wie über Land fahren.

Mein Ziel ist Starteiland, wo ich mit Alexandra und Thorsten sowie Uwe und Melanie verabredet bin. Um den viel befahrenen Princess-Margriet-Kanal zu meiden, auf dem auch Frachtschiffe unterwegs sind, suche ich mir eine Nebenstrecke aus. Die ist dummerweise eine Sackgasse. Für mich mit meinem Acht-Meter-Mast ist an einer Autobahnbrücke, die sich nicht öffnen lässt, Schluss. Also doch auf den Kanal. Dummerweise kommt der kräftige Wind nun direkt von vorn und ich muss den Motor mitlaufen lassen. Trotzdem schaffe ich es ins Sneeker Meer und werde mit einem tollen Segelerlebnis – ständig über Rumpfgeschwindigkeit – belohnt. Ungewohnt: Der Wind ist stetig und dreht nicht dauernd. Man hat Platz, muss nicht ständig wenden. Eine herrliche Rauschefahrt bei 3 bis 5 Beaufort und strahlendem Herbstwetter. Allerdings ist es anstrengend, das Ruder zu halten, weil ungewohnt viel Wellengang herrscht. Erstmals segele ich mich müde und bin froh, als wir mit drei Booten in den Hafen von Starteiland einlaufen.

Ein frühes Abendessen, weil alle hungrig sind, dann noch gemütliches Beieinandersitzen im größten Boot, der „Iron“ von Uwe. Ziemlich schnell gehen wir ins Bett. Der Liegeplatz ist nicht so geschützt wie der Gestrige. Die Wellen glucksen gegen den „Rasenden Hasen“, der leicht schaukelt. Etwas schlägt gegen den Mast, obwohl ich das Großfall eigentlich weggebunden habe. Mitten in der Nacht klettere ich aus der Kajüte, um nachzusehen. Es ist nicht das Fall, das klappert, sondern die Leine von den Lazy Jacks, die ich mit wegbinde. Ruhe ist immer noch nicht. Bei starkem Seitenwind kann ich singen: „Süßer die Wanten nie klangen…“ Überhaupt bin ich überrascht, was mein Boot alles an Geräuschen zustande bringt: Knarz, schläng, klapper, eek… Kein Wunder, dass Käse aus Holland kaum Löcher hat: Die sind alle weggeflogen!

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Sonntag, 20.09.2020: Starteiland – Nieuwe Kruispolle

Nachdem ich mich von Alexandra und Thorsten sowie Uwe und Melanie verabschiedet habe, geht es zunächst alleine weiter. Am nächsten Wochenende allerdings will ich Uwe und Melanie in ihrem Ferienhaus in Lemmer besuchen. Doch zunächst nehme ich Kurs auf das Heeger Meer. Erst wieder durch den Princess-Margriet-Kanal (diesmal allerdings mit Rückenwind, was ein großer Unterschied ist). Dann links abbiegen durch einen weiteren Kanal, der sich schließlich ins Heeger Meer weitet. Das ist ziemlich groß (für meine Verhältnisse). Zwischendurch verliere ich die Orientierung. Zum Glück bringt mich meine Schiffs-Navi-App sofort wieder auf Kurs. Erst passiere ich die etwas größere Haseninsel. Dann erreiche ich die kleine unbewohnte Insel Nieuwe Kruispolle, an der ich anlege. Es sind sogenannte Marrekrite Plätze. Die sind mitten in der Natur, es gibt weder, Toiletten, noch Strom, noch Wasser. Dafür darf man bis zu drei Tage lang umsonst dort bleiben. Eine Privatinitiative hält die Anleger (ca. 3000 in ganz Friesland) in Schuss. Zur Unterstützung kann man für ca. 15 Euro eine Flagge kaufen. Die sind in dieser Saison allerdings schon lange ausverkauft. Ich bin wohl nicht die Einzige, die Corona-bedingt auf eine Flugreise verzichtet hat…

Hier wird es schon feucht, bevor es richtig dunkel ist, und die Mücken verfolgen mich durch die winzigen Lüftungsschlitze bis in die Kajüte. Ich versuche, ein Netz davor zu spannen.

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Montag, 21.09.2020: Nieuwe Kruispolle – Stavoren

Ich lege gemütlich ab und treibe mit leichtem Rückenwind das Heeger Meer hinunter. Als ich auf den Kanal Richtung Stavoren abbiege, schläft der Wind ganz ein. Schließlich mache ich doch den Motor an, fahre allerdings sehr langsam, damit der Akku genug Saft hat. Es ist so ruhig, dass ich mir einen Mittagssnack genehmigen und sogar einen Cocktail mixen kann. Reggae tönt aus meinem kleinen Bluetooth-Lautsprecher, die Kühlbox nehme als Fußbank und lasse ich mich treiben. Plötzlich fällt mir auf, dass überall winzige Spinnen sind, Das ganze Boot ist voller glänzender Fäden. Sowas hatte ich auch noch nicht. Wie ich von Anderen höre, ist es aber typisch für die Gegend. In Stavoren mache ich an einer kleinen Insel direkt neben der Ijsselmeer-Schleuse fest. Strategisch richte ich das Heck zur Sonne aus. Erstmal chillen!

Ich liege wunderschön, genieße die Sonne bis zum Untergang. Für den kommenden Tag ist wieder fantastisches Wetter, aber gar kein Wind angesagt. Spontan entscheide ich, in Stavoren zu bleiben. Bei meinem kleinen Boot kosten zwei Nächte gerade mal 7,75 Euro. Das ist der günstigste Urlaub meines Lebens! Sogar Strom habe ich, schmeiße den Mini-Kühlschrank an und stelle das Tonic Water kalt. Abends esse ich in dem Restaurant direkt nebenan einen Carpaccio-Salat. Sehr lecker.

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Dienstag, 22.09.2020: Stavoren

Wie meistens wache ich von alleine gegen 8.30 Uhr auf. Irgendetwas ist anders. Als ich die klitschnasse Dachluke wegschiebe, sehe ich, dass Nebel im Hafen hängt. Es sieht aus wie ein Aquarell. Hasi ist noch mehr zugesponnen. Er ist mehr ein Sommertyp. Nach dem Frühstück verzieht sich der Nebel und ich erkunde das Städtchen. Wirklich hübsch. Am Hafen steht Statue einer Frau, zu der es eine Legende gibt. In der Nähe ein Brunnen mit einem riesigen Fisch, der ebenfalls eine Rolle in der Geschichte spielt. Es gibt einen großen Supermarkt, in dem ich meine Vorräte aufstocke. Als ich zum Boot zurückkehre, ist es ziemlich heiß. Zum Glück ist ganz in der Nähe ein kleiner Sandstrand am Ijsselmeer. Das Wasser ist allerdings ziemlich kalt.

Am späten Nachmittag baue ich im Cockpit meines Bootes meinen kleinen heißen Stein auf und grille mir eine Aubergine. Die immer hungrigen, bettelnden Enten sind wieder sofort zur Stelle. Da ich zuviel Brot habe, teile ich mit ihnen. Ein grober Fehler (ja, das soll man sowieso nicht machen)! Zwei Erpel beginnen eine heftige Prügelei direkt neben meinem Boot. Das Wasser spritzt auf mich, meine Kissen und sogar auf mein Essen. Diese Entenarschlöcher! Jetzt gibt es nichts mehr, der Rest wandert leider in die Tonne.

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Mittwoch, 23.09.2020: Stavoren – Heeg

Das ist der beste Segeltag des Törns! Ich starte in Stavoren mit wenig Wind, der schnell auffrischt. Zum Glück kommt er von hinten. Vor einer Klappbrücke nehme ich die Segel runter und beschließe, zu reffen. Weil das bei den heftigen Böen nicht so einfach ist, gehe ich gleich ins 2. Reff. Eine gute Entscheidung! Trotzdem surfe ich den größten Teil des Weges mit bis zu 6,3 Knoten. Richtig Spaß macht es auf dem Heeger Meer. Probeweise versuche ich mal, in der Gegenrichtung zu kreuzen. Gleich klatschen die Wellen über den Bug. Schnell drehe ich wieder um. Gut, dass ich heute nicht in die Gegenrichtung wollte…

Der Spaß hört erst auf, als ich die Segel runternehmen möchte. Die Rollfock verknotet sich und flattert oben immer noch. Keine Chance, das jetzt am Bug zu ordnen. Das Schiff will nun partout nicht in den Wind drehen. Dennoch kann ich das Großsegel schließlich runterziehen. Im Hafen in Heeg mache ich erstmal direkt an einem Steg vor Kopf fest. Dann bekomme ich eine vergleichsweise kleine Box zugewiesen. An der fahre ich fast vorbei, muss rückwärts setzen, wobei der Wind mich in der engen Gasse schräg treibt. Schließlich schaffe ich es mit Hängen und Würgen in die Box und brauche Ewigkeiten, um das Boot festzumachen. Verdammte Dalben! Mit dem Bootshaken balanciere ich die Leine über den Poller. Erst als ich fertig bin, sehe ich die an den Seiten gespannten Seile, an denen ich mich hätte entlanghangeln können. Kurz darauf läuft direkt gegenüber ein Boot ein, und der Kapitän bittet mich, ihn anzunehmen. Natürlich helfe ich. Er heißt Leo, wir unterhalten uns angeregt und gehen schließlich in Heeg schön essen. Danach bin ich echt müde und lege mich früh in die Koje. Gut, dass ich mein selbstgebasteltes Cockpitzelt aufgezogen habe. Am Abend beginnt es, in Strömen zu regnen.

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Donnerstag, 24.09.2020: Heeg

Die Wettervorhersage hat Recht. Die ganze Nacht schüttet es durch und der Wind nimmt nochmal zu. Auch wenn eine Nacht hier 13,75 Euro kostet, bleibe ich eine zweite Nacht. Beaufort 5 bis 8 sind mir zu heftig, und selbst im geschützten Hafen kachelt es. Das Cockpitzelt baue ich ab, denn es hat die ganze Nacht einen Höllenlärm gemacht. Außerdem scheint schon wieder die Sonne.

Dann sehe ich mir die Stadt an, kaufe Mückenspray („Es gibt dieses Jahr besonders viele“, bestätigt der Ladenbesitzer) und kühlendes Gel für meine völlig zerstochenen Arme, esse Kibbeling, gucke vom Strand aufs Heeger Meer, das wirklich nicht sehr einladend wirkt, und kehre in einem Bogen zum Yachthafen zurück. Erstmal eine warme Dusche, dann verziehe ich mich in die Kajüte, weil wieder Regen einsetzt.

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Freitag, 25.09.2020: Heeg – Idskenhuizen

Es ist immer noch ziemlich windig. Aber ich will nicht noch einen Tag in Heeg bleiben. Außerdem bin ich ja mit Uwe und Melanie in Lemmer verabredet. Zunächst beschließe ich, das Vorsegel eingepackt zu lassen. Das 2. Reff bleibt natürlich. Verdammt kalt ist es auch geworden. Während ich segelmäßig abrüste, rüste ich kleidungsmäßig auf. Definitv kein Barfußsegeln heute! Schon das Verlassen der Box ist schwierig. Als ich dann ins Heeger Meer möchte, habe ich so heftigen Gegenwind, dass ich erstmal abdrehen muss. Schließlich schaffe ich es aus der Hafeneinfahrt heraus, aber gegen den Wind Richtung Süden über das Heeger Meer zu segeln, ist unmöglich. Also biege ich links in den Kanal Richtung Osten ab. Zunächst lässt der Wind etwas nach. Ich versuche den nächsten Kanal Richtung Süden. Keine Chance. Also mit Seitenwind weiter. Doch der wird so stark, dass ich gegen das gegenüberliegende Ufer gedrückt werde. Zum Glück ist dort keine Steinböschung, sondern ein durchgehender Holzbalken. Also kämpfe ich nicht weiter gegen die Böen an. Ich hänge Fender raus und rupfe mühsam das Großsegel runter. Was nun? Hasi klebt im Schilf wie festgenagelt. Natürlich ist genau da, wo ich liege, eine fette Diestel…

Ich stelle mich schon darauf ein, die Nacht mitten im Nichts zu verbringen, da kommt ein großes Motorboot mit zwei Männern an Bord vorbei. Ob ich Hilfe brauche? „Naja, mein Motor ist zu schwach, um gegen das hier anzukommen. Könnt ihr mich eventuell ziehen?“ – „Werf die Leine rüber!“ Das ist mir nicht ganz geheuer, aber ich habe keine Wahl. „Wo möchtest du denn hin?“ – „Nach Lemmer, aber ich fahre dorthin, wo ihr hinfahrt.“ – „Wir müssen nach Idskenhuizen, das ist auf dem Weg nach Lemmer.“ Ok, ich lasse mich abschleppen. Der Start ist etwas ruckartig und führt mit Schwung durch einen überhängenden Busch. Vor mir zwei Auspüffe mit Dieselabgasen. Trotzdem werde ich nie wieder was gegen Mobo-Fahrer sagen! Sie ziehen mich weiter durch den Kanal und biegen dann rechts in das Kufurder Meer ab, das wir durchqueren. Nun geht es mit über fünf Knoten voll gegen den Wind. Während die beiden Mobo-Fahrer ein paar Meter über mir stehen und gemütlich cruisen, klatschen mir die Wellen ins Gesicht. Das untere Schott habe ich bereits im Kajüteingang, aber das Obere liegt noch in der Backskiste. Ich fische es heraus, doch die Kajüte hat schon einen Schwall Wasser abbekommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir den Hafen von Idskenhuizen. Ich bedanke mich überschwänglich bei Rettern und möchte sie auf etwas einladen, aber sie müssen nach Hause zurückfahren.

Obwohl hier offenbar nicht viel ist, miete ich einen Liegeplatz über Nacht. Ich kann mir zwar einen aussuchen, aber es sind wieder Boxen. Ansteuern, dabei die Heckleine über den Dalben werden, was sogar klappt, aber das Boot wird von Wind sofort quergetrieben und ich hänge nun zwischen zwei Dalben. Das nächste Boot ist zum Glück weit genug weg. Wieder die Frage: Was nun? Da bietet mir ein Mann vom Ufer aus Hilfe an. Ich werfe die Bugleine und er zieht mich in die Box. Uff! Ich bin fix und fertig. Außerdem habe ich mir bei dem hektischen Anlegemanöver etwas Spitzes ins rechte Schienbein gehauen und muss erstmal die blutende Wunde verpflastern.

Im Wind trockne ich meine Polster, lade die Batterie vom Motor wieder auf und werde langsam ruhiger. Der Tag war zwar total suboptimal, aber Hasi hat nichts Schlimmes abbekommen, ich bis auf die Wunde am Schienbein auch nicht und wir liegen fest. Als ich mich von den Strapazen erholt habe, sehe ich mir den Ort an. Ist klein. Sehr klein. Hoffentlich komme ich hier morgen wieder raus! Die Nacht bleibt erstmal ungemütlich. Der Wind reißt an meinem Vorstag und ich gehe den weiten Weg zum Waschraum im kräftigen Regen.

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Samstag, 26.09.2020: Idskenhuizen – Lemmer

Ich hätte nie gedacht, dass ich mich über Windstille so freuen kann! Der Morgen ist eiskalt (acht Grad in der Kajüte), aber ruhig. Ich nehme eine heiße Dusche (die sind frisch renoviert und sogar im Preis inbegriffen), frühstücke und fühle mich nun bereit, wieder abzulegen. Mit Motorunterstützung (der Wind reicht nicht) fahre ich den Princess-Margriet-Kanal hinunter in das Groote Brekken. Selbst auf dem See ist so wenig Wind, dass ich den Motor mitlaufen lasse.

Dann nehme ich die Segel runter und begebe mich in das Labyrinth der Ferienhaussiedlung De Brekken, wo Uwe und Melanie schon warten. Es ist ein geruhsamer Nachmittag auf der sehr schönen Terrasse. Sie probieren meinen E-Motor anstelle des schweren 5-PS-Viertakters an ihrem Dinghy aus. Melanie ist begeistert. Abend gehen wir in Lemmer chinesisch essen. Ein Paar schließt sich an. Überraschung: Ich kenne die beiden auch!

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Sonntag, 27.09.2020: Lemmer

Eigentlich hätten Uwe und Melanie am Wochenende Segelschüler für ein Skippertraining gehabt, aber die sagten kurzfristig wegen Krankheit ab. So lassen wir es gemütlich angehen. Nach einer stürmischem Nacht ist der Wind wieder eingeschlafen. Das Wetter ist trübe und zwischendurch regnet es kurz. Der Plan, mit Melanies Schiff eine Runde rauszufahren scheitert, weil „Rocca“ mit ihrem 1,40m-Kiel im Schlamm steckt (der Wasserstand im Kanal ist ziemlich niedrig).

Stattdessen schnallen wir wieder meinen Torqeedo an das Dinghy. Diesmal bin ich an der Reihe. Uwe will mir beibringen, den Motor, den ich sonst festgestellt habe und mit Fernsteuerung und der Bootspinne bediene, zum Manövrieren auf engem Raum im Hafen mit drehbarem Motor und der Motorpinne schneller zu manövrieren. Beim Gasgeben kriege ich einen Knoten ins Hirn und verwechsele ständig Vorwärts- und Rückwärtsgang. Sobald es eng wird, nehme ich das Gas weg. „Ganz falsch“, meint Uwe, da das Boot sich dann nicht mehr steuern lässt. Schließlich überwinde ich meine Angst und werde etwas sicherer. Dann geht es einen Schritt weiter. Uwe und ich üben mit Hasi in dem engen Labyrinth und im benachbarten Hafenbecken. Tatsächlich: Wenn ich den Motor mit der Pinne drehe, kann ich auf dem Teller wenden. Vor der Ausfahrt üben wir noch Leinenwerfen. Ich habe heute wirklich was gelernt und hoffe, dass ich es morgen umsetzen kann. Die Nacht verbringe ich noch an Uwes Steg (die beiden machen sich schließlich auf den Heimweg). Ich möchte noch einen Tag in Lemmer bleiben und werde in den stadtnahen Binnenhafen umziehen.

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Montag, 28.09.2020: Lemmer

Es hat die ganze Nacht durchgeregnet. Im Morgennebel bewegt sich kein Lüftchen. Sogar die Stare, die Hitchcock-mäßig die Boote belagert haben, sind weg. Ich mache den Motor klar, um den Binnenhafen anzusteuern. Das Ablegemanöver klappt. Da ohnehin kein Wind ist, fahre ich unter Motor bis ins Zentrum von Lemmer. Zunächst lege ich elegant am Meldesteiger an und registriere mich im Hafenmeister-Büro. Meine Box ist gleich um die Ecke und hat einen durchgehenden Steg an Backbord. Ich bin zuversichtlich, zumal ich ja geübt habe. Doch im Hafenbecken herrscht unerwartet viel Strömung, die mich beim Manövrieren auf ein großes Mobo drückt. Mir ist klar, dass ich einen kräftigen Schub zurück geben muss. Doch während ich noch überlege, in welche Richtung ich den Motor drehen muss, hänge ich schon mit dem Want am Lenker eines Fahrrades (genau zwischen Griff und Handbremse, das war Maßarbeit!), das im Bug geparkt ist. Hasi dreht sich so, dass er zusätzlich mit dem Vorstag vor dem riesigen Buganker des Mobos klemmt. Zum Glück ist der Eigner a) an Bord und b) cool. Er entwirrt mich und schubst mich ab, sodass ich die Box ansteuern kann. Dabei spiele ich mit dem Boot, das neben mir liegt, Fenderstupsen, bis ich endlich drin bin. Voll peinlich, aber wohl kein Einzelfall, wie mir andere BootsbesitzerInnen versichern. Erstmal frisch machen! Aber selbst, wenn man sich nur im Waschbecken die Zähne putzen will, muss man einen Automaten mit 50-Cent-Stücken füttern. Frechheit!

Zusätzlich zum dichten Nebel setzt Nieselregen ein. Dick verpackt, mache ich mich auf, die Stadt zu erkunden. In der Nähe des Hafens ist ein schöner Strand, im Zentrum sind viele Geschäfte und Restaurants. Durchgefroren flüchte ich mich in eine Pizzeria und stärke ich mich erstmal. Dann bummele ich durch die Straßen. Ich kann verstehen, dass so viele hier ihre Boote liegen haben. Schon schön. In einem Yachtbedarfshop kaufe ich zwei zusätzliche Fender für den Bug und die Signalflagge 1, um zu anzuzeigen, dass ich Einhand segele. Nachher gehe ich noch in den Beach Club, um einen Caipi zu trinken. Schade, dass es immer noch so trüb ist!

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Dienstag, 29.09.20: Lemmer – Sloten

Nachdem es die ganze Nacht geschüttet hat, regnet es immer noch, als ich aufwache. Also frühstücke ich erstmal in Ruhe. Endlich hört es auf. Es ist allerdings immer noch trüb und alles ist klitschnass. Mit der Ölzeughose mache ich mich schließlich auf den Weg. Beim Ablegen touchiere ich diesmal „nur“ einen Dalben. Der Wind kommt zunächst genau von vorne. So war das auch nicht angesagt. Immerhin kann ich über das Groote Brekken segeln. Dabei begegnet mir ein extrem seltsames pinkfarbenes Gefährt.

Dann geht noch einmal durch Kanäle, und ich erreiche Sloten, wo im Ortseingang eine malerische Windmühle steht. Direkt daneben ist ein kleines Hafenbecken, dass jetzt – in der Nebensaison zwischen Sommer- und Herbstferien – fast ganz leer ist. Ich muss nicht in einer Box anlegen und habe keine Probleme. Plötzlich reißt es auf, die Sonne kommt heraus. Dann erkunde ich Sloten, die kleinste Stadt der Niederlande. Echt putzig mit einer Gracht, die von bilderbuchmäßigen Häuschen gesäumt ist. Als ich von meinem Spaziergang zurückkehre, kommt langsam die Abendsonne ins Cockpit. Das tut so gut!

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Mittwoch, 30.09.2020: Sloten – Langweer

Das Wetter ist ganz ordentlich angesagt mit Wind von Süden (also weitgehend von hinten/bzw. von der Seite). Es ist trüb, als ich losfahre, aber immerhin trocken. Mein Ablegemanöver klappt picobello. Alleedings muss ich nur gerade aus dem leeren Hafen rausfahren. Um die Ecke wartet gleich die erste Klappbrücke. Es ist die Einzige auf meinem Törn, die etwas kostet: drei Euro. Die Bezahlmethode ist haarig. Der Brückenwärter lässt während der Durchfahrt einen Holzklotschen (mit friesischem Muster angemalt) von oben herunterbaumeln. Man muss ihn fangen, das abgezählte Geld hineinlegen und muss gleichzeitig Kurs halten. Augen zu und durch. Irgendwie schaffe ich es, ohne die Brücke zu rammen. Über einen Kanal gehts mit Rückenwind zum Sloter Meer, das ich durchquere. Zum Glück habe ich auf dem engen Kanal nur die Fock gesetzt. Das Groß bleibt unten, denn der Wind nimmt zu. Ich friere und ziehe die Regenhose über. Am Nordende werden die Wellen unangenehm. Dann setzt Regen ein, Erst nieselt es, dann regnet es immer heftiger. Ich mag Wasser, aber plötzlich kommt es auch von oben. Meine Winterjacke saugt sich langsam voll Wasser. Irgendwann reicht es mir, und ich krame die Regenjacke vom Ölzeug aus der Backskiste. Der Regen begleitet mich bis Langweer, dafür lässt der Wind nach. Eigentlich wollte ich erst Montag auskranen, aber die miese Wettervorhersage hat mich den Törn abkürzen lassen. Eine gute Entscheidung!

Wie soll ich bloß mein Zeug vor dem Auskranen ein wenig trocken kriegen? Kurz nach dem Anlegen hört der Regen endlich auf und sogar die Sonne lässt sich kurz blicken. Bevor es wieder weiternieselt, trockne ich schnell die Segel und verpacke alles. Der Hafenmeister hilft mir noch beim Mastlegen. Morgen früh wird ausgekrant. Anschließend bin ich ziemlich kaputt und hungrig, denn das Mittagessen ist mal wieder ausgefallen. Doch zuerst muss ich noch tanken, denn mit dem Hasen im Schlepp möchte ich keine Zapfsäule ansteuern müssen. Schließlich bin ich völlig erledigt, gehe ich in den Ort und lasse mich im erstbesten Restaurant nieder. Es ist mehr eine Kneipe, die hauptsächlich Burger hat. Egal… esse ich eben Burger.

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Donnerstag, 01.10.2020: Langweer – Duisburg

Der Hafenmeister hat nur bis 9.30 Uhr Zeit. Also krane ich früh aus. Passt, denn ich muss noch drei Stunden mit dem Auto fahren. Ich nutze noch die allerletzte Chance, ein vor dem Kran liegendes Boot zu rammen. Wenigstens gibt sich der Hafenmeister, der keine Miene verzieht, auch eine Blöße: Er findet meinen Trailer erst beim dritten Anlauf, während der Hase im Kran schaukelt. Endlich ist er auf dem Trailer, ich schnüre ihn fest, baue das Ruderblatt ab und mache mich dann auf den Weg zum Heimathafen in Duisburg. Gerade als ich den Hasen dort auf den Parkplatz stelle, setzt strömender Regen ein. Mein erster Törn mit dem eigenen Schiff ist nun offiziell zu Ende!

P.S. Am Freitag, 2.10.2020, wird Friesland mit weiteren Provinzen der Niederlande zum Corona-Risikogebiet erklärt. Wäre ich wie geplant erst Montag zurückgekommen, hätte ich 14 Tage in Quarantäne gemusst…

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Ein Jahr später…

Freitag, 03.09.2021: Lemmer

Wir befinden uns im Jahr 2 nach Corona. Urlaubsplanung ist 2021 immer noch schwierig. Die meisten Fahrtensegler des DUYC verzichten im Mai auf ein Ansegeln in Friesland, weil die Bundesregierung kurzfristig die Ein- und Ausreiseregeln für die Niederlande geändert hat. Im August hat sich die Lage entspannt. Deshalb beschließen Einige von uns: Wir riskieren es und chartern für ein langes Wochenende Anfang September zwei Yachten in Lemmer! Ich heuere mit fünf Anderen als Crew bei Skipper Ronnie, unserem Fahrtensegelwart, an. Wir haben Glück. Die gebuchte Bavaria 46 wurde versehentlich doppelt vergeben, wir bekommen stattdessen zum selben Preis eine 51er. Beim Eintreffen an der Charterbasis am Freitag, dem 3. September, stellen wir fest: „Respekt! ,Portunus‘ ist schon ziemlich groß.“ Außerdem liegt die Yacht mit dem Bug zum Steg, was den Weg an Bord halsbrecherisch macht, da man von einer kleinen Leiter über den Anker und den Bugkorb klettern muss. Über diesen Weg bringen wir auch Gepäck und Proviant an Bord. Alles, was man nicht durch die Oberlichter der Bugkabinen werfen kann (z.B. Bierkästen) muss 15 Meter nach hinten geschleppt werden. Nachdem endlich alles verstaut ist, machen wir es uns gemütlich.

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Samstag, 04.09.2021: Lemmer – Enkhuizen

Am Samstagmorgen brechen wir recht früh auf und fahren durch das hübsche Städtchen und die uralte Schleuse ins Ijsselmeer, das nur ca. 25 cm höher liegt als die Kanäle. Mit 2 bis 3 Beaufort von achtern segeln wir gemütlich Richtung Enkhuizen. Die Sonne kommt heraus, und es ist nicht mehr so kalt. Die Überfahrt ist ruhig und entspannt. Allerdings sind unglaublich viele Schiffe auf dem Wasser. Kein Wunder, denn nach einer langen Phase mit mäßigem Wetter ist dies das erste Super-Wochenende. Dementsprechend voll ist der Stadthafen von Enkhuizen. Es gibt eine Einweiserin mit Motorboot, die uns zunächst bedeutet, in einem Päckchen festzumachen, in dem bereits vier Boote liegen. Lange Gesichter: Keine Chance, von dort an Landstrom zu kommen. Und die Handy-Akkus sind hungrig… Schließlich dürfen wir „Portunus“ verlegen und in zweiter Reihe an einem großen Plattbodenschiff festmachen. Schnell füllt sich unser Cockpit. Außer uns sind noch die Crew des zweiten Charterschiffs sowie die Crews zweier SKS-Prüfungstörns mit Clubmitgliedern in der Stadt. Der Plan, gemeinsam essen zu gehen, geht nicht auf. Schon für eine kleine Gruppe ist es eine Herausforderung, ein Restaurant zu finden, das nicht total überfüllt ist und überhaupt noch Essen serviert.

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Sonntag, 05.09.2021: Enkhuizen – Stavoren – Lemmer

Der Sonntag begrüßt uns gleich mit strahlendem Sonnenschein. Diesmal haben wir 2 bis 3 Beaufort gegenan und kreuzen über das Ijsselmeer nach Stavoren. Dort stärken wir uns mit dem sensationell guten Kibbeling von der kleinen Bude am Schleusenhafen. Dann müssen wir durch die Schleuse, die zwei Kammern hat. Wir sind nicht die Einzigen, denn die ganzen Wochenendausflügler strömen zurück, um ihre Liegeplätze anzusteuern. Der Wind weht in Richtung einer steinernen Mole. Die Boote schwimmen Schlange, die Vorderen haben teils an Balken festgemacht, die Übrigen versuchen, mit dem Heck im Wind auf der Stelle zu bleiben. Manche drängeln sich vor. Die Schleuse öffnet sich und wir rücken zu den Balken vor. Endlich öffnet sich die Schleuse erneut und es kommt richtig Bewegung in die Wartenden. Alle halten auf die beiden Kammern zu. Unerwartet legt ein riesiges Plattbodenschiff vor uns den Rückwärtsgang ein, sieht uns in letzter Sekunde, fährt so nah neben uns vorbei,dass der Großbaum noch unsere Wanten leicht streift und rammt fast unseren Hintermann. Ich schaue wieder nach vorne. Wir steuern die rechte Kammer an. Eine zweite Yacht entscheidet sich spontan statt der linken auch die rechte zu nehmen und fährt mit uns gleichzeitig Richtung Schleusentor. Das wird extrem eng. Rückwärtsgang wie gerade das Plattbodenschiff ist keine Option, Aufstoppen auch nicht, da das Schiff sich dann nicht mehr manövrieren lässt. Also Augen zu und durch. An Steuerbord kommen wir einer Betonwand so nahe, dass der Fender quietscht, direkt dahinter geht es um die Ecke, was das Heck fast die Wand küssen lässt. Endlich drin und mit den Nerven am Ende.

Die Ausfahrt ist entspannter. die Boote reihen sich ein und fahren durch den Kanal, den ich vom letzten Jahr noch kenne. Der Wind kommt genau von vorne und wir motoren. Hier übernehme ich auch für eine Weile das Steuer und gewöhne mich an die Reaktion des Schiffes. Die 100 PS bewegen unsere 14 Tonnen mit ca. 5,7 Knoten recht zügig. Auf dem Heeger Meer ziehe ich gerade durchs Fahrwasser, als eine Segelyacht neben dem Fahrwasser plötzlich das Ruder umlegt und direkt auf uns zukommt. Ich habe Vorfahrt und halte den Kurs, weil ich keine Ahnung habe, was die 14 Tonnen machen, wenn ich das Steuer herumreiße. Die Yacht fährt ganz knapp hinter uns durch. Schwitz! Dann biegen wir ins Kufurder Meer ein. Wir wollen noch einen kurzen Schwimmstopp einlegen. Schließlich haben wir eine ausklappbare Badeplattform! Wir haben 1,85 Meter Tiefgang. Mich haben vor meinen Törn letztes Jahr andere Segler gewarnt, dass das Kufurder Meer sehr flach ist. Wir bleiben nahe am Hauptfahrwasser, das müsste laut Karte passen, meint Ronnie. Kaum hat er das gesagt, wird das Schiff sehr langsam… Schnell den Rückwärtsgang eingelegt und wieder freigekommen. Im angrenzenden Kanal ist gerade wenig Verkehr. Also ein zweiter Versuch. Drei von vier Bade-Interessenten kneifen, da das Wasser saukalt ist. Weiter gehts zurück zur Charterbasis in Lemmer, die einen kreisförmigen Steg hat. In der Mitte befindet sich ein ebenfalls kreisförmiges Restaurant, in dem wir zu Abend essen.

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Montag, 06.09.2021

Am Montag schlafen wir aus, frühstücken gemütlich und machen klar Schiff. Es ist vergleichsweise warm und ich befolge den Rat des Kochs des Restaurants, hier zu schwimmen. Das Wasser ist deutlich wärmer als am Kufurder Meer. In der Nähe lebt eine Haubentaucher-Mutter mit Kind. Während das Kleine dasselbe quengelige Schreien von sich gibt wie seine Artgenossen in Duisburg, klingt die Mutter ganz anders – eher wie eine Möwe. Pünktlich um 12.00 Uhr übergeben wir das Schiff und fahren nach Hause.

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Buenos Aires – Puerto MadrynHalbinsel ValdesRawsonPunta Tombo – Buenos Aires – MendozaBarilocheEl ChalténEl CalafateBuenos Aires

Manche mögen’s bitter

Bis Anfang der 1950er-Jahre war Argentinien (von argento = Silber) eines der reichsten Länder der Erde. Doch dann ging es bergab. Zwar verbesserte sich die Lage nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems 2001 langsam wieder, als ich jedoch 2019 einreise, befindet sich der Argentinische Peso im freien Fall. Der Wechselkurs schwankt ständig, die Inflation ist so hoch, dass die Wirte die Preise auf den Speisekarten nur mit Bleistift schreiben, um sie schnell anpassen zu können.

Reiseleiterin Mimi aus Puerto Madryn erzählt, dass die Argentinier ich Land praktisch nicht mehr verlassen können. Um die eigene Währung zu stützen, hat die neoliberale Regierung den Bürgern nicht erlaubt, mehr als 200 US-Dollar pro Monat einzutauschen. Kein Wunder, dass die Opposition die Präsidentschaftswahl vor einer Woche gewonnen hat… Bargeld ist selbst für uns Touristen ein Problem: Fast alle Geldautomaten geben nur maximal 4000 Peso (zu dieser Zeit ca. 60 Euro) aus und berechnen dafür satte 635 Peso (knapp 10 Euro) Gebühren. Damit kommt man nicht weit.

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Ähnlich bitter wie die wirtschaftliche Lage ist das wichtigste Heißgetränk im Land, der Mate-Tee. Unser einheimischer Guide Stevie hat immer eine Art Tasse mit Strohhalm in der Hand, die mit der. Kräutermischung gefüllt ist. Regelmäßig wird heißes Wasser aus einer riesigen Thermosflasche nachgegossen. Kinder werden langsam an das Gebräu gewöhnt. Zuerst bekommen sie ihn stark verdünnt mit viel Zucker. Die beliebtesten alkoholischen Getränke sind ebenfalls bitter. Gerne wird Fernet Branca pur oder mit Cola getrunken. Am Flughafen probiere ich für meine letzten Pesos einen argentinischen Mojito: Cynar Julep. Mit Grapefruitsaft, Rohrzucker, Minze, einem Spritzer Zitrone und dem gleichnamigen italienischen Likör aus Artischocken und Kräutern. Etwas gewöhnungsbedürftig.

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Beim Essen fängt der Tag schon gut an. Im ersten Hotel beispielsweise gibt es zum Frühstück selbstgebackenes Brot mit einer festen Kruste, dazu Käse. Außerdem verschiedene Kuchen (die Argentinier mögen’s auch süß), frischgepresste Obstsäfte, Obstsalat und Müsli. Mein Mittagessen besteht meist aus Empanadas, die mit verschiedenen Füllungen günstig überall zu haben sind. Das Abendessen ist häufig fleischhaltig. Natürlich gibt es fantastische Rindersteaks. 400 Gramm sind eine „normale“ Größe. „Es gibt aber auch 700-Gramm-Steaks“, sagt Stevie. Erstaunlich, dass bei diesen Portionen nur relativ wenige Argentinier Übergewicht haben. Das patagonische Barbecue nach dem Rafting in Bariloche ist allerdings nicht so mein Fall, da das Fleisch sehr fettig ist. In El Calafate bestellen andere aus der Gruppe Guanako. Ich koste mal: schmeckt leicht nach Wild, also nicht so mein Fall. An einer Wűrstchenbude in La Boca probiere ich die Spezialität Choripan mit Chimichurri. Sehr würzig. Die ziemlich grobe Bratwurst wird in der Mitte aufgeschnitten und gerillt, sodass sie fast wie ein Hamburger schmeckt.

Ich hatte immer gedacht, die Mehrheit der Argentinier hätte spanische Wurzeln. Stimmt aber nicht: Die größte Gruppe von Einwanderern kam aus Italien. Das schlägt sich auch in der Küche nieder. Flächendeckend findet man Pasta und Pizza. In Mendoza speisen wir für argentinische Verhältnisse extrem früh um 20.00 Uhr im Restaurant „Fuente y Fonda“, wo Gerichte wie bei Oma serviert werden, u.a. Canneloni, Schnitzel mit Schinken und Käse überbacken und eine Art Pastete aus Rindfleisch und Püree.

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Ein „kleiner Abstecher“
zu Riesenbabys und Frackträgern

Nach einem 13-Stunden-Flug lande ich pünktlich morgens um kurz vor acht auf dem Internationalen Flughafen von Buenos Aires. Aber das dicke Ende kommt nach: Nicht nur, dass ich im Jumbo-Jet aus Frankfurt ganz hinten gesessen habe und ca. 800 Leute vor mir aussteigen. Offenbar sind vor uns schon einige andere Großraumflugzeuge gelandet. Dementsprechend monströs ist die Schlange an der Passkontrolle. Mehr als zwei Stunden dauert es, bis ich endlich meinen Einreise-Stempel bekomme. Zum Glück geht mein Anschlussflug nach Trelew erst neun Stunden später. Allerdings muss ich noch den Flughafen wechseln und einmal die Stadt durchqueren. Zum Glück habe ich vorher den günstigsten Weg dorthin recherchiert und sitze bald in einem Bus, der erst durch endlose Vororte fährt, einmal im Zentrum hält und mich nach ca. 1 1/4-Stunden am Inlands-Flughafen Jorge Newbery Airpark absetzt. Der liegt direkt am Wasser. Eine Uferpromenade ist gerade im Bau, aber es gibt schon ein Stück mit einem kleinen Park mit Kolumbus-Statue und einen Aussichtspunkt mit Bänken. Da ich noch viel Zeit bis zum Boarding habe, genieße ich die Sonne. Prompt ist mein Gesicht am Abend feuerrot. Das Meer hingegen ist bräunlich. Mein Sitznachbar im Flugzeug, der aus Buenos Aires stammt, hatte mir erklärt, dass der Rio Paraná, der nördlich der Stadt ins Meer mündet, über einen anderen Fluss mit dem Amazonas verbunden ist und aus dem Gebiet jede Menge rote Erde mitbringt.

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Die ersten drei Nächte verbringe ich 1500 Kilometer südlich von Buenos Aires in der Provinz Chubut. Die ist so groß wie Deutschland, hat aber nur 600.000 Einwohner. Vom Flughafen Trelew aus geht es nochmal 50 Minuten mit dem Auto weiter bis zum Küstenort Puerto Madryn. Mein Zimmer im Hotel „Territorio“ hat Meerblick, selbst von der Badewanne aus! Allerdings treffe ich wieder mal auf die dämlichste Erfindung seit Rosenkohl: Das Doppelbett hat nur eine einzige, extrabreite Decke mit Laken. Schlecht für Leute, die sich gerne einwickeln… Wie erwartet habe ich am nächsten Morgen ein „Bettensägemassaker“ angerichtet. Weil ich noch vier Stunden „vorgehe“, bin ich schon früh munter und bereit für meinen Tagesausflug zur Halbinsel Valdes nördlich von Puerto Madryn.

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Das Hinterland besteht wie der größte Teil Patagoniens aus platter Steppe. Am Straßenrand hoppelt ein Mama-Mara mit Baby davon. Ein paar Guanakos überqueren die sandige Piste. 30.000 leben auf der Halbinsel, denn ihr Hauptfeind, der Puma, ist selten geworden. Er ist die einzige Spezies, die hier nicht geschützt ist. Die örtlichen Farmer töten die Raubkatzen, weil sie auch ihre Schafe reißen. Auf einem der Parkplätze wieseln zwei Gürteltiere herum.

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Die großen Attraktionen des Nationalparks Peninsula Valdes befinden sich am bzw. im Wasser. Der November ist eine gute Zeit für die Walbeobachtung. Rund 1000 Südliche Glattwale tummeln sich jede Saison in der windgeschützten Bucht Golfo Nuevo. Es ist ihre Kinderstube: Zuerst treffen die schwangeren Weibchen ein. Sie bringen ihre Jungen zur Welt, päppeln sie hoch und ziehen dann wieder Richtung Süden. Die Riesenbabys sind bei der Geburt zwei Meter lang, zwei Tonnen schwer und trinken 200 Liter Milch am Tag. Die Mutter hat keine Zitzen, der Nachwuchs keine Lippen. Also spritzt Mama die butterartige Milch ins Wasser, das Baby filtert sie heraus.

 

Vom Örtchen Puerto Piramide stechen wir mit einem kleinen Katamaran in See (s. Film). Schon vom Ufer aus sieht man die ersten Wale. Das Wasser ist wie flüssiges Silber und ganz ruhig, weil es ausnahmsweise windstill ist. Man sieht sofort alles, was rausguckt. Dafür sind die Wale bei solchem Wetter nicht so aktiv, erklärt der Guide. Geduld ist gefragt. Das Boot bewegt sich langsam, und pro Wal darf sich immer nur ein Schiff nähern. Aber schließlich bekommen wir „unser“ Weibchen und sein zwei Monate altes Baby zu Gesicht. Wir stoppen den Motor ganz und hoffen, dass die beiden zu uns kommen, was sie tatsächlich tun. Man kann sie atmen hören und sieht die charakteristischen weißen Flecken auf den Körpern. Einmal gerät das Boot zwischen Mutter und Kind und zieht sich vorsichtig zurück. Wieder vereint schwimmen sie davon. Zum Abschied winkt Mama endlich einmal mit der Schwanzflosse und wir kehren zum Ufer zurück.

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Anschließend machen wir uns auf den Weg zu den Seeelefanten in Caleta Valdes, die ebenfalls gerade ihre Jungen gekriegt haben. Deshalb hängen Orcas direkt vor der Küste ab. Die örtlichen Killerwale haben eine weltweit einzigartige Jagdtechnik entwickelt: Sie springen mit den Wellen auf den Strand, schnappen sich die Kleinen und lassen sich ins Wasser zurückgleiten. Die Chance genau in diesem Augenblick vor Ort zu sein, ist allerdings sehr gering. Dokumentarfilmer warten oft tagelang auf die spektakulären Bilder. Von oben blickt man auf die Kolonie. Die meisten Seeelefanten schlafen am Strand, ein Baby schreit.

 

Etwas nördlich gibt es eine kleine Pinguin-Kolonie. Aber von denen werde ich am folgenden Tag noch viel mehr sehen. In Punta del Norte am Ende der Halbinsel befinden sich weitere Seeelefanten, an die man etwas näher herankommt. Allerdings nicht so nahe, wie ich gedacht habe. Auch diese dösen im Sand. Nach der anstrengenden Paarungszeit ist Siesta angesagt. Wenn die Babys größer sind, verschwinden die Seeelefanten ins Meer. Dann übernehmen die Seelöwen, um ihren Nachwuchs zu bekommen. Im Spätsommer springen die Orcas wieder regelmäßig zur Jagd auf den Strand.

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Am nächsten Tag mache ich einen Ausflug Richtung Süden. Immer wieder sieht man am Straßenrand rote Fahnen und Heiligenbilder. Der Fahrer hupt Salut. Die Schreine erinnert an den Volkshelden Gauchito Gil. Er war im 19. Jahrhundert eine Art argentinischer Robin Hood, der die Reichen beraubte und es den Armen gab. Bei Trelew steht eine riesige Skulptur von einem Dino, der einst hier lebte. Den hätte ich gerne mal live gesehen. In der Gegend gibt es massenhaft Fossilien. Weil Patagonien zweimal in der Erdgeschichte unter Wasser, war, findet man neben Dinosaurierknochen auch versteinerte Austern.

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Unser erster Stopp ist in Rawson, wo wir im Fischereihafen ein Schlauchboot besteigen. An einer eine kleinen Seelöwenkolonie vorbei fahren wir hinaus aus Meer, wo wir Commerson-Delfine sehen wollen. Die „Pandas des Meeres“ sind schwarzweiß, klein und flink. Es gibt es nur in Argentinien, Chile und irgendwo im Indischen Ozean. Man muss sie nicht lange suchen. Die Meeressäuger kommen zum Boot, um in der Bugwelle zu surfen. Weil man das beim eigenen Boot schlecht sieht, ohne über Bord zu fallen, wartet ein zweites Boot und fährt neben uns her (s. Film).

 

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Dann geht es weiter nach Punta Tombo, das sich echt mitten in der Pampa befindet. Die Gegend wird hügeliger. Schließlich erreichen wir die Bucht, die sehr schön ist: an der Küste rote Felsen, blaues Meer, grüne Büsche und gelbes Gras. Aber das Highlight hier sind die Magellan-Pinguine. Mehr als eine Million leben in der Kolonie. Obwohl ich auch eine schwarze Jacke trage, fühle ich mich unter den ganzen Fracktägern etwas underdressed. Gerade wird gebrütet. Die Partner teilen sich den Job: Einer sitzt auf dem Nest (entweder unter den Büschen oder in Erdlöchern), der Andere geht fischen. Von einem Aussichtspunkt kann man beobachten, wie die Vögel ins Wasser wackeln und dann elegant in die Wellen tauchen. Aber selbst sie haben damit zu kämpfen und werden beim Anlanden manchmal von den Latschen gerissen. Im Sommer ist übrigens Ruhe. Dann zieht es die Pinguine nach Norden.

 

Ein eingezäunter Weg von ca. 1,5 Kilometern schlängelt sich durch die Kolonie. Die Menschen dürfen ihn nicht verlassen, aber die Pinguine überqueren. Und sie haben Vorfahrt (s. Film)! Auch wenn die Kleinen zum Knuddeln aussehen, ist Anfassen natürlich verboten. Dann würden sie sicher auch hacken. So scheinen die Menschen sie nicht zu stören. Einige brüten sogar direkt neben dem Weg. Vielleicht beobachten sie zum Zeitvertreib die vorbeigehenden Leute. Ist ja vermutlich ziemlich langeweilig, stundenlang auf dem Nest zu sitzen. Manche Piguine genießen den Schatten unter den hölzernen Stegen, über die der Weg teilweise führt.

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Wein, Wasser und
ein kackendes Guanako

Am nächsten Tag starte ich von Buenos Aires aus eine zweiwöchige Rundreise. Guide Esteban alias „Stevie“ empfängt die Gruppe mit einer guten („Ich habe Empanadas organisiert.“) und einer schlechten Nachricht: „Wir müssen morgen um 3.45 Uhr aufbrechen, damit wir den ersten Flug nach Mendoza kriegen“. Dementsprechend wird der Abend nicht allzu lang.

Lohn des frühen Aufstehens: Wir haben den ganzen Tag, um Mendoza zu erkunden. Zunächst zeigt uns Marina, die in der Nähe eine kleine Weinbar besitzt, das Zentrum. Nachdem ein Erdbeben 1861 alles zerstört hatte, wurde die Stadt komplett neu gebaut. Die Straßen sind im Schachbrettmuster angelegt und mit Bäumen aus aller Welt gesäumt, sodass die Bürgersteige im Schatten liegen. Kanäle bringen Schmelzwasser aus den Anden zu jeder einzelnen Pflanze. Sonst wäre hier Wüste mit Kakteen und Büschen. Denn die von Westen kommenden Regenwolken schaffen es nur selten über die hohen Berge. Neben einem zentralen Platz gibt es vier weitere kleinere – einen spanischen, einen italienischen, einen chilenischen und einen mit einem Denkmal des Unabhängigkeitskämpfers San Martín. Ein noch größeres Monument ihm zu Ehren befindet sich vor der Stadt auf dem Hügel La Gloria, von dem man einen schönen Blick hat.

 

Krönender Abschluss des Rundgangs ist ein Abstecher in Marinas Bar. Sie verkauft nur Weine von ganz kleinen Herstellern. Und beschreibt sie mit Leidenschaft wie Männer: „Die sind wie Vater und Sohn. Der Sohn stürmisch, explodiert im Mund, der Vater gesetzter, mehr ausbalanciert.“ Wir probieren einen fantastischen Malbec und einen ebenfalls sehr guten Cabernet Sauvignon. Dazu Käse, Oliven umd Brot. Ich bin mal wieder im Himmel! Dann ist Siesta angesagt. Zwischen 13.00 und 17.00 Uhr ruht die ganze Stadt. Gearbeitet wird von 9.00 bis 13.00 Uhr und 17.00 bis 21.00 Uhr. Dementsprechend essen die Einheimischen frühestens um 22.00 Uhr zu Abend.

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Am nächsten Tag machen wir von Mendoza (750 m) aus einen Ausflug in die Anden. Unser Ziel ist der 3400 m hohe Monte Arenales. Hinter einer Rangerhütte fahren wir noch ein Stück mit dem Minibus über die kurvige Straße bis auf ca. 2800 m, dann geht es zu Fuß weiter. Der Weg steigt stetig an. An den Berghängen weiden Guanakos, über uns Kondore, ein riesiges Kaninchen hoppelt vorbei. Ein kalter Wind kommt auf. Ich keuche in der dünnen Luft mal wieder wie eine Dampflok, schaffe es aber schließlich auf den Gipfel, von dem man einen schönen Blick auf einen türkisblauen See hat. Hinter uns ragen noch deutlich höhere Berge auf. Nach einem Picknick beginnen wir den Abstieg. Diesmal sehen wir die Guanakos noch näher. Eine Familie überquert den Weg. Zuerst Mama und Kind, dann Papa, der auf den Weg kackt, um sein Revier zu markieren. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit rennen die drei die Schutthalde hinunter und am anderen Ende wieder hoch. Die Sonne lässt sich kaum blicken, weil Hochnebel in den Gipfeln hängt.

 

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70 Prozent der argentinischen Weine kommen aus der Gegend um Mendoza. Sie sind deutlich stärker als in Europa. Denn die Trauben bekommen viel Sonne, sodass sie viel Zucker enthalten. Die ersten Rebstöcke wurden Anfang des 17. Jh. eingeführt. Zunächst aus religiösen Gründen („Blut Christie“), aber schnell wurde das Weintrinken selbst zur Religion. Zwei von den 835 Weingütern in der Gegend erkunden wir bei einer Fahrradtour. Erster Stopp ist der größere Produzent Nieto Senetiner. 1900 wurden hier die ersten Rebstöcke gepflanzt. Auch sie werden mit Schläuchen künstlich bewässert. Eine Million Liter Rotwein pro Jahr wird hergestellt (höhere Qualitäten).

 

In der Nähe befindet sich ein zweites Weingut, das 19 Millionen Liter Weißwein, Sekt und jüngere Rotweine produziert. Die ersten Tage verbringt der Wein in Betontanks. Natürliche Hefe wird zugesetzt, die den Zucker in Alkohol umsetzt. Dann wird der Wein in Fässer aus französischer Eiche umgefüllt und gelagert. Nach dreimaliger Benutzung werden die Fässer an Möbelfabriken verkauft. Zweite Station ist das kleinere Weingut Clos de Chacras, das nur 150.000 Liter pro Jahr liefert. Dort essen wir im Schatten eines Baums stundenlang zu Mittag. Ein Drei-Gänge-Menü inklusive zwei Wein für 24 Euro. Fairer Preis! Wir genießen diese Siesta, denn vor uns liegt eine 18-stündige Busfahrt.

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Schokolade, Wildwasser
und spektakuläre Aussichten

Der Bus ist bequemer als ein Flugzeug. Man die Sitze etwas weiter nach hinten schieben. Dank der Flasche Malbec, die ich aus Marinas Bar mitgebracht habe, schlafe ich ganz ordentlich. Langsam wird die vorher flache Landschaft interessanter. Viele Seen, Hügel, im Hintergrund schneebedeckte Berge. Endlich erreichen wir Bariloche, das idyllisch an einem See liegt. Der Nahuel Huapi ist dreimal so groß wie Buenos Aires, bis zu 400 m tief und hat sein eigenes Monster: Huapilito.

 

Der Ort gilt als Schokoladenhauptstadt Argentiniens, hat ein Skiort-Feeling und eine Architektur, die teilweise an die Schweiz erinnert. Mit einem kleinen Sessellift fahren wir zum Aussichtspunkt Cerro Viejo. Runter geht es dann auf einer Sommerrodelbahn. Noch einen besseren Blick hat man vom Campanario, der laut National Geographic zu den zehn schönsten Aussichtspunkten der Welt zählt.

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Von Bariloche aus fahren wir für einen Rafting-Trip eineinhalb Stunden durch Wälder und an Seen entlang zum Rio Manso. Es sieht echt aus wie in den Alpen, zumal die Europäer Pflanzen wie Kiefern eingeführt haben, die wie so oft die einheimischen Arten verdrängen. Die Berge in dieser Gegend sind deutlich niedriger als bei Mendoza, „nur“ bis zu 3000 Meter hoch. Startpunkt ist eine bilderbuchmäßige Estancia. Von dort geht es 15 Kilometer den Fluss hinunter. „Perfekte Bedingungen“, schwärmt Guide Martin. Schmelzwasser sorgt dafür, dass die zehn Stromschnellen statt 2 bis 3 eine Stärke von 3 bis 4 (von 6) haben. Sie tragen Namen wie „Rührei“, „Hundezahn“ und „Deep Throat“. Das verspricht Action (s. Film). Allerdings sorgt das Schmelzwasser auch für eine Temperatur von gerade mal sechs Grad…

 

Unmittelbar vor der chilenischen Grenze stoppen wir. Neben der „Befestigung“, einem kleinen Stacheldrahtzaun, kraxeln wir eine Viehweide hinauf, wo schon die Kleinbusse warten, die uns zur Estancia zurückbringen. An der Schotterpiste lädt uns ein offenes Tor zum Grenzübertritt ein. Neben einem Schild machen wir Fotos auf der chilenischen Seite. Also habe ich auch dieses Land schon betreten – ca. fünf Minuten lang.

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Bizarre Felsen und
etwas zahmeres Wildwasser

Am Flughafen von Bariloche teilt sich die Gruppe. Stevie und vier Reisende verlassen uns. Ich fliege mit den anderen sieben weiter gen Süden nach El Calafate, wo wir acht weitere Leute und den neuen Guide Ezra treffen, der ursprünglich aus Chicago stammt und Patagonien liebt. Dann geht es dreieinhalb Stunden mit einem Minibus durch die Pampa. Am Straßenrand reitet ein Gaucho mit Hunden an einem Weidezaun entlang. Zwischendurch einzelne Estancias, die rote Dächer haben. In früheren Zeiten war das Pflicht, da sie als Wegweiser dienten. So musste im Winter immer der Schnee runtergeschaufelt werden. Schließlich ragen bizarre Berge aus der Ebene. Zu ihren Füßen liegt der Ort El Chaltén, der erst 1985 gegründet wurde. Im Sommer hat er ca. 1500 Einwohner, im Winter die Hälfte.

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Strahlender Sonnenschein empfängt uns am nächsten Morgen. Für diese Gegend ist es verhältnismäßig windstill. Die Berge zeigen sich in voller Pracht, selbst der berühmte Fitz Roy, der sich sonst gerne hinter Wolken versteckt. Ideal, denn wieder steht Rafting auf dem Programm. Diesmal auf dem örtlichen Rio de la Vueltas (s. Film). Die Schneeschmelze fãngt hier unten erst an, deshalb ist der Wasserstand relativ niedrig. Der Fluss wird nicht durch Dämme reguliert. Man muss das Wasser nehmen, wie es kommt. Eine Woche zuvor war Rafting noch gar nicht möglich, jetzt sind die Stromschnellen recht zahm. Da bleibt beim Paddeln durch den Canyon Zeit genug, um in Ruhe die unglaublichen Aussichten zu genießen. Wir tragen Trockenanzüge, mit denen wir am Ende ins eisige Nass springen. Plötzlich denk ich, mich tritt ein Pferd. Im von Sedimenten getrübten Wasser sieht man die Felsen nicht…

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El Chaltén ist ein Paradies für Wanderer und Kletterer, die in den fast senkrechten Felswänden hängen. Nach dem Rafting steige ich zum Mirador de los Condores hinauf, von dem man eine gute Aussicht auf den Ort und das allgegenwärtige Bergmassiv hat. Überall an den Hängen blühen Blumen. Auf dem Rückweg mache ich einen Abstecher zum Mirador de las Águilas, von dem man von der anderen Seite des Berges über die Ebene bis zu einem See blicken kann.

 

Die bekannteste Tageswanderung führt zur Laguna de los Tres. Und die ist kein Spaziergang. Da unser Hotel am anderen Ende des Ortes liegt, haben wir schon einen Anmarsch von zwei Kilometern. Der Weg selbst ist 20 Kilometer lang: zehn hin, zehn zurück. Zunächst steigt er leicht an. Wir passieren den Mirador de Rio de la Vueltas mit einem Blick in das Flusstal. Wieder herrscht perfektes Wetter. Richtig übel ist der zehnte Kilometer, auf dem 400 Höhenmeter überwunden werden müssen. Es geht steil über Stufen und Felsbrocken. Aber die Aussicht auf den Fitz Roy ist es wert! Der See zu seinen Füßen ist noch zugefroren. Auf dem Rückweg legen wir an der Laguna Capri eine kurze Pause ein. Langsam legt sich eine Wolke auf den Fitz Roy.

 

Bevor wir am nächsten Tag nach El Calafate zurückfahren, laufe ich sehr gemächlich zum Aussichstspunkt Mirador del Torre hoch und mache oben eine lange Mittagspause mit Käse, Crackern und Malbec. Der Wind ist heftig. Also kauere ich mich auf den Boden. Auf einem anderen Weg kehre ich nach El Chaltén zurück. Nach zwei Bilderbuchtagen herrscht zunächst „normales“ patagonisches Wetter: dunkle Wolken und ein paar Regenspritzer. Später setzt sich die Sonne wieder durch.

 

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Bebrillte Tyrannen
und gefrorenes Wasser

El Calafate liegt am Lago Argentino. Der riesige See wird im Sommer durch Schmelzwasser noch größer. Unzählige Zugvögel tummeln sich am sumpfigen Ufer. Im Vogelschutzgebiet Laguna Nimez beobachte ich u.a. Flamingos, Greifvögel, Gänse und Enten. Darunter sind auch einige Arten, die ich noch nie zuvor gesehen habe, z.B. ein schwarzer Brillentyrann, der mit seinen weißen Augenringen eigentlich eher lieb aussieht.

 

Wie rund 80 Prozent Patagoniens besteht auch die Umgebung von El Calafate aus Steppe. Früher waren Schafe die Haupteinnahmequelle der Estancias. Im 19. Jahrhundert hat man Immigranten mit kostenlosem Land in die unwirtliche Ecke gelockt. Schafe brauchen hier mehr Fläche, als in der fruchtbaren Gegend im Norden Argentiniens. Dementsprechend groß sind die Grundstücke. Weil die Wollpreise gefallen sind, stellen nun viele um auf Kühe oder Übernachtungen für Touristen. Die meisten von denen zieht es in den nahen Nationalpark Los Glaciares. Im südlichen Eisfeld Amerikas gibt es 2000 Gletscher. In den Anden schneit es 300 Tage im Jahr. Sieben bis 20 Meter Schnee liegen oben, verdichten sich zu Eis und fließen dann bergab. Unser Ziel ist der Perito Moreno – ­ 27 Kilometer lang, bis zu fünf Kilometer breit. Er ist weder der größte, noch der höchste Gletscher Argentiniens. Dafür ist er gut erreichbar, denn seine Zunge befindet sich gerade mal 200 Meter über dem Meeresspiegel. Zur Musik von „Game of Thrones“ steuern wir den ersten Aussichtspunkt an. Perfekt: Über den Perito Moreno wölbt sich ein Regenbogen. Er kommt zwei Meter pro Tag voran und zieht sich wie eine Autobahn in den Lago Argentino, bis er auf eine Landzunge stößt und den südlichen Arm des Sees blockiert. In diesem Stadium befindet er sich bei meinem Besuch. Das gestaute Wasser frisst sich langsam unter dem Eis hindurch. Schließlich entsteht eine Brücke, die irgendwann spektakulär zusammenbricht.

 

 

Der Perito Moreno schwimmt nicht, sondern liegt auf dem Grund des Sees und ragt 30 bis 70 Meter aus dem Wasser. Bei einer Bootsfahrt kommen wir näher heran. Ständig knistert und knackt es im Eis. Manchmal brechen mit lautem Knall Stücke ab. Es ist die Saison, in der der Gletscher kalbt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gletschern schrumpft er nicht. Was unten schmilzt, wächst oben wieder nach. Im Besucherzentrum führen Galerien zu Aussichtsbalkonen, die den Perito Moreno von allen Seiten zeigen. Bei meinem ersten Besuch setzt heftiger Regen ein. Am nächsten Tag kehre ich mit einigen anderen noch einmal für eine geführte Gletscherwanderung zurück. Wir setzen mit dem Boot zum anderen Ufer über und laufen an der Seite entlang bis zum Einstiegspunkt. Mit Krampen unter den Schuhen sieht man das Naturwunder wieder aus einer anderen Perspektive. Zum Schluss gibt’s Whisky on the rocks, natürlich mit Gletschereis. Die Sonne kommt heraus, und der Perito Moreno leuchtet türkis.

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Zu guter Letzt: Buenos Aires

Die meisten aus der Gruppe reisen weiter nach Chile, um im Torres del Paine Nationalpark zu wandern. Ich hingegen muss nach Buenos Aires zurück. Erstmals habe ich Zeit, mich in der Stadt etwas umzusehen. Vom zentral gelegenen Hotel aus mache ich einen Spaziergang zum berühmten Friedhof Recoleta. Der schließt um 17:30, und ich erreiche ihn um 17:45… Vor dem Eingang spielt ein Trio Jazz. In der Nähe tanzen zwei Paare Tango. Ziemlich touristisch hier. Allerdings genießen auch die Einheimischen den herrlichen Samstagnachmittag und bummeln über den Kunsthandwerkermarkt auf dem benachbarten Platz. Abends besuche ich eine Tagoshow im nostalgischen Restaurant Querandi. Nach einem Drei-Gänge-Menü wird die Geschichte des Tanzes von den Anfängen Ende des 19. Jahrhunderts bis heute erzählt.

 

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Bevor ich am nächsten Tag den Rückflug antrete, mache ich noch einen Abstecher nach La Boca. Am Fußballstadion lässt der Uber-Fahrer mich und ein Ehepaar aus der Gruppe raus und meint düster: „Das ist der Feind.“ Beim örtlichen Fußballclub ist es wohl wie bei Bayern München. Die Boca Juniors haben eine Menge glühender Fans, aber der Rest Argentiniens hasst sie. Wenn das Team spielt, muss die Hölle los sein. Es gab schon so schlimme Ausschreitungen, dass die gegnerischen Fans nicht mehr ins Stadion gelassen werden, erzählte uns Stevie, der einen der Lokalrivalen unterstützt. Um das Stadion herum ist alles in den Vereinsfarben blau und gelb gestrichen. Es gibt viele Wandgemälde und überall Skulpturen von Maradona, obwohl der dort nur eine Saison gespielt hat. Auf vielen Balkonen stehen ebenfalls Figuren, u.a. von Evita und der Comicfigur Mafalda. Im Zentrum von La Boca leuchten die Häuser kunterbunt in allen Farben. Manche scheinen nur noch vom Lack zusammengehalten zu werden. Ohne Anstrich sähen die aus dem Blech abgewrackter Schiffe gebauten Hütten wohl eher trist aus.

 

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FRANKREICH 🇫🇷

Reiseroute 2019

Italien  – Bonifacio (Korsika) – LavezziItalien

Zum Sterben schön

Bisher bin ich zwar mehrmals auf dem Pariser Flughafen umgestiegen und habe von Baden aus einige Tagesausflüge ins Elsass gemacht, geschlafen hatte ich in Frankreich aber nie. Jetzt ist eine Übernachtung geplant. Wenn wir die Meerenge zwischen Sardinien und Korsika überwinden können. Statt der angesagten acht sind nur fünf bis sechs Windstärken. Deshalb wird das zweite Reff bald wieder herausgelassen. Kreuzend überqueren wir die Straße von Bonifacio, dem man sich wirklich vom Wasser aus nähern sollte. Spektakulär klebt die Altstadt auf einer hohen Klippe. Alles ist wie eine Burg von Mauern umgeben. Um die Felsen herum fahren wir durch einen schmalen Kanal bis zum Hafen. Das ist bei richtig viel Wind garantiert nicht lustig!

Nach dem Anlegen laufe ich durch die Stadt. Schon am Hafen sind super edle Geschäfte (passend zu den z.T. sehr großen Booten). Schließlich führt eine Straße steil bergauf. Das letzte Stück geht über eine frühere Klappbrücke durch ein riesiges Tor in der dicken Mauer. Die hatten früher wirklich viele Feinde, wenn sie sich so einigeln mussten… In den verwinkelten Gassen der Altstadt sind fast nur Motorräder unterwegs. Gelegentlich quetschen sich einzelne Autos zwischen den Häusern durch. Es gibt viele Geschäfte mit Messern. Angeblich soll es Seeleuten Glück bringen, hier eins zu kaufen.

 

Der Friedhof gilt als eine der schönsten letzten Ruhestätten Frankreichs. Wenn schon tot, dann hier. Anstelle von Gräbern stehen richtige Häuschen, die eine tolle Aussicht besitzen. Nach meinem Rundgang in der Hitze will ich einen Abstecher zum Strand machen und ein Bad nehmen. Es ist kurz vor 18.00 Uhr und die Treppe, die hinunterführt ist mit einem Tor versperrt. „Fermé“, sagt ein Einheimischer. Was?! Stattdessen genieße ich auf dem Boot und den Luxus einer Dusche. Da wir im Hafen sind, können wir Wasser und Strom verschwenden.

Zum Abendessen klettern wir wieder zur Stadt hoch. Im „Le petit palais“ direkt neben der Kirche sitzen wir draußen in der Gasse und genießen das Essen, dass ein vergleichsweise gutes Preis-Leistungsverhältnis hat. Im Gegensatz zu einem Restaurant, wo schon die Toilettenbenutzung für Nicht-Gäste schlappe fünf Euro kostet. Nachts ist die Burg, die die Altstadt umgibt, bunt beleuchtet.

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Am nächsten Morgen zieht ein kurzes Gewitter durch. Eine warme Dusche, dann kommt die Sonne wieder raus. Weil nun kaum noch Wind ist, fahren wir mit dem Motor zurück Richtung Italien. Auf der Friedhofsinsel Lavezzi legen wir in einer kleinen Bucht mit wunderschönem Strand einen Zwischenstopp ein. Die Franzosen wissen wirklich, wie man lebt. Selbst nach dem Tod.

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ITALIEN 🇮🇹

Reiseroute 2019

Olbia (Sardinien) – Portisco (Sardinien) – CapreraFrankreichBudelliMaddalenaSpargiGiardinelliCapreraPortiscoOlbia

Reiseroute 2021

Procida – Ischia – Sorrento – Pompeji – Sorrento – Li Galli – Positano – Amalfi – Ravello – Amalfi – Capri – Procida – Ercolano – Neapel – Ercolano – Vesuv – Ercolano 

Eine goldrichtige Entscheidung

Als Kind und Teenagerin war ich mit meinen Eltern öfter in Italien. Nachdem ich alleine vor allem außereuropäische Ziele erkundet habe, kehre ich schließlich für einen Segeltörn durch den Maddalena Archipel zwischen Sardinien und Korsika zurück. Mein Flug geht morgens um 6.50 Uhr. Natürlich mal wieder nicht direkt. Ich nuss in Wien umsteigen. Der Kapitän auf dem Anschlussflug ist sehr gesprächig und erzählt z. B. dass der Jet 66 Tonnen wiegt, die 175 Passagiere 14 Tonnen. Jedes der beiden Triebwerke hat 16.000 PS, um die Masse auf 900 Stundenkilometer zu beschleunigen. Am Zielort schon jetzt um 10.30 Uhr 30 Grad und strahlender Sonnenschein. Sein Fazit: „Die Entscheidung, nach Sardinien zu fliegen, war also goldrichtig.“ Stimmt. In Hamburg waren 13,8 Grad und Nieselregen….

Bevor ich die Gruppe treffe, laufe ich durch das Zentrum von Olbia an der Nordostküste Sardiniens, der berühmten Costa Smeralda. Es gibt ein paar verwinkelte Gassen, eine recht hübsche von Straßencafés und Geschäften gesäumte Haupteinkaufsstraße und eine von Palmen gesäumte Hafenpromenade. Authentisch, aber nicht spektakulär. Ein Strand ist zu Fuß nicht zu erreichen.

Mit der Crew fahren wir schließlich nach Portisco, den Heimathafen von „Valeria“. Die 50 Fuß lange Yacht vom Typ 50.5 Cyclades ist für die kommende Woche unser Zuhause. Nach umfangreichen Sicherheitsanweisungen räumen wir den kleinen Supermarkt der Marina leer und kaufen dann nebenan in der Weinbar einige lokale Produkte. Den italienischen Gepflogenheiten entsprechend nehmen wir das Abendessen (Pizza) erst gegen 22.30 ein.

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Am nächsten Morgen ist es recht windstill. Also ankern wir erstmal vor der Cala de Volpe und gehen schwimmen. Das Wasser hat sehr angenehme 26 Grad und ist dank der felsigen Küste sehr klar. Einige Male schnorchele ich im Laufe der Woche auch. Es gibt nicht so viele und nicht so bunte Fische wie in den Tropen zu sehen, aber immerhin ein paar interessante Sachen (s. Film).

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Endlich kommt der Mistral auf, und wir kōnnen segeln (s. Film). Mit zehn Knoten gehts zur Insel Caprera im Maddalena Archipel. Am Strand Spiaggia due Mari gehen wir an Land und machen eine kurze Wanderung zu einem verlassenen Fort. Ein sehr atmosphärischer „Lost Place“! Bevor wir den Maddalena Archipel weiter erkunden, machen wir am kommenden Tag einen Abstecher nach Frankreich. Dafür müssen wir die Straße von Bonifacio überwinden, den fünftwindigsten Ort der Welt.

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Zurück in Italien, ankern wir vor der Insel Budelli. Zunächst gehen wir vom Strand aus eine Runde Schnorcheln. Dann besuchen wir Mauro in der benachbarten Bucht, die berühmt für ihren pinkfarbenen Sand ist. Der Einsiedler lebt in einer selbstgebauten Hütte und wacht mit einer Trillerpfeife darüber, dass niemand verbotenerweise auf dem Strand herumtrampelt. Der 80-jährige Italiener vom Festland hat 1989 mit seinem Segelboot vor der Küste Schiffbruch erlitten und ist einfach dort geblieben. Inzwischen ist er eine Legende. Deshalb kann die Regierung ihn nicht vertreiben. Unser Kapitän Reece, der aus Neuseeland stammt, versorgt Mauro regelmäßig mit Wasser und Früchten und nimmt seinen Müll mit. Deshalb sind wir willkommen. Dank Solarzellen hat der gelernte Fotograf Strom – und dank seiner wunderschönen Bilder fast 25.000 Follower auf Instagram.

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Die folgende Nacht wird ziemlich stürmisch. Wir suchen Schutz im Hafen von Maddalena, dem Hauptort der gleichnamigen Insel, finden aber nur noch ein Plätzchen an der Außenmole. Also abfendern. Am Morgen entscheidet Reece, dass wir nur einmal um die Ecke fahren, um in einer Bucht vor Caprera zu ankern, wo auch eine Segelschule ist. Die kleinen Jollen kentern abwechselnd. Beim Schwimmen vom Boot aus halten wir uns immer an der Leine eines Rettungsrings fest, der am Boot festgebunden ist. Sonst würden wir weggeblasen, obwohl wir uns eigentlich im Windschatten von Maddalena befinden. Schließlich kehren wir nach Maddalena zurück. Das Städtchen hat eine Fußgängerzone und einige coole Bars. Eine befindet sich in einer Treppengasse. Die Leute sitzen einfach draußen vor der Tür auf Kissen auf den Stufen. Von innen Musik. Zum Abendessen führt uns Reece in die „Osteria da Lió“, wo die Besitzerin, die er „Auntie“ nennt, ein fantastisches Thunfisch-Carpaccio serviert.

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Auf dem Rückweg nach Sardinien ankern wir nach einem Zwischenstopp vor der Spiaggia di Cala Corsara auf Spargi vor der kleinen Insel Giardinelli. Die meisten Charterboote dürfen hier nicht liegen, da es im flachen Wasser zu viele Felsen gibt. Reece, der nicht nur als Skipper erfahren genug ist, um dort ankern zu dürfen, hat u.a. auch schon als Chefkoch gearbeitet. So bereitet er uns an Bord ein tolles Abendessen mit Schwertfisch-Ceviche, mediterran gewürztem Fisch und Garnelen zu.

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Am letzten Morgen gehen wir noch einmal an Caprera an Land – dort, wo der Freiheitskämpfer Garibaldi seine letzten Jahre verbracht hat. Vorbei an einem verlassenen, halb verfallenen Ferienclub am Strand führt eine Straße hinauf zum Museum.

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Dann laufen wir mit viel Wind wieder in Portisco ein. Ein Schlauchboot dirigiert uns zum Liegeplatz, gibt uns die Vorleine an. Dummerweise verheddert sie sich im Propeller. Wir treiben hilflos im Hafen. Hektisch kommt ein zweites Schlauchboot. Viel Palaver auf Italienisch. Wir schaffen es in die Box, aber falsch herum. Statt römisch-katholisch mit dem Heck zum Steg liegen wir mit dem Bug zum Steg. Keine Chance, an Land zu gehen, da wir das fremde Nachbarboot nicht betreten dürfen. Wir müssen warten, bis uns ein Taucher befreit. Schließlich können wir für ein letztes Abendessen an Land gehen. Im Hinterland genießen wir auf einem Bauernhof frische Produkte aus eigener Herstellung. Das dünne sardische Brot Pane Carasatu ist hier am allerbesten.

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NEUSEELAND 🇳🇿

Reiseroute 2018

Südinsel

Christchurch – Arthur’s Pass – Paparoa Nationalpark – Greymouth – Hokitika – Franz Josef Gletscher – Wanaka – Queenstown – Arrowtown – Milford Sound – Te Anau – Mount Cook Nationalpark – Christchurch – Kaikoura – Abel Tasman Nationalpark – Marlborough County – Picton

Nordinsel

Wellington – Ohakune – Tongariro Nationalpark – Huka Falls – Rotorua – Waitomo – Paihia – Bay of Islands – Auckland

Der kürzeste Tag

Samstag, der 3. November 2018, dauert für mich nur zwölf Stunden. In Neuseeland haben sie schon Sommerzeit, in Deutschland ist bereits Winterzeit. Deshalb beträgt der Zeitunterschied zwölf Stunden – mehr geht nicht. Die Umstellung ziehe ich wie immer auf die harte Tour durch. Landen, auf die Uhr gucken, das Gegebene akzeptieren und die Nacht zum Tag machen. Ich werde mit strahlendem Sonnenschein empfangen. Leider bleibt das nicht so. Die Einheimischen sagen über ihr Wetter: „Hope for the best, expect the worst.“ Und das bewahrheitet sich…

Das Essen hingegen ist besser als sein Ruf. Früher muss das wohl anders gewesen sein, aber heute hat man die Auswahl: Überall gibt es herrlich günstiges Sushi zum Mitnehmen. Die Restaurants lassen keinen Wunsch offen: thailändisch, vietnamesisch, italienisch, indisch… Sehr beliebt in neuseeländischen Pubs ist Pool Billard, was auch wir fleißig spielen. Besonders urig ist es im „Rockpool“ in Christchurch. Die abgewetzten Tische sind rot, mit Lederbeutelchen zum Auffangen der Kugeln. Die Cocktails werden in Teekannen serviert, dazu gibt es Schnapsgläser. Im „Chooky’s“ in Wellington bekommt man sogar Teetassen dazu.

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Schräge Vögel
und verhasste Fellknäuel

Neuseelands Vogelwelt ist einzigartig. Gleich am ersten Tag mache ich Bekanntschaft mit den berühmt-berüchtigten Keas (s. Film). Bei einem Stopp im Dorf Arthur’s Pass hole mir eine Tüte Chips und einen Orangensaft. Auf der Terrasse des Cafés hüpft einer der weltweit einzigen Bergpapageien herum. Ich lege beides ab, um ihn mit meinem Handy zu fotografieren. Sofort schnellt er vor, fliegt mit der Tüte davon und öffnet sie unter einem Auto mit seinem Schnabel. Direkt neben einem Schild: „Die Vögel nicht füttern“… Im Kiwi & Birdlife Park in Queenstown vergeift sich ein jugendlicher Kea an Schnürsenkeln. Und im Fjordland Nationalpark fliegt ein verspieltes Übelgeflügel auf einem Parkplatz auf ein Auto und versucht, die Blätter aus den laufenden Scheibenwischern zu ziehen.

Auch sonst trifft man viele seltsame Vögel. Während meiner Wanderung in Franz Josef entdecke ich u.a. einen Fan, der immer wieder seinen langen weißen Schwanz auffächert, und einen dunklen Tui, der bei jedem Ruf mit einer weißen Feder an der Kehle wedelt. Besonders legendär allerdings sind die diversen flugunfähigen Vögel auf Neuseeland, allen voran die Kiwis. Ich sehe die nachtaktiven Kerlchen jedoch nur in in stockdunklen Gehegen in Schutzzentren. Sie sind nämlich vom Aussterben bedroht. Weil auf den Inseln ursprünglich keine Landsäugetiere lebten, hatten die Kiwis das Fliegen einst als Energieverschwendung aufgegeben. Doch dann kamen erst die Maori, später die Europäer und brachten Räuber wie Katze und Marder mit. Einige kleinere Inseln vor der Küste, z.B. in der Bay of Islands, gelten zurzeit als „predator free“. Aber die Biester können schwimmen, Ratten etwa bis zu drei Kilometer.

Auch die einzigartige Pflanzenwelt Neuseelands wird von eingeschleppten Arten bedroht. Besonders verhasst sind die eigentlich in Australien beheimateten Fuchskusus. Mangels Fressfeinden haben sie sich explosionsartig vermehrt, fressen die Bäume kahl und werden nun überall bekämpft. Es ist nicht verpönt, ihre Pelze zu tragen. Die Wolle wird außerdem zu Pullovern, Handschuhen oder Mützen verarbeitet. Eine Marke heißt „The Ugly Possum“. Die niedlichen Fellknäuel sind hier wirklich nicht beliebt…

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Maori

Die ersten Menschen, die Neuseeland besiedelten, waren die aus Polynesien stammenden Maori. Knapp 15 Prozent beträgt ihr Anteil an der Bevölkerung heute, die meisten von ihnen leben auf der Nordinsel. Ursprünglich gingen sie friedlich miteinander um. Als jedoch die Bevölkerungszahl explodierte, brachen Kämpfe zwischen den Stämmen aus. Aus den Maori wurden Krieger. Schon Zweijährige wurden in die Kunst der Martial Arts eingeführt und auch die Frauen griffen zu den Waffen. Als Jahrhunderte später die europäischen Einwanderer eintrafen, machten sie sich die Streitigkeiten zunutze und spielten die verfeindeten Stämme gegeneinander aus.Während der Kolonialisierung wurden die Maori um ihr Land gebracht und durften ihre Sprache nicht sprechen.

Das hat sich zum Glück grundsätzlich geändert. In den 70er-Jahren förderten Maori-Aktivisten einen Vertrag aus Königin Victorias Zeiten zutage, der ihnen die Rechte am Land zugestand. Seitdem wurde viel zurückgegeben. Inzwischen sind alle offiziellen Schilder zweisprachig. Zwar ist die Situation noch nicht lange nicht perfekt. „Im großen und ganzen läuft es aber besser, als in den meisten anderen Ländern“, meint unser Guide Dave. „Wir gehen in dieselben Schulen, trinken in denselben Pubs. Es gibt keine Trennung.“

In Rotorua sind rund 70 Prozent der Einwohner Maori. Dort besichtigen wir ein Handwerkerzentrum, wo junge Maori weben (Kunst der Frauen) und schnitzen (Kunst der Männer) lernen. Abends besuchen wir das Mitai Maori Village (s. Film). Die Bewohner führen den Kriegsgesang und -tanz Haka vor, mit dem inzwischen auch die neuseeländische Rugby-Nationalmannschaft ihre Gegner einschüchtert. Furchteinflößend sind auch die traditionellen Gesichtstattoos. Zu Essen gibt es Gerichte aus dem Hangi, einem Erdofen. Ursprünglich kamen Kiwis und der inzwischen ausgestorbene Moa auf den Teller. Heute wird stattdessen Huhn und Lamm serviert. Beim anschließenden Gang durch ein nachgebautes Dorf, kennt der Regen mal wieder kein Erbarmen. Die Maori drücken es poetisch aus: „Sky father is still crying on earth mother.“

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DSCHIBUTI 🇩🇯

Reiseroute 2017

Djibouti CityArta Beach (1. Versuch, die Walhaie zu sehen) – Djibouti CityLac AbbéLac AssalVulkan ArdoukobaBay of GhoubbetForêt du Day NationalparkTadjouraObockGodoria MangrovenPlage des Sables BlancsTadjouraDjibouti CityArta Beach (2. Versuch, die Walhaie zu sehen) – Djibouti City

Nicht von dieser Welt

„Wo fährst du dieses Jahr hin?“ – „Dschibuti.“ – „Gesundheit!“ Als ich die Reise Anfang 2017 buche, ernte ich Unwissen (Wo ist das denn?) und/oder Unverständnis (Zwischen Eritrea, Somalia und dem Jemen? Ist das nicht furchtbar gefährlich?). Lange muss ich bangen, bis sich noch drei weitere Leute für den Trip anmelden, der eine Mindestteilnehmerzahl von vier hat. Ich wundere mich. Schnorcheln mit Walhaien, Landschaften, die so außerirdisch aussehen, dass dort „Planet der Affen“ gedreht wurde: Wer würde da nicht sofort hinwollen? Kurz vor meinem Abflug im November setzt die Backpacker-Bibel „Lonely Planet“ das Ländchen, das kaum größer als Mecklenburg-Vorpommern ist und gerade mal 850.000 Einwohner hat, auf Platz vier der zehn besten neuen Ziele 2018. Plötzlich bin ich hip und meiner Zeit voraus. Mein Trip ist längst ausgebucht, der Nächste im kommenden März ebenfalls.

Schon bei der Landung merkt man, dass die ehemalige französische Kolonie (bis 1977) kein typisches Touristenziel ist. Die meisten Ausländer hier sind Soldaten aus Frankreich, den USA, Japan, Deutschland und China, die u.a. die Piraten in der Region bekämpfen. Auf dem Flughafen stehen überall Militärflugzeuge und ein Jet von „Ärzte ohne Grenzen“. Das Hauptgebäude ist winzig. Die Polizisten an der Immigration stehen in Sachen Langsamkeit denen in Madagaskar in nichts nach. Zum Glück habe ich im Flugzeug vorne gesessen und bin als Zweite am Schalter. Außerdem habe ich mir das Einreise-Visum schon in Deutschland besorgt. Mitreisende hingegen erleben einen Schreck in der Morgenstunde, weil Dschibuti angeblich keine Visa mehr bei der Einreise erteilt. Tun sie dann aber doch. So ist unsere zwölfköpfige Gruppe vollzählig. Dazu kommen noch vier einheimische Fahrer, die neben ihrer Muttersprache Afar ein wenig Französisch sprechen, und zwei Guides. Omar stammt aus Dschibuti, spricht gut Englisch, ist aber noch ziemlich jung und unerfahren. Deshalb hat man ihm einen Veteranen zur Seite gestellt. Der Kenianer John hat schon große Teile von Afrika mit Gruppen bereist. Dschibuti ist allerdings auch für ihn Neuland. Zusammen sind die beiden ein perfektes Team.

John erzählt uns, woher Dschibuti (englisch: Djibouti) seinen Namen hat. Als die ersten Franzosen dort eintrafen, fragten sie einen Einheimischen, der gerade kochte, wie das Land heißt. Er verstand natürlich Bahnhof und dachte, sie wollen wissen, was er gerade macht. Seine Antwort: „Dschibuti“ – kochen. Auch auf eine wichtige kulturelle Sache weist uns John hin: Khat. Die Droge wird in Äthiopien angebaut und jeden Tag frisch über die Grenze gebracht. Gegen 13.00 Uhr erreichen die zarten Pflänzchen die Hauptstadt. Dann kommt das öffentliche Leben zum Erliegen. Selbst am Flughafen wird erstmal die Abfertigung eingestellt, um den Tagesvorrat zu besorgen. Vor allem Männer kauen die Rinde, sammeln sie wie Hamster in der Backentasche und aromatisieren schonmal mit Cola oder Erdnüssen. Es ist erst anregend, dann macht es müde. Auch unsere Fahrer besorgen sich regelmäßig ihre Ration und wickeln sie liebevoll in ein feuchtes Tuch, wie ein Baby. John tut ein Bestes, um sie davon abzuhalten, schon während der Fahrt zu konsumieren. Das war beim ersten Trip im Frühjahr wohl nicht so gut gelaufen. Da hat einer der Fahrer die Gruppe wortlos in einem kleinen Nest stehenlassen und ist für 30 Minuten verschwunden, um einzukaufen. Anschließend ist er mit dicken Backen wie ein Henker gerast, um die anderen wieder einzuholen. Der ist bei uns nicht mehr dabei…

Die beiden größten Volksgruppen in Dschibuti sind die aus Somalia stammenden Issa im Süden und die Afar, deren Gebiete wir hauptsächlich bereisen. Außerhalb der Hauptstadt leben die meisten Menschen traditionell als Nomaden. Die moslemischen Afar haben ihre ganz eigene Kultur. Sie sind auf drei Länder verteilt: Eritrea, Dschibuti und Äthiopien, wo das Oberhaupt der Afar, ein Sultan, lebt. Er hält sich aus der Politik weitgehend heraus (zwischen Eritrea und Äthiopien/Dschibuti gibt es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen). Konflikte zwischen einzelnen Afar machen sie in der Regel unter sich aus, wobei die Sharia angewendet wird. Stiehlt jemand eins der vermeintlich frei herumlaufenden Kamele: Hand ab! Wenn ein Afar einen Anderen tötet, schickt der Sultan Ältere, um für Gerechtigkeit zu sorgen. In der Regel wird nicht nur der Mörder bestraft. Seine ganze Familie muss 29 Kilometer auf Knien rutschen und verliert fast den ganzen Besitz. Auch Touristen werden manchmal nach Afar-Art gezüchtigt. Im Camp am Lac Abbé haben sich einmal zwei betrunkene französische Colonel vor den Augen eines Älteren geprügelt. Ein absolutes Tabu! Prompt hat man ihnen zwei Stunden lang die Ellenbogen auf den Rücken gebunden. Als ein Helikopter sie abholte, mussten sie zudem 120.000 dschibutische Francs (rund 575 Euro) zahlen und sich Versöhnungsküsschen auf jede Wange geben.

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Da, wo Afrika sein Horn verliert

DJIBOUTI CITY

Ich komme an einem Sonntag in der Hauptstadt an. Unser Hotel „Menelik“ liegt am zentralen Platz „27 Juin“ Weil der Sonntag hier der erste Werktag der Woche ist (Freitag und Samstag ist Wochenende), tobt draußen das Leben: hupende Autos, rufende Menschen. Obwohl sich direkt gegenüber eine kleine Polizeiwache befindet, gibt es im Eingang einen Metalldetektor und einen uniformierten Wächter, ebenso wie in der benachbarten Sportsbar. Nach dem Kennenlerntreffen macht die Gruppe einen Rundgang durch das europäische und das afrikanische Viertel im alten Kern. Auf einem Markt wird Obst und Gemüse angeboten, das vor allem aus Äthiopien importiert wird. Am Busbahnhof sollen prächtig geschmückte Busse mit Fransen an Außenspiegeln und Scheibenwischern die Kunden anlocken. Die teilweise unbefestigten Straßen mit Abwasserrinnen in der Mitte, wirken hingegen eher ländlich. Unter einem Blechdach sitzen Männer, die um Geld Domino und Karten spielen. Das ist erst ab 50 erlaubt, vorher schreitet die Polizei ein. In einem Laden, der von Flüchtlingen geführt wird, gibt es jemenitisches Kunsthandwerk.

Nach der Rundreise checke ich salzverkrustet und mit staubigem Gepäck im einzigen Fünfsterne-Hotel am Horn von Afrika ein: Djibouti Palace Kempinski. Dort bin ich gelandet, weil der Reiseveranstalter den Trip erst bestätigt und sechs Wochen später um zwei Tage verkürzt hat. Der Rückflug war aber schon fest gebucht. Da ich bei marokkanischen Teppichhändlern das Schachern gelernt habe, konnte ich herausschlagen, dass ich die beiden zusätzlichen Nächte hier verbringen darf. Außer dem „Sheraton“, das ohnehin ausgebucht war, gibt es nämlich nur sehr einfache Unterkünfte. Die Mitreisenden, die dasselbe Problem wie ich hatten, wohnen weniger nobel. An meinem letzten Tag habe ich ein echtes Luxusproblem: An welchem der beiden Pools soll ich mich häuslich einrichten? Oder doch lieber an dem kleinen Strand? Aber da darf man nicht baden. Ist zudem voller Algen. Ich wähle den größeren Pool mit Swim-in-Bar. Dort wird klar, warum die Halbinsel, auf der das Hotel steht, „Îlot du Héron“ heißt. Auf der Wiese staksen kleine Reiher herum und trinken zwischendurch aus dem Becken. Ebenso wie die Tauben (kleiner und hübscher als unsere) und die zahllosen Krähen. Abends esse ich eine Pizza für umgerechnet zwölf Euro. Das hatte ich mir teurer vorgestellt. Als ich ins Zimmer zurückkehre, sind meine Toilettensachen liebevoll geordnet. So etwas sind sie nicht gewöhnt! Schräg: Überall in der Lobby stellen fleißige Wichtel die Weihnachtsdeko auf, u.a. mit Schmeemännern. Bei 30 Grad in einem muslimischen Land. Aber die Weihnachtsbeleuchtung im Stadtzentrum hängt ja auch schon. Und direkt vor der Polizeiwache am Platz „27 Juin“ steht ein Glitzerbaum.

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KLEINE UND GROSSE BARRA

Im Konvoi mit vier Jeeps verlassen wir die Hauptstadt für eine Rundreise. Zunächst fahren wir an den Terminals des riesigen Hafens vorbei. Ein nagelneuer Terminal wurde gerade von von den Chinesen gebaut. Ebenso wie eine nagelneue Militärbasis (die erste außerhalb von China) und eine nagelneue Eisenbahnlinie nach Äthiopien. Da der Binnenstaat keine eigene Küste hat, kommt der Großteil der Waren über Dschibuti hinein. Dementsprechend sind auf der zweispurigen Hauptstraße nach Äthiopien Massen von Trucks unterwegs. Noch ist die Strecke asphaltiert. Am Rand sieht man Kamele, Ziegen, Esel, Paviane und viele Autowracks. Es geht mitten durch die Wüste: erst durch die kleine, dann durch die große Barra, wo wir einen Fotostopp einlegen. Die ausgetrocknete Ebene ist perfekt für Panoramafotos. Windhosen wirbeln Staub auf. Eine Fata Morgana gaukelt einen See in der Ferne vor. Es sieht extrem heiß aus, ist aber sehr angenehm, da ein kräftiger, warmer Wind weht. Schließlich wird die Gegend hügeliger. Hinter der Stadt Dikhil biegen wir von der Hauptstraße ab. Jetzt beginnt die afrikanische Massage. Eine richtige Straße gibt es nicht mehr. Ab und zu zeigen weiße Markierungen an Felsen, dass man die Richtung noch nicht verloren hat. Die Fahrer brettern querfeldein durch die Wüste. Wir fahren durch ein Dorf. Die Kinder winken. Hier gibt es noch keine Satellitenschüsseln auf den Dächern. Die Nomaden leben in runden Zelten und aus dicken Ästen gefertigten würfelförmigen Hütten. In einer Oase in einer Niederung wird Obst und Gemüse angebaut. Aus den wenigen Bäumen stellen die Anwohner Holzkohle her. Einzelne Gazellen springen vorbei. Der Weg durch die Berge ist ein Härtetest für die Jeeps. Einer hat einen platten Reifen, aber die Fahrer wechseln das Rad schnell. Bei einem anderen fällt der Reservekanister auf dem Dach um. Auf den klebrigen Diesel-Rückständen bleibt der Staub dann besonders gut haften. Ein Hirte kommt uns entgegen. Der Stock, den er auf den Schultern trägt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Gewehr. Auf dem Rückweg (Die Schotterpiste zum Lac Abbé ist eine Sackgasse) hat kurz vor Dikhil ein weiterer Jeep eine Panne. Zum Glück gibt es genug Ersatzreifen. Jedes Auto hat zwei.

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LAC ABBÉ

Am Lac Abbé erleben wir einen spektakulären Sonnenuntergang. Die einzige Unterkunft, ein sogenannntes Campment Touristique besteht aus traditionellen Hütten, aber man kann seine Pritsche auch draußen aufstellen. Die klare Nacht ist warm genug, um unter dem Sternenhimmel zu schlafen. Abends tanzen und singen die Jungs im Camp für uns. Wir machen mit. Am nächsten Morgen gehts schon um 5.40 Uhr wieder los. Der Sonnenaufgang steht bevor. Ein Schakal streicht herum. Die Gegend um den See war früher der Boden des Roten Meeres. Heiße Quellen haben Kamine entstehen lassen. Versteinerte Meeresschnecken liegen im Sand. Wir wandern zum See. Es sieht aus wie auf dem Mars. Kein Wunder, dass dies als Kulisse für den ersten „Planet der Affen“-Film diente! Nach wie vor blubbern die heißen Quellen mit 100 Grad. Die Guides blasen Zigarettenrauch hinein, dann qualmt es kräftig. Das Wasser ist sehr schwefelhaltig. Die Einheimischen inhalieren den Dampf, er gilt als gesundheitsfördernd. Wenn mehrere Menschen gleichzeitig auf dem Boden herumspringen, vibriert alles. Ein Auto würde einbrechen. Durch Salzwiesen und über salzverkrustete Erde laufen wir Richtung Seeufer. Es fühlt sich an wie auf Schnee. Die örtlichen Flamingos sind nur als kleine Punkte in der Ferne zu sehen. Sie befinden sich in der Treibsandzone. Direkt ans Ufer kommt man nicht, weil es zu schlammig wird. Es sieht ein wenig aus, als würde die Erde uns viele Mittelfinger entgegenstrecken und vielleicht tut sie das auch. Der Klimawandel lässt dem See schnell weiter schrumpfen. In der kargen Ebene lassen Afar-Nomaden eine Ziegenherde weiden. Die Frauen sitzen im Schatten eines Felsens. Wir dürfen mit ihnen sprechen (Omar dolmetscht), sie jedoch nicht fotografieren. Verständlich, schließlich sind wir quasi in ihr Wohnzimmer gelaufen. Die Frauen flechten breite Bänder aus Palmwedeln, die zu Matten (Hüttendach) oder Teppichen zusammengefügt werden. Die Großmutter knetet einen Ziegenledersack voller Milch und presst oben Butter heraus. Die Männer sind vermutlich gerade unterwegs, um Khat zu organisieren.

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LAC ASSAL

Der Tiefpunkt unserer Reise ist gleichzeitig der Höhepunkt: Lac Assal! Der See befindet sich 150 Meter unter dem Meeresspiegel und ist eines der salzigsten Gewässer der Erde. Obwohl die Sonne bei unserer Ankunft schon untergegangen ist, muss ich hineinhüpfen. Selbst Nichtschwimmer haben hier nichts zu befürchten, das Wasser trägt. Allerdings treibt mich der Wind davon. Wer hier tauchen will, muss sich 50 Kilo auf den Rücken schnallen. Diesmal besteht die Unterkunft nur aus einer Pritsche und dem Sternenzelt. Auf einem salzverkrusteten Hügel suche ich mir ein hübsches, halbwegs ebenes Plätzchen mit Blick auf den See. Nicht einmal Moskitos stören den Schlaf. Am nächsten Morgen weckt mich dann die aufgehende Sonne. Wie bestellt kommt gerade eine Karawane mit sechs Kamelen in der Nähe an. Mehrere Männer beladen die Tiere mit Salzsäcken und singen dabei. Dann ziehen sie los. Zu Fuß, denn die Kamele dienen in Dschibuti nur als Last-, nicht als Reittiere. Die Nomaden haben einen wochenlangen Marsch durch die Berge bis nach Äthiopien vor sich. Das Salz, das sie am Ufer abbauen, kann man auch kaufen, ebenso wie einen salzverkrusteten Ziegenschädel als Souvenir. Mähä, mähä (das bedeutet „gut“ auf Afar und ist unsere Lieblingsvokabel)! Das Bild einer echten Kamelkarawane im milden Morgenlicht ist unwirklich schön und irgendwie aus der Zeit gefallen (s. Film). Und wer weiß, wie lange die Afar noch ihr traditionelles Leben führen können. Denn inzwischen sind die Chinesen auch an dieses entlegene Fleckchen vorgedrungen und haben eine nagelneue Straße gebaut, um den Salzabbau zu rationalisieren. In der Nähe befindet sich eine nagelneue Siedlung für die Arbeiter. Sicherlich komfortabler, als die aus Steinen aufgestapelten Mauern, die sonst als Behausungen dienen. Aber ist das tatsächlich ein Fortschritt? Ich weiß es nicht.

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VULKAN ARDOUKOBA

Der Lac Assal ist ganz unten, tiefer kann man auf dem ganzen afrikanischen Kontinent nicht sinken. Von dort aus machen wir eine Wanderung zum Ardoukoba. Es geht über Lavafelder und durch ein ausgetrocknetes Flussbett mit einzelnen Palmen (daran erkennen die Einheimischen, wo Grundwasser ist). Der letzte Vulkan Dschibutis ist 1977 noch einmal ausgebrochen und bei mehreren Explosionen innerhalb von nur vier Tagen komplett zerlegt worden. Deshalb gibt es in einer Reihe Richtung Äthiopien mehrere Krater, auf die wir kraxeln. Zwar gilt der Ardoukoba jetzt als erloschen, Unter der Erde brodelt es zwar weiterhin. Wenn es jedoch erneut zu einem Ausbruch kommt, wird ein unterirdisch mit dem Ardoukoba verbundener Vulkan in Äthiopien die Lava spucken. Plötzlich taucht ein französisches Militärflugzeug auf, fliegt über unsere Köpfe, macht eine Kurve und winkt mit den Flügeln. Omar erklärt, dass er die Gruppe bei den Behörden anmelden musste. So haben sie nachgesehen, ob wir ok sind (und vielleicht auch, ob wir nicht irgendwo spionieren). Nach der Wanderung zeigt uns Omar einen langen Riss im Gestein. Wir befinden uns an der Stelle, an der die afrikanische und die arabische Platte auseinanderdriften. Deshalb sinkt die ganze Gegend auch immer weiter ab. Jedes Jahr wird der Riss zwei Zentimeter breiter. An einer anderen Stelle klaffte nach der Explosion des Ardoukoba plötzlich eine 1,20 Meter breite Spalte zwischen den Platten. Ganz so schnell geht es wohl nicht weiter, aber früher oder später wird Afrika sein Horn verlieren und Dschibuti samt Somalia eine Insel sein.

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BAY OF GHOUBBET

Am Ende des Golfs von Tadjoura, der sich tief ins Land hineinzieht, befindet sich die Bay of Ghoubbet, in deren Eingang die Teufelsinsel liegt. Einheimische meiden den etwas gruselig aussehenden Felsen komplett. Die ganze Bucht ist verrufen: Erst versuchten die Japaner, dort einen Hafen für den Abtransport des Salzes vom Lac Assal zu bauen, dann die Amerikaner. Beide Projekte scheiterten. Jetzt haben es die Chinesen (wer sonst?) fast geschafft. Aber ständig geht ihr Material kaputt. Für Omar kein Wunder. Er erklärt uns, warum die Insel sogar am jugoslawischen Bürgerkrieg schuld ist. Die Küstenstraße nach Obock wurde zwischen 1986 und 1988 von einem italienischen Unternehmer gebaut. Als Arbeiter heuerte er Sträflinge aus dem damaligen Jugoslawien an, denen im Anschluss die Freiheit winkte. Doch als sie nach zwei Jahren in die Heimat zurückkehrten, kam der Teufel mit und sie fingen an, einander umzubringen… Wir lassen uns davon nicht abschrecken und verbringen in der Bucht eine Nacht im „Campment Touristique Ardoukoba chez Momo“, das von von äthiopischen Immigranten betrieben wird. Es gibt zwar einen Holzverschlag als Klo, aber kein fließend Wasser. Stattdessen wasche ich mich im Meer. Das Schnorcheln an den Lavafelsen, die das Ufer säumen, lohnt sich. Ich sehe Korallen, viele Fische, sogar eine kleine Meeresschildkröte. Ein Problem sind nachher die nassen Sachen. Wie spannt man in einer baumlosen Gegend eine Wäscheleine? Das rostige Bettgestell, das herumsteht, erweist sich als ungeeignet. Schließlich klemme ich einen Stuhl zwischen die Lavabrocken um unser Zelt und spanne die Leine zum Eingang. Der kräftige, warme Wind trocket alles blitzschnell.

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FORÊT DU DAY NATIONALPARK

Um zum Dorf Day und dem Nationalpark zu kommen, biegen wir von der Küstenstraße auf einen Holperweg ab. Es geht aufwärts bis auf 1500 Meter Höhe. Unterwegs kommen wir an Hütten vorbei. Einige der runden Konstruktionen haben Plastikplanen übergezogen. Omar erklärt später, dass es in dieser Gegend manchmal Regen fällt. Zwar sind richtig fest aus Palmwedeln geflochtene Matten wasserdicht. Kann die Frau des Hauses hingegen nicht so gut flechten, regnet es ohne Plane durch. Der Bau der Hütten ist wie bei den Massai Frauensache. Alle helfen mit. Unerwartet ist der Anblick eines nagelneues Luxus-Resorts, dass über dem Dorf Day auf einem Hügel thront. Da sich nur wenige Touristen in die Gegend verirren, wurde es schnell wieder geschlossen und dient nun als Gästehaus der Regierung. Unsere Unterkunft ist nicht ganz so komfortabel: Wieder ein Camp, diesmal mit Rundhütten. Nach zwei Nächten ohne fließend Wasser gibt es hier immerhin zwei Blöcke mit je einer Toilette, einem Waschbecken und einer kalten Dusche. Endlich das ganze Salz abwaschen! Am Nachmittag machen wir einen Spaziergang durchs Dorf. Am Wegesrand steht eine mit dem Schlafmohn verwandte Pflanze, die als Droge verwendet wird (Alkohol ist ja für die meisten verboten…). Die örtliche Schule wurde von den UN gebaut. Hier leben nicht so viele streng traditionelle Nomaden, sodass auch Mädchen problemlos die Schule besuchen können. In anderen Gegenden hingegen wehrten sich die Älteren dagegen und mussten mit Geschenken bestochen werden. Dort finden z. T. immer noch Beschneidungen bei Mädchen statt, obwohl das inzwischen offiziell verboten ist. Abens feiern wir mit den Guides, den Fahrern und dem Personal vom Camp am Lagerfeuer eine tolle Party. Wir tanzen uns warm, denn es wird ziemlich kühl. Am nächsten Morgen machen wir einen Rundgang durch den Nationalpark. Der Name „Forêt du Day“ täuscht übrigens. Von dem Wald ist den kargen Bergen nicht mehr viel übrig. Die meisten Bäume sind bereits seit Ende der 80er tot. Ob das Waldsterben durch sauren Regen oder die vulkanische Aktivität verursacht wurde, oder der Wald einfach zu alt war, ist strittig. Jetzt versucht man, die Gegend wieder mit nachgezogenen Bäumen aufzuforsten. Vom Weg hat man einen fantastischen Blick auf die Goda Mountains, die höchsten Berge Dschibutis.

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OBOCK

Auf dem Weg nach Obock halten wir im Ort Tadjoura, der auch „weiße Stadt“ genannt wird, und essen im Haus von Omars Tante zu Mittag. In Obock verbringen wir die Nacht in einfachen Hütten direkt am Strand. Sie haben sogar eine Dusche. Warmes Wasser gibt es allerdings nur von 18.00 bis 19.00 Uhr. Im Restaurant der Unterkunft verkaufen sie keinen Alkohol, aber man darf welchen mitbringen. Die Bedienung bittet uns, die leeren Dosen und Flaschen nachher auf jeden Fall selbst in den Abfalleimer zu werfen, da sie sie nicht einmal anfassen darf. Obock selbst ist ziemlich klein. Es liegen viele Plastiktüten herum. Omar erzählt von einem Projekt, bei dem dieser Müll gesammelt, mit Sand gemischt und angezündet wird und dann als Fundament für Häuser dient.

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GODORIA MANGROVEN

Hinter Obock endet die Straße. Wieder fahren wir offroad über eine sandige Ebene, die einst der Boden vom Roten Meer war. Die Strecke ist nicht ganz so holprig wie beim Lac Abbé. Immer wieder scheucht unser Jeep Gazellen auf. Schließlich erreichen wir Godoria und fahren mit Booten in den siebtgrößten Mangrovenwald der Welt. Wer möchte, kann sich eine kostenlose Schlammpackung auf die Haut schmieren. Der breite Strand ist absolut narurbelassen und menschenleer. Beim Mittagessen, stellen wir erstaunt fest, dass das Trinkwasser aus dem nahen Jemen stammt. Die Einheimischen machen immer noch Geschäfte mit dem abgeriegelten Bürgerkriegland. Auf dem Rückweg halten wir am zweithöchsten Leuchtturm Afrikas und klettern schnaufend die Treppe hoch. Der Wärter muss die 60 Meter jeden Abend und jeden Morgen rauf und runter.

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PLAGE DES SABLES BLANCS

Der Strand gilt als der Schönste Dschibutis und ist tatsächlich sehr hübsch. Er schmiegt sich in eine kleine Bucht und ist von Felsen umgeben. Das Wasser ist klar und türkis, der Grund erst sandig, dann ziehen sich Korallenstöcke durch die ganze Bucht. Ideale Bedingungen zum Schnorcheln! Das kleine Hotel ist unsere bisher beste Unterkunft, das Essen klasse. Der Küchenchef stammt aus Nepal. Sie haben sogar WLAN – manchmal.

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TADJOURA

Von Tadjoura aus nehmen wir die Autofähre, die viermal wöchentlich nach Djibouti City verkehrt. Um 11.30 Uhr herrscht am Anleger ein großes Gewimmel. Erst wird entladen. Die Männer sind glücklich: Das Khat ist da! Dann beladen. Weil es keine Roll-on-roll-off -Fähre ist, fahren alle rückwärts hinauf: neben unseren und weiteren Jeeps und einem Militärtruck u.a. auch ein riesiger Laster voller Wasserflaschen. Selbst eine Ziegenfamilie und Feuerholz werden an Bord gebracht. Falls wir irgendwo stranden, muss niemand hungern oder dursten. Die Fähre ist schneller als geplant, da die See außergewöhnlich ruhig ist.

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Das Größte kommt zum Schluss:
WALHAIE!

An unserem zweiten Tag bin ich so aufgeregt: Wir haben ein Date mit den größten Fischen der Welt, die sich um diese Zeit im Golf von Tadjoura vor Arta Beach aufhalten. Am Fischereihafen von Djibouti City steigt die Gruppe in zwei Boote. Fischer bieten ihre Ware an, darunter einen Baby-Hammerhai. Wie gerne hätte ich den lebendig gesehen! Wir haben Delfine direkt neben dem Boot, aber trotz intensiver Suche zeigen sich die Walhaie nicht. Stattdessen schnorcheln wir an den Korallen vor der felsigen Küste. Die See ist ziemlich rau. Dementsprechend wird die Rückfahrt gegen die Wellen etwas ungemütlich.

Nachdem die Walhaie uns beim ersten Mal versetzt haben, wagen sieben von uns, die noch in der Stadt sind, nach der Rundreise einen zweiten Versuch und fahren wieder mit einem Boot zum Arta Beach raus. Endlich haben wir das ersehnte Ziel vor Augen. Der erste Walhai ist zwar noch recht klein („nur“ ca. 3 Meter lang), aber dennoch ziemlich beeindruckend. Man muss schnell sein: Gesichtet, alle Mann von Bord und hinkraulen. Ich liege an dritter Stelle und sehe zunächst nur die Flossen derjenigen, die vor mir sind. Dann kommt plötzlich ein riesiges Maul auf mich zu. Der Fisch hat gewendet und schwimmt so nah an mir vorbei, dass er mich fast berührt. Mehrere kleine gelbe Fische tummeln sich direkt vor seinem Maul. Auch unter seinen Flossen und um ihn herum suchen andere Fische Schutz. Den Walhai scheint das nicht zu kratzen. Uns ignoriert er ebenfalls. Dann verlieren wir ihn, sichten aber einen etwas Größeren. Der ist allerdings so schnell unterwegs, dass ich nur noch den Schwanz sehe. Immer wieder tauchen die beiden auf. Oder ist sogar ein dritter dort? Wir sind völlig aus dem Häuschen. Anschließend machen wir an einem hübschen Strand, der nur vom Wasser aus zu erreichen ist, Mittagspause. Zuvor schnorcheln wir noch in den vorgelagerten Korallenbänken.

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Mähä, mähä: Ich mag Ziegen – lebendig!

Bevor die Araber und später die Franzosen kamen, haben die Afar keine Fischerei betrieben. „Wir wussten gar nicht, dass es Fische im Meer gibt“, sagt Omar. Das traditionelle Essen ist Ziegenfleisch mit Reis. Ziegen sind allgegenwärtig. Sogar mitten in der Hauptstadt laufen sie auf den Straßen herum. Da ich kein Ziegenfleisch mag, hatte ich mich also schon auf eine 14-tägige Reis-Diät eingestellt. Zweimal erwischt es mich auch. Doch insgesamt ist das Essen vielfältiger und besser, als erwartet. Das erste Mittagessen nehme ich in einer Sportsbar schräg gegenüber dem Hotel ein. Das „Time Out“ ist auf italienisches Essen spezialisiert: himmlische, gegrillte Auberginen und Rotwein! Selbst im Camp am Lac Abbé bekommen wir Spaghetti mit Tomatensauce und einen Rinderspieß. Auch das französische Erbe ist immer wieder spürbar: Als Picknick beim Bootsausflug zum Arta Beach gibts am Kiesstrand Baguette mit Hühnchen (für die Vegetarier Thunfisch…), in Dikhil im Restaurant „Palmeraie“ Salat mit French Dressing, ein halbes Hähnchen mit Pommes und als Nachtisch Schoko-Crepe. Am ersten Abend essen wir in Djibouti City im „La Fontaine“, einem äthiopischen Restaurant auf einem Dach. Es duftet fantastisch. Die Gerichte werden auf einem Holzkohlegrill zubereitet. Es gibt u.a. Fladenbrot und eine Art herzhaften Pfannkuchen, scharfe Dips, Hühnchen mit Knoblauch, das auf einem Stövchen vor sich hin bruzzelt, und Rinderhack. Anschließend noch einen Kaffee, bei dem die Bohnen in einer Pfanne frisch geröstet und dann gemahlen werden.

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HOME, SWEET HOME

INDONESIEN 🇮🇩

Reiseroute 2017

BALI: UbudSidemenGunung BaturLovina (Schnorcheln am Menjangan Island Reef) – BedugulSanurLOMBOK: Senggigi – MasbagikTetebatuLoyokPringgasela – Labuan Pandan (Schnorchelausflug zu den Inseln Gili Petagan, Gili Pasir, Gili Bidara und Gili Kondo) – SenaruGili Air (Schnorchelausflug zu den Nachbarinseln Gili Meno und Gili Trawangan) – BALI: Serangan

BALI: Tanz auf dem Vulkan

 

Meine Rundreise beginnt im kulturellen Zentrum Balis, in Ubud. Um Mitternacht komme ich an. Es nieselt. Der verwunschene Garten des Hotels ist stockdunkel, der Weg bemoost und glitschig. Ein Froschkonzert empfängt mich. Drei hüpfen mir direkt vor die Füße. Tagsüber hört man vom benachbarten Reisfeld ein lautes Quaken: Laufenten, die Schädlinge vertilgen sollen. Gleich am ersten Tag wandele ich auf den Spuren von Julia Roberts, die im Film „Eat Pray Love“ auf Bali Liebe und inneren Frieden findet. Der Spaziergang führt über die Campuhan Ridge zwischen zwei Flusstälern auf der Höhe langsam bergab bis zu einem altem Tempel. Am nächsten Tag fahren wir mit zwei Kleinbussen raus aufs Land. Am Ceking Rice Field halten wir kurz. Die kunstvoll angelegten Reisterrassen mit einem ausgeklügeltem Bewässerungssystem zählen zum Weltkulturerbe. Wer hier arbeitet, ist ebenso wie die Teepflücker in Sri Lanka sehr fit. In Taro steigen wir auf Fahrräder um und fahren zurück nach Ubud. Der Sattel ist bretthart und mein Hintern klagt. Zum Glück geht es hauptsächlich bergab. Gegen Ende wird der (Links-)Verkehr immer dichter. Wenigstens müssen wir nicht wie auf Sri Lanka durch einen Kreisverkehr.

 

 

Richtung Sidemen werden die Hügel höher und die vor uns aufragenden Felsen schroffer. Bei einer Wanderung durchs Dorf zeigt uns der lokale Guide sein Haus, wo seine Frau gerade per Hand einen Hochzeitssarong webt. Sie braucht dafür 14 Tage. In der benachbarten Weberei entsteht ein Sarong in einer Achtstundenschicht am Webstuhl.

 

 

Der Höhepunkt der Reise – im wahrsten Sinne des Wortes – ist die Besteigung des 1771 Meter hohen Gunung Batur, bei der 700 Höhenmeter überwunden werden müssen. Unser Tag beginnt um 3.00 Uhr. Mit Stirnlampen wandern wir los. Und wir sind nicht die Einzigen: Eine Lichterkette zieht sich durch die Dunkelheit. Es ist extrem staubig, da es wohl länger nicht geregnet hat. Von oben betrachten wir einen herrlichen Sonnenaufgang. Man sieht nicht nur den höheren Vulkan Gunung Agung auf der anderen Seite des Kratersees, sondern sogar den zweithöchsten Berg Indonesiens auf Lombok. Die Sonne scheint nicht am Horizont, sondern direkt aus dem Meer aufzutauchen. Anschließend gucken wir in den Hauptkrater. Es kommt etwas Dampf aus einer Art Kamin. Im Moment schläft Gunung Batur. Der letzte Ausbruch war 2000. Richtig heftig hat sich der Berg 1963 ausgetobt, was man heute noch an einem erstarrten schwarzen Lavafeld sehen kann. (Nur wenig später machte sich der große Bruder mausig und die ganze Gegend wurde evakuiert. Das war knapp!) Die Abstiegsroute ist länger, dafür nicht ganz so steil. Zwischendurch geht es durch Wald.

 

 

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Lovina an der Nordküste. Dank der nahen Vulkane gibt es heiße Quellen im Ort. Das schwefelhaltige Wasser wird auch von den Einheimischen sehr geschätzt und strömt durch drei Becken. Nachher sind wir alle gelb. Der Strand in Lovina ist schwarz und nicht sehr einladend – im Gegensatz zum Strand der vorgelagerten Insel Pulau Menjangan im Nationalpark Bali Barat. Auf dem zentralen Markt findet ein Nachtmarkt mit vielen Garküchen statt, die sehr günstig sind. Die Einheimischen, die keine Lust zum Kochen haben, essen hier. Es wird sehr eng, aber das sagt unser Guide Tantan, ist den jungen Männern willkommen. So können sie mal „aus Versehen“ ein Mädchen Schulter an Schulter berühren.

 

 

Auf dem Weg nach Bedugul halten wir erst an einer kleinen Kaffeerösterei, in der die Reisbauern der Umgebung die Bohnen von auf ihren Feldern wild wachsenden Kaffeesträuchern verarbeiten lassen, dann am Munduk Wasserfall. Der ist 30 Meter hoch und im Moment etwas kleiner. In der dieses Jahr besonders heftigen Regenzeit hat er allerdings eine Brücke und den halben Weg weggerissen. Im nahen Restaurant bietet sich ein schöner Blick von der Terrasse, allerdings weht ein kalter Wind weht hinein. Immerhin sind wir fast auf 1000 Metern Höhe. Im Botanischen Garten in Bedugul besichtigen wir u.a. die Orchideen. Es gibt 300 verschiedene Arten, es ist jedoch keine Blütezeit. In einem Wald steht eine riesige, mehr als 100 Jahre alte Würgefeige. Die darf man nicht erklettern, weil ein Geist darin wohnt. Aber Hochzeitspaare können sich dort fotografieren lassen. Zwei sind „just married“. Eine Braut trägt weißes Kleid und Bikerboots, die andere, offenbar eine Muslima, einen rosa Schleier. Unser Hotel „Strawberry Hill“ macht seinem Namen alle Ehre: Im tropischen Garten wachsen tatsächlich Erdbeeren – unter Folie. Es ist ziemlich kühl und die Früchte auf dem Feld sind noch nicht reif. Einige haben sie aber schon. Die kann man sich z. B. zum Frühstück wünschen.

 

 

Nächste Station ist der Küstenort Sanur. Im Gegensatz zu Lovina ist der Strand hier heller, aber nicht leuchtend weiß. Es bläst ein kräftiger Wind, viele Leute lassen Drachen steigen. Bei Ebbe zieht sich das Meer weit zurück. Schwimmen geht nun gar nicht mehr. Fischer waten durchs flache Wasser und ziehen Netze hinter sich her. Nervig ist das Röhren der Jetskis. Auch die Verkäufer, die einem Sarongs u. Ä. andrehen wollen, stören etwas: „Want see my shooop?“ Schön ist, dass am Strand eine Promenade entlangläuft, mit Bars, Restaurants, Hotels und später Privathäusern. Abends essen wir im „Mango Beach“. Sie spielen Reggae. Bei Nacht gefällt mir Sanur besser, als am Nachmittag.

Als ich von Lombok zurückkomme, lande ich südlich von Sanur in Serangan. Da es nur 27 Euro kostet, nehme ich für den Nachmittag ein Hotelzimmer in der Nähe des Fähr-Anlegers. So kann ich duschen, bevor es zum Flughafen geht. Und eine Gepäckaufbewahrung habe ich auch.

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LOMBOK: Nachts sind alle Strände schwarz

Eigentlich wollte ich meine zweite Urlaubswoche auf einem Segelboot auf dem Meer zwischen Bali und der östlichen Nachbarinsel Lombok verbringen. Weil dieser Törn kurzfristig abgesagt wurde, musste ich umbuchen. Stattdessen mache ich einen landbasierten Trip auf Lombok und setze von Bali mit dem Schnellboot über. Bis zu neun Außenborder zähle ich am Heck der Boote. Unseres hat fünf. Wenn einer kaputtgeht, hat man noch vier. Der Fahrtwind ist heftig, aber warm, die See ruhig. Im Gegensatz zur zweieinhalbstündigen Rückkehr von Gili Air vor Lombok nach Serangan auf Bali: Ich ergattere einen Liegesitz auf dem Dach der Kabine. Gemütlich! Aber bald ist Schluss damit. Der Indische Ozean schaut vorbei. Nach kurzer Zeit sind alle auf dem Sonnendeck völlig durchnässt. Ich habe zwar ein Regencape im Rucksack, kann es aber im Fahrtwind nicht überziehen, so sehr flattert es. Zum Glück sind Rucksack und Handtäschchen wasserdicht. Danach ist alles salzverkrustet.

 

 

Wir erreichen die Westküste in Senggigi, dem touristischen Zentrum von Lombok. Es ist deutlich ruhiger als Sanur. Die badende Reisegruppe weckt die Neugier der einheimischen Kinder, die sofort angepaddelt kommen. Lombok ist nur halb so dicht besiedelt wie Bali. Dennoch reiht sich an der Hauptstraße, die quer über die Insel zur Ostküste führt, Haus an Haus und der Verkehr stockt immer wieder. Massen von Menschen sind unterwegs, z. T. prächtig zurechtgemacht. Es ist Sonntagabend. Zwischendurch besichtigen wir das eng bebaute Dorf Masbagik, das ca. 1000 Einwohner hat. Die Spezialität hier ist Töpferei, die meist von Frauen betrieben wird. Erst, als wir unsere erste Übernachtungsstation Tetebatu erreichen, wird es etwas ursprünglicher. Bei einem Spaziergang durch die Reisfelder sehen wir auf einem Feld die Ernte. Die abgeschnittenen Pflanzen werden kräftig ausgeschlagen. Der Rest wird gebündelt und dient als Kuhfutter sowie als Brennmaterial für das Tonbrennen. Die Gegend ist sehr fruchtbar, u.a. wachsen Macadamia-Nüsse, Muskat, Kakao, Kaffee, Vanille, Nelken, Baumwolle und Tabak. Viele auch sehr junge Leute rauchen. Die Regierung hat nichts dagegen, da das die Arbeitsplätze in der Tabakindustrie sichert.

 

 

Schließlich fahren wir mit ein paar Zwischenstopps weiter. Im Ort Loyok zeigen uns die örtlichen Frauen, wie man mit Bambus webt. Auch ich übe mich im Körbchenflechten. Natürlich ist es nicht so einfach, wie es bei meiner Lehrmeisterin aussieht. In Pringgasela bekommen wir ein traditionelles Mittagessen und machen anschließend einen Rundgang. Das Dorf wirkt deutlich wohlhabender als Masbagik. Die wenig attraktive Hauptstraße ist weiterhin durchgehend von Siedlungen gesäumt. Das Fortkommen ist mühsam. Motorräder und Laster zwingen unseren Fahrer zum Kriechgang. Als wir endlich an der Ostküste in Labuan Pandan ankommen, geraten wir in eine Parade zum Unabhängigkeitstag am 17. August, der zwar längst vorbei ist, aber bis zum Ende des Monats gefeiert wird. Der erste Blick auf den öffentlichen Strand ist ernüchternd: schwarz und zugemüllt. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft kommen wir an einem Kohlekraftwerk vorbei. So hatte ich mir das nicht vorgestellt… Das kleine Hotel, das wir für uns haben, hingegen ist hübsch. Die neuen Bungalows liegen direkt am Meer und der Strand ist komplett naturbelassen. Dort verbringen wir nach dem Schnorchelausflug zu den vorgelagerten Inseln einen wundervollen Abend. Die lokalen Guides haben ein Lagerfeuer gemacht, bieten uns hausgemachten Reiswein an, grillen Süßkartoffeln, spielen Gitarre und singen. Nachts sind alle Strände schwarz, aber die lodernden Flammen lassen diesen glitzern.

 

 

Von nun an wird die Bebauung spärlicher, die Gegend immer schöner und hügeliger. Die Straße führt an der Nordküste zwischen dem ebenfalls noch aktiven Vulkan Rinjani und dem Meer entlang. Wir verbringen eine Nacht in Senaru mit einem herrlichen Blick auf das bis zu 3726 Meter hohe Bergmassiv und laufen zu den Wasserfällen Sendang Gile und Tiu Kelep. Man kann darin baden, aber das Wasser ist eiskalt. Der Weg ist abenteuerlich. Zum Schluss waten wir im Fluss durch einen Tunnel.

 

 

Weiter westlich ist die Gegend wieder flach, bleibt aber ländlich. Mit einem kleinen Boot machen wir die kurze Überfahrt zur Insel Gili Air, wo wir zwei Nächte verbringen. Bei einem Schnorchelausflug besuchen wir auch die beiden Nachbarn Gili Trawangan und Gili Meno. Alle Inseln sind autofrei. Hauptverkehrsmittel sind Pferdewagen. An den schneeweißen Stränden ziehen sich jeweils Promenaden entlang, sodass man sie bequem umrunden kann. Während „Gili T.“, die größte, als Partymekka gilt, ist Meno, die kleinste, die urspünglichste der drei. Sie hat auch den besten Badestrand und eine Lagune zu bieten. Gili Air ist zum Baden weniger geeignet, da die Korallen bis zum Ufer reichen und das Meer sehr flach (sprich: bei Ebbe weg) ist. Dafür kann man in den vielen urigen Bars und Restaurants entspannt abhängen und an der Westseite bilderbuchmäßige Sonnenuntergänge betrachten.

 

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EAT: Bananenblätter als Pommestüte

Das Essen ist ähnlich wie auf Sri Lanka und somit sehr gut. Neben Currys gibt es überall die indonesischen Klassiker Nasi Goreng und Mie Goreng (mit Nudeln). In Ubud essen wir in einem Imbiss, in dem sich auch viele Einheimische ihr Mittagessen holen. Wie oft in Südostasien ist das am Vormittag gekochte Essen auf dem Buffet kalt. Also nehme ich nur vegetarische Tempura und Aubergine. Die ist richtig scharf gewürzt. Den dazu gereichten Reis nehme ich zum Löschen. Sehr lecker! Mit Cola kostet das Mahl umgerechnet 1,50 Euro. In Lovina essen wir in einem Privathaus. Es gibt eine große Auswahl an typischen Speisen.

Während einer Wanderung bekommen wir ein köstliches Picknick mit: Nudeln, Reis, geschreddertes Hühnchen, Salat und eine Art Müsliriegel aus Soja und braunem Zucker, dazu scharfe Shrimpsauce. Die anderen beneiden mich um meine Campinggabel, denn Besteck ist nicht mit dabei. Eingewickelt ist das Ganze in Bananenblätter. Man isst bequem wie aus einer Pommestüte. Und umweltfreundlich ist es auch: Die Bananenblätter kann man einfach wegwerfen, sie verrotten. Leider hat sich die Wegwerfmentalität auch bei Plastiktüten gehalten. So sehen wir später im Dorf Masbagik viel Müll, vor allem im kleinen Fluss. Bei einer Durianverkostung am Straßenrand bestätigt ein winziges Stückchen meinen Eindruck aus Borneo. Die Frucht schmeckt nicht ganz so eklig, wie sie riecht, aber irgendwie seltsam. Definitiv nicht mein Lieblingsobst!

Neben gesundem Essen werden auch leckere Drinks wie Turmeric Jamu mit Ingwer und Zitrone angeboten. Cocktails sind zumindest in den touristischeren Ecken ebenfalls zu finden, aber wegen der hohen Alkoholsteuer in Indonesien recht teuer.

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PRAY: 1000 Tempel und 1000 Moscheen

„Einheit in der Vielfalt“ lautet das Landesmotto von Indonesien. Rund 1300 verschiedene Volksgruppen leben auf den 6.044 bewohnten Inseln. Wir besuchen mit Bali und Lombok nur zwei größere und bei Schnorchelausflügen ein paar kleinere von den insgesamt 17.508 Inseln, aber auch die sind total unterschiedlich. Unser Guide heißt Tantan und stammt von Java, Balis westlicher Nachbarinsel. Er sagt, dass er die Einheimischen nicht versteht, wenn sie Balinesisch oder Lombok sprechen, denn seine Muttersprache ist Sunda. Deshalb hat man Bahasa Indonesia als Universalsprache eingeführt. Seit 1972 wird mit lateinischen Schriftzeichen geschrieben. So kann ich die örtlichen Schilder zwar nicht verstehen, aber immerhin lesen.

Atheisten gibt es in Indonesien nicht. Jedenfalls nicht offiziell. Alle Bürger müssen eine Religion wählen, die in ihrem Pass steht. Und: Es muss eine Religion sein, die nur eine Gottheit verehrt. Für die meisten Indonesier ist das kein Problem. Sie sind Moslems. Der Staat organisiert für die Gläubigen die große Hadsch (40-tägige Pilgerreise nach Mekka) gegen eine Gebühr von 25 Millionen Rupien. Auch Tantan hat sich 2016 registriert und wird laut Warteliste 2034 an der Reihe sein.

Während wir auf die Überfahrt nach Lombok warten, erzählt Tantan etwas über die spezielle Kultur auf Balis östlicher Nachbarinsel. Wenn ein Mann eine Frau heiraten will und die Eltern einen zu hohen Preis verlangen, kidnappt er sie – mit ihrem Einverständnis. Sie schleicht sich im Dunkeln heraus, trifft sich mit ihm und zieht ins Haus seiner Eltern. Dann können ihre Eltern nichts mehr sagen. Strenge Moslems sind zwar dagegen, aber es ist ein uralter, lokaler Brauch und deshalb akzeptiert. In Indonesien dürfen Leute verschiedener Religionen übrigens nicht heiraten. Sie müssen z. B. nach Singapur. Allerdings wird die Hochzeit in Indonesien nicht anerkannt. Manchmal macht die Polizei auf der Suche nach unverheirateten Paaren Razzien in Hotels.

Während Bali die „Insel der 1000 Tempel“ ist (s. unten), wird Lombok als „Insel der 1000 Moscheen“ bezeichnet. Tantan versteht das nicht recht. Er findet es wichtiger, viele Leute in einer Moschee zu haben, als viele Moscheen. In der ältesten Moschee auf Lombok legen wir einen Zwischenstopp ein. Nayan Belek ist ca. 300 Jahre alt und heute eine historische Stätte. Das Gebäude ist quadratisch, sieht mehr wie ein Wohnhaus aus und ist innen ganz schmucklos. Interessanterweise hat es ähnlich wie die Rundhütten der Zulu in Südafrika einen niedrigen Eingang, damit man sich beim Eintreten respektvoll verbeugen muss.

Der Islam in Indonesien unterscheidet sich vom Arabischen. Einige animistische und hinduistische Traditionen haben sich gehalten. Beispielsweise gibt es hier Beerdigungszeremonien, die eigentlich verboten sind. Im Dorf Masbagik fällt auf, dass die meisten Frauen kein Kopftuch tragen. Das haben sie nie getan und sind es nicht gewohnt. Auch, wenn die Bewohner kein Schweinefleisch essen, trinken einige von ihnen den Reisschnaps Arrak. In dieser Region basiert das lokale Gesetz auf der Zahl drei. Deshalb fasten viele Leute im Ramadan nur drei Tage (Anfang, Mitte, Ende) und beten nur dreimal täglich.

Als wir im Dorf Tetebatu ankommen, bin ich so müde, dass ich das Abendessen ausfallen lasse, um nachher an einer Tanzvorführung teilzunehmen. Meine Mitreisenden (alle weiblich) erzählen mir etwas angesäuert, dass es im Restaurant zwar Bier gab (auch, wenn das nicht auf der Karte stand), der Inhaber es aber nicht an Frauen verkaufen wollte. Die Tanzvorführung hingegen ist für alle ein unvergessliches Erlebnis: Eine Marching Band empfängt uns mit Trommeln und Becken. Die Leitmelodie übernimmt eine Art Flöte, die mit Megaphon verstärkt wird. Wir bekommen Fackeln und werden zum Beginn des Zuges komplimentiert. Dann gehts durchs Dorf bis zum Innenhof eines größeren Hauses. Alle Bewohner scheinen auf den Beinen zu sein und begleiten uns. Bei der Tanzvorführung sind wir überrascht: Damenwahl! Dann tanzen zwei Männer miteinander, wobei ihre Bewegungen eher an Karate erinnern. Einer trägt zum rotgoldenen Sarong ein T-Shirt der italienischen Nationalmannschaft. Schließlich fordern die Männer uns Touristinnen (vorher entsprechend eingekleidet) auf, eine nach der anderen. Es gibt kein Entkommen. Die Dorfbewohner schmeißen sich weg vor Lachen.

Besonders interessant ist die Kultur der Suku Sasak. Bei ihnen hat sich alles vermischt: Animismus, Hinduismus und Islam. In Senaru zeigt uns ein weiblicher Guide ein traditionelles Dorf dieser Volksgruppe. Sie selbst hat 16 Geschwister und erklärt nun den jungen Frauen, dass Bildung wichtig ist und sie besser nur zwei Kinder bekommen sollen. Das Dorf besteht aus Bambushütten mit Strohdächern. Die werden heute nicht mehr gebaut, weil man dafür Tropenholz braucht. In den 24 Häusern wohnen mehr als 100 Familien, insgesamt ca. 1000 Menschen. Manchmal leben mehrere Familien in einem Haus, das nur einen Raum hat. Wir besichtigen eins: In einer Ecke befindet sich die Küche (sprich: Feuerstelle), es gibt ein Bett für die Eltern, eine Kammer für die Mädchen. Zwölf Leute schlafen hier. Zarte Frage einer Mitreisenden: Wie können unter diesen Umständen so viele Babys entstehen? Die Lösung: Tagsüber oder in einem Unterstand im Reisfeld. Für Flitterwöchner zieht sich die Familie auch mal aus dem Haus zurück.

Bali ist in Indonesien eine Ausnahme: Hier sind Hindus mit über 80 Prozent in der Mehrheit. Zuerst kamen Buddhismus und Hinduismus in die Region. Die Hindus setzen sich durch und hatten ihr größtes Königreich auf Java. Im 15. Jahrhundert eroberte der Islam die Inseln. Auf Java wurden die Hindus zur Minderheit und flohen nach Bali. Ich hatte immer geglaubt, dass es im Hinduismus viele Götter gibt. Trotzdem wird auf Bali die Forderung der Zentralregierung, nur eine Gottheit zu verehren, elegant erfüllt: Die Hauptgötter Brahma (der Schöpfer), Vishnu (der Bewahrer) und Shiva (der Zerstörer) bilden eine Dreifaltigkeit – und sind somit nur Aspekte desselben göttlichen Prinzips. Ebenso wie alle anderen Götter nur Aspekte dieser Götter sind. Entsprechend der wichtigsten Götter gibt es in jedem Dorf drei Haupttempel. Jeder hat sein eigenes Fest. Nach eigenem Kalender.

In Bedugul besichtigen wir einen der heiligsten Tempel der Insel: den 1634/1635 erbauten Ulun Danu Beratan. Tantan hat sich zur Feier des Tages in Schale geworfen, trägt die traditionelle Kopfbedeckung, ein weißes Hemd und Sarong. Der Fahrer hat Blumen hinter den Ohren. Das Gelände liegt direkt am See. Davor befinden sich zwei kleine Inseln mit Schreinen drauf. Sie haben zig Dächer übereinander, immer eine ungerade Zahl. Einige Gläubige fahren mit einem Boot heraus, um der Göttin des Sees zu opfern. In einem Pavillon sitzen Menschen und singen leise Gebete oder Mantras. Im Park steht ein riesiger Banyanbaum. Der Stamm ist – wie viele Bäume und Statuen auf Bali – mit einer schwarzweiß karierten Schärpe umwickelt, die Yin und Yang symbolisiert. In der Nähe steht eine sehr alte, buddhistische Pagode. Der Haupttempel wirkt vergleichsweise bescheiden: Keine großen, bunten Statuen wie in dem Hindutempel, den wir auf Sri Lanka besichtigt haben. Wer kein Hindu ist, darf hier nicht hinein. Auch von Frauen, die ihre Periode haben, darf er nicht betreten werden. Plötzlich kommt aus dem Haupteingang eine Prozession heraus. Die Frauen balancieren kunstvolle Gebilde auf dem Kopf.

Die Religion ist untrennbar mit dem Alltagsleben verbunden. Man stolpert ständig darüber: Mitten auf dem Bürgersteig vor jedem Haus, jedem Geschäft liegen kleine Körbchen mit Reis, Gemüse, Blüten und Räucherstäbchen. Es sind Opfergaben, die dreimal täglich dargebracht werden. Sie befinden sich auch auf dem Mahlwerk der kleinen Kaffeerösterei, die wir besichtigen, und auf dem Armaturenbrett unseres Minivans. Die Reisfelder haben eigene Schreine, ebenso wie jeder Stand auf dem Zentralmarkt in Lovina.

Bei der Besichtigung eines balinesisches Wohnhauses erfahren wir, wie religiöse Zeremonien das ganze Leben begleiten. Das Haus ist streng nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Der Wohnbereich besteht aus einzelnen Pavillons und ist offen. In der Mitte steht ein prachtvolles Bett, in dem jeder der Großfamilie nach einer Zeremonie schlafen kann. Und davon gibt es viele: sechs Monate schwanger, Geburt, mit einem Monat und sieben Tagen erneut. Im Alter von drei Monaten (erst jetzt darf das Baby den Boden berühren), von 1 1/2 Jahren (das Haar wird geschoren), Pubertät, mit 17 Jahren werden die Zähne glattgefeilt: gegen die sechs (!) Todsünden (Motto „straight teeth, straight life“). Anschließend gelten die Kinder als erwachsen. Später noch Hochzeit, zuletzt Beerdigung. Bei Priestern und Adeligen werden die Leichen sofort rituell verbrannt. Manchmal muss man einige Tage auf den richtigen Termin warten. Wenn die Leiche etwas riecht, vertreiben sich die Träger den Geruch mit Arrak und der Leichenzug geht schonmal in Schlangenlinien. Normale Menschen werden aus finanziellen Gründen oft erst nach Jahren und mit anderen gemeinsam kremiert.

Nach der Verbrennung ist der Verstorbene ein Ahne und kann im Familientempel, der zu jedem traditionellen Haus gehört, angebetet werden. Früher hatten die Hindus auf Java eine andere Tradition: Die Toten wurden in einen Baum mit starkem Duft gehängt, der alles übertünchte. Fahrzeuge und Tiere haben wiederum eigene Zeremonien. Überall stehen Körbe mit Hähnen, die für Kämpfe eingesetzt werden. Das ist halb legal (für manche Zeremonien werden Blutopfer benötigt), halb illegal (es wird darauf gewettet).

Die Kultur ist ebenfalls eng mit der Religion verwoben. Ob Malerei, Schnitzerei, Musik oder Tanz: Künstlerische Betätigung hat vor allem den Zweck, die Götter zu erfreuen. Das sehen wir u.a. im kulturellen Zentrum Ubud bei einer Tanzperformance. Im Mittelpunkt steht der berühmte Kecak, der die Geschichte von den Königen Rama und Rahwana, der Ramas Frau Sita entführt, erzählt. Es ist der ewige Kampf zwischen Gut und Böse. Natürlich gewinnt Rama.

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LOVE: Eine Tierwelt zum Verlieben

 

Highlights der Reise sind erwartungsgemäß die drei Schnorcheltage. Von Lovina auf Bali machen wir einen Ausflug nach Menjangan Island. Dort sehe ich den ersten wirklich schönen Strand. Unter Wasser zeigt uns der Guide u. a. einen riesigen Kugelfisch, eine Muräne und findet Nemo.

 

 

Von Labuan Pandan auf Lombok aus fahren wir mit kleinen Auslegerbooten durch raue See zu den vier kleinen Inseln vor der Küste. Bei Gili Petagan sehen wir erst gebleichte und vom Dynamitfischen zerstörte Korallen, dann plötzlich einen fantastischen Garten, in dem auch wieder Clownfische leben. Der Landgang auf Gili Pasir ist nur bei Ebbe möglich, denn bei Flut ist das Inselchen weg. Der Sand ist wegen der roten Korallen teilweise rosa. Auf Gili Bidara machen wir Mittagspause. Dieses Eiland kann in 20 Minuten umrundet werden. Es gibt nur ein paar Fischerhütten, in denen im Moment keiner wohnt. Sie kommen nur ab und zu und pflanzen in der Regenzeit Süßkartoffeln in der Mitte. Im Moment ist es ganz trocken, vor kurzem wüteten Buschfeuer. Man trifft kaum Touristen, nur ein paar Einheimische. Neben uns legt ein Boot an. Zwei Frauen machen sich zum Schnorcheln bereit. Mit Kopftüchern. Den letzten Schnorchelgang machen wir vor Gili Kondo.

 

 

Zu Recht berühmt ist die Unterwasserwelt der drei Gilis im Nordwesten von Lombok. Beim ersten Schnorchelgang vor Meno entdecke ich Schildkröten ganz nah und einen sehr seltsamen Fisch auf dem Boden. Interessant sind auch der „Meno Wall“ und die Statuen, die vor der Küste im flachen Wasser versenkt wurden.Vor Gili Trawangan versucht ein grüner Hummer mit Punkten, einen Einsiedlerkrebs aus der Schale zu pulen. Vor dem Anlegen auf Gili Air springen wir noch einmal ins Wasser. Auf Gili Meno gibt es auch eine Schildkröten-Aufzuchtstation. Am Strand ist zu viel los, deshalb werden die Eier in Sicherheit gebracht und ausgebrütet. Im Alter von acht Monaten dürfen die Kleinen ins Meer. Sie essen sogar Fisch. Ich dachte immer, sie wären reine Vegetarier. Die Jüngsten sind gerade ein paar Tage alt.

 

 

Spektakuläre Landtiere wie Elefanten oder Orang-Utans leben auf Bali und Lombok zwar nicht. Dafür aber lustig aussehende, kleinere Affen mit Punkfrisur. Besonders viele trifft man im Monkey Forrest in Ubud. Dort turnen sie zwischen riesigen Bäumen mit Luftwurzeln und alten moosüberwucherten Tempeln herum. An einem kleinen Teich steckt ein Affe den langen Schwanz ins Wasser und lutscht ihn ab. Man muss aufpassen, dass man nicht auf die Schwänze drauftritt, denn die Affen sitzen auch mitten auf dem Weg. Zudem besteht die Gefahr, auf den allgegenwärtigen Bananenschalen auszurutschen. Ein Affe ist die Bananenspenden der Besucher leid: Er klaut in einem Café gegenüber vom Wald Pommes. Oben auf dem Gunung Batur tummeln sich dieselben Affen wie in Ubud, und sie sind ebenso dreist. Zwei nehmen mich als Zwischenstation, um zu einem Bananenspender zu springen und ziehen mir dabei die Schwänze durchs Gesicht.

 

 

Dann wären da natürlich noch die Gekkos und die etwas größeren Tokehs, die nachts ständig ihre Namen rufen: „gek-ko, to-keh, gek-ko…“ Interessant sind auch die schwanzlosen Katzen, die uns immer wieder begegnen. Bei der ersten denke ich noch: Oh je, die hatte einen Unfall. Aber es ist wohl genetisch bedingt.

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SRI LANKA 🇱🇰

Reiseroute 2017

NegomboAnuradhapura (Ausflug nach Mihintale) – PolonnaruwaDambullaMinneriya NationalparkSigiriyaKandyBandarawelaIdalgashinnaUdaweriyaBambarakanda WasserfallBandarawela – Udawalawe (Elephant Transit Home) – MirissaGalle Colombo

Cuba Libre mit Cojones
und der Rat des Erleuchtetten

Ähnlich wie Thailand ist Sri Lanka Schilda-mäßig ein Hotspot. Meine Sammlung mit schrägen Schildern aus aller Welt wächst weiter. Immer wieder ein Klassiker: Speisekarten. In einem Restaurant bieten sie einen ganz speziellen Cuba Libre an – mit „Drak Rum, Fresh Lime Juicd, Cock“. Der Barkeeper hat offensichtlich Eier! Manche Hinweise sind nicht übermäßig erhellend: „Tote Rate – 36“ an einem Wasserfall lässt sich erst in Kombination mit der englischen Version „Recoded death up to date – 36“ erraten. (Vermutlich sind hier 36 Menschen tödlich verunglückt. Oder Ratten.) Nebulös bleibt auch das Verbot, harmlos aussehende Wasserbecken in einem Park zu betreten: „You may meet with disasters“. (Piranhas? Haie? Flutwellen? Beulenpest?) Ebenso spirituell wie mysteriös ist dieses in Stein gemeißelte Fundstück aus einem Tempel:

Eigentlich habe ich alle Menschen in Sri Lanka (auch die Männer) als sehr freundlich erlebt. Warum also warnt auf dem Bahnhof in Galle ein Schild: „Seid höflich in Gegenwart von Frauen“? Immerhin gibts hier endlich mal Anzeigetafeln, die funktionieren – aus Holz mit Uhren, deren Zeiger man mit der Hand auf die Abfahrtszeit stellen kann. (Liebe Deutsche Bahn, vielleicht wäre das die Lösung eurer Probleme.)

Das coolste TukTuk, das ich je gesehen habe, ist mit Fernseher, Subwoofer, Webcam und Bob-Marley-Lackierung ausgestattet, und in einem Halter neben dem Fahrersitz steckt eine halbvolle Wodkaflasche. Die Fahrgäste hingegen dürfen weder Alkohol noch Gras dabeihaben. (Besteck, Waffen und Hunde übrigens auch nicht.)

Dann wären da noch: Ein armes „nicht Hupen“-Verkehrsschild, das keiner beachtet. Ein Mann, der direkt neben der Mahnung „Dies ist ein heiliger Ort. Bitte benehmen sie sich gut auf dem Gelände“ ungeniert raucht. Ein Rettungsschwimmer, der an einer Tafel mit der Aufschrift „Giftige Tiere. Nicht ins Wasser gehen“ lehnt und Massen von Menschen beobachtet, die genau dies tun.

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Vier Religionen auf einer Insel

Auf der Flagge von Sri Lanka ist rechts ein Löwe, der ein Schwert hält. Er symbolisiert die singhalesische Mehrheit (Buddhisten), der orange Streifen in der Mitte steht für die Tamilen (Hindus), der grüne Streifen links für die Moslems. An unserem Startpunkt, der Hafenstadt Negombo, hingegen sind die meisten Einwohner katholisch. Mein Taxifahrer heißt Anthony nach St. Anton und zeigt mir mehrere große Kirchen und Heiligenschreine mit neonleuchtenden Kreuzen. Nicht umsonst sieht der Ort europäisch aus: Die Kanäle wurden von den Portugiesen begonnen, von den Holländern vollendet.

Unser Guide Kasun ist Buddhist, stammt aber aus einer Familie, in der man mal in die Kirche, mal in den hinduistischen oder buddhistischen Tempel und mal in die Moschee geht. Obwohl viele Menschen auf Sri Lanka solch einen multikulturellen Hintergrund haben, hat das Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht immer pro­blem­los funktioniert: Von 1983 bis 2009 herrschte Bürgerkrieg zwischen den Singhalesen im Südwesten und den Tamilen im Nordosten der Insel. Seit dem Ende blüht nicht nur das Land, sondern auch der Tourismus auf. Meine Rundreise konzentriert sich auf die Mitte und den Südwesten. Der Nordosten, der jahrzehntelang gar nicht bereist werden konnte, soll immer noch recht unerschlossen sein.

Im kulturellen Dreieck (s.u.) besichtigen wir vor allem buddhistische Tempel. Einmal machen wir unterwegs aber auch an einem Hindutempel Station, der von einem reichen Tamilen gestiftet wurde. Er ist sehr bunt und dem Gott Skanda gewidmet. Dessen Tier ist der Pfau, von dem zahlreiche lebende Exemplare umherspazieren. Ebenso wie lebende Hühner, die als Opfer in den Tempel gebracht wurden. Am schönsten finde ich aber den Elefantengott Ganesha. Sein Tier ist die Maus. Kasun erzählt uns, warum Ganesha einen Elefantenkopf hat: Sein Bruder Skanda hatte sich in eine Frau verliebt, wusste aber nicht, wie er sie erobern sollte. Der kluge Ganesha hatte eine Idee: „Pass auf, ich verwandele mich in einen Elefanten und erschrecke sie, du rettest sie. Dann verstecke ich mich im Wald und du besprenkelst mich mit Wasser, damit ich mich zurückverwandeln kann. Gesagt, getan. Doch die Frau wurde vor Schreck ohnmächtig. Skanda schüttete ihr Wasser ins Gesicht. Leider reichte das restliche Wasser nicht mehr zum Besprenkeln des ganzen Körpers seines Bruders. Der Kopf blieb übrig. Dumm gelaufen für Ganesha…

In allen Tempeln gilt wieder: Schuhe aus! Meine europäischen Winterfüße, die monatelang in kuschelig-weiche Fellstiefel verpackt waren, werden schlagartig auf den harten Boden der Realität geholt: Kiesel pieken und auf glühend heißem Pflaster frittiere ich mir die Fußsohlen. Immerhin ist hier (im Gegensatz zu Myanmar) wenigstens das Tragen von Socken erlaubt. Ebenfalls verboten sind Kopfbedeckungen. Das gilt auch für Moslems. Einmal kommen uns auf dem Ausgrabungsgelände in Po­lon­na­ru­wa muslimische Mädchen entgegen. Wie bei allen Schulkindern ist ihre Uniform komplett weiß. Zwei tragen Nikab und sehen damit fast aus wie Gespenster (oder Mitglieder vom Ku Klux Klan). Eine besondere Regel, die mir zuvor weder in Myanmar, noch in Thailand begegnet ist: Man darf sich nicht mit dem Rücken zu einer Buddha-Statue fotografieren lassen, woran überall Schilder erinnern.

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Verschollen im kulturellen Dreieck

Die ersten Siedler auf Sri Lanka haben sich in der Gegend mit dem wenigsten Niederschlag niedergelassen. Dort befinden sich die ältesten Städte, die heute archäologische Stätten mit Weltkulturerbe-Status sind. Sie bilden ein Dreieck, dessen Ecken wir zu Beginn unserer Rundtour nacheinander ansteuern:

1. ANURADHAPURA

Als Erstes machen wir einen Abstecher nach Mihintale. Es ist ein Fels, auf dessen Gipfel 1840 Stufen führen. Daneben befindet sich die Kantaka Stupa aus dem 3. Jh. v. Chr., umgeben vom wohl ersten Naturschutzgebiet der Welt: Nachdem der damalige König zum Buddhismus konvertiert war, wollte er die Tiere nicht mehr töten und stellte seine Jagdgründe unter Schutz.

Die archäologische Stätte in Anuradhapura erkunden wir mit dem Fahrrad. Aber erstmal hinkommen! Der Weg vom Hotel führt durch drei Kreisverkehre. Und das mit Linksverkehr. Der Zweite ist besonders wuselig. Auf dem Hinweg verliere ich den Anschluss an die Gruppe, weil Autos kommen und kriege die Krise. Auf dem Rückweg verliere ich einen Schuh und kriege nochmal die Krise. Es ist ein sonniger und heißer Tag und selbst mir ist warm. Als wir im Hotel sind, falle ich erstmal in den Pool. Herrlich! Aber die Mühen lohnen sich: Wir besichtigen beispielsweise die Jathawanaramaya Stupa, einst das dritthöchste Gebäude der Welt. Sie wurde um 380 n. Chr. gebaut, ist also 600 Jahre jünger als die Kantaka Stupa in Mihintale. Besser renoviert ist die Mahavihawihara Stupa, die gleich mehrere Reliquien von Buddha enthält. In der Nähe befindet sich ein Ableger des mythischen Bodhi-Baumes, unter dem Buddha erleuchtet wurde. Er gilt als ältester Baum der Welt und wird wie ein Gott verehrt. Eine besonders interessante, gut erhaltene Buddha-Statue sehen wir im Komplex Abayagiriya. Der Gesichtsausdruck ändert sich je nach Blickwinkel: Von Links lächelt er froh, von der Mitte milde und von Rechts traurig. Am Elephant Pond genießen wir ein fantastisches vegetarisches Picknick und probieren erstmals einen Salat aus Bananenblüten.

2. POLONNARUWA

Wieder steigen wir aufs Fahrrad. Diesmal gibts auf dem Weg vom Hotel nur einen haarigen Kreisverkehr zu überwinden. Dafür drängt mich auf dem Rückweg beinahe ein mit Soldaten beladener Truck von der Straße. Außerdem klingeln einem vom allgegenwärtigen Hupkonzert die Ohren. Obwohl fast 1000 Jahre alt, ist Polonnaruwa deutlich jünger als Anuradhapura. Nach der Unabhängigkeit Sri Lankas 1984 wurde mit der Restaurierung begonnen. Highlight des Komplexes ist der Rock Temple mit vier in den Fels gemeißelten, riesigen Buddhas. Ebenfalls interessant: das heilige Viereck. Es besteht aus einem Meditationszentrum und drei Tempeln, die von drei Königen nacheinander für die Zahnreliquie gebaut wurden, die inzwischen in Kandy verwahrt wird. Vom ehemaligen königlichen Palast sind nur zwei Etagen übrig. Das Gebäude hatte sogar einen Swimmingpool mit Umkleideraum und ein Klo mit Sickergrube. Ein Stausee sorgte für frisches Wasser. Am Ufer befinden sich Reste des Rathauses, wo das (vom König, nicht vom Volk gewählte) Ministerkabinett tagte.

In der Nähe von Polonnaruwa befinden sich zwei weitere Sehenswürdigkeiten. Der Tempel in Dambulla besteht aus fünf Höhlen voller Buddha-Statuen – stehende, sitzende und liegende. Bei den liegenden Buddhas muss man auf die Zehen achten, erklärt uns Kasun. Sind sie direkt übereinander, ist er verstorben und bereits im Nirwana. Sind sie versetzt, schläft er nur. Schwieriger zu deuten sind die verschiedenen Handgesten. Eine erhobene rechte Hand mit der Fläche nach außen z.B. heißt nicht „stop“, sondern, dass Buddha keine Angst vor dem Tod hat. Was hingegen die Statuen sagen wollen, die einem eine Art Stinkefinger entgegenrecken, weiß man nicht.

Die Felsfestung Sigiriya ist von Gärten umgeben. Erst wohnte hier der König. Später war das Ganze ein Kloster, dann fünfhundert Jahre lang in Vergessenheit geraten. Kasun jagt uns so früh aus dem Bett, dass wir um sieben Uhr zur Öffnungszeit dort sind. Eine weise Entscheidung: Als wir von der Besichtigung zurückkehren, steht eine Riesenschlange im Eingangsbereich.

3. KANDY

Bevor wird in der Stadt ausgesetzt werden, gibt Kasun Tipps zum Einkaufen: Handeln und den Händler kommen lassen – „Es ist wie fischen. Lass den Fisch den Job machen.“ Kandy liegt von Hügeln umgeben auf 528 Metern Höhe an einem See. Aber so idyllisch, wie es wirkt, war das Leben wohl nicht immer. Ein Friedhof aus der englischen Kolonialzeit zeigt, dass die meisten Menschen damals jung gestorben sind. Ein alter Mann kennt die Geschichte jedes Verblichenen. Einer ist von einem Elefanten totgetrampelt worden, ein anderer ließ sein Leben beim Versuch, einem Elefanten davonzulaufen – Hitzschlag. Sehr sinnig finde ich die Inschrift auf einem Grabstein (Rechtschreibfehler inklusive): „Man appoints but god can disapoint“.

In Kandy befindet sich das größte Heiligtum in Sri Lanka, der Zahntempel. Die Reliquie von Buddha wird in einem Schrein im ersten Stock ausgestellt. Es herrscht großer Andrang. Im Erdgeschoss ertönt wilde Musik von einem Trommler und und einem Flötisten, der wie ein Schlangenbeschwörer spielt. Einmal im Jahr findet eine Prozession statt, bei der ein Elefant den Schrein abwechselnd zu einem der beiden benachbarten Tempeln trägt.

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Im Hochland:
Wandern und Tee trinken

Auf Sri Lanka gedeihen 101 Reis- und 48 Bananensorten. Die Briten fingen an, dort Kaffee anzubauen, aber Moskitos liebten die Büsche und brachten Malaria auf die Insel. Deshalb stieg man auf Tee um. Heute befindet sich der größte Teemarkt der Welt in Colombo. In Kandy besichtigen wir die Teefabrik Geragama, die 1903 gebaut wurde und nur schwarzen Tee produziert. Die frisch gepflückten Blätter werden zunächst 24 Stunden ausgebreitet, anschließend mehrmals in einem Kessel mit wachsendem Druck gerollt und geschüttelt. Dabei sortieren sich verschieden große Teile bis hin zum Dust (Staub), der schlechtesten Qualität, heraus. Es folgen Fermentation und Oxidation. Der Abfall dient als Dünger. Grüner Tee kommt vom selben Strauch, wird nur nicht fermentiert. Nach der Führung machen wir eine Teeprobe mit Orange Pekoe. Statt Zucker gibts dazu Palmsirup, den man nicht hineintut, sondern vorher lutscht.

Als im Hochland die Teeplantagen angelegt wurden, weigerten sich die Singhalesen, dort zu arbeiten. Also holten die Briten arme Tamilen aus Südindien ins Land. Sie liefen von der Küste zu Fuß, wobei zwei Drittel unterwegs starben. Die Tamilen im Norden schauen auf die im Hochland hinab, weil sie einer niedrigen Kaste angehören. In den Bergen begeben wir uns auf eine zweitägige Wanderung durch die Plantagen. Es sind Kooperativen. Männer pflegen die Sträucher, Frauen pflücken den Tee. Arbeitsbeginn ist um 7.30 Uhr, 10.30 Teepause, 14.00 Mittagessen, 16.30 Feierabend. Sie verdienen 1000 Sri-Lanka-Rupien pro Tag (ca. 6 Euro) und gehen mit 55 Jahren in Rente. Einmal kommen wir durch eine organische Teeplantage mit männlichen Pflückern. Auch wir machen jeden Morgen eine Teepause mitten in einer Plantage.

Startpunkt unserer Wanderung ist die kleine Bahnstation Idalgashinna. Es hat die ganze Nacht durchgeschüttet. Wolken liegen wie Wattebäuschchen über den Tälern. An einem Baum vollführt unser lokaler Guide Raj ein hinduistisches Ritual. Jeder bekommt einen roten Punkt auf die Stirn. Es ist ein drittes Auge, das Schutz bieten soll, z. B. vor den Wildschweinen, die in den Wäldern leben. Erstmal gehts bergauf. Es bieten sich immer wieder tolle Aussichten. Der höchste Punkt ist ein Pass auf fast 2000 Metern. Insgesamt laufen wir an sieben Dörfern vorbei. In Udaweriya übernachten wir im Gästehaus „Misty Mount Lodge”. Der Name ist sehr passend: Vom Garten aus sieht man den Nebel aufsteigen und wieder runtergehen. Die Unterkunft ist einfach. In unserem Zimmer stehen fünf Betten nebeneinander, sonst nichts. Den geräumigen Aufenthaltsraum haben wir für uns, es gibt keine anderen Gäste. Abends holen die Guides zwei Bongotrommeln heraus. Alle singen und tanzen.

Am nächsten Morgen brechen wir zum zweiten Teil der Wanderung auf. Zunächst ist es sonnig, dann fängt es an zu regnen, wieder Sonne, erneut ein heftiger Guss. Eine Mitreisende hat sich aus der Plastiktüte für Schmutzwäsche, die im letzten Hotel auslag, ein Rucksack-Cover gebastelt. Ich verschwinde samt Tagesgepäck unter meinem riesigen orangeroten Regencape. Von weitem sehe ich repektabel aus (dieselbe Farbe tragen viele buddhistische Mönche), von der Seite mehr wie ein Huhn. Endpunkt der Wanderung ist der Bambarakanda Wasserfall, der mit 241 Metern der höchste in Sri Lanka und Nr. 65 in der Welt ist. Nach dem Mittagessen bringt uns der Minibus zurück ins Hotel nach Bandarawela. Die Kurven auf der Straße sind so eng, dass der Fahrer manchmal zurücksetzen muss. An den Steilhängen sieht man die Folgen von Abholzungen und Einführung fremder Baumarten wie Eukalyptus und Kiefer: in der Regenzeit Erdrutsche, in der Trockenzeit Buschfeuer. Am nächsten Tag besichtigen wir im Touristenort Ella einen weiteren Wasserfall. Dann gehts bergab – zur Küste.

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Die Küste: Meeresschildkröten
und Mensch am Spieß

Als wir den Küstenort Mirissa erreichen, springen wir erst einmal ins Meer. Unser Hotel „Silanmo” ist nur von der stark befahrenen Straße vom Strand getrennt und liegt schön am Hang. Nach dem Essen gehts in eine der zahlreichen Strandbars. Jeden Abend fungiert eine andere als Disco, was mit einer weithin sichtbaren Lichtshow markiert wird. Eine riesige Meeresschildkröte kommt aus dem Wasser, um mitten im Getümmel ihre Eier abzulegen. Am nächsten Morgen will ich unbedingt die Blauwale sehen, die hier vor der Küste leben. Dummerweise versagt der Wecker und freiwillig wird mein Körper nicht rechtzeitig zur Abfahrt um 5.45 Uhr wach. Zum Trost gehe ich mit Schildkröten schnorcheln (s. Film) und gönne mir dann eine einstündige Deep-Tissue-Ganzkörpermassage im „Secret Root Spa“, das in einem verträumten Garten abseits der Straße liegt.

Der Weg zur Stadt Galle ist nicht weit und führt an der Küste entlang. Bei den berühmten Stelzenfischern halten wir kurz. Heute posieren sie allerdings nur noch für die Touristen und baden einen gefangen Fisch ein paar Mal, bevor sie die Angel wieder auswerfen. Einer füttert die Krabben, die zwischen den Felsen herumwieseln. Ich frage mich, warum die Männer auf Baumstämmen hocken und sich aus dem Holz nicht eine bequemere Plattform bauen. Für Haie muss das Ganze wirken wie Mensch am Spieß. Fischer-Kebab. Wahrscheinlich schmeißen sie schon den Grill an.

Galle war mal portugiesisch, holländisch und englisch. Die komplett erhaltene Altstadt ist von einem Fort umgeben. Nicht einmal der verheerende Tsunami von 2004 konnte dessen dicken Mauern und dem Wall, auf dem man rundherum laufen kann, etwas anhaben. Am Straßenrand stehen Oldtimer. Unser „Frangipani Motel” ist wie die Nachbarhäuser ein sehr hübscher Kolonialbau. Nur die Mickymaus-Vorhänge vor dem Zimmerfenster passen nicht ganz ins Bild.

Die Reise endet in der Hauptstadt Colombo. Die kann zwar mit spektakulären Orten wie Havanna oder Sydney nicht mithalten, hat aber durchaus einige interessante Gebäude zu bieten: Das Opernhaus beispielsweise hat die Form einer Lotusblüte. Das Rathaus ähnelt dem weißen Haus. Daneben befindet sich ein schöner Park, in dem eine prächtig geschmückte Braut für einen Fotografen posiert. Etwas makaber: das „World Trade Center“, ein Hochhaus mit Zwillingstürmen. Unser Hotel „Zmax Fairway“ ist nagelneu und liegt zentral im Fort-Distrikt gegenüber vom alten Dutch Hospital, wo im Innenhof abends live eine Band spielt. Gut, dass ich im Hotel nicht mehr schlafen muss, weil mein Flug schon so früh am nächsten Morgen geht. Die Bässe der umliegenden Bars und Clubs wummern in mein Zimmer.

Am Nachmittag laufe ich mit meiner Mitreisenden Olivia zum örtlichen Strand, der winzig, aber dafür umso voller ist. Badebekleidung wird überbewertet: Die Menschen gehen einfach so ins Wasser – die Schulkinder mit ihren strahlend weißen Uniformen, die Lehrerinnen mit eleganten Saris, eine Muslima im schwarzen Gewand samt Schleier. Unterwegs werden wir immer wieder von Tuk-Tuk-Fahrern angesprochen, die trotz höflicher Ablehnung ihrer Dienste hartnäckig im Schritttempo neben uns herfahren, um unsere Meinung zu ändern. Auffällig gut gekleidete Herren machen erst etwas Smalltalk und erzählen dann von einem einmalig günstigen Sale („Nein danke, ich kaufe lieber teuer“), einer Ausstellung („Nein danke, ich hasse Kunst“) und einer Elefantenzeremonie („Nein danke, ich bin allergisch gegen Elefanten“). Ein Paar aus unserer Gruppe wird zum Geburtstag eines fünfjährigen Mädchens eingeladen. Wahrscheinlich findet all das im selben schäbigen Shop statt, den kein Tourist freiwillig betreten würde…

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Elefantös und affig

Auf Sri Lanka gibt es noch viele wilde Elefanten. Da die Insel dicht besiedelt ist, kommt es oft zu Konflikten mit Dorfbewohnern. In den letzten 15 Jahren hat das fast 2000 Elefanten und 836 Menschen das Leben gekostet. Am besten kann man die grauen Riesen in den Nationalparks beobachten: Im Minneriya NP sehen wir gleich zwei Herden. Auch im Udawalawe NP grasen direkt neben der Straße zwei Dickhäuter. Ein Elektrozaun hält sie von der Fahrbahn fern. Verwaiste oder verletzte Tiere werden im benachbarten Elephant Transit Home aufgezogen und später wieder ausgewildert. Bei dem kleinen Elefanten, der eine Beinprothese trägt, ist das allerdings nicht möglich. Um 12.00 Uhr kriegen alle ihr Futter. Erst Milch, dann Blätter. Sie kommen mit wippenden Ohren angerannt (s. Film). Einige nehmen nachher noch ein Bad, obwohl es ohnehin wie aus Kannen schüttet. Das Zentrum wird von der Regierung geleitet. Dazu gehört ein Museum mit interessanten Elefantenfakten wie: „Babys trinken bis zu 11,4 Liter Milch täglich und lutschen an ihren Rüsseln wie Menschenkinder am Daumen.“

Allgegenwärtig sind Affen verschiedener Arten, von denen die meisten ziemlich seltsame Frisuren haben. Denen ist nichts heilig: weder die archäologischen Stätten, noch die Tempel. In Dambulla beispielsweise hat man zur Abschreckung das obere Ende des Zauns unter Strom gesetzt. Also quetschen sie sich durch die quadratischen Maschen darunter und schaffen es sogar in einen verschlossenen Papierkorb. Einige Exemplare trinken aus einem Wasserhahn. Sie können ihn auf- und zudrehen. In Kandy lauern die Biester im ehemaligen königlichen Garten, dem Udawattakele Royal Forest Park, schon am Eingang auf Touristen. In den Hotels warnen Schilder vor ihren Langfingern. In Mirissa taucht die Affenbande morgens auf dem riesigen Balkon auf (s. Film). Ich kann gerade noch die Tür schließen, da hat der Erste schon die Pfoten an der Scheibe.

Das Nationaltier von Sri Lanka ist allerdings weder ein Elefant, noch ein Affe, sondern das Riesenhörnchen. Daneben sehe ich viele gestreifte Palmenhörnchen. Eins trinkt in einem Tempel respektlos aus einer Opferschale. In Polonnaruwa beobachte ich im Hotelpool erstmals einen schwimmenden Gecko. Die Klebefüßchen tragen ihn über das Wasser und der Schwanz rudert.

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Ayurveda und Curry

Bei reichen Städtern ist es heute ein Statussymbol, bei Krankheiten in eine Privatklinik zu gehen. Unser Guide Kasun jedoch sucht lieber einen Ayurveda-Arzt auf. Es gibt drei Elemente im Körper, erklärt Kasun. Geraten die aus dem Gleichgewicht, wird man krank. Ziel ist also, alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Erst gibt der Doktor ein Medikament, das die Krankheit verstärkt, dann eins, um sie zu kontrollieren, dann eins, um sie an der Wurzel auszurotten. Die traditionelle Medizin Sri Lankas ist keine Hexerei, sondern arbeitet vor allem mit Heilpflanzen. In einem Gewürzgarten erfahren wir etwas über die Einsatzmöglichkeiten von Zimt, Sandelholz, Muskatnuss, Aloe Vera & Co.

Zum Glück dienen die Gewürze nicht nur als Heilmittel, sondern peppen auch das Essen auf. In Bandarawela zeigt uns eine Frau in einem Privathaus, wie sie kocht. Zuerst setzt sie braunen Reis auf und segnet ihn. Die Singhalesen haben großen Respekt vor den Nahrungsmitteln, deshalb findet man in Sri Lanka auch kein Street Food. Schließlich bereitet die Herrin des Hauses verschiedene Currys zu: Huhn, Fisch, Kartoffeln, Aubergine und zwei Gemüsesorten, die ich noch nie gesehen habe. Alle Zutaten sind frisch. Sogar die Kokosmilch stammt nicht aus der Dose, sondern wird mühsam einer Kokosnuss abgerungen: Wir helfen dabei, das weiße Fruchtfleisch von der Schale zu raspeln und auszupressen. Die Flocken werden mit Chili zu Sombol verarbeitet. Bei den Currys kommt (anders als bei der Koch-Demonstration auf Borneo) keine fertige Paste zum Einsatz, sondern zig verschiedene Gewürze werden jeweils zusammengemischt. Immer mit dabei sind etwas Tamarind, das Bakterien abtötet, und Curryblätter. Es duftet fantastisch. Auch in den Restaurants essen wir oft ebenso günstig wie gut. Mein Lieblingsgericht heißt „Chop Chop“ (manchmal „Kottu“ genannt). Es besteht aus kleingehackten Roti-Fladen, Gemüse und Ei. Die Zubereitung ist, wie der Name schon andeutet, ohrenbetäubend. Üblicherweise essen die Einheimischen mit den Fingern der linken Hand. Dabei darf der Reis nicht über die mittleren Gelenke kommen, lernen schon die Kinder. Das Essen ist oft nur lauwarm. Klar: Keiner will sich die Finger verbrennen.

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Bahn, Bus und TukTuks

Den größten Teil der Strecke reisen wir in einem privaten Minibus. Zwei Teilstücke allerdings legen wir mit dem Zug zurück. „Bereits im Jahr 1867 fauchten die ersten Dampfrosse von Colombo ins Hochland (…). Noch heute lässt die Trasse die Herzen aller Eisenbahnfans höher schlagen“, schwärmt mein Merian-Reiseführer. Wir fahren in sechs Stunden von Kandy nach Bandarawela. Zunächst gehts durch Ortschaften, dann windet sich die eingleisige Strecke durch Teeplantagen und Bergregenwald. Die gefederten Waggons schaukeln sanft hin und her. Es regnet leicht. Die Türen lassen sich während der Fahrt problemlos öffnen. Überall gucken Fahrgäste heraus. Kaum weniger berühmt ist die Bahnstrecke von Galle nach Colombo, die z.T. direkt am Meer entlangführt. Leute im Gleis? Das ist hier kein Thema: An einigen Stellen benutzen die Anwohner einen Abwasserkanal neben dem Gleis als Bürgersteig. Diesmal sind die Waggons ziemlich alt. Die Klimaanlage besteht aus einer Batterie Ventilatoren an der Decke, die nicht funktionieren. Dafür sind die Fenster offen. Der Zug hat in der Regel eine halbe Stunde Verspätung. An diesem Tag ist er pünktlich. So ist müssen wir auf unseren Minibus warten.

Ein Erlebnis sind auch unsere beiden Fahrten mit Linienbussen von Anaradhapura nach Polonnaruwa und von dort weiter nach Dambulla. Der erste Bus hat Spitzendeckchen mit Plastiküberzug auf den Sitzen, im Hintergrund läuft ein Radiosender mit bollywoodartiger Musik. Außerhalb der Städte dreht der Fahrer richtig auf und scheucht alle anderen mit der Hupe vor sich her. Kurven nimmt er so sportlich, dass wir fast von den sehr schmalen Sitzen rutschen. Der zweite Bus hat keine Spitzendeckchen, aber dafür ein noch kräftigeres Soundsystem, das locker den ratternden Motor übertönt.

Wer den Hauch des Todes spüren möchte, sollte in ein TukTuk steigen. In Kandy bringen drei der Höllenmaschinen die Gruppe vom Abendessen zurück ins Hotel, das oben am Berg liegt. Dabei liefern sich die Fahrer ein Wettrennen. In Colombo gibt unser Chauffeur auf dem Rückweg vom Restaurant trotz des irren Verkehrs Vollgas und nagelt zentimetergenau an den anderen TukTuks vorbei.

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HOME, SWEET HOME

LESOTHO 🇱🇸 

Reiseroute 2016

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – SWASILAND 🇸🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – MOSAMBIK 🇲🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – Mafika-LisiuSÜDAFRIKA 🇿🇦 – MalealeaSÜDAFRIKA 🇿🇦 

Über die Berge durch
die Tore zum Paradies

Bevor wir zwei Nächte in Malealea verbringen, machen wir von den südafrikanischen Drakensbergen aus einen Tagesausflug in den äußersten Norden Lesothos, wo die Bergkette Maloti heißt. Dafür müssen wir über den ca. 2200 Meter hohen Monantsa Pass. Die schmale, gewundene Straße wird gerade erweitert. Der Fahrer rumpelt über halbverlegtes Pflaster zwischen den Bauarbeitern hindurch. Sie tragen Decken um die Schultern. Es schneit! Die Grenzstation ist winzig und besteht nur aus einem Container. Dahinter liegt das Dorf Mafika-Lisiu, das etwa 1000 Einwohner hat. Ähnlich wie im Zululand stehen auch hier viele traditionelle Rundhütten für Zeremonien mit den Geistern der Ahnen. Der stellvertretende Direktor der Grundschule begrüßt uns und erklärt, dass diese Bildungseinrichtung von der Gemeinde organisiert wird und kostenlos ist. Später hingegen müssen die Kinder zwei Stunden zur Highschool laufen. Das kostet Geld, was sich weniger als 45 Prozent der Bewohner leisten können. Erst wenn es ein Kind ins Collage schafft, gibts Unterstützung von der Regierung. Die Macht in Lesotho hat übrigens der Premierminister. Es gibt auch einen König der aber nichts zu sagen hat.

Zuerst klettern wir einen Hang hinauf zu einer Höhle mit Malereien der San, der Ureinwohner Afrikas, deren Zeichnungen ich bereits in Namibia gesehen habe. Wieder unten im Dorf halten wir an einem Haus, das eine weiße Fahne herausgehängt hat. Das heißt nicht etwa, dass die Bewohner kapitulieren: Sie haben Bier aus Maismehl hergestellt. „Noa“ heißt „Prost“ auf Sesotho, der Nationalsprache. Das Gebräu ist etwas säuerlich, aber man gewöhnt sich daran. Dann kommen wir an der winzigen Polizeidienststelle vorbei. „Gibt es hier viele Verbrechen“, frage ich. „Oh ja“, antwortet der Guide. Hier werden Marihuana („Mountain Cabbage“), Ziegen und Schafe nach Südafrika geschmuggelt.

Anschließend besuchen wir einen traditionellen Heiler. Er erzählt uns, dass seine Ausbildung ein Jahr gedauert hat. Zum Schluss wurde eine Ziege geschlachtet, deren Blut er er aus der Kehle getrunken hat, während sie noch lebte. Er ist ein Sangoma, sagt auch die Zukunft voraus. Aber nicht sehr spezifisch. Tiere heilt er nicht, denn im Gegensatz zu Menschen hätten sie keine Ahnen. Er betreibt auch keine Hexerei. Denn wenn er Menschen Schaden zufügte, würden die Vorfahren ihn bestrafen. Wenn der Sangoma etwas nicht heilen kann (z. B. Diabetes, Aids, Krebs), schickt er die Patienten weiter zu einem westlichen Arzt. Am letzten Stop lernen wir das typische Essen kennen: Morgens, mittags und abends gibt es Pap (Maisbrei). Wir bekommen eine Probe mit spinatartigem Gemüse. Vor dem Haus flämmt eine Frau gerade die Haare von einem Ziegenkopf ab. Eigentlich gibt es Fleisch nur zu besonderen Gelegenheiten, aber ein Schakal hatte das Tier getötet.

 

 

Auf der Rückfahrt nach Südafrika überqueren wir wieder die Grenze und bekommen noch zwei Stempel in den Pass. Am nächsten Morgen umrunden wir Lesotho und durchqueren eine dramatisch schöne Landschaft mit grasbewachsenen Hochebenen, Staudämmen und einem Blick auf die Berge, aus denen Nebel aufsteigt. Wir fahren durch den Golden Gate Nationalpark. Am Straßenrand tummeln sich Paviane. Die rötlichen Berge erinnern etwas an Arizona. In Ladybrand kaufen wir nochmal ein, bevor wir von Westen in Maseru Bridge wieder nach Lesotho einreisen. Der Grenzübergang ist erheblich größer, als der vom Vortag. Schließlich ist Maseru die Hauptstadt. Dann holpern wie über den 2001 Meter hohen Gates of Paradise Pass bis nach Malealea, wo wir in der gleichnamigen Lodge übernachten. Angesichts der Straßenverhältnisse fragt man sich, wie wohl der in der Nähe gelegene God Help Me Pass aussieht.

Eine traumhafte Wanderung

Die Malealea Lodge hat einen herrlichen Garten, in dem u.a. eine Pfauenfamilie herumspaziert. Gegründet wurde sie von Südafrikanern aus Bloemfontain, die sie inzwischen in der dritten Generation führen. Das umgebende Dorf wird mit einbezogen. Jeden Abend treten Bands und Chöre aus der Umgebung auf. Einheimische Guides veranstalten Village Walks und Wanderungen. Mit zwei Mitreisenden nehme ich das Angebot an und ziehe mit Emmanuel los. Kurz nach neun Uhr brechen wir auf. Unterwegs begegnen uns immer wieder Hirten mit Ziegen, Schafen und Kühen. Die meisten tragen die traditionellen Decken oder zumindest Wollmützen. Dabei hatte das Wetter endlich ein Einsehen: Strahlend blauer Himmel, die Sonne scheint angenehm warm. Nur wo der Wind hinkommt, ist es etwas kühler. Überall blühen die Wildblumen. Erst geht es über eine ca. 1800 Meter gelegene Hochebene, dann 120 Meter tief hinunter in die Pitseng Gorge. Durch die Schlucht laufen wir zu Felsenpools. Das Wasser ist eisig. Trotzdem hüpfen wir drei Wanderer ganz kurz hinein und machen ein Selfie.

Anschließend kraxeln wir steil bergauf aus der Schlucht heraus über eine Hochebene zu weiteren Felszeichnungen der San, zu denen man wieder herabklettern muss. Die Malereien sind meist ziemlich niedrig angebracht, weil die Buschmänner so klein waren. Sie sind ziemlich verblasst. Es gibt drei, von denen die dritte schwer zugänglich ist. Die anderen beiden sind ca. 800 und 900 Jahre alt, wobei die Zeichentechnik 27.000 Jahre zurückgeht. Dargestellt werden vor allem Tiere, aber auch Tänzer und Jäger. Besonders fällt eine Figur auf, deren Penis mit einem Balken bedeckt ist. Das bezog sich wohl darauf, dass es einem neuem Jäger nicht erlaubt war, dem ersten Tier, das er mit einem vergifteten Pfeil getroffen hatte, zu folgen. Während die anderen dem Tier auf der Spur blieben und auf seinen Tod warteten, musste er im Camp bleiben. Da die Buschmänner an eine besondere Beziehung zwischen dem neuen Jäger und seiner ersten Beute glaubten, durfte er nicht urinieren – das Tier hätte dasselbe getan und das Gift aus dem Körper gespült. Kurz vor den Felszeichnungen erleben wir eine Überraschung: Ein Chor aus 36 Kindern singt in einer Höhle für die Besucher. Sie stammen aus den umliegenden Dörfern und haben gerade Schulferien.

 

 

In einem Bogen geht es leicht bergauf zurück zum Dorf Makhomalong, das wir am Ende der Wanderung besichtigen. Es ist eins von 14 Dörfern, die zur Region Malealea gehören, und hat ca. 800 Einwohner. Am Rand liegt der Friedhof. In Lesotho werden die Toten nicht verbrannt, sondern begraben. Auf vielen Gräbern sind Kreuze, denn die meisten Bewohner sind Christen. Einige sind richtig alt geworden. „Wir haben auch eine 95-jährige Frau im Dorf“, sagt Emmanuel. Anschließend kommen wir am Haus des „Chiefs“ vorbei. Das Dorfoberhaupt wacht u. a. über das freie Land, das keinem gehört. Will jemand darauf ein Häuschen bauen, kann er es sich zuteilen lassen. Außerdem kümmert sich der Chief um die Ärmsten der Armen und gibt ihnen zu essen. In dieses Amt wird man nicht gewählt, es wird vererbt. Zurzeit hat es eine Frau inne, die die Stellung für ihren Sohn hält. Der kann erst Chief werden, wenn er 30 Jahre alt ist. Weiter gehts zum „Craftcenter“, einem kleinen Shop mit Kunsthandwerk und Souvenirs, die von Aidswaisen (Lesotho hat nach Swasiland die zweithöchste HIV-Rate der Welt) gefertigt wurden.

Viele Häuser haben stachelige Agaven und Kakteen als Zäune. Die Agaven liefern gleichzeitig Hautcreme und Medizin, die Kakteen essbare Früchte. Zum Abschluss betreten wir eine Hütte, vor der eine gelbe Flagge weht. Weiß bedeutet „Hier gibts Bier aus Maismehl“ und Rot weist auf Lebensmittel hin – das wissen wir ja schon von unserem Besuch in Mafika-Lisiu. Aber Gelb? Wir landen in einem „Pub“, das zweiprozentiges Hopfenbier verkauft. Wenn das selbstgebraute Gesöff alle ist, wird die Flagge umgelegt. Kurz nach 17 Uhr sind wir wieder in der Lodge. Meine Health App auf dem Handy zeigt für diesen Tag 24.984 Schritte an. Erstmal ein Savanna (bester Cider der Welt), dann eine Dusche!

 

 

Am nächsten Tag verlassen wir Lesotho durch den Grenzübergang Van Rooyens Gate und nehmen Kurs auf die Wild Coast. „Go in peace“, verabschiedet uns ein Schild aus dem Königreich.

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MOSAMBIK 🇲🇿 

Reiseroute 2016

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – SWASILAND 🇸🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – Ponta Malongane – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – LESOTHO 🇱🇸 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 

Kalter Regen –
Sylt lässt grüßen

Von Swasiland fahren wir ein kurzes Stück durch Südafrika zur Grenze nach Mosambik. Das letzte Stück zum Campingplatz in Ponta Malogane müssen wir mit Vierradantrieb zurücklegen, weil die „Straße“ durch tiefen Sand führt. Der Fahrer legt in dem offenen Jeep ein erstaunliches Tempo vor.

Der Campingplatz befindet sich direkt am Meer und ist dicht mit Bäumen bewachsen. Die streunenden Hunde am Strand schließen sich uns an. Einer schläft später im Kreis der Zelte. Abends gehen wir im nahen Dorf essen. Das Restaurant „Amigo’s“ ist gut und zum Glück teilweise überdacht. Kaum haben wir bestellt, bricht ein Gewitter los. Der Besitzer hört einen Mitreisenden und mich deutsch miteinander reden und spricht uns an. Er stammt aus Südafrika und hat deutsche Eltern. Nachher gehen wir nebenan in die Bar „The Drunken Clam“.

Endlich haben wir einen ganzen Tag zur Verfügung und müssen nicht frühmorgens wieder die Zelte abbrechen. Leider macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Es ist kühl und bewölkt. Wenigstens hat der Regen vom Vortag aufgehört. Trotzdem findet sich niemand, der außer mir mit dem Boot zur Walbeobachtung und zum Schwimmen mit Delfinen herausfahren will. Dabei hatte ich mich so darauf gefreut! Notgedrungen schnorchele ich direkt vom Strand aus an ein paar Steinen. Ein riesiger Papageifisch zeigt sich, dann bin ich mitten in einem Schwarm schlanker silberner Fische. Das Wasser ist mit 23 Grad etwas kühler als erwartet, jedoch durchaus noch erträglich. Anschließend setze ich mich warm verpackt an den Strand. Erst am Nachmittag reißt die Wolkendecke etwas auf. Es fühlt sich mehr nach Sylt an, als nach Subtropen.

 

 

Am nächsten Morgen gehts zurück über die Sandpiste Richtung Südafrika. Der Fahrer will offenbar die Zeit unterbieten, die sein Kollege auf der Hinfahrt geschafft hat, scheitert aber. Wieder warten an einem Feld zwei Hunde, die uns bellend begleiten. An der Grenze ist diesmal eine lange Schlange. Andere Leute haben wohl auch genug vom miesen Wetter. Wenn ich bedenke, dass ich für den Mini-Aufenthalt in Mosambik im Vorfeld ein Visum beantragen und meinen Pass nach Berlin schicken musste, denke ich: „Das war viel Aufwand für sehr wenig.“

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