SWASILAND 🇸🇿 

Reiseroute 2016

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – Hlane NationalparkSÜDAFRIKA 🇿🇦 – MOSAMBIK 🇲🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – LESOTHO 🇱🇸 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 

13 Königinnen bringen kein Unglück

In Mananga überqueren wir die Grenze nach Swasiland. Der kleine Binnenstaat hat nur knapp 1,5 Millionen Einwohner. Er liegt zwischen Südafrika und Mosambik und ist eine der letzten absoluten Monarchien auf der Welt. Natürlich hängt das Bild von König Mswati III. im Büro des Grenzübergangs an der Wand, ebenso wie das seiner Mutter. Zur Zeit gibt es 13 Königinnen. Immer wieder heiratet der Herrscher weitere Frauen, die er auf einem Tanzfestival auswählt. Am Eingang der Immigration steht eine Box mit kostenlosen Kondomen: „Love safely“. Es geht sehr entspannt zu. Das Personal scherzt und zieht handgeschriebene Zettel mit Fremdsprachen zu Rate. „Guten Tag“, begrüßt mich der Beamte, der ohne viel Aufhebens meinen Pass stempelt. Im Gegenzug lerne ich gleich etwas siSwati: “nitumanga“ (ich liebe dich).

„Wenn ich sage rennt,
dann rennt“

Die Fahrt geht zunächst durch sanfte Hügel zwischen saftig grünen Feldern hindurch. Sieht nicht übermäßig exotisch aus. Zum Hlane Nationalpark hin wird es trockener. Dort liegt unser Campingplatz „Ndlovu“ (Elefant). Am Eingang sind Schlingen ausgestellt, mit denen Bewohner der umgebenden Dörfer verbotenerweise wildern wollten. Als wir Mittags ankommen, ist es sehr heiß. Schatten gibt es kaum, weil die kleinen Bäume nur wenige Blätter haben. Hinter dem Restaurant befindet sich ein Wasserloch, das lediglich mit einer Doppelreihe Stacheldraht abgetrennt ist. Ob das im Ernstfall ein unhappy Hippo abhält? Antilopen können ohnehin hindurchschlüpfen.

Direkt vom Campingplatz starten einige von uns mit zwei Rangern zu einem Bushwalk. Zuvor müssen wir eine Erklärung unterschreiben, dass wir keinen verklagen, wenn wir vom Löwen gefressen oder vom Elefanten plattgemacht werden. Außerdem bekommen wir Tipps für die Begegnung mit Raubkatzen: Einem Löwen nie den Rücken zudrehen und direkt in die Augen schauen. Einem Leoparden hingegen nie in die Augen schauen. „Und wenn ich sage rennt, dann rennt und macht nicht erst Fotos“, sagt Ranger Mavela. Später erzählt er uns von der Geschichte Swasilands, das seine Unabhängigkeit 1968 durch Verhandlungen gewann: „Wir kämpfen nicht gern.“

Es gibt wegen der Elefanten im Park viele tote Bäume. Dazwischen grasen Impalas mit schwarzen Streifen am Hintern, die ein „M“ formen. „Mac Donald’s für Löwen“, meint Mavela. Die „Big Five“ sehen wir aus unserem Spaziergang nicht, dafür u.a. einen rückwärts laufenden Käfer, der Ameisen fängt und stirbt, wenn er sich paart. Es ist ein „antlion“ , einer der „Small Five“. Die anderen sind „buffalo weaver“, „leopard tortoise“, „elephant screw“ und „rhino beetle“. Daneben gibt es noch die „Ugly Five“: Marabu, Gnu, Hyäne, Geier und Warzenschwein. Mavela würde allerdings lieber statt der Gnus lieber Paviane in die Liste aufnehmen.

Abends tanzt das Personal für die Gäste des Campingplatzes, begleitet von vielstimmigem Gesang und drei Trommeln. Am Ende werden wir aufgefordert, mitzutanzen. Der Grundschritt ist einfach: eins, zwei, linkes Bein hochwerfen, eins, zwei, rechtes Bein hochwerfen. Aber in dem lockeren Staub ist das anstrengend. Ich frage meine Nachbarin, wovon das Lied handelt: „Bend the Pig“, antwortet sie. Unser Fahrer Gordon ergänzt, dass es um ein Warzenschwein am Spieß geht, das gedreht werden muss. Ein anderer Song heißt „Ich vermisse meine Mutter“.

Die Nacht ist unruhig: Erst ist mir heiß, dann kalt, dann wieder heiß. Verdächtig nah brüllen Löwen. Dann muss ich auf die Toilette und checke das Wasserloch. Nichts. Ohnehin klingelt mein Wecker um 5:30 Uhr. Bereits um 5:07 weckt mich ein Donnerschlag, dem ein heftiges Gewitter folgt.

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HOME, SWEET HOME

PANAMA 🇵🇦 

Reiseroute 2016

KUBA 🇨🇺 – COSTA RICA 🇨🇷 – Isla BastimentosBoqueteSanta CatalinaPanama City

Oh wie schön ist Panama!

Janosch hat Recht: Panama ist wirklich schön! Wie Costa Rica bietet das relativ kleine Land die Küsten zweier Ozeane mit Hochland dazwischen. Touristisch ist es noch nicht so erschlossen und sehr ursprünglich. Von Puerto Viejo de Talamanca in Costa Rica fahren wir mit einem Minivan durch endlose Bananenplantagen (Chiquita, vormals United Fruit Company) weiter an der Karibikküste entlang nach Sixaola an der Grenze zu Panama, die von einem Fluss gebildet wird. Zu Fuß gehts über eine Brücke nach Guabito. Dort wartet ein anderer Van, der uns nach Almirante bringt. Mit einer Fähre setzen wir zur Isla Bastimentos im Bocas del Toro Archipel über. Das Boot legt direkt an der Veranda unseres Hotels „Carribean View“ an. Der Hauptort der Insel (3000 Einwohner) ist übersichtlich. Es gibt nur eine Straße, keine Autos, nicht einmal Fahrräder. Zu den meisten Stränden kommt man nur per Boot.

So erkunde ich den Achipel vom Wasser aus. Am ersten Abend machen wir einen Abstecher nach Bocas Town auf der benachbarten Hauptinsel. Dort befindet sich auch der postkartenmäßige Starfish Beach, der seinem Namen alle Ehre macht. Überall liegen große orangene und gelbe Seesterne im Sand. Die Delphine in der Dolphin Bay zeigen sich leider nur kurz. Wunderschön sind die Isla Zapatilla Norte im Nationalpark östlich der Isla Bastimentos und der Felsen Bird Island nördlich der Hauptinsel, wo Weißbauchtölpel, Rotschnabel-Tropikvögel, Prachtfregattvögel und Braunpelikane leben. Eine besondere Vogelbegegnung haben wir in einem Hotel am Ostende der Isla Bastimentos. Am Ende des Steges hocken zwei rote Aras am Weg, die miteinander schmusen. Dann hüpfen sie hinter eine kleine Hütte und gucken neugierig um die Ecke. Als eine Mitreisende einen Schritt auf die Papageien zugeht, um ein Foto zu machen, schnellt einer hervor und hackt ihr ohne Vorwarnung in den Fuß. Kurz darauf greift er einen Mann an, der an ihm vorbeilaufen will. Später erfahren wir, dass er als gefiederter Wachhund berühmt-berüchtigt ist. Ein echtes Übel-Geflügel! Direkt bei dem Hotel kann man in den Mangroven schnorcheln. In der Nähe befindet sich ein Unterwasser-Garten mit einer unglaublich bunten Vielfalt an Korallen.

Weiter gehts von Almirante aus mit einem Minibus Richtung Süden. Die kurvige Straße windet sich in die Berge, ein Faultier kriecht über die Fahrbahn. Der Kühler des ältlichen Wagens beginnt zu kochen. Nach einer Verschnaufpause schafft er es doch noch über den Pass. In der Kleinstadt Boquete müssen wir in einen Jeep umsteigen, der uns zum „Tree Trek Mountain Resort“ bringt, das auf knapp 1700 Metern Höhe in einer Kaffeplantage liegt. Im Garten umschwirren winzige Kolibris riesige Blüten. Erst bekomme ich ein Zimmer mit Blick auf den Parkplatz. Enttäuscht frage ich in der Rezeption, ob ich nicht wie die anderen eins auf der anderen Seite mit Blick auf die Berge bekommen kann. Das ist nicht verfügbar, dafür bekomme ich eine Hütte namens „Geisha“ (eine Kaffeesorte) ganz für mich allein. Jackpot! Es ist ein Traum mit Terrasse und Fernblick. Nach Tagen brauche ich erstmals wieder mein Fleeceshirt und eine Wolldecke. Ich messe nach: „nur“ noch 25 Grad. Im Gemeinschaftsraum brennt ein Kaminfeuer. Die Bar bietet statt „Sex on the Beach“ einen „Sex on the Tree“ an. Denn direkt vom Resort aus kann man Ziplinig machen. Ein Jeep fährt uns die Straße weiter hoch zum Start. Über zwölf Seile gehts durch den Nebelwald runter, bis man wieder direkt im Resort ankommt.

Bei der Abfahrt sitzt am Haupteingang eine Motte, die so groß wie meine Hand ist. Ihre Flügel wackeln im Wind, Es sieht fast so aus, als würde sie uns hinterherwinken. Wieder steigen wir in Boquete in einen Minivan um. Bei einem Abstecher in den Supermarkt will ich für abends eine kleine Flasche Wein und eine Einmalportion Pringles erstehen. Die Verkäuferin zeigt auf den Wein und sagt etwas, von dem ich nur „diez“ und „liquor“ verstehe. Muss man mindestens zehn sein, um hier Alkohol zu kaufen? Will sie meinen Ausweis sehen? Ein Kollege kommt hinzu und übersetzt, dass man vor zehn Uhr morgens keinen Alkohol bekommen kann. Blick auf die Uhr: zehn vor zehn. Also nur die Pringles. Der australische Mitreisende hinter mir muss sein Bier stehenlassen. Unser Guide Vin erklärt uns, dass der Supermarkt erzkonservativen Evangelikalen gehört. Ohnehin gibt es in Panama schräge Sitten. Am Nationalfeiertag, der drei Tage dauert, wird gar kein Alkohol verkauft, was er auch nicht wusste – „war eine trockene Angelegenheit“. Vin stammt aus Guatemala und kennt lustigerweise Juan, den Guide der mich 2011 durch Yucatan gelotst hat.

Auf dem Weg nach Südosten wird die Gegend trockener. Auf sonnenverbrannten Grasflächen stehen viele Rinder. Schließlich erreichen wir das Örtchen Santa Catalina an der Pazifikküste. Wir kommen in den „Cabanas Sherrley“ unter, einer kleinen Herberge in der Nähe der felsigen Punta Brava zwischen den Stränden El Estero (extrem feiner, schwarzer Sand) und der etwas helleren Playa Santa Catalina. Die Zimmer haben nicht verschiedene Nummern, sondern verschiedene Farben. Wir sind zu dritt in pink. Höhepunkt hier ist ein Tagesausflug zum Nationalpark Coiba, einem Archipel vor der Küste. Den ersten Stop legen wir an der Isla Granito de Oro ein, die aus zwei kleinen Felsen mit weißem Sandstrand besteht. Wir schnorcheln rundherum. Atemberaubend: Ich sehe erst zwei einzelne Adlerrochen, dann ziehen vier auf einmal hintereinander an mir vorbei. Außerdem große gelbschwarz gestreifte Wimpelfische, zwei verschiedene Arten von Kofferfischen (mit ihren Glubschaugen meine heimlichen Lieblinge) und Massen anderer Fische. Beim zweiten Schnorchelstop vor der Isla Ranchería entdeckte ich auch die dritte, leuchtend gelbe Art von Kofferfischen. Die Insel selbst hat einen unfassbar schönen Strand voller Kokospalmen, hinter dem eine kleine Lagune liegt. Dorthin führt eine Schleifspur durch den Sand, neben der riesige Fußabdrücke sind. „Ein vier Meter langes Krokodil“, erklärt einer der Guides.

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Den Kanal voll

Die Panamericana bringt uns schließlich in die Hauptstadt, die viel schöner ist, als erwartet. Unterwegs machen wir einen Abstecher zu den „Miraflores Locks“. Bei den Schleusen auf der Pazifikseite des berühmten Kanals befindet sich ein Museum mit Aussichtsterrasse. Wir sehen gerade noch, wie ein Frachtschiff, das rechts und links nur ein paar Zentimeter Platz hat, sich herauswindet. Ich stelle mir vor, wie es sich für Weltumsegler anfühlen muss, mitgeschleust zu werden. Nebenan entstehen neue Schleusen für ganz große Pötte, die eigentlich im Januar eingeweiht werden sollten. Streiks haben das verhindert. Jetzt sollen sie im Mai eröffnet werden… Der bisherige Kanal ist zwischen 1903 und 1914 von 45.000 Menschen gebaut worden. Die Erweiterung ist die derzeit größte Baustelle der Welt.

Perfektes Timing: Wir erreichen Panama City am Karnevalssamstag. Das Treiben hier ist ebenso bunt wie in Rio. Die größte Party im Land steigt an der für den Verkehr gesperrten Strandpromenade. Gerade formiert sich eine der vielen Paraden – Karnevalsköniginnen mit prächtigem Kopfschmuck, schwarze und rote Teufel (traditionelle mythische Figuren), Mauren, Ägypter und ein Hulk laufen vorbei. Als ich am Sonntagmorgen zurückkehre, ist die Party schon wieder voll im Gang. Wummernde Bässe überall. Noch sind mehr Polizisten als Leute auf dem Gelände. Jeder wird vor dem Betreten des Geländes gründlich durchsucht. Wasserpistolen allerdings dürfen mitgebracht werden. Zudem stehen trotz anhaltender Dürre Wasserwerfer bereit – um die Feiernden bei 35 Grad abzukühlen. Vor den Bühnen regnet es in Strömen. Und statt Bonbons fliegen leere Trinkflaschen in die Menge. Es schneit Schaum auf einen Mann mit Santa Hat. Bizarr!

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HOME, SWEET HOME

PORTUGAL 🇵🇹 

Definitiv einen Blick wert: Lissabon

Bei meiner Reise nach Marokko im Herbst 2015 steige ich jeweils in Lissabon um. Auf dem Hinflug habe ich gut zwei Stunden Aufenthalt. Das reicht nur für einen Caipi und eins von diesen leckeren portugiesischen Vanilletörtchen („Nata“). Von oben sieht die Stadt gut aus, auch wenn es gerade regnet. Auf dem Rückweg habe ich mehr Zeit und nutze sie: Vom Flughafen fährt ein Bus für 3,50 Euro direkt ins Zentrum. Nach knapp 30 Minuten stehe ich auf dem Rossio. Von diesem Platz laufe ich zur Küste, wo sich die Parlamentsgebäude befinden. Obwohl es fast Mitte November ist, herrscht wunderschönes Spätsommerwetter. Ich bin nicht die Einzige, die auf der Mauer am Ministrand die Sonne genießt.

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Das Hoch im Atlantik: Azoren

Sao Miguel Nordwesten

Anfang Juni 2018 zieht es mich in die allerwestlichste Ecke Europas. Ich besuche drei der neun Inseln, die einsam und allein ca. 1500 Kilometer vor der Küste Portugals mitten im Atlantik liegen: São Miguel, Pico und Faial. Zwar ensteht das Azorenhoch in der Nähe des Archipels. Das bedeutet aber nicht, dass dort immer schönes Wetter ist. Man kann alle Jahreszeiten an einem Tag erleben. Es wird nie ganz kalt (auch im Winter nicht unter 16 Grad) und nie ganz heiß (auch im Sommer nicht über 24 Grad). Mit Regen muss man immer rechnen. Nach zwei Wochen ungewöhnlich warmen Wetters in Hamburg (im Mai!) bin ich verwöhnt. Während ich meist dick eingemummelt in den Urlaub fliege und mich dann vor Ort erleichtere, ist es diesmal eher umgekehrt. Schon beim Umsteigen in Lissabon bläst ein unangenehm kühler Wind. Entgegen der Erwartungen empfangen mich die Azoren zunächst mit strahlendem Sonnenschein.

Die Inseln sind unglaublich grün. Überall stehen auf den Hügeln glückliche Kühe, die keinen Stall kennen, und für Fleisch, Milch und Käse sorgen. Auf dem Markt stapeln sich Berge von Ananas, riesige Tomaten und dicke Kartoffeln. Entweder ernten hier die dümmsten Bauern, oder es liegt einfach am guten Boden und dem Klima, das (fast) alles wachsen lässt. An Fisch herrscht natürlich ebenfalls kein Mangel. Dementsprechend vielseitig und fantastisch ist das Essen.

Ebenfalls fantastisch sind die Menschen. Das merke ich noch einmal, als ich zum Flughafen muss. Am nächsten Tag ist Nationalfeiertag, der Präsident besucht Ponta Delgada und die Innenstadt ist schon gesperrt. So kommt das bestellte Taxi im Verkehrschaos nicht zum zentral gelegenen Hotel Camoes durch. Ich irre mit meinem Gepäck Richtung Hafen, wo ich eine Gruppe Polizisten und Offizielle sehe. Als ich verzweifelt frage, was ich tun soll, erbarmt sich einer der Polizisten und fährt mich mit einem Kollegen im Streifenwagen hin.

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SĂO MIGUEL: Unterirdisches Essen und Kraterseen

Meine Rundreise startet und endet auf São Miguel im Osten des Archipels. 18.000 der 138.000 Einwohner leben an der Südküste im Hauptort Ponta Delgada. Von dort aus erkunden wir zuerst Furnas im Osten der Insel. Das Dorf liegt in einem Einsturzkrater, der mit Wasser gefüllt ist. Aus der Erde kommt Dampf. Überall sind Hügel mit Namensschildern. Es ist aber kein Friedhof. Hier wird unser Mittagessen, der berühmte Eintopf Cozido, gekocht. Morgens um sechs werden riesige Pötte mit Schweine-, Rindfleisch und Hühnchen, Blutwurst, Chorizo, Kartoffeln, Süßkartoffeln und Yamswurzeln, Möhren und Kohl und anderem Gemüse gefüllt. Dann wird das Ganze begraben und am Mittag wieder ausgebuddelt. Ein Problem, sagt unser Guide Nuno, sind die Portionen: „Sie sind sehr groß. Eher für Fischer, Bauern und Walfänger gemacht.“ Unsere fünfköpfige Touristengruppe schafft nicht einmal die Hälfte.

Nach dem Essen entspannen wir im Parque Terra Nostra, einem subtropischen Botanischen Garten mit Riesenfarnen, Blumen und Wasserläufen. Es gibt ein großes Badebecken und kleinere Whirlpools, die von einer Thermalquelle gespeist werden. Das 30 Grad warme Wasser ist gelb, weil schwefelhaltig. Nicht weit weg sind weitere, kochend heiße Caldeiras. Es riecht streng. Anschließend fahren wir zur Nordküste, wo sich die einzige Teeplantage Europas befindet. Sie stellen sowohl schwarzen und grünen Tee mit museumsreifen Maschinen her.

Bei einer Jeeptour durch den Westen der Insel halten wir an einem Aussichtspunkt. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf den Ort Sete Cidades, der an einem Kratersee liegt. Eine Brücke teilt das Gewässer in einen blauen und einen grünen Teil. Nuno gibt uns zunächst die romantische Erklärung für das Phänomen: Es waren einmal eine Prinzessin mit blauen Augen und ein Bauer mit grünen Augen. Beide weinten, weil sie nicht heiraten durften. Die wissenschaftlichtliche Version ist eher profan: Der eine Teil wirkt grün, weil er mehr Algen enthält und den umgebenden Wald reflektiert. Im blauen Teil spiegelt sich der Himmel. An dem Aussichtspunkt befindet sich die Ruine eines Luxushotels. Es lief nicht, weil auf 550 Metern Höhe häufig Nebel herrscht. Ein Stück weiter kann man in der anderen Richtung auf den Santiago Lake hinunterschauen. In Sete Cidades besichtigen wir die neogotische Kirche São Nicolau. Das Land gehört nach wie vor einer reichen Familie, die Häuser darauf den Leuten, was den Verkauf erschwert. Am blauen See befindet sich ein Überlauftunnel aus den 1930er-Jahren, durch den man zur Nordküste laufen kann (wenn man eine Taschenlampe hat). Daneben ist eine Picknickwiese, die Einheimischen schmeißen die Grills an.

Unser Mittagesessen hingegen ist ein traditionelles Buffet mit deftigen Spezialitäten wie Blutwurst mit Ananas (nicht so ganzen mein Fall). Anschließend gehts weiter zur Lagoa do Fogo, dem Feuersee in einem Krater. Das türkise Wasser und die weißen Strände wirken fast karibisch. In der Caldera Velha genieße ich erneut das Baden in Thermalpools. Letzte Station ist eine Ananasplantage. Die tropischen Gewächse werden in Treibhäusern gezogen. Um Früchte zu tragen, müssen die Pflanzen gestresst werden. Dazu wird Rauch ins Treibhaus geblasen. Nach zwei Jahren erhält man dann eine Ananas pro Pflanze.

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PICO: Wein und Meer

Von São Miguel fliegen wir frühmorgens zu den zentralen Azoren nach Pico, auf die Heimatinsel von Nuno. Die kleine Propellermaschine hätte mir fast den Urlaub verdorben. Sie war nämlich ausgebucht und die Einzige an diesem Tag. Zum Glück konnte ich über eine Warteliste nachrücken. In Pico fahren wir durch die Weinfelder, die zum Weltkulturerbe gehören. Sie sind von kleinen Mäuerchen aus Lavasteinen durchzogen. Das kam so: Zunächst versuchten die Menschen, Getreide anzubauen, aber das funktionierte nicht. Dann trugen sie die Lavaschicht ab und stellten fest: ideal für Reben! Doch wohin mit all den Steinen? Zunächst wurden die Grundstücksgrenzen mit Mauern markiert. Die restlichen Steine wurden als Schutz gegen Wind, Salz und Wetter um die Weinstöcke gelegt. So geschützt wird der Wein sehr süß und stark (16 bis 18 Prozent). Deswegen wird er wie Sherry als Aperitif oder Likörwein getrunken. In Madalena, Nunos Heimatort setzen wir mit der Fähre nach Faial über. Die See ist ziemlich rau. Im Hafen liegt das Wrack eines Schiffes, das im Januar von den Wellen auf die Felsen geworfen wurde. Zum Glück ist keiner ernsthaft verletzt worden.

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FAIAL: Treffpunkt der Weltumsegler

Ganz in Blau zeigt sich diese Insel. Überall sind Hortensien, sogar als Hecken zwischen den Feldern. Dementsprechend heißt der Hauptort Horta. Er ist sehr hübsch, mit einigen Jugendstilbauten. Unser Hotel Do Canal ist modern und zentral direkt an der Marina gelegen. Gleichzeitig ist es nur ein kurzer Weg nach Porto Pim, wo sich ein schöner Strand befindet. Auf einer Mauer aus Lavasteinen huschen Eidechsen umher. Darüber thront ein zauberhaftes Häuschen, das unbewohnt ist. Ich träume davon, wie es wäre Geld zu haben, das Häuschen zu kaufen und zu renovieren. Wie es aussähe, wenn es wieder strahlend weiß wäre. Mit zartlila Fensterläden. Oder roten. Und üppigen Blumen auf der Terrasse… Vom nahen Monte Queimado aus hat man einen tollen Blick zu beiden Seiten über die Bucht und die Marina.

Direkt an der Marina liegt auch die legendäre Seglerkneipe Peter Café Sport, die gerade den 100. Geburtstag feiert. Überall hängen von Atlantiküberquerern signierte Wimpel und Bilder an den Wänden. Im ersten Stock befindet sich das Scrimshaw Museum mit Schnitzereien aus Walzähnen und -knochen. Nicht nur das Essen lohnt sich hier (unser Menü: Fischsuppe, gegrillter Thunfisch mit Knoblauch und Schokoladenkuchen). Die Kneipe ist auch für ihren Gin Tonic mit selbst hergestelltem Gin berühmt. Während ich das legendäre Gesöff genieße, setzt sich eine Segelcrew aus Nordirland an meinen Tisch, die gerade mit der „Minnie B“ von den Bermudas herübergekommen ist. 14 Tage lang war das Ehepaar Norma und Phil mit einem Freund ununterbrochen auf See, immer in drei Stunden-Schichten am Steuer. In den vergangenen neun Jahren sind die beiden um die Welt gesegelt: Von Europa in die Karibik, durch den Panamakanal in die Südsee (französisch Polynesien war für sie das Schönste), über Neuseeland, rund ums Kap der guten Hoffnung, zu den Bahamas über die Bermudas bis nach Horta. Kap Hoorn und das Rote Meer haben sie vermieden. Phil hält sich einen Finger wie eine Pistole an den Kopf: „Wir sind die einfache Route gefahren.“

Und sie sind nicht allein. Die Hafenpromenade ist eine riesige Freiluft-Galerie. Um eine gute Reise zu haben, verewigen sich die Weltumsegler auf dem Beton an der Mole mit mehr oder weniger kunstvollen Gemälden. Die könnte ich stundenlang betrachten. Eines der Boote hieß „Unsinkable II“. Unwillkürlich frage ich mich, was wohl mit „Unsinkable I“ passiert ist. Sogar ein Rasender Hase hat schon angelegt: „Runaway Bunny“. Der Yachthafen wurde 1986 gegründet und hat 300 Liegeplätze. 2500 bis 3000 Schiffe machen pro Jahr hier Station. Damit ist die Marina die fünftbelebteste in der Welt.

An einem Tag zeigt sich das Wetter von seiner richtig ungemütlichen Seite – stürmischer Wind und immer wieder Regen. Wir ändern den Plan und machen statt Whale Watching erst einmal Bird Watching im Inselinneren, u. A. am Vulkan Capelinhos. Die Berge sind nebelverhangen, was der Landschaft einen unwirklichen Anstrich verleiht. Neben vertrauten Amseln, Rotkehlchen und Spatzen sehen wir Stieglitze, Mönchsgrasmücken, Kanarengirlitze und die kleinen, seltenen Wintergoldhähnchen.

Am nächsten Morgen ist es ruhiger, sodass wir mit einem Schlauchboot rausfahren können, um Seevögel zu beobachten. Im Hafen liegt ein Frachter. Er kommt einmal die Woche, um Lebensmittel zu bringen. Deshalb war der kleine Supermarkt am Tag zuvor so leer! Die Mole ist mit Tetrapoden (hier Hahnenfüße genannt) befestigt. Überall wimmeln Krabben und Felsentauben herum. Auf der Kaimauer hocken Möwen. In den steilen Klippen brüten massenweise Seeschwalben. Und die scheißen auf uns! Etwas weiter befindet sich ein weißer Felsen, der ursprünglich das Innere eines Vulkans war. Dort nisten die Sturmtaucher. Sie werden bis zu 40 Jahre alt, und die Paare bleiben ein Leben lang zusammen. Oft haben sie im ersten Jahr der Beziehung noch kein Küken. Abends nähern wir uns noch einmal vom Land aus dem Felsen. Sobald es dunkel wird, kehren die Eltern zu ihren Nestern zurück. Die Männchen rufen klagend „Aua, aua, aua!“ und die Weibchen antworten mit einem tieferen Schnarren. Es ist ein wildes Konzert.

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WHALE WATCHING: Die Qual der Walbeobachtung

24 verschiedene Walarten tummeln sich in den Gewässern rund um die Azoren. Gleich am ersten Tag gehen wir von Ponta Delgada aus Meeressäuger jagen. Natürlich nicht mehr wie bis Mitte der 1980er-Jahre mit Harpunen, sondern mit unseren Kameras. Nuno erzählt, dass auf den Azoren schlechte Ernten dazu geführt hatten, dass die Bevölkerung wirtschaftlich am Ende war. Nur deshalb wurde mit dem Fang von Pottwalen begonnen. Gegessen wurde deren Fleisch hier nie. Inzwischen sind sie wieder eine gute Einnahmequelle: Überall bieten Veranstalter für die Touristen Whale Watching an. Ich habe große Erwartungen! Wir fahren mit einem Schlauchboot hinaus, das gut motorisiert ist. Die See ist etwas bewegt. Trotzdem bleiben wir trocken. Man sitzt wie auf einem Pferd, das manchmal etwas bockt. Vom Land aus dirigieren auf den alten Beobachtungsposten Helfer mit starken Ferngläsern den Kapitän per Sprechfunk, wenn sie etwas gesichtet haben. Riesige Gruppen von Gemeinen Delfinen flitzen um das Boot. Auch ein paar „Flipper“-artige Große Tümmler und Sturmtaucher begleiten uns. Nur die Wale zeigen sich leider nicht.

Aber wir geben nicht auf! Von Horta aus fahren wir noch zweimal mit einem 13 Meter langen Katamaran aufs Meer, das nach dem stürmischen Tag noch ziemlich rau ist. Und tatsächlich: Zwischen Faial und Pico sehen wir mehrere Pottwale, die größten Zahnwale mit dem größten Hirn von allen Lebewesen. In einem Kindergarten dümpeln vier Jungtiere wie U-Boote an der Oberfläche vor sich hin. Auch die Mütter kommen immer wieder hoch. Es ist wie bei Eisbergen: Man sieht nur die kleine Rückenflosse aus dem Wasser schauen und erahnt die Gesamtgröße des Tieres erst, wenn die Wellen den großen Kopf freispülen oder beim Abtauchen die Schwanzflosse in die Luft ragt. Gelegentlich sprüht eine Fontäne. Schnauf! Pottwale haben das Blasloch nicht in der Mitte, sondern auf der linken Seite. Schon bei der Geburt sind die Weibchen fünf Meter, die Männchen acht Meter lang. Später könnes es dann zwölf bis 20 Meter werden. Zwischendurch schwimmt eine Meeresschildkröte vorbei. Sie ist aus Florida herübergekommen und wird irgendwann wieder dorthin zurückkehren. Auf dem Rückweg spielen Delfine direkt vor dem Bug. Selbst in der Hafeneinfahrt hält sich eine Gruppe auf. (s. FILM)

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HOME, SWEET HOME

MAROKKO 🇲🇦 

Reiseroute 2015

CasablancaRabatMeknèsVolubilisFésIfraneBremmen (Bergdorf bei Midelt zwischen Mittlerem und Hohem Atlas) – Erg Chebbi (Sahara) – El KhorbatTinghir (Todra Schlucht) – OuazarzateAít Benhaddou Aroumd (Bergdorf im Hohen Atlas) – EssaouiraMarrakesch – PORTUGAL 🇵🇹

1001 Nacht im 21. Jahrhundert

„Du fährst nach Nordafrika? Das würde ich mich jetzt nicht trauen“, höre ich im Herbst 2015 kurz nach dem Terroranschlag in Tunesien. Aber man soll sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. Die Marokkaner wissen das zu schätzen. Unterwegs zeigen uns immer wieder Menschen beide Daumen nach oben. Soll heißen: Ihr Touristen seid uns willkommen. Hundertprozentig sicher ist man nirgendwo, Angst jedoch empfinde ich während meiner Reise nicht. Mittelalter und 21. Jahrhundert, Wald und Wüste, wimmelnde, enge Städte und menschenleere, weite Landschaften, Araber und Berber – in Marokko prallen Gegensätze aufeinander, ohne dass es ständig kracht. Seit Jahrhunderten haben die verschiedenen Religionen hier friedlich zusammengelebt. Ins Zentrum der Hafenstadt Essaouira beispielsweise führt das „Tor der Toleranz“, das mit Symbolen für Christentum, Judentum und Islam verziert ist. Viele der Altstädte haben eine Mellah, ein jüdisches Viertel. Die meisten Juden allerdings sind nach der Gründung Israels oder spätestens nach dem Sechstagekrieg abgewandert. In Meknès beispielsweise sind von einst 3.000 nur noch 50 Familien übrig.

Rund 99 Prozent der Marokkaner sind Moslems – alles Sunniten. „Das eint uns“, erklärt unser Guide Mohammed, den wir „Mohammed, den Siebten“, nennen. Der aktuelle König ist nämlich Mohammed VI. Er hat eine Frau aus dem Volk (stammt aus Fés) geheiratet, gilt als sehr modern und setzt sich für ein öffentliches Gesundheitssystem und kostenlose Schulen ein. Sehr beliebt beim Volk, erklärt Mohammed (der Guide). Das Staatsoberhaupt kann sich sogar ohne Bodyguards unter die Leute mischen. Als beim „arabischen Frühling“ die Proteste auf Marokko überzugreifen drohten, hat der König schnell ein wenig von seiner absoluten Macht abgegeben. Etwas verwirrend: Auch unser Fahrer heißt Mohammed. Dass Religion eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich schon in der Landesflagge: roter Hintergrund (Symbol für die Bereitschaft sein Blut für das Land zu lassen) mit grünem (Farbe des Islam), fünfzackigem Stern (fünf Säulen des Islam). Freitags strömen die Menschen in die Moscheen. Teilweise liegen daneben Teppiche auf der Straße, auf denen Männer beten. Die Predigt des Imam wird über Lautsprecher nach draußen übertragen. An vielen Geschäften versperrt ein Stock den Eingang. Das bedeutet, dass der Besitzer in der Moschee ist. Offenbar wird das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ hier beachtet. Keiner vergreift sich an der Ware.

Die meisten Frauen tragen Kopftücher. Seltener (vor allem in den Städten) sieht man komplett verschleierte oder ganz unverschleierte Frauen. Eine interessante Kombination bei jungen Mädchen: Kopftuch und hautenge Jeans. Das ist nicht der einzige Widerspruch. Bis heute kriegt ein unverheiratetes einheimisches Pärchen kein gemeinsames Zimmer im Hotel. Bei Westlern hingegen interessiert es keinen. Ein Thema für sich ist Alkohol. Auch einige Marokkaner trinken ihn. Sie dürfen das nur nicht in der Öffentlichkeit tun. Also in Restaurants nicht an den Tischen, die auf der Straße stehen, sondern nur im Innenraum. Bei Ausländern wird das wiederum nicht ganz so eng gesehen (außer im Fastenmonat Ramadan). In Meknès probieren wir in einem Hotel Wein aus der Region, der erstaunlich gut ist. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Marokko überhaupt Wein produziert. Dazu gibt es nicht nur gesalzene Erdnüsse, sondern auch Gürkchen, in Knoblauch eingelegte Möhren und Käse. Hätte auch beinahe als Abendessen gereicht. In Fés essen wir in einem Restaurant, das zwar keinen Alkohol ausschenkt (die Lizenz ist sehr teuer), man darf sich jedoch selbst welchen mitbringen. Im Spirituosengeschäft herrscht reges Treiben. Die Flaschen werden in schwarze Tüten verpackt, damit sie nicht auf offener Straße zu sehen sind. Dem Hotel in der Nähe der Todra-Schlucht ist der Alkohol ausgegangen, also Versorgung in einem kleinen Supermarkt in Tinghir. Die Kondome stehen in einem Glas direkt neben der Kasse, aber das Hochprozentige ist hinter einer Tür mit einem kein-Zutritt-Zeichen in einem winzigen Hinterzimmer versteckt und wird natürlich wieder in schwarze Tüten gehüllt.

Speisen müssen für Moslems halal (erlaubt) sein. Schweinefleisch und Insekten sind verboten. Aber auf dem Markt in Rabat haben wir Schnecken gesehen… Naja, meint Mohammed, über diese Frage wird heftig diskutiert. Glücklicherweise hat die Ex-Kolonialmacht Frankreich in Marokko nicht nur Schnecken hinterlassen. Zum Frühstück gibts in den meisten Hotels Croissants und Baguette. Dazu Kaffee, der seinen Namen verdient und nicht wie in vielen anderen Ländern mit dem Tee verwechselt werden kann: tiefschwarz und leicht ölig. In den Bergen bekommen wir Berberkaffee mit Gewürzen, u.a. Thymian. In Fés probiere ich eine lokale Spezialität: Pastilla, eine Pastete, die mit Hühnchen gefüllt und mit Zucker und Zimt bestreut ist. Gewöhnungsbedürftig, aber durchaus lecker. Ebenfalls lecker ist marokkanisches Fast Food: In Meknès wage ich mich an einen Kamelburger. In Aít Benhaddou kocht der Wirt Couscous für alle. Er demonstriert, wie man ihn nur mit der rechten Hand isst: Erst ein bisschen Gemüse zermatschen, damit das Ganze etwas klebrig wird, dann daraus einen kleinen Ball formen. „Die jüngere Generation macht das nicht mehr“, meint Mohammed. „Der Löffel ist bei uns angekommen.“ Das beliebteste Gericht in Marokko ist allerdings nicht Couscous, sondern Tajine. Im Wüstencamp esse ich erstmals den im Tontopf gegarten Eintopf. Auch der Wirt im Bergdorf Aroumd serviert Tajine. Interessanterweise sind meistens Kartoffeln mit darin. Das ermöglicht eine unerwartete Beilage zu vielen Gerichten: Pommes! Mein lokales Lieblingsessen ist Berberomelett, eine Art Bauernfrühstück mit Gemüse.

Die Verkehrsverhältnisse sind erstaunlich vertraut. Der Zug von Casablanca nach Rabat erinnert an die Doppelstöcker der Deutschen Bahn. Er ist überfüllt und beim Aussteigen funktioniert die Tür nicht. Die Leute drängen schon hinein. Zum Glück bin ich nahkampferprobt… Der nächste Zug nach Meknès hat 15 Minuten Verspätung. Wieder fühle ich mich wie zuhause. Die meisten Autos in Marokko sind in einem hervorragenden Zustand. Es ist nämlich keine TÜV-freie Zone mehr: Alle werden jährlich überprüft, erklärt Mohammed. Und nur wenige Straßen geben einem die berühmt-berüchtigte afrikanische Massage. Erst als wir am Rand der Sahara die Dünen sehen und von der Straße auf eine Staubpiste abbiegen, wird alles geschüttelt, nicht gerührt. Kreisverkehre sind sehr beliebt. In der Mitte präsentiert jede Stadt ihre Spezialiät. In Ouarzazate ist es mal eine Filmrolle, mal eine „Action“-Klappe, in Midelt ein Apfel und in der Blumenstadt El-Kelâa M’Gouna eine Rose.

Eine saubere Sache ist der Besuch im Hamam. In Tinghir lerne ich die klassische Variante in einem öffentlichen Bad kennen. Erstaunlich: Auf der Straße sind die meisten Frauen verhüllt. Im Haman sind sie unter sich und gehen zumindest oben ohne. Auch die Frau, die mich mit der weichen, schwarzen Seife aus Oliven- oder Arganöl einseift, überall mit einem rauen Handschuh abschrubbt, und anschließend nachspült, hat kein Oberteil an und platziert meine Hand ungeniert auf ihrer Brust. Alle befinden sich in einem großen, gekachelten Raum. Privatsphäre oder Sitzmöglichkeiten gibts nicht, es sei denn, man bringt sich ein Plastikhöckerchen mit. Also kauere oder liege ich auf dem Boden und folge den Handzeichen rauf, runter, umdrehen, Arm hoch… In Marrakesch erlebe ich dann das Kontrastprogramm im Luxusbad in der Medina. Mohammed führt uns durch enge Straßen, das letzte Stück kommt uns eine Mitarbeiterin entgegen. Überall rufende Leute, hupende Autos und knatternde Motorräder, 33 Grad Hitze. Wir schlängeln uns durch eine Baustelle, dann stehen wir in einer Sackgasse vor einer Tür mit kleinem Schild: „Mythic Oriental Spa“. Man geht hindurch und betritt eine andere Welt. Zarter Duft, wohl temperiert, in der Mitte des Innenhofes ein kleiner Pool, Stille. Zur Begrüßung gibts Tee. Dann beginnt die Behandlung: Erst einseifen und peelen in einem privaten Raum (hier wird mehr sanft gerubbelt als geschrubbt), dann eine Stunde Ganzkörpermassage für insgesamt ca. 75 Euro. Zum Abschluss ein Kännchen Pfefferminztee und marokkanische Leckereien auf der Dachterasse. Himmlisch!

Auf wirklich wilde Tieren wie in anderen Ländern Afrikas treffe ich in Marokko nicht. In einem Zedernwald im Mittleren Atlas tummeln sich Berberaffen, die einzige Art im Land. Aber sie sind an Menschen gewöhnt und lassen sich aus der Hand füttern. In der Sahara und am Strand von Essaouria begegnen wir Kamelen mit ihrem unnachahmlich bräsigen Gesichtsausdruck. In einem Reiseführer lese ich, dass sie angeblich als einzige Lebewesen den hundertsten Namen Allahs kennen und sich deshalb für etwas Besseres halten. Weil der Prophet immer von Katzen begleitet wurde, gelten sie als Glücksbringer, werden versorgt und bevölkern die Medinas. Während die Städte fest in Katzenpfote sind, laufen auf den Feldern viele Hunde herum. Pech für sie: Wenn Hunde im Haus sind, kommen Engel nicht hinein. Also müssen die Vierbeiner sich nützlich machen, sonst fliegen sie raus. Außerdem viele schwarzbunte Kühe, Schaf- und Ziegenherden sowie Esel. An einem Verkaufsstand hängt ein korbartiges Gebilde, das wie ein riesiger Büstenhalter aussieht. Es wird den Eseln über den Rücken gelegt. Immer wieder stehen am Straßenrand einzelne Exemplare. Geduldig warten sie auf ihre Besitzer, die gerade auf dem Markt sind und nachher damit in ihre Dörfer zurückkehren. Öfter sehe ich Männer, die traditionelle Gewänder tragen, im Damensitz reiten. Im Gebirge werden mehr Maultiere als Esel eingesetzt. Sie sind kräftiger und kommen besser mit der Höhe klar. Auf dem örtlichen Markt in Timdhite entdecken wir lebende Schafe, die auf dem Dach von Pickups transportiert werden. Wie kriegen die Besitzer sie da bloß drauf?

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Von Stadt zu Stadt

Die Größte: Casablanca. Der Ausgangspunkt unserer Reise. Das Letzte, was ich erwartet hätte: Die Schnellstraße vom Flughafen ins Zentrum ist weihnachtlich mit roten und grünen Lichtern geschmückt (sind auch die Nationalfarben Marokkos). In einem Kreisverkehr steht sogar eine Art Tannenbaum aus Lichterketten. Und das Ende Oktober! Viel sehe ich nicht von der Stadt, weil es morgens gleich mit dem Zug weitergeht. Auf den Spuren von Humphrey Bogart und Ingrid Bergman kann man ohnehin nicht wandeln, da der legendäre Film komplett in Hollywood entstand. Auch ein „Rick’s Café“ gibts erst seit 2004.

Die vier Königsstädte: 1. Rabat. Wir machen einen Zwischenstop. Vom Bahnhof laufen wir zur Strandpromenade und dann dort entlang zur Kasbah Oudaia. Die verschachtelten Häuser hinter der hohen Mauer der Burg sind oben weiß, unten leuchtend blau. Zurück gehts quer durch die Altstadt mit ihrem Markt. Hier sieht man kaum Touristen und kann bei einem Kaffee das bunte Treiben der Einheimischen beobachten. Auf der Straße vor uns stehen Tische, an denen Männer vor uralten Schreibmaschinen sitzen. Leute, die nicht oder nicht gut genug schreiben können, diktieren ihnen Briefe.

Die vier Königsstädte: 2. Meknès. Zunächst gehen wir durch ein imposantes Stadttor. Anschließend besichtigen wir das Wasserreservoir und den Sultanspalast aus dem 17. Jahrhundert mit seinen bis zu fünf Meter dicken Mauern. Für den Fall einer Belagerung gabs einen Lebensmittel- und Wasserspeicher. Eine der Wände ziert eine riesige, 700 Jahre alte Tür, die ins Nichts führt. Sie ist nur Dekoration und spielte bereits in „Das Juwel vom Nil“ mit. Dahinter war ein Stall für 12.000 Pferde mit 3000 Säulen. Das Dach ist bei einem schweren Erdbeben, das 1755 auch Lissabon und die Reste von Volubilis zerstörte, eingestürzt. Die dicken Lehmmauern haben Löcher, die zum Klimatisieren dienen und die enormen Temperaturunterschiede ausgleichen sollen. In einer der wenigen Moscheen, die auch Nicht-Muslime betreten dürfen, befindet sich das Grab des Sultans. Es wird von von zwei Standuhren flankiert. Die waren ein Geschenk von Frankreichs König Ludwig IV. Eigentlich wollte der Sultan die Hand von dessen Tochter. Doch Ludwig lehnte ab und tröstete ihn mit den Uhren. Frustriert heiratete der Sultan daraufhin angeblich 500 Frauen und hatte 700 Kinder.

Die vier Königsstädte: 3. Fés. Die älteste der Königsstädte ist nach Casablanca und Rabat mit zwei Millionen Einwohnern die drittgrößte Metropole Marokkos. Immer wieder sieht man Afrikaner, die auf ihrem Weg nach Europa in Marokko gestrandet sind und nun Autoscheiben putzen oder betteln, um weiterzukommen. Das ganze Zentrum ist Weltkulturerbe. Zunächst besichtigen wir den „neuen“ Teil, der aus dem 14. Jahrhundert stammt. Im Königspalast finden Staatsempfänge und Feiern wie Hochzeiten statt. Etwa 80 Leute leben ständig darin, die königliche Familie gelegentlich. Der Haupteingang hat sieben Türen (heilige Zahl) und ist reich verziert. Die Keramikmosaiken und Bronzeverkleidung stammen von 1968. Die lokalen Handwerker wollten dem damaligen Herrscher Hassan II. ihre Verehrung zeigen. In die Muster der Torbögen sind kleine Fußbälle eingearbeitet, weil er ein großer Fan war.
Vom South Castle aus hat man einen tollen Blick auf das alte Fés – und auf tausende von Satellitenschüsseln. Die Medina ist Ende des 8. Jahrhunderts entstanden und wird von ca. 400.000 Menschen bewohnt. In der Mitte befindet sich die älteste Universität der Welt, die von einer Frau gegründet wurde. Studieren dürfen Frauen dort aber bis heute nicht, da nur noch Religionswissenschaften gelehrt werden. Ebenfalls mittendrin: das Mausoleum Moulay Idriss II. Der Besuch des heiligen Ortes gilt als Wallfahrt der kleinen Leute, die nicht das Geld haben, nach Mekka zu reisen. Hier ist der Sohn von Idris I. begraben, dessen Grab in Moulay Idris zuerst besucht werden muss. Die Wohnhäuser haben zwei Türen – eine Kleine für die Bewohner, eine Größere für Pferde und Gäste. Wir laufen kreuz und quer sechs Kilometer von Norden nach Süden durch die Altstadt. Man muss ständig aufpassen, nicht von Eseln oder Maultieren überrannt zu werden (sie werden zum Warentransport genutzt und haben immer Vorfahrt, Autos passen nicht durch die engen Gassen), nicht auf Waren, Katzen, Kinder oder Bettler zu treten, nicht über Stufen zu stolpern oder die Gruppe zu verlieren. Denn ohne lokalen Guide findet man aus dem Gewirr der ca. 10.000 Straßen nie wieder raus. Sonnencreme kann man sich sparen, da kaum ein Strahl bis auf den Boden dringt und vieles sogar überdacht ist. Im Souk, dem Lebensmittelmarkt, gehen die Leute täglich frische Waren einkaufen. Tiefkühlkost ist verpönt.
Während in den Medinas anderer Städte die verschiedenen Handwerke bunt gemischt sind, hat in Fés jedes sein eigenes Viertel. Zuerst besuchen wir die Töpferei. Es ist kein privater Betrieb, sondern eine staatlich geförderte Kooperative mit Ausbildungszentrum. Verarbeitet wird grauer Ton aus der Umgebung. Im Süden Marokkos hingegen ist er rot. Am Eingang sind Dachziegel gestapelt. Geformt werden sie auf den Armen, dann meist grün (für Moscheen) oder blau (für Häuser) lackiert. Neben dem Geschirr (u.a. die allgegenwärtigen Töpfe für die Tajine) beeindrucken die Mosaiks. Beispielsweise ist ein mit über 3000 handgefertigten Steinchen verzierter Brunnen ausgestellt. Wir sehen, wie diese Mosaiks entstehen: Sie werden mit der Rückseite nach oben gelegt und dann einbetoniert. Die Lederwarenhersteller wurden an den Rand der Medina verbannt. Im Fluss werden die Felle gewaschen und dann normalerweise nebenan gefärbt. Leider werden die berühmten Bottiche dafür seit vier Tagen renoviert und sind unter Gerüsten verschwunden. Beim Betreten des Shops, wo die 650 Gerberfamilien ihre Waren gemeinsam anbieten, bekommt jeder einen Minzzweig gegen den strengen Geruch. Weiter gehts zu den Schneidern, bei denen man sich z.B. eins der traditionellen Kleider mit Kapuze anfertigen lassen kann. Mein Bademantel aus Mikrofaser sieht dem Design erstaunlich ähnlich. Nebenan stellen die Weber die Stoffe dafür her. Sie sind aus ägyptischer Baumwolle, Lammwolle und Seide. Die wird nicht von Raupen, sondern aus Agavenblättern gewonnen. Diese stacheligen Gewächse säumen die ganze Strecke von Meknès nach Fés. Ich kaufe einen weichen Kakteenschal. Zuletzt schauen wir bei der Metallverarbeitung zu. Die Muster entstehen ohne Vorlage aus dem Gedächtnis und werden in Messing, Kupfer oder Silber in Teller, Teekannen oder Lampen gemeißelt.
Bevor wir Fés verlassen, halten wir an einem riesigen Supermarkt. Das totale Kontrastprogramm zum Souk: Hier gibt es alles – vom Sofa bis zum Motorrad. Überall in den Vororten wird gebaut. Die Leute kommen wegen der Jobs aus den Bergen und lassen die Stadt explosionsartig wachsen. Die Regierung versucht, mit sozialem Wohnungsbau und neuen Städten etwas weiter außerhalb entgegenzusteuern.

Die vier Königsstädte: 4. Marrakesch. Auf dem berühmten Place Jemaa El Fna essen wir an einem der unzähligen Stände (Nr. 41 bei Saíd) und es ist fantastisch – Spieße vom Grill, gebratene Auberginen, Salat, Couscous, Fladenbrot, Oliven und alles, was die Küche sonst noch zu bieten hat. Drumherum tobt das Leben. Musiker ziehen umher. Sie tragen Kappen, unter denen das Trinkgeld steckt. Auf dem Platz tummeln sich Geschichtenerzähler und Akrobaten. Das Spektakel, für das man bei der Einstufung als Weltkulturerbe eine eigene Katagerorie schaffen musste, weil es einmalig ist, betäubt alle Sinne. Eine Frau kommt auf mich zu und ehe ich es richtig mitkriege, hat sie mir blitzschnell die rechte Hand und den Unterarm mit Henna bekritzelt und Glitzer drübergestreut. Sie verlangt 100 Dirham (zehn Euro). Ich gebe ihr zehn, um sie loszuwerden, und ergreife die Flucht. Später erfahre ich, dass das auch schon vielen anderen Reisenden passiert ist. Im Hotel versuche ich, das schmierige Zeug abzuschrubben. Es ist verdammt hartnäckig. Noch Tage später habe ich orange Spuren des nicht gerade kunstvollen Tattoos, das mir nicht – wie versprochen – „einen guten Ehemann“ beschert. Kein Wunder…
Nach dem nächtlichen Irrsinn des zentralen Platzes lasse ich es am nächsten Tag erstmal ruhiger angehen. Zuerst besichtige ich den Jardin Majorelle, der eigentlich mehr Kunstwerk als Garten ist, und nach dem französischen Maler benannt wurde, der ihn gegründet hat. In der Mitte befindet sich ein Art-Deco-Bau aus den 20er-Jahren in leuchtend blau mit sonnengelb abgesetzt. Yves Saint Laurent hat die Anlage nach Majorelles Tod vor dem Verfall gerettet. Nach einem Besuch im Luxus Hammam (s.o.) fühle ich mich wieder fit genug für die Medina. Auf dem Platz ist auch tagsüber die Hölle los. Man hört ihn schon von weitem – wildes Getrommel, Flötengedudel. Wenn nachmittags die Essenstände eröffnen, nebelt der Rauch der Holzkohlenfeuer alles ein. Außer den üblichen Verdächtigen sind jetzt auch Leute mit Tieren da. Tauben, Raubvögel und Berberaffen mit T-Shirts müssen mit Touristen posieren. Und natürlich Schlangen, die um 17.00 Uhr endlich Feierabend machen wollen und sich zum Schlafen zusammengerollt haben. Nur die Kobras stellen noch gelegentlich die Köpfe auf, wenn sie mit Stöcken gepiekt werden. Schön ist das nicht.

Ruinen: Volubilis. Die alte Römersiedlung ist ein weiteres Weltkulturerbe, erst ein Drittel davon ist ausgegraben. U.a. fehlen noch die Arena und das Kolosseum. Schätzungsweise 25.000 Menschen haben hier mal gelebt. Allzu viel ist nach dem Erdbeben von 1755 nicht übrig. Die Steine der kaputten Gebäude wurden als Baumaterial genutzt. Trotzdem kann man noch erahnen, wie es einmal ausgesehen hat. Deutlich erkennbar sind Wohnhäuser, Thermen, Tempel – und ein Bordell, das mit einem in Stein gemeißelten Penis dekoriert ist. Die Römer haben in Marokko nicht nur die Olive eingeführt, sondern auch den Wein. Danke, Leute! Wieder einmal muss ich an „Das Leben des Brian“ denken: „Was haben die Römer je für uns getan?“

Wie in der Schweiz: Ifrane. Bei der Fahrt durch den Mittleren Atlas entdecke ich am Straßenrand ein Schild mit dem springenden Hirschen und Mauern gegen Schneewehen. Wir nähern uns Ifrane, einem von zwei Skigebieten Marokkos. Dies ist das für die High Society. Auch der König hat eine Residenz hier. Das andere ist bei Marrakesch und erschwinglicher. Im Zentrum des Städtchens, in dem es im Winter bis zu minus zehn Grad kalt wird, steht eine in Stein gemeißelte Löwenstatute. Doch der letzte Atlaslöwe verschwand 1923. Dahinter sind mit klassischer Musik untermalte Wasserspiele. Total bizarr: Die Fachwerkhäuser mit ihren spitzen Dächern und die mit Kastanien und Ahornbäumen gesäumten Straßen sehen wirklich nicht wie Marokko aus. Am Vortag waren wir noch in der exotischen Altstadt von Fés, einen Tag darauf mit Kamelen in der Wüste.

Die Filmstadt: Ouarzazate. Ouazarzate bedeutet „Stadt ohne Lärm“, was heute nicht mehr so gut passt. Zunächst besichtigen wir die „Horizon Association“, eine Hilfseinrichtung für Behinderte, die vom Reiseveranstalter unterstützt wird. Dort werden in einer Werkstatt Prothesen angefertigt, zudem gibts Räume für Physiotherapie und Krankengymnsstik, wo sehr arme Leute Hilfe bekommen. Denn das öffentliche Gesundheitssystem ist immer noch sehr lückenhaft und nicht immer kostenlos. Kinder lernen, mit ihren Beeinträchtigungen zu leben. In beschützenden Werkstätten arbeiten Behinderte mit Ton und Metall oder produzieren Teppiche. Die Einrichtung lebt von Spenden und von Freiwilligen und vom Verkauf der hier hergestellten Waren. Zu Mittag essen wir in einem Restaurant gegenüber der Kasbah de Taourirt. Die Tajine hier scheint gut zu sein. Eine Katze schleckt einen der Tontöpfe aus. Nachdem wir in einem Gewürz- und Heilkräuterladen vorbeigeschaut haben, duftet der ganze Minibus ziemlich exotisch.
Schräg ist ist die Besichtigung der Atlas Filmstudios. Vorbei am riesigen Buddha aus „Kundun“ gehts durch einen Tempel, bei dem je nach Bedarf die Säulen immer wieder ausgetauscht werden können – griechisch, römisch oder ägyptisch. Das Gefängnis vom „Gladiator“ befindet sich direkt hinter einem afghanischen Platz, auf dem James Bond einst in einer Eröffnungssequenz verhandelte. Die Arche Noah ist neben der Burg aus „Game of Thrones“ gestrandet. Ein Stück weiter wurde ein ägyptischer Tempel errichtet, der eine Mischung aus Luxor und Abu Simbel darstellt. „Die Ägypter haben tausende von Jahren daran gebaut, wir drei Monate“, meint unser Guide Aziz grinsend. Das Ganze diente u.a. schon als Kulisse für „Asterix und Obelix: Mission Kleopatra“, „Troja“ und „Kingdom of Heaven“.

An der Route der Kasbahs: Aít Benhaddou. Die Route der Kasbahs (Burgen) führt durch eine mit dürrem Gras bewachsene Hochebene (ca. 1600 Meter) zwischen Antiatlas und Hohem Atlas. El Khorbat ist ein Ksar (Dorf), der typisch für die südmarokkanische Architektur ist. Alles ist ineinandergebaut und von einer Mauer mit Wachtürmen umgeben. Das Highlight jedoch ist Aít Benhaddou, ein Ksar mit mehreren Kasbahs. Die Siedlung wurde im 18. Jahrhundert gegründet und war ein wichtiger Knotenpunkt zweier Karawanenstraßen von Nord nach Süd und Ost nach West. Die örtlichen Stammesführer kassierten von den Durchreisenden Steuern und wurden reich. Heute leben kaum noch Leute dort. Die Regierung hat den Bewohnern Geld gezahlt, damit sie sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses ansiedeln und die meisten Häuser in Geschäfte umgewandelt. Aít Benhaddou zieht sich einen Hügel hinauf. Oben befindet sich ein ehemaliger Speicher für Lebensmittel. Da kamen die Feinde nicht so schnell ran. Dort erleben wir wieder einen dramatischen Sonnenuntergang zwischen dunklen Wolken. Man meint fast, der Himmel ist auch nur auf eine Leinwand gemalt oder ein Computereffekt, so unwirklich schön ist das Ganze. Denn auch dies ist eine beliebte Filmkulisse. Am Fuß der Siedlung sieht man noch Spuren der Arena, die für „Gladiator“ gebaut wurde Der Wirt unseres Hotels trägt den Spitznamen „Action“, seit er in der Serie „Game of Thrones“ als Komparse mitgewirkt hat.

Für mich die schönste Stadt: Essaouira. Essaouira liegt an der Atlantikküste und hat einen lebhaften Hafen mit Markt. Alle kleinen Fischerboote sind blau. Kein Zufall: Sonst müssten ihre Besitzer Strafe zahlen. Der Hafen soll ausgebaut werden. Angeblich für die Fischer. Doch die Einheimischen fürchten: für Kreuzfahrtschiffe. Dann wäre es mit der Beschaulichkeit vorbei. Von der Befestigungsanlage bietet sich durch einen runden Durchbruch in der Mauer der berühmte Schlüssellochblick auf die Stadt. Der dicke noch komplett erhaltene Wall rund um die Medina ist mit Kanonen gespickt. Die waren nicht gegen Piraten. „Das waren wir selbst“, sagt unser Guide Rachida, sondern gegen die Franzosen und wurden 1844 das letzte Mal benutzt. Direkt neben dem Hafen beginnt ein langer Strand, ein Paradies für Surfer aller Art, da fast immer ein kräftiger Wind weht. Kamele und Pferde warten auf Reiter. Einst war Essaouira ein Hippieparadies, u.a. haben Jimi Hendrix und Mick Jagger hier gelebt. Schon damals wurde fleißig gekifft. Offiziell gab es so etwas allerdings nie. Inzwischen diskutiert man auch in Marokko, die Droge zu legalisieren. Wir wohnen in der Altstadt und essen im Restaurant „il mare“. Sehr gut, aber relativ teuer. Auf der Dachterasse kann man den Sonnenuntergang bei einem Caipirinha genießen. Später gibts Livemusik im örtlichen Stil, der Gnaoua genannt wird. Der Sänger trägt eine Kappe mit Bommel, den er mit leichten Kopfbewegungen im Takt kreisen lässt. Wir versuchen das auch, bringen aber nicht mehr als ein, zwei Umdrehungen zustande.

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Kein plattes Land

Die vielen Berge in Marokko bieten zahlreiche Wandermöglichkeiten. Bei Midelt übernachten wir zwischen dem mittleren und hohen Atlasgebirge. Bei einem Gang durch das nahe Dorf Bremmen erzählt Mohammed von der Familiensolidarität der Berber. Einige Mitglieder arbeiten in der Stadt und schicken Geld, die übrigen halten im der Heimat die Stellung, kümmern sich um Vieh und Felder. Inzwischen haben auch die entlegenen Dörfer Strom (Ziel war bis 2010). Sein Dorf wurde 2000 ans Stromnetz angeschlossen, erzählt Mohammed. „Die größte Veränderung in der marokkanischen Gesellschaft war das Fernsehen.“ Die älteren Frauen haben Gesichtstattoos, an denen Eingeweihte erkennen können, ob sie ledig, verheiratet, geschieden oder verwitwet sind. Ähnlich funktionieren die nicht permanenten Henna-Tattoos. Sind nur die Hände bemalt, ist die Frau ledig, bei Händen und Füßen heißt es für Männer: Finger weg, sie ist verheiratet. Doch was macht man(n), wenn sie tätowierte Hände hat, aber Socken trägt? „Er schickt seine Mutter gleichzeitig mit ihr ins Hamam, um nachzusehen“, meint Mohammed. Wir laufen bergauf an einem Canyon entlang. Überall Haine mit Obstbäumen, vor allem Äpfel und Walnüsse. Die Gipfel hingegen sind karg.

Auf dem Weg Richtung Sahara werden die Berge höher. Wir fahren durch den Hohen Atlas über den 1907 Meter hohen Tiz-n-Talrhemt Pass. Den Weg haben schon vor Jahrhunderten Karawanen genommen, die aus Zentral- oder Westafrika durch die Sahara gezogen sind und Elfenbein oder Sklaven gebracht haben. Der spärliche Bewuchs reicht, um zahllose Bienenvölker zu ernähren, deren Honig am Straßenrand verkauft wird.

In der Todra-Schlucht machen wir morgens eine fünfstündige Wanderung. Erst gehts hinauf auf einem Pfad, den Nomaden gebaut haben. Selbst Kamele können hier hoch, wie man an ihren Hinterlassenschaften sieht. Oben am Berg machen wir eine Teepause bei einer Nomadenfamilie, die noch ganz traditionell lebt und herumzieht. Babyziegen staksen auf wackeligen Beinen durch das Camp. Als Ställe und Vorratsräume dienen in den Berg gegrabene Höhlen. Von den acht Familienmitgliedern sind nur die Großeltern und die beiden Enkeltöchter zu Hause. Eines der Mädchen ist blond und blauäugig. Mr. Achmed serviert im mit Teppichen ausgelegten Zelt grünen Tee mit wildem Thymian, der überall wächst. Er ist inzwischen sehr berühmt. Unzählige Touristen haben ihn fotografiert und die Bilder ins Internet gestellt. Er selbst allerdings hat gar keinen Strom, geschweige denn einen Computer, die Kinder gehen nicht zur Schule. Auf dem Kamm haben wir einen spektakulären Blick in die Schlucht und auf die Ebene gegenüber. Durch Geröll gehts wieder runter durch eine halb verlassene Kasbah. Die Leute sind lieber in moderne Apartmenthäuser gegenüber gezogen. Auf einer wackeligen Brücke überqueren wir einen Fluß und balancieren über Mauern zwischen Gemüsegärten durch. Nach dem Mittagessen besuchen wir eine Kooperative für Frauen aus dem Dorf, die Teppiche weben oder knüpfen. Die Muster erzählen Geschichten. Einer beispielsweise ist eine Karte der Sahara. Lange hatten die Berber keine Schrift. Einige der Frauen können immer noch nicht lesen oder schreiben und drücken auf diese Weise ihre Gefühle und Gedanken aus.

Eine fünfstündige Fahrt bringt uns von Aít Benhaddou zum Fuß des höchsten Berges Nordafrikas, dem 4167 Meter hohen Jbel Toubkal. Es geht durch eine Landschaft, die etwas wie im Südwesten der USA aussieht, dahinter schneebedeckte Gipfel. Die gewundene Straße ist mit Kurvenzeichen gespickt, darunter steht „rappel“. Passt! Die „Vorsicht, Kamele“-Schilder sind „Vorsicht, Kühe“-Schildern gewichen. Immer wieder flache Häuser, die ähnlich wie die Almen in Europa nur im Sommer von Hirten genutzt werden. Die Straße steigt immer weiter an bis zum Tizi Tichka. Er ist mit 2260 Metern der höchste Pass Marokkos und wurde 1912 gebaut. Da er eine wichtige Abkürzung auf der Strecke zwischen Marrakesch nach Südmarokko ist, wird er gerade erweitert. Hinter dem Pass wird die Gegend grüner. Von der Kleinstadt Imlil aus steigen wir eine Stunde lang hoch zum Berberdorf Aroumd und übernachten in einer Gite, einem traditionellen Gästehaus. Am nächsten Morgen wandern wir von dort zum auf 2700 Metern Höhe gelegenen Schrein von Sidi Chamarouch. Darauf befindet sich ein Solarpanel, daneben ein Klo. Der Legende nach ist einst ist ein weißer Hund hier hochgelaufen. Die Leute sind ihm gefolgt, dann ist er hinter einem Felsen verschwunden, der nun weiß angemalt wurde. Der Quelle, die dort entspringt, werden Heilkräfte nachgesagt. Deshalb ist der Ort eine Pilgerstätte. Die Menschen bringen Gaben, darunter auch Klauen von Ziegen oder Schafen und Innereien, was die wie überall präsenten Katzen freut, die sich bedienen. Als nicht-Moslems dürfen wir in den Schrein nicht hinein, aber wir trinken das Heilwasser im Tee. Am frühen Morgen ist es noch ziemlich kalt (Reif auf dem Boden), weil sich die Sonne noch hinter dem Berg versteckt. Da kommt das Heißgetränk sehr gelegen.

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In die Wüste geschickt

Einer der Höhepunkte der Reise ist ein Abstecher in die Sahara. Nach der Mittagspause in der Oase Tafilalet sehen wir die ersten Sanddünen. Auch hier sind wie bei Ifrane wieder Barrieren neben der Straße, diesmal aus Palmwedeln gegen den Sand. Die Berge weichen einer Geröllebene, aus der sich die weithin sichtbaren, roten Sanddünen von Erg Chebbi erheben. Wir stoppen wir in der Stadt Rissani, um Wasser und vier Meter lange Schals für Turbane zu kaufen. Dann nähern wir uns der algerischen Grenze, über deren Verlauf die Länder seit der Unabhängigkeit streiten. Die Franzosen hatten beide kolonialisiert und die Trennlinie aufgehoben. Wegen der anhaltenden Spannungen zwischen Algerien und Marokko ist die Grenze jetzt geschlossen. Das müssen auch die Nomaden beachten, die immer noch durch die Wüste ziehen.

In Merzouga werden wir auch zu Nomaden und steigen vom Minibus auf Kamele um. Hier muss man sich auskennen. Die Häuser stehen wie kleine Burgen verstreut in der Geröllebene. Die „Straße“ sucht sich jeder selbst. Mein Kamel heißt Jimi Hendrix. Vor mir schreitet Omar Sharif, hinter mir Bob Marley, der einen stylischen Nasenring trägt, ab und zu seine Nase an Jimis Hintern schubbert und mir auf die Wade niest. Lenken oder schalten muss man nicht: Die Wüstenschiffe haben Automatik, denn sie sind aneinandergebunden und laufen brav hintereinander her. Ein Kamel kostet 1500 bis 2000 Euro. Sie müssen regelmäßig zum TÜV, dann gibts gelbe Knöpfe in die Ohren. Es sind alles Männchen. Die Weibchen kümmern sich um die Babys und ums Essen (Milch). Ein junges Kamel läuft am Ende. Es ist in der Ausbildung und das Einzige, was beim Start nölt. Im Schaukelgang gehts durch die Dünen. Nach einer Stunde tut der Hintern weh. Wind ist aufgekommen, da erweisen sich unsere traditionellen Turbane als sehr praktisch. Auch die Männer verschleiern sich. Trotzdem ist nachher Sand in den Augen und zwischen den Zähnen. Bei Sonnenuntergang erreichen wir das Camp und klettern zum Gucken auf eine hohe Düne. während des Essens tummeln sich unter dem Tisch selbst hier Katzen.

Anschließend machen die Kameltreiber Musik: Gesang mit Trommeln begleitet. Es klingt mehr afrikanisch als arabisch. Obwohl es nach Sonnenuntergang kühl wird, schlafen einige von uns unter freien Himmel. Ich ebenfalls. Wofür habe ich denn meinen Daunenschlafsack mitgebracht? Als der fast volle Mond aufgeht, wirds fast taghell und die Sterne verblassen. Die Kamele liegen ein paar Meter weiter und grunzen beim Wiederkäuen. Eines schnarcht. Um vier Uhr morgens krähen die ersten Hähnchen. In der Mulde, in der wir campen, gibt es Grundwasser und damit etwas Grün. Ein paar Menschen leben in der Nähe in Zelten. Selbst die Schafe haben ein eigenes Zelt. Als Wände dienen Decken. Am nächsten Morgen reiten wir zurück zur Herberge, wo unser Van steht. Wieder herrrscht strahlender Sonnenschein, es ist wie im Film „Der Himmel über der Wüste“. Die Kamele werfen lange Schatten und haben jetzt den Tag frei. Eigentlich kein schlechtes Leben: Nur morgens und abends je eine Stunde Arbeit.

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HOME, SWEET HOME

KANADA 🇨🇦

Reiseroute 2015

VancouverSquamish (Wanderung auf den „Chief“) – Alice Lake Park (Mittagspause) – Whistler (Ziplining) – Lillooet (Mittagspause) – Wells Gray Provincial Park (u.a. Kanutour auf dem Clearwater Lake) – Jasper (u.a. Wanderung zu den Cavell Meadows) – Icefields Parkway (u.a. Wanderung auf den Athabasca Glacier) – Banff (u.a. Wanderung vom Lake Louise zum Lake Agnes Teahouse) – Golden (Rafting auf dem Kicking Horse River) – KamloopsVancouver

Kanadier haben einen an der Waffel
(aber bitte mit Ahornsirup!)

Das ist das Schöne am Reisen: Man erlebt immer wieder Überraschungen, aber manches ist auch genauso, wie man es sich vorgestellt hat!

Kanadier sind ausgesprochen freundlich.
„Das liegt daran, dass unser Land so dünn besiedelt ist“, erklärt Rafting-Guide Tyler. „Da freut man sich, wenn man andere Menschen sieht.“ Schon auf dem Flughafen in Vancouver winken zur Begrüßung ein paar Feuerquallen aus ihrem Aquarium. Die Einreise ist schnell und unkompliziert. Keine blöden Fragen wie in den USA. Unterwegs stoßen wir an einer Tankstelle dann doch einmal auf einen ruppigen Mann. Irgendwie beruhigend, da fühlt man sich gleich wieder wie zuhause…

Kanadier lieben Ahornsirup.
Im Zentrum des „Continental Breakfast“ in meinem Hotel in Vancouver steht ein Waffeleisen, das Überstunden schiebt. Daneben befindet sich die obligatorische Karaffe mit Ahornsirup. Auch in jedem Souvenirladen werden Fläschchen damit in allen erdenklichen Formen verkauft. Im „WhiteTooth“-Pub in Golden finde ich auf der Karte sogar Mojitos mit Ahornwhiskey. Ein weiteres Nationalgericht scheint Bacon zu sein. Im „Wild Bill’s“ in Banff gibt es ihn zu fast allen Gerichten (selbst Fisch). Sogar bei einem der Cocktails gehört er dazu. In einem Geschäft sehe ich Zahnseide mit Bacon-Geschmack.

Kanadier schämen sich für Justin Bieber.
Schon auf früheren Trips in alle Welt habe ich immer wieder Kanadier in meinen Gruppen getroffen. Ebenfalls mitreisende US-Amerikaner beklagten sich, dass niemand etwas gegen Kanadier habe und gaben zu, dass sie sich zu Zeiten von George W. Bush im Ausland als Kanadier ausgeben hätten. „Ich hatte sogar kanadische Fähnchen in meinem Portemonnaie“, gestand meine aus Colorado stammende Zimmergenossin. Gibt es denn nichts, was man Kanadiern vorhalten könnte? Alle überlegen. „Ihr habt Justin Bieber!“ Die Kandier sind angenehm unangenehm berührt.

Die einzige Erwartung, die sich nicht erfüllt: Wir machen einen zünftigen Campingtrip, aber wir haben nicht einmal ein Lagerfeuer. Die sind wegen akuter Waldbrandgefahr überall streng verboten. Im Schnitt ist der Juli 2015 im Südwesten Kanadas zehn Grad wärmer als üblich. Selbst in den Bergen herrschen fast 40 Grad und alles ist knochentrocken.

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Wilder Südwesten inklusive

Ein weites Land (o.: Blick auf Banff vom Sulphur Mountain) voller Seen (v.l.: Clearwater Lake, Lac Beauvert, Lake Peyto, Lake Bow, Moraine Lake, Lake Louise, Lake Agnes, Pinantan Lake, Lake Paul)…

 

… und Wasserfälle (v.l.: Shannon Falls, Dawson Falls, Helmcken Falls, Moul Falls, Athabasca Falls, Takkakaw Falls)

 

Zwar leben wir weitgehend im Staub – Wasser sehen wir auf unserer Reise trotzdem jede Menge. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der schönste See im Land? Das ist wirklich unmöglich zu sagen. Die spektakulärsten Farben haben sicherlich Gletscherseen wie Lake Peyto am Icefields Parkway und Lake Louise im Banff National Park. Aus den Felsen gespülte Sedimente lassen das Wasser in einem unglaublichen Türkis schimmern. Dafür sind diese Seen eiskalt. Lac Beauvert bei Jasper, der Clearwater Lake im Wells Gray Provincial Park oder Pinantan Lake in der Nähe von Kamloops hingegen erreichen im Sommer durchaus angenehme Temperaturen und sind perfekt zum Schwimmen geeignet. Das Wasser im Clearwater Lake ist so sauber, dass man es direkt trinken kann. Ungewohnt! Das würde ich mir auf der Hamburger Außenalster verkneifen…

„Wo ist denn der Wasserfall, ihr Arschlöcher?“ Das ist in unserer Familie seit einem Bayernurlaub in den 70ern ein geflügeltes Wort. Mein Vater pflegte die gemeinsamen Ferien mit seiner Super-8-Kamera zu dokumentieren, und Filmmaterial war kostbar. Also gab er meiner Mutter und mir genaue Regieanweisungen: „Ihr kommt den Weg entlang, bleibt stehen, dreht euch zum Wasserfall und zeigt darauf. Ich schwenke dann rüber.“ Von unseren „Rollen“ gelangweilt, trabten wir beiden los, hielten an – und drehten uns zur falschen Seite. Mein Vater war nicht amüsiert (s.o.). In Kanada könnte so etwas kaum passieren. Hier ist alles eine Nummer größer und unübersehbar. Die Takkakaw Falls im Yoho-Nationalpark beispielsweise zählen mit 254 Metern zu den höchsten Wasserfällen Kanadas. Die Helmcken Falls im Wells Gray Provincial Park erreichen immerhin 141 Meter. Die Athabasca Falls am Icefields Parkway hingegen beeindrucken weniger durch ihre Höhe als durch die gewaltige Wassermenge, die hinüberrauscht.

Obwohl wir zwei Wochen unterwegs sind, sehe ich nur einen ziemlich kleinen Teil des riesigen Kanadas. Die Einheimischen nennen den Südwesten wegen seines vergleichsweise milden Klimas „Banana Belt“. Dort wächst immerhin Wein. Ausgangs- und Endpunkt meiner Reise ist Vancouver, das nicht umsonst als eine der lebenswertesten Städte der Welt gilt. In Fußnähe meines Hotels liegt der große Stanley Park auf einem Landzipfel – ein Paradies für Fußgänger, Fahrradfahrer und Inlineskater, die jeweils eigene Spuren auf den Wegen haben. Ich laufe um die Lost Lagoon, einen ehemaligen Meeresarm, der durch einen Damm zum Süßwassersee wurde. Alles ist voller Kanadagänse (hier gehören sie wenigstens hin). Aber auch Entenfamilien, Kormorane und Reiher tummeln sich auf dem Gewässer. Unter einer Brücke treibt sich eine Waschbären-Mutter mit drei Kindern herum. Daneben befindet sich der Vancouver Beach. Etwas weiter Richtung Stadtzentrum: English Bay, von der man einen schönen Blick auf die Skyline hat. Besonders auffällig ist ein Hochhaus mit einem ausgewachsenen Baum auf dem Dach. Dahinter befindet sich das quirlige Westend, das Schwulenviertel, wo sogar die Zebrastreifen in Regenbogenfarben leuchten.

Die Touristen-Zentren sind sehr hübsch herausgeputzt: Whistler, der Olympiaort von 2010 hat eine große Fußgängerzone, was sehr angenehm ist. Jasper liegt am Athabasca River und bietet ein reichhaltiges Angebot an Restaurants. In „Evil Dave’s Grill“ gibts „Cowboy Sushi“ – gefüllt mit Rindfleisch und frittiert. Nach Banff gehts über den Icefields Parkway, der zu den schönsten Straßen Nordamerikas zählt. Unterwegs stoppen wir an diversen Sehenswürdigkeiten. Banff hat ein gutes Nahverkehrssystem. Mit dem Bus fahre ich vom Campingplatz zur Gondel auf den 2295 hohen Sulphur Mountain, dann erhole ich mich in den heißen Quellen. Anschließend ein kleiner Bummel durch die Hauptstraße voller Geschäfte mit konventionellen (Ahornsirup) und verrückten (einteilige Schlafanzüge mit Elchen und einer Hinternklappe, auf der „Don’t moose with me“ steht) Souvenirs.

Wenig los hingegen ist im von Halbwüste umgebenen Lillooet. Auf der Grünfläche, wo wir Mittagspause machen, steht vor einem Baum ein Schild, das an den verblichenen Bob „Shit Happens“ Elless erinnert. Daneben die Glocke eines verunglückten Zuges, in dem der Lokführer und der Bremser starben. Scheint eine sehr gefährliche Gegend zu sein… Auch die Kleinstadt Hope zwischen Kamloops und Vancouver hat nicht allzu viel zu bieten, außer dass dort 1982 „Rambo“ gedreht wurde.

Auf dem Weg von Golden nach Kamloops überquert unsere Gruppe den 1330 Meter hohen Rogers Pass. Wir sind nicht die Ersten: Eine Tafel informiert über weibliche Pioniere, die (Skandal!) Hosen trugen. Dabei steht ein Zitat aus einer lokalen Zeitung von 1911. Der Autor schlägt vor, diese Frauen zu schlagen und ins Bett zu schicken: „Hosen wurden für Männer gemacht und nicht für Frauen. Frauen wurden für Männer gemacht und nicht für Hosen.“ Heute hingegen kann man als Frau in Blechhosen ungestraft für ein Erinnerungsfoto posieren. Die Erdhörnchen posieren auch. Aber ohne Hosen.

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Nichts für Schnarchbären

Natürlich kann man in Kanada einfach nur Faulenzen. Aber dann würde man das Beste verpassen. Es ist wirklich ein Paradies für Outdoor-Enthusiasten. Ideal zum…

WANDERN

Squamish Auf dem Weg von Vancouver nach Whistler stoppen wir, um den „Chief“ zu besteigen. Der Weg auf den ca. 600 Meter hohen Felsen ist steil und startet bei den Shannon Falls. Im oberen Teil klettert man teilweise sogar an Ketten hoch. Der Blick entschädigt allerdings für die Mühen. Frustrierend: Ständig werde ich von superfitten Einheimischen, darunter sogar Kinder und Hunde, überholt. Immerhin schaffe ich es bis zum ersten von drei Gipfeln.

Jasper National Park Als wir in die Rocky Mountains kommen, werden die Berge höher (bis fast 4000 Meter). Unter Führung von Paula, die die Firma „Walks and Talks“ betreibt, wandere ich zu den Cavell Meadows. Es geht acht Kilometer von 1700 auf 2300 Meter Höhe und zurück. Die Wildblumen blühen, u.a. ein haariges Gewächs namens „Hippie on a Stick“. Auf dem Weg sind Massen von Leuten unterwegs. Die Gegend um den berühmten Maligne Lake, wo sich sonst die Touristen tummeln, ist wegen eines Waldbrandes gesperrt. Ständig fliegen Hubschrauber mit Wasserbomben hin und her. Paula, die aus Jasper stammt, erzählt, dass die Wälder ab und zu brennen müssen. In dem 1907 gegründeten Nationalpark hat die Verwaltung in den ersten Jahren die regelmäßig entstehenden Feuer so gründlich gelöscht, dass der Wald teilweise überaltert und krank ist. Der Weg führt vorbei an zwei Gletschern. Ein Dritter ist 2012 nach einer Hitzewelle vom Fels in den darunter liegenden See gerutscht und hat eine Flutwelle ausgelöst. Der Sommer 2015 ist im Schnitt zehn Grad wärmer als normal. Keine guten Aussichten für die Übrigen… Auch im letzten Winter war es „nur“ minus 19 statt minus 30 Grad.

Athabasca Glacier Ich mache mit untergeschnallten Spikes eine Wanderung auf den ca. 2100 Meter hoch gelegenen Gletscher, der fast bis an den Icefields Parkway heranreicht. Man sieht an Markierungen, wieviel seit dem 19. Jahrhundert schon weggetaut ist. Überall rauscht Wasser in Sturzbächen den Berg hinunter. Der Guide erklärt anhand eines Mars-Riegels, wie sich ein Gletscher bewegt, und lässt uns in tiefe Spalten blicken.

Lake Louise An einem Ende des Sees steht ein klotziges Schlosshotel. Von dort aus führt ein 3,4 Kilometer langer Wanderweg zum Lake Agnes Teahouse hinauf. Auf 1700 Metern sind es ca. 20 Grad, also deutlich kühler als die letzten Tage. Zwischendurch geht ein heftiger Regenschauer runter. Als ich endlich oben ankommen ist das Teehaus total überfüllt. Also kein Essen, kein Heißgetränk. Dafür gibts etwas oberhalb eine schöne Aussicht auf Lake Louise und den oberhalb gelegenen Mirror Lake.

ZIPLINING

In Whistler mache ich wieder einmal Ziplining. Luxus: Mit der „Peak To Peak“-Gondel fahren wir zur Mittelstation des Whistler Mountain, also kein Hochkraxeln zum Start. Bremsen muss man auch nicht selbst. Das machen die Guides. Neben uns rasen Mountainbiker bergab und springen über Schanzen. Der Lift, der im Winter die Skifahrer zu den Pisten transportiert, schaufelt jetzt sie den Berg hinauf. Umgebaute Sessel halten die Fahrräder.

PADDELN

Im Wells Gray Provincial Park übernachten wir auf einer Guest Ranch. Besitzer Mike trägt Bart, Cowboyhut und ist ein waschechter – Österreicher! Morgens packen wir die Sachen, fahren zum Clearwater Lake und steigen vom Truck in Kanus um. Unser Paddel-Guide Kevin hat ein T-Shirt mit der Aufschrift „Vegetarian: Indian word for lousy hunter“ an, ist ein Nachfahre von Pionieren, auf einer Ranch aufgewachsen und früher Rodeos geritten. Außerdem spielte er in einer Countryband Gitarre, bis er mit der rechten Hand in eine Säge kam. Die Landschaft ist völlig unberührt und dicht bewaldet. Vor allem mit ganz schlanken Nadelbäumen, die nicht wie die europäischen von unten, sondern von oben absterben. Die einzige Straße endet am Bootsanleger. Sonst ist das Ufer nur vom Boot aus zu erreichen, ebenso wie unser Campingplatz Diver’s Bluff. Der erste Weiße hat die Gegend erst 1921 betreten. Auch die Indianer haben hier nicht gelebt, sondern gejagt. Die einen kamen von Süden, die anderen von Norden. Am Battle Mountain haben sie sich regelmäßig getroffen und skalpiert. Denn die Verlierer der Schlacht mussten in schlechtere Jagdgründe ausweichen und hatten einen harten Winter.

RAFTING

In Golden raften wir auf der mittleren und unteren Sektion des Kicking Horse Rivers, der seinem Namen alle Ehre macht und fleißig um sich tritt. Das Wasser hat nur 3 Grad. Das letzte Mal war es vor 10.000 Jahren wärmer. Etwas zu spät gekommen… Immerhin gibts Neoprenanzüge für alle.

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Die Hörnchen sind los

Am ersten Tag besuche ich das Vancouver Aquarium. Meine Favoriten sind die unglaublich putzigen Seeotter, ein riesiger orangefarbener Krake und die beiden Belugas, die in einer Show gezeigt werden. Sonst bekomme ich keine Meerestiere zu Gesicht, da wir nur kurz die Pazifikküste hochfahren, bevor wir Richtung Rocky Mountains nach Osten abbiegen.

Nachdem wir in Whistler erstmals die Zelte aufgeschlagen haben, bekommen wir Instruktionen, wie man sich „bear aware“ verhält. Dass wir uns den Lebensraum jetzt mit Bären teilen, sieht man an deren Hinterlassenschaften in unmittelbarer Nähe und Kratzspuren an den Bäumen. Tagsüber ist es den Räubern in der Regel zu unruhig. Aber nachts locken interessante Gerüche sie aus den Bergen hinunter. Man darf nicht nur keine Lebensmittel im Zelt lassen, sondern auch keine duftenden Artikel wie Seife oder Deo. Wir möchten zwar gerne Bären in freier Wildbahn beobachten, aber nicht den Schlafsack mit ihnen teilen. Bei Wanderungen hört man Glöckchen. Die werden nicht wie in den Alpen von Kühen getragen, sondern von anderen Wanderern, um Bären abzuschrecken. Alternativ kann man auch laut singen. Wie bei uns leise durch den Wald zu schleichen, um die Tiere nicht zu verscheuchen, wird nicht empfohlen. Überall stehen Schilder mit Bärenwarnungen. Tatsächlich läuft einem Mitreisenden bei einer Wanderung eine Schwarzbärenmutter mit drei Jungen über den Weg.

Ich hingegen sehe meine einzigen Bären im BC Wildlife Park in Kamloops. Dort gibt es sogar sogar einen der seltenen weißen Schwarzbären (auch Geisterbär oder Spirit Bear genannt), der versteckt im Gebüsch auf der faulen Haut liegt. Später kommt er heraus und kratzt sich ganz profan seinen Hintern an einem Baumstumpf. Drei dunkle Artgenossen kriegen in ihrem Gehege gerade Snacks (Wassermelonen, Gurken u. Ä.), die in Bäumen oder im Teich versteckt werden. Dann stürmt das Trio raus. Nein, die will man wirklich nicht im Zelt haben! Der kleine Tierpark beherbergt vor allem verletzte oder verwaiste Tiere (meist durch Autounfälle) wie den dreibeinigen Luchs Robert. Oder im Zoo geborene Tiere, die nicht ausgewildert werden können, z.B. Elchdame Cherry. Auf dem ganzen Trip waren ellenlange Güterzüge unsere ständigen Begleiter (Frage an die Deutsche Bahn: Wieso ist in einem Land mit eiskalten Wintern und heißen Sommern Schienenverkehr möglich, aber bei uns nicht?). Das Zoogelände durchziehen ebenfalls Gleise. Allerdings im Kleinformat und mit einem Personenzug drauf. Am Ende des Parks führt ein Weg an einem Bach entlang hinauf zu den Dipper Falls. Kurz davor steht eine hölzerne Geisterstadt mit Minihäusern, die wohl einst von Vögeln bewohnt wurden.

In Golden besuchen wir eine Bisonfarm. Büffel-Bulle „Chester Junior“ wacht über eine Herde, zu der auch drei Babys gehören. Er hatte Glück. Normalerweise enden die Männchen als Burger, wenn sie geschlechtsreif werden, um Kämpfe zu vermeiden. Aber „Chester Senior“ ist im hohen Alter von 26 Jahren gestorben. Nebenan leben acht Grauwölfe, die in Gefangenenschaft zur Welt kamen. Einer wird an einer Leine spazierengeführt, damit er Bewegung bekommt. Eine Wärterin stellt die Tiere vor und ermuntert am Ende die Menschen, zu heulen. Die Wölfe fallen sofort ein. Später höre ich, dass die Nachbarn von dem Projekt nicht allzu begeistert sind…

Der Campingplatz Whistlers in Jasper ist furchtbar groß. Alles sieht gleich aus, ständig verirrt man sich. Immerhin erblicke ich am zweiten Abend auf dem weiten Weg zur Dusche direkt neben dem Spielplatz einen kapitalen Hirsch. Und erinnere mich, dass Guide Paula uns bei der morgendlichen Wanderung gesagt hat, die seien gefährlicher als Bären. Verwirrend: Hirsch heißt hier Elk, Elch hingegen Moose. Kürzlich soll ein Grizzly zwischen den Zelten Jagd auf Hirschkälber gemacht haben.

Auf dem Campingplatz in Banff werden wir gewarnt, selbst tagsüber nichts Duftendes im Zelt zu lassen. Denn es gibt hier nicht nur Bären, sondern auch massenhaft Erdhörnchen und Mäuse. Selbst, wenn die alles anknabbern – sie sind unheimlich niedlich. Überhaupt kommen Hörnchen-Freunde wie ich in Kanada voll auf ihre Kosten: Auf dem „Chief“, wuselt ein winziger Chipmunk herum, am Camp Diver’s Bluff am Clearwater Lake empfängt uns ein Streifenhörnchen. Aus den Bäumen hört man seltsame Geräusche. Die stammen von größeren Eichhörnchen. In der Nähe vom Lake Agnes Teahouse hockt sogar ein Murmeltier. „Ihr Name ist Laureen“, sagt eine Kellnerin vom Restaurant. Sie wurde als Baby von Menschen gerettet und ist dadurch nicht scheu.

 

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HOME, SWEET HOME

BRITISH VIRGIN ISLANDS 🇻🇬

Reiseroute 2015

Road Town (Tortola, Hauptstadt der BVI) – Hodge’s Creek (Tortola, Marina) – Trellis Bay (Beef Island, erste Nacht auf dem Schiff) – The Bath (Virgin Gorda) – George Dog (Schnorchelstop) – Saba Rock (zweite Nacht auf dem Schiff) – Anegada (dritte Nacht auf dem Schiff) – Monkey Point (Schnorchelstop) – White Bay (Guana Island, Strandstop) – Little Jost Van Dyke (vierte Nacht auf dem Schiff) – Sandy Cay (Strand- und Schnorchelstop) – White Bay (Jost Van Dyke) – Sopers Hole (Tortola, Einkaufsstop) – The Bight (Norman Island, fünfte Nacht auf dem Schiff) – The Indians (Schnorchelstop) – The Caves (Norman Island, Schnorchelstop) – Salt Island (sechste Nacht auf dem Schiff) – Wrack der „Rhone“ (Schnorchelstop) – Cooper Island (siebte Nacht auf dem Schiff) – Hodge’s Creek (Tortola) – Lambert Bay (Tortola)

Planespotting

 

Nachdem ich mir im Skiurlaub 2014 das rechte Knie zerlegt hatte, war ich fast ein Jahr lang nicht reisefähig. Im März 2015 hebe ich endlich wieder ab, lasse es allerdings schön langsam angehen: Segeln in der Karibik! Über Amsterdam fliege ich zunächst nach St. Maarten. Nach neuneinhalb Stunden in der Luft befinde ich mich immer noch auf niederländischem Boden. Irgendwie. Am Flughafen schnüffeln Hunde. Einer schlägt bei meinem Handtäschchen an. Er sucht nicht etwa Drogen. „Wieviel Bargeld haben Sie dabei?“, fragt der Zöllner. Ca. 300 Dollar.“ Und Euro? „Ca. 30.“ Das reicht weder zur Steuerhinterziehung, noch zur Gründung einer Briefkastenfirma. Also darf ich gehen und die drei Stunden Umsteigezeit nutzen, um den wohl verkehrsgünstigsten Strand der Welt zu besichtigen. Zehn Minuten Fußweg, dann stehe ich am Maho Beach. Dort ziehen einem die landenden Flugzeuge mit dem Fahrwerk fast einen Scheitel, während die Triebwerke der Startenden alles wegpusten – Handtücher, Sonnenschirme und sogar einen Mann. Bei der nahen Bar steckt ein Surfbrett im Sand, auf dem mit Kreide die Ankunft- und Ablugzeiten der Jets notiert sind. Zum Weiterflug auf die benachbarten British Virgin Islands steige ich in die zweitkleinste Maschine, in der ich je gesessen habe. Die Pilotenkabine hat keine Tür, von Reihe 2 aus kann ich den beiden über die Schulter gucken. Navigiert wird über ein Samsung Tablet, das in einer selbstgebastelten Halterung steckt. Hier muss keiner sein Handy ausschalten. Elektronik zum Stören gibt es wohl nicht…

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Lila Pause mit Hühnern

Den Strand in St. Maarten „zieren“ Hochhäuser, überhaupt scheint die Insel ziemlich dicht bebaut zu sein. Tortola, die Hauptinsel der BVI hingegen sieht schon von oben verheißungsvoller aus. Nach der Landung auf dem Flughafen im benachbarten Beef Island fahre ich mit dem Taxi über eine Brücke an die Südküste in die Hauptstadt Road Town. Auf der Gegenfahrbahn herrscht Stau. Offenbar sind gerade alle 25.000 Einwohner der Inselgruppe gleichzeitig unterwegs. Zum Glück haben die ca. 400.000 dort registrierten Briefkastenfirmen keine Mitarbeiter. Sonst würde es richtig eng. Vom Verkehr abgesehen ist der Ort beschaulich. Nicht hässlich, jedoch auch nicht übermäßig schön. Bevor ich zum Treffen mit der Yachtcrew zur Marina in Hodge’s Creek fahre, sehe ich mich um. Die größte Attraktion ist Main Street mit ihren alten Häusern. Den Gogol-Bordello-Song „Start Wearing Purple“ scheint man hier wörtlich zu nehmen: Viele der Häuser sind lila, auch der Supermarkt in Sopers Hole am Westende von Tortola, wo sich die Yachtbesatzungen unterwegs versorgen. Dementsprechend kommen die Leute nicht mit Autos, sondern mit Dinghis zum Einkaufen. Sogar ein Müllwagen glänzt in der Farbe. Überall in Road Town laufen Hühner herum. Als ich in einem Imbiss frühstücke, kommt sofort eine Mutter mit zwei Küken angelaufen und pickt die Muffinkrümel unter mein Stuhl weg. Während ich meinen Kaffee trinke, passiert etwas Unerwartetes: ES REGNET! Ok, in der Nacht hatte es kräftig geschüttet. Das kennt man ja aus den Tropen. Ich trage nur ein Hemdchen, Shorts und Sonnenbrille und warte, dass es wieder aufhört. Zum Glück ist meine Sonnencreme wasserdicht… Ich kaufe einen Schirm, um wieder ins Hotel zurückzukommen. Es steht auf den Fundamenten eines Forts, das die Holländer vor 1666 erbaut hatten. Daher zielt immer noch im Garten eine Kanone in die Bucht, in der nun unbewaffnete weiße Segelschiffe liegen. Nach meinem Törn verbringe ich die letzte Nacht meines Urlaubs im Nordosten Tortolas in der Lambert Bay. Das Beach Resort hat einen Riesenpool mit Bar. Am Strand darf man an diesem Tag leider nicht baden. Die Brandung ist verlockend, aber es gibt wohl eine gefährliche Unterströmung. Vor meinem Rückflug genieße ich am Flughafen in einem Café draußen noch einmal die Wärme. Dort hängen auch ein Hahn, zwei Katzen und drei Spatzen herum.

 

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Frei wie ein Fisch

Insgesamt umfassen die British Virgin Islands mehr als 60 Inseln und Riffs. Am besten macht man es wie einst die „Piraten der Karibik“ und erkundet sie per Schiff. Nicht mit einem der Kreuzfahrtriesen, die nur in der Bucht vor Road Town ankern können, sondern mit einem kleinen Katamaran, der einen direkt zu den zahllosen Stränden und Schnorchelplätzen bringt. Die Gegend ist ein ideales Segelrevier, da stetig der Passatwind weht. Zudem ist der Atlantik hier nicht so rau: Die meisten Inseln gruppieren sich um den geschützen Sir-Francis-Drake-Kanal herum.

Mein Zuhause für den Segeltörn ist ein 44 Fuß langes Boot von Fountaine Pajot mit vier erstaunlich großen Kabinen, von denen jede ein eigenes Bad hat. Weil wir nur vier Passagiere sind, müssen wir nicht mal teilen. „I am Free“ – der Name ist Programm. Weniger passend hingegen wurde der „Bitter End Yacht Club“ auf Virgin Gorda getauft – ist eigentlich mehr ein „Happy End“. Auch die Traumbuchten „White Bay“ auf Guana Island und „White Bay“ auf Jost Van Dyke hätten originellere Bezeichnungen verdient. Sehr kreativ dagegen finde ich „De Loose Mangoose“. So heißt das Restaurant auf der Flughafeninsel Beef Island, in dem unseren kleine Gruppe nach einem Großeinkauf im Supermarkt den ersten Abend verbringt. In den folgenden Tagen klappern wir ein Highlight nach dem anderen ab:

 

THE BATH Die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit der BVI befindet sich am Süd­ende der Insel Virgin Gorda: Ein Haufen riesiger, bizarr geformter Felsblöcke liegt am Strand, als hätte ein Riese damit Murmeln gespielt. Teilweise stapeln sie sich über­einander und bilden Höhlen. Auf einem Pfad kann man vom Spring Bay Beach zum Devil’s Bay Beach (wieder so ein unpassender Name!) wandern und dabei um sie herum, drüber und drunter klettern. Das ist nichts für allzu breit gebaute Menschen und mancher untrainierte Kreuzfahrer hat hier schon sein Leben gelassen, erzählt unser Captain.

SABA ROCK ist ein kleiner Felsen vor der Nordostküste von Virgin Gorda. Darauf steht ein Hotel mit Restaurant. Fisch liegt nicht nur auf dem Teller: Vor dem Anleger tummeln sich riesige Tarpune, die mit Futter angelockt werden. Vor dem Essen wandere ich vom Bitter End Yacht Club aus auf den Biras Hill, von dem man einen herrlichen Blick auf die Bucht hat.

ANEGADA – die einzige Insel im Archipel, die nicht vulkanischen Ursprungs ist. Sie besteht aus Korallen und ist extrem flach. Die Tsunami-Warnungen, die sonst überall hängen, bringen hier nichts. Mit dem Taxi fahren wir von unserem Ankerplatz im Süden zum Loblolly Bay Beach an der Nordküste. Abends probiere ich den Hummer, für den dieses Eiland berühmt ist. Nicht übel!

LITTLE JOST VAN DYKE Die Insel ist wie ihre „große Schwester“ nach einem holländischen Piraten benannt und hauptsächlich von Ziegen bewohnt. Trotzdem lohnt sich auch für Menschen ein Besuch: Wir setzen über zur „B-Line Beach Bar“. Nach einer Weile erscheint der sehr entspannte Besitzer und mixt uns Cocktails.

SANDY CAY Ein unbewohntes kleines Paradies südöstlich von Jost Van Dyke. Der dichte Dschungel ist voller Leben: U.a. tummeln sich dort Einsiedlerkrebse, Eidechsen und kleine gelbe Vögel. Am Strand herrscht herrlicher Wellengang, der einen umwirft und durch den weißen Sand schmirgelt.

JOST VAN DYKE Wir ankern in der „White Bay“, wo sich die berühmte „Soggy Dollar Bar“ befindet. Ihren Namen verdankt sie der Tatsache, dass viele der Gäste von den Yachten herüberschwimmen und ihre Drinks dementsprechend mit feuchtem Geld bezahlen. Die Scheine werden dann zum Trocknen auf eine kleine Wäscheleine gehängt. Wir trinken alle einen „Painkiller“, der dort erfunden wurde. Ein etwas seltsamer Anblick bietet sich in den beiden benachbarten Bars, wo jeweils (im März!) noch geschmückte Plastiktannenbäume stehen.

THE BIGHT In der Bucht von Norman Island liegt „Willy T“. Angeblich finden auf dem Barboot regelmäßig legendär wilde Partys statt, was auch diverse Fotos beweisen. An diesem Abend jedoch ist außer uns kaum jemand an Bord. Allerdings ist das Essen (gegrillter Thunfisch) sehr lecker.

THE INDIANS Die auffälligen Felsen liegen nordwestlich vor Norman Island und tragen ihren Namen nicht von ungefähr: Sie wirken, als würde der Kopfschmuck von mehreren Indianern aus dem Wasser ragen. Drumherum und zwischendurch lässt es sich wunderbar Schnorcheln.

THE CAVES In den Höhlen auf Norman Island haben früher Piraten ihre Beute gelagert. Schließlich diente der Ort als Vorbild für Robert Louis Stevensons Buch „Die Schatzinsel“. Leider sind die Goldmünzen inzwischen wohl alle gefunden und geplündert worden. Immerhin kann man in die Höhlen hineinschwimmen.

SALT ISLAND Früher wurde auf der Insel Salz gewonnen. Seit der letzte Bewohner gestorben ist, wohnt dort niemand mehr. Die verlassene Siedlung wirkt gruselig: Im Foyer des ehemaligen Gästehauses stehen noch ein verrosteter Kühlschrank und ein verstaubtes Telefon. Vor einigen der verfallenen Hütten ist ein „Welcome“ in den Beton geschrieben worden.

WRACK DER „RHONE“ Die schroffen Felsen und Riffe der BVI sind schon vielen Schiffen zum Verhängnis geworden. 1867 beispielsweise strandete die „Rhone“ in einem Hurrikan vor Salt Island. Inwischen wurde das Wrack zum Nationalpark erklärt. Die Überreste sind auch für Schnorchler gut zu erkennen, weil das Wasser so klar ist.

COOPER ISLAND In der halbmondförmigen Manchioneel Bay ankern viele Yachten. An einem Ende gibt es ein Riff, das sich als einer der besten Schnorchelplätze des Törns erweist. Am Strand ist ein hübsches, kleines Resort mit einem guten Restaurant – ein perfekter Platz für einen entspannten letzten Tag.

Zum Abschluss noch ein paar Impressionen von unseren vielen Schnorchelstops: Es lohnt sich, auf den BVI den Kopf ins Wasser zu stecken! Neben den üblichen Verdächtigen wie Papageienfischen entdecke ich großäugige Eichhörnchenfische, zwei verschiedene Rochenarten, Barracudas, Meeresschildkröten, Igel- und Kofferfische. Die Riffe sind sehr lebendig. Besonders beeindruckend sind die lilafarbenen, fächerförmigen Korallen, die ich bisher noch nirgendwo sonst gesehen habe.

 

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HOME, SWEET HOME

MYANMAR 🇲🇲 

Reiseroute 2014

YangonBagan (Ausflug nach Mt. Popa) – Sagaing (Stop unterwegs) – Mandalay (Ausflug nach Pyin U Lwin) – U Bein-Brücke (Stop unterwegs) – Kalaw (Wanderung durch die Dörfer der Umgebung) – Pindaya (Stop unterwegs) – Nyaungshwe (Inle-See, Ausflug nach Indein) – YangonKawthoungMyeik-Archipel (u.a. Insel 115, Bo Cho, Lampi Kyun, Swinton, Macleod) – Yangon

Ein Land im Wandel

„Wo fährst du denn hin?“, werde ich vor meiner Abreise gefragt. Diesmal stellt mich das vor eine Herausforderung: Sage ich nun „Birma“, „Burma“ oder „Myanmar“? (Und sind die Einwohner eigentlich Birmanen, Burmesen, Myanmarer, Myanmanen, Myanmarier, Myanmaren, Myanmaresen…?) „Burma“ ist der alte englische Name aus der Kolonialzeit, „Birma“ die deutsche Version und von den Militärs wurde das Fleckchen Erde zwischen Indien, Bangladesch, China, Laos und Thailand 1989 in „Myanmar“ umgetauft (ebenso wie viele Orte, was für Verwirrung sorgt). Beide Begriffe leiten sich von „Bamar“ ab, der größten der vielen Bevölkerungsgruppen.

Nur Bares ist Wahres. Kreditkarten werden nirgendwo akzeptiert. FALSCH! Das Land verändert sich so schnell, dass Anfang 2014 die Angaben in 2013 erschienenen Reiseführern schon nicht mehr stimmen. Inzwischen steht selbst mitten in Yangons Shwedagon Pagode ein Geldautomat, der die Landeswährung Kyat ausspuckt. Lediglich auf dem Land sind makellose Dollar-Noten (seltsamerweise am liebsten 100er, für die gibt es einen besseren Kurs als für kleine Scheine) für den Umtausch nach wie unverzichtbar. Unerwartet habe ich an vielen Orten Internet-Zugang via W-LAN, komme problemlos an meine E-Mails. Nicht die einzige Überraschung: Bis vor kurzem durfte man weder Handys noch Presseprodukte nach Myanmar einführen. Jetzt wundert sich die Reisegruppe über einen Straßenstand mit Massen von Zeitungen und Zeitschriften, die Namen wie „Democracy“ tragen. „Die Pressezensur wurde abgeschafft“, erklärt unser Guide Louis, „60 Prozent des Inhalts bestehen aus Politik. Die Leute interessieren sich brennend dafür“. 2015 stehen (hoffentlich freie) Wahlen an. Louis kann jetzt offen sagen, dass er die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi unterstützt und uns ihr Haus zeigen. Früher undenkbar. Seit die Militärs 2011 nach rund 50 Jahren Diktatur einen zivilen Präsidenten als Staatsoberhaupt einsetzten, befindet sich das Land im Aufbruch. Überall wird gebaut, gestrichen (Bordsteine weißrot) und ordentlich gepflanzt. Auch die ursprünglich für den Abriss vorgesehenen Kolonialgebäude im Zentrum der ehemaligen Hauptstadt Yangon sollen erhalten werden.

Immer mehr Touristen besuchen Myanmar. An abgelegeneren Orten sind Fremde allerdings noch eine Attraktion. Zweimal sprechen mich an einem Wasserfall bei Pyin U Lwin Einheimische an, die sich mit mir fotografieren lassen wollen. Darunter ist auch ein junger Mönch mit seiner kompletten Familie, inkl. Oma. Unterwegs halten wir einmal in einem Dorf, in dem gerade ein Pagodenfestival stattfindet. Leider ist das Ochsenkarren-Rennen schon vorbei. Auch der Gesangswettbewerb mit traditionellen birmanischen Liedern neigt sich dem Ende zu. Während der letzte Teilnehmer singt, dreht sich das Publikum plötzlich um und blickt uns an. Eine ältere Frau nähert sich und befühlt die schneeweiße Haut einer englischen Mitreisenden. In der Stadt Kawthoung im äußersten Süden errege ich ebenfalls weit mehr Aufmerksamkeit, als mir lieb ist. Beim Bummel durch die Straßen folgen mir alle Augen. Ein kleiner Junge kommt sogar aus einem Haus angelaufen und überreicht mir feierlich eine Mango. „She su be (danke)!“ Damit habe ich ein Drittel meines birmanischen Wortschatzes angebracht. (Die Begrüßung „Mingalaba“ und die Abschiedsflokel „Tata“ sind der Rest). „Take care of tourists“, mahnt ein Schild die Einheimischen. Etwas doppeldeutig. Wenn nicht jeder, der mir entgegenkommt, so freundlich grüßen würde, wäre es mir unheimlich… Auf einem Felsen am Hafen befindet sich ein hübscher Park mit einer martialischen Statue von einem früheren König, der gerne mal im nahen Thailand eingefallen ist. Ich suche mir ein schattiges Plätzchen unter einem kieferartigen Baum. Auf einmal fühle ich, dass ich beobachtet werde. Vier Jungs sehen mich mit unverhohlener Neugier an. Ich denke: „Hey, ich bin die Touristin. Es ist mein Job, Leute anzustarren.“ Wieder bringe ich meinen Wortschatz an.

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Von wegen
„Friede, Freude, Eierkuchen“!

Fast 90 Prozent der Einwohner Myanmars sind Buddhisten, einige der größten buddhistischen Heiligtümer befinden sich im Land. Darunter ist die Shwedagon Pagode in Yangon. Sie besteht aus 60 Tonnen Gold und ist damit der größte Brocken der Welt. Dementsprechend glänzt sie. Bundespräsident Gauck ist auch gerade da. Ulkig, in Deutschland habe ich ihn noch nie getroffen. Viele der Buddha-Figuren in den Tempeln sind echt erleuchtet – mit bunt blinkenden Heiligenscheinen. Rund um die Pagode befinden sich einzelne Altäre für die acht (!) Wochentage (Mittwoch wird in Vormittag und Nachmittag unterteilt), die jeweils Tieren zugeordnet sind. Ich bin an einem Dienstag geboren und damit Löwe. In der Pagode sollen sich acht Haare Buddhas befinden. Des vierten der bisherigen Buddhas, man wartet gerade auf Nummer fünf. Wenn er erscheint, ist Armageddon: Die Welt, wie wir sie kennen, geht unter. Oder so. Es ist kompliziert. Unser Guide erzählt noch von 28 anderen Buddhas. Sind es also insgesamt 32? Nein, irgendwie nicht. Es ist sehr kompliziert. Der Buddhismus wird im Westen gerne als emanzipiert, tolerant und friedfertig idealisiert. Die Realität relativiert diesen Eindruck ein wenig.

Emanzipiert? Die Terrasse der Shwedagon Pagode dürfen Frauen nicht betreten, andere Heiligtümer wie den Goldenen Fels bei Bago und Mönche nicht berühren. Viele der inbrünstig Betenden sind weiblich: Sie wollen nicht etwa Schönheit oder Reichtum, sondern im nächsten Leben als Mann wiedergeboren werden. Frauen können nämlich nicht erleuchtet werden und das Nirwana erreichen, müssen also in jedem Fall noch mindestens eine Runde auf der Erde drehen. Tolerant? In Mandalay sehen wir einmal eine Prozession von Indern vorbeikommen, die Buddha und eine Hindu-Gottheit tragen. Moslems dürften auf der Straße nicht so einen Krach machen, erklärt Louis. Im Rakhaing-Staat kommt es mit der moslemischen Minderheit der Rohingya sogar zu brügerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Friedfertig? In Bagan wurden vom 11. bis 13. Jahrhundert tausende von Tempeln und Pagoden errichtet, von denen viele noch erhalten sind. In der Regel wurden sie von Reichen und Mächtigen gestiftet, die etwas kompensieren wollten. Narathu beispielsweise hat im 12. Jahrhundert erst den Vater, dann den älteren Bruder umgebracht, um König zu werden. Als ihn später seine Frau genervt hat, auch sie. Um sein Karma-Konto auszugleichen, ließ er in Bagan aus Ziegelsteinen den Dhammayangyi Tempel bauen. Damit die Arbeiter anschließend nie wieder so etwas Perfektes schaffen konnten, wurden sie lebendig eingemauert. Dort sitzen sie immer noch. Innen wirkt das Ganze entsprechend gruselig, überall hängen Fledermäuse an der Decke. Auch heute noch werden manchmal Menschen geopfert, erfahren wir von Louis. Vor fünf Jahren verloren fünf unverheiratete Männer mit glücksverheißenden Namen ihr Leben, damit ein Brückenprojekt unter einem guten Stern steht. (Aber das fällt mehr in den Bereich „Aberglaube“, s.u.).

In den sehr alten Tempeln Bagans sind auch indische Gottheiten wie Brahma und Vishnu zu sehen. Allerdings wurden sie von den Buddhisten zu Geistern (Nats) degradiert. Umgekehrt betrachten die Hindus Buddha ähnlich wie die Moslems Jesus nur als eine Art Propheten. Manche der Monumente kann und darf man besteigen. Die Stufen sind sehr steil. Der Himmel muss halt erarbeitet werden.

Beim Besuch von Tempeln, Pagoden, Heiligtümern und Klöstern erscheint für Außenstehende manches widersprüchlich oder skurril: Schuhe müssen grundsätzlich draußenbleiben. Vor dem Betreten muss man sie ausziehen und stehenlassen. Auch die Socken. (Was ist eigentlich, wenn einer einen Gips trägt?) Da kennen die Buddhisten keine Gnade, selbst wenn es schneit. Als wir die Höhlen von Pindaya mit ihren 8000 Buddhas besichtigen (nach der Penishöhle in Thailand die zweitschrägste Grotte, die ich je gesehen habe), ist es ziemlich frisch. Kalte Füße! Komischerweise befinden sich beispielsweise in der Two Snake Pagode auf dem Mandalay Hill überall Stände, die Schuhe verkaufen. Wieso dürfen die hier rein? In Indein nahe dem Inle-See, wo sich zahllose Stupas in allen Stadien der Renovierung befinden, steht sogar ein Motorrad direkt im Eingang des Tempels. Müsste das nicht wenigstens die Reifen ablegen?

Jeder Buddhist sollte hin und wieder Zeit im Kloster verbringen. Insgesamt gibt es rund 500.000 Mönche in Myanmar. Schon Kinder leben mindestens fünf Tage lang als Mönch oder Nonne. Alle werden kahlgeschoren. Jungs und Mädchen sind oft nur an Farbe des Gewands zu unterscheiden. Einmal sehe ich einen Mini-Mönch mit einer Plastikpistole spielen. Ein seltsamer Anblick… In Sagaing besichtigen wir die Sun U Ponnya Shin-Pagode, die von der Terrasse einen herrlichen Blick bietet. Dort telefoniert ein Mönch gerade mit dem Handy. Beim Besuch auf dem Mandalay Hill knipsen sich junge Mönche fleißig gegenseitig. Buddha hat zwar gesagt, Luxus sei schlecht. Handys, Tablets und Fotoapparate hat er hingegen vor ca. 2500 Jahren nicht erwähnt. Ähnlich: Mönche dürfen nicht trinken, doch das Rauchen hat Buddha nicht ausdrücklich verboten. Íst also erlaubt. Irgendwie. Während sich Mönche morgens barfuß ihr Essen erbetteln, sieht man sie sonst auch auf Motorrädern vorbeiknattern.

Eine Kuriosität existiert leider nicht mehr: Im Inle-See gibt es das Kloster Nga Phe Chaung Kyaung, in dem Mönche die örtlichen Katzen durch Reifen springen ließen. Das haben sie aufgegeben, weil sich die Touristen dafür weit mehr interessierten, als für die historischen Altäre.

 

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Links fahren bringt Unglück

Neben der Religion spielt der Glaube an Geister eine wichtige Rolle. Der Übergang ist fließend. Die sogenannten Nats wurden genormt, auf 37 reduziert und in den Buddhismus integriert. Sie lassen sich wohl ganz gut mit den katholischen Heiligen vergleichen. In der Regel sind es reale Personen, die eines unnatürlichen Todes gestorben sind. Die meisten sind Frauen (sind eher geeignet als böse Geister herumzuspuken). Ihr Zentrum ist Mt. Popa, bzw. die Felsnadel, die davor in der Ebene aufragt. Eine überdachte Treppe führt zum Tempel an der Spitze. Zwischen Buddhas in Schneekugeln toben wilde Affen herum. Auch in der Two Snake Pagode wird die Vermischung zwischen Geisterglauben und Buddhismus deutlich: Eine Figur zeigt eine Ogerin, die ihre abgeschnittenen Brüste in der Hand hält. Sie hat sie Buddha geopfert, um als König wiedergeboren zu werden. Das nutzte sie/er dann weidlich aus. Die Majestät hatte 500 offizielle und 500 inoffizielle Frauen und ließ in Mandalay einen riesigen Palast (jeweils 1 km im Quadrat) anlegen.

Die Macht, die Astrologie und Aberglaube in Myanmar ausüben, ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Man darf z.B. einen Busfahrer nicht fragen, wann man da ist (bringt Unglück, warum auch immer). Im Gegensatz zu Männern dürfen Frauen nicht auf dem Dach eines Pickups sitzen (bringt Unglück, denn dann wären sie ja über ihnen). Den Shan-Staat darf man nicht mit neun Personen betreten (bringt Unglück, weil es hier neun Geister gibt). Notfalls muss man noch einen Stein als zehnte Person mitnehmen. Ex-Dikator Ne Win war besonders abergläubisch: Auf Rat seiner Astrologen hat er urplötzlich den Verkehr von links auf rechts umgestellt. Noch heute haben viele Autos das Steuer auf der nun falschen Seite. Eines anderen Tages hat er einige Banknoten für ungültig erklärt und stattdessen 45er und 90er eingeführt. Angeblich sollte die 9 seine Glückszahl sein. Die 8 war es definitiv nicht: Daraufhin wurde er am 8.8.88 gestürzt.

 

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Mehr als Pagoden und Stupas

„Overpagodaed“ oder „templed out“ heißt es auf Englisch, wenn Touristen genug vom Heiligen Bimbam haben. Tatsächlich gibt es in Myanmar noch weit mehr zu entdecken. Start-, End- und Mittelpunkt meiner Rundreise ist die ehemalige Hauptstadt Yangon. Zunächst schieße ich allerdings 675 km übers Ziel hinaus und lande in Bangkok, weil der Flughafen wegen schlechter Sicht geschlossen ist. Auftanken, warten, bis sich der Nebel verzogen hat. Endlich kann ich die City bei einem Spaziergang erkunden. Bis vor kurzem waren Autos unerschwinglich, jetzt wimmelt es vor hupenden Wagen. Immerhin hat irgendein Diktator einst Motor- und Fahrräder aus der Stadt verbannt, weil er sich darüber geärgert hatte. Trotzdem ist das Überqueren einer Straße etwas für Schnelle und Unerschrockene. Man muss irgendwann einfach loslaufen, sonst kommt man nie auf die andere Seite. Hier sind die Leute schicksalsergeben (wenn ich überfahren werde, sollte es so sein). Zum Glück bringt Leute Umzunieten schlechtes Karma und wird möglichst vermieden. Von den Balkons der Appartmenthäuser hängen Seile. Es sind Aufzüge für Geschäfte: Ein Säckchen gebratener Reis als Frühstück fährt hoch, das Geld dafür runter. An Straßenständen werden kleingehackte Betelnüsse in Blätter verpackt. Es ist eine Art Kautabak. Das erklärt auch die roten Flecken auf den Bürgersteigen. Kein Blut, sondern die Rückstände vom Ausspucken des Saftes. Die uralten Telefone, die überall bereitstehen, werden wohl bald verschwinden. Handys sind jetzt auch erlaubt, bezahlbar und nicht mehr aufzuhalten. Noch vor kurzem kostete eine SIM-Karte noch 3500 Dollar, heute zwei. Das Trinkwasser, das ebenfalls überall kostenlos angeboten wird, hingegen wird bleiben: Es gilt als gutes Werk, das Punkte auf dem Karma-Konto bringt.

An einem Nachmittag besuche ich den Zoo. 1906 gegründet, befindet er sich fast noch im Originalzustand. Einige Tiere (z.B. die weißen Tiger und die Malaienbären) bieten in ihren viel zu kleinen Käfigen einen traurigen Anblick, während andere schönere Gehege haben. Ungewohnt: Fast alle Tiere dürfen gefüttert werden. Sogar die Nilpferde kommen angwatschelt und reißen erwartungsvoll die Klappe auf.

Den letzten Abend mit der Gruppe verbringen wir im China-Restaurant „Junior Duck“ am Fluss. Interessante Speisekarte: Fischköpfe und Hühnerfüße gehören noch zu den konventionelleren Gerichten. Das bestellte Hühnchen in den Nudeln ist bestenfalls durch den Wolf gedrehtes Schweinefleisch. Am nächsten Tag will ich einen Pool zum Schwimmen. Nicht einfach, ein Hotel zu finden, das überhaupt einen hat, und zudem Nicht-Gäste zulässt. Schließlich lande ich erneut im Park Royal, das stolze 20 Dollar für ein ziemlich übersichtliches Becken verlangt. Auch die Cocktailpreise (7 Dollar) sind gesalzen.

 

Von Yangon fliegen wir in die ehemalige Königsstadt Bagan im Zentrum des Landes. Dort genieße ich eine traditionelle Massage direkt im Hotelzimmer, eine ganze Stunde kostet keine fünf Euro. Bei einer Fahrradtour von Tempel zu Tempel sehen wir auch, wie eine beliebte Süßigkeit hergestellt wrid: Palmen werden „gemolken“, der Saft wird gekocht. Wenn er abgekühlt ist, wird die Masse zu bonbonartigen Bällchen geformt. Außerdem wird das Ganze fermentiert zu einer Art Bier und destilliert zu einer Art Grappa.

Auf dem Ayeyarwady fahren wir mit einem Holzboot namens Shwe Naingngan (goldenes Land), das nur ca. 1,50 Meter Tiefgang hat, von Bagan nach Mandalay. In der Trockenzeit ist der Fluss voller Sandbänke, immer wieder stochern die Maate mit langen Bambusstangen, um die Wassertiefe zu testen. Es gibt weder Fahrwassermarkierungen noch ein Echolot. Viele Frachter mit Teakstämmen sind Richtung Yangon unterwegs. Das oberste Stück wird mit Bambusflössen zurückgelegt, dann wird auf Frachter umgeladen. Gemächlich fahren wir ihnen entgegen den Fluss hinauf, trinken frischen Ingwertee und genießen die leichte Brise. Zwischendurch halten wir im Dorf Yandabo, das aufs Töpfern spezialisiert ist, und probieren eine Spezialität der Gegend: klebrigen Reis.

Abends erleben wir einen stimmungsvollen Sonnenuntergang über dem Fluss und schlafen unter Moskitonetzen an Deck, soweit es möglich ist. Laute Musik schallt vom Ufer herüber. Es klingt, als würde jeder wild auf sein Instrument einhämmern, während eine Katze erwürgt wird, und geht die ganze Nacht. In einem Dorf, das man gar nicht sehen kann, ist gerade ein Festival. Gefeiert wird in Myanmar oft und ausgiebig, Gründe gibt es genug: Vollmond, Neumond, jeder der 37 Nats hat seinen Tag, Pagoden und Tempel ebenfalls, Initiation eines Mönchs oder einer Nonne… Morgens versöhnt uns ein herrlicher Sonnenaufgang über dem Fluss.

Von Mandalay machen wir einen Ausflug nach Pyin U Lwin, das den Engländern einst als Sommerfrische diente. Das Städtchen hat seinen Charme behalten. Noch heute fahren alte Pferdekutschen die Gäste umher. Wir besuchen den lebhaften Markt, einen Wasserfall und den wunderschönen botanischen Garten. Am nächsten Tag halten wir unterwegs in Amapurna. Es ist ebenfalls eine ehemalige Königsstadt. Von denen gibt es viele in Myanmar, da Könige, die etwas Schlimmes getan hatten, die Hauptstadt zwecks spiritueller Reinigung gerne verlegten. Wir laufen über die berühmte U Bein-Brücke, die komplett aus Teak besteht. Die Konstruktion ist leicht wackelig und hat kein Geländer.

 

Weiter geht es aus der staubigen Zentralebene hoch in die Berge des Shan-Staates. Wir befinden uns jetzt im Goldenen Dreieck. Offiziell sind Drogen streng verboten, aber Regierungsmitglieder bauen sie selbst an. Bei langen Nachtfahrten dopen sich die Trucker gerne, indem sie Amphetamin rauchen, erklärt unser Tourguide Louis. Dann brettern sie mit altersschwachen Lkw über die gewundene, enge Straße. Wer die Droge in Pillenform kaufen will, gibt das mit einer simplen Handgeste zu verstehen: Zeige-, Mittel- und Ringfinger hoch, Daumen und kleiner Finger als Kreis, sodass die Kuppe des kleinen Fingers wie eine Pille übersteht. Myanmar ist mittlerweile vor Afghanistan der weltgrößte Drogenproduzent.

Von Kalaw aus wandern wir durch die umliegenden Berge. Die Gegend ist äußerst fruchtbar: Es wachsen tropische Früchte wie Ananas und Bananen, dazu Zitrusfrüchte, Weintrauben, riesige Kohlköpfe, Ingwer, Zitronengras und vieles mehr. Im Dorf Pein Ne Bin essen wir zu Mittag. Dort leben die Palaung. Man darf ihre traditionelle Tracht anprobieren. Sehr kleidsam. Allerdings ist die turbanähnliche Kopfbedeckung für die verheirateten Frauen noch hübscher als die für die Singles, die etwas an die Schwarzwälder Bollenhüte erinnert. Schließlich endet die Tour in Myin Ga. Unterwegs unterhält der örtliche Guide die Gruppe, indem er aus einem Grashalm ein mit den Armen wedelndes Männchen bastelt, die Schale einer Mandarine so abschält, dass es aussieht, als würde ein Frosch die Frucht tragen, und einer Sonnenblume eine Sonnenbrille aufsetzt.

Bevor wir weiterfahren, bummeln wir über den großen Markt von Kalaw, der nur alle fünf Tage stattfindet. Von einem der Verkaufsstände bietet uns Louis einen Snack an. Es schmeckt nach Knoblauch und Chili und etwas säuerlich. Geröstete Ameisen! Im Shan-Staat essen sie auch Hunde (aber nur die Schwarzen). Unsere nächste Station ist Nyaungshwe. Von dort aus kreuzen wir mit einem Boot über den Inle-See. Er ist maximal vier Meter tief, am und im See stehen auf Pfählen 25 Dörfer mit 40.000 Einwohnern. In Nampan gehen wir über den Markt, der den See im Fünf-Tages-Rhythmus umkreist. Ferner besichtigen wir eine Weberei, die Stoffe aus Seide und Lotusfasern herstellt, eine Bootswerft, eine Werkstatt für Shan-Papier und eine Silberschmiede. Interessant sind auch die schwimmenden Gärten, in denen vor allem Tomaten angebaut werden. Weltweit einmalig ist die Rudertechnik der örtlichen Fischer: Sie paddeln mit einem Bein, damit sie beide Hände zum Arbeiten frei haben.

Bevor wir nach Yangon zurückfliegen, essen wir in der größten und ältesten Weinkellerei in Myanmar zu Abend. Insgesamt gibt es zwei. Wein wächst nur in der Gegend um den Inle-See. In der ultramodernen Anlage wird Sauvignon Blanc und Shyraz produziert, 150.000 Liter pro Jahr. Eichenfässer werden im Land hergestellt, aber Flaschen müssen importiert werden, weil es keine Fabriken dafür gibt. Besitzer ist ein ehemaliger Shan-Rebell, der sich allerdings Spezialisten aus Italien und Frankreich geholt hat. Dementsprechend ist der Wein richtig gut. Die andere Kellerei gehört einem Deutschen.

 

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Tief im Süden

Von Yangon fliege ich in die Hafenstadt Kawthoung im äußersten Süden Myanmars an der Grenze zu Thailand. Auf dem Landweg dürfen Touristen die Strecke immer noch nicht zurücklegen. Die Propellermaschine macht zwei Zwischenlandungen und braucht so mehr als drei Stunden. Ich bin die einzige Nicht-Asiatin an Bord. In der ersten Reihe sitzt ein älterer Mönch, der offensichtlich ein wichtiger Würdenträger ist. Passagiere und Crew verneigen sich tief vor ihm. Als er in Myeik aussteigt, wird er von einer Pressemeute empfangen und mit einem golden glänzenden Schirm vom Rollfeld begleitet.

Im Gegensatz zu Yangon gibt es in Kawthoung (noch) kaum Autos. Dafür umso mehr Motorräder. Das Personal im Hotel ist sehr freundlich, spricht aber kaum Englisch. Einen Stadtplan haben sie nicht, aber W-LAN. Es ist extrem langsam, dennoch schaffe ich es Google Maps aufzurufen. So finde ich den Weg von etwas außerhalb des Zentrums zum Hafen und sehe einen Katamaran mit dem Logo des Reiseveranstalters in der Bucht liegen. Sonst sind lediglich ein zweiter Karamaran und ein Zweimaster zu sehen. Bevor ich am nächsten Morgen an Bord gehe, streife ich über den lebhaften Nachtmarkt.

Eine Woche lang segele ich durch den Myeik Archipel. Bis 1996 waren die unzähligen Inseln völlig von der Außenwelt isoliert. Abgesehen von einigen Tauchern, die meist auf ihren Schiffen bleiben, verirren sich nur wenige Ausländer dorthin. Dementsprechend leer sind die fantastischen Strände. Auf den wenigen bewohnten Inseln leben Moken. Einige der Seenomaden sind von der Regierung gezwungen worden, sesshaft zu werden. Viele jedoch suchen sich nur während der Regenzeit eine vorübergehende Bleibe und wohnen auf ihren Booten. Wie wir: Unser Schiff heißt „Simile“ und fährt unter deutscher Flagge. Kapitän Mike stammt aus Südafrika und versichert uns: „Nach diesen sechs Tagen werdet ihr nicht mehr dieselben sein. Ich werde Euch den besten Urlaub eures Lebens verschaffen.“ Um in meine Kajüte zu gelangen, lasse ich mich durch eine Luke fallen und taste mit dem Fuß nach einem Regalbrett, das als „Leiter“ dient. „Wie ist denn der reguläre Zugang?“, fragt Mitpassagier Roland. „Das ist der reguläre Zugang!“ Zwischen uns und dem Paradies steht nur noch die Einwanderungsbehörde. Der Beamte kommt an Bord, nimmt ungefragt ein Bier aus der Kühlbox, sammelt die Pässe und 140 Dollar pro Person ein und geht wieder. Dann warten wir erstmal zwei Stunden, bis der erlösende Anruf kommt. Wir dürfen losfahren. Die Pässe bleiben in Kawthoung. Das hat auch seine Vorteile: Zwei Wochen zuvor ist auf See ein Tauchboot in Brand geraten und explodiert. Passagiere und Crew konnten gerade noch ihr Leben retten, haben sonst aber alles verloren – bis auf die Pässe…

Die erste Fahrt machen wir mit dem Motor. Es weht zwar etwas Wind, aber leider von vorn. Im Dezember und Januar hat es kräftig geblasen, erzählt Mike. Im Moment ist eine ruhigere Phase, bevor die Regenzeit einsetzt. Dann ist Schluss mit Segeln in dem Gebiet: Taifune drohen. Überhaupt ist das Revier recht tückisch: Kräftige Strömungen und Korallenbänke sind nichts für Anfänger. Deshalb kann man auch nicht einfach ein Boot ohne Kapitän chartern. Die erste Nacht verbringen wir ankernd vor White Monkey Island. Am nächsten Mittag folgt der erste Schnorchelgang an einem nagelneuen Pier. Das dazugehörige Resort ist seit Jahren im Bau. Recht vielversprechend: u.a. entdecke ich Clownfische, Papageienfische, Kofferfische und lebende (!) Korallen die aussehen, als hätten sie Blüten (später erfahre ich; es sind Würmer), die sich bei Annäherung zurückziehen. Nach dem Schnorcheln geht Skipper Mike mit der Harpune ins Wasser, um das Abendessen aufzupeppen. Etwas enttäuscht kommt er mit zwei Groupern und einem Snapper zurück. Weiter gehts zur Nachbarinsel, die den banalen Namen 115 trägt. Die Seenomaden, die eine Woche zuvor in der Bucht gecampt haben, sind verschwunden. Dafür liegt einiges an Plastikmüll am Strand. Ganz so tradititionell ist ihre Lebensweise auch nicht mehr. Bei unserer Miniwanderung von einem Strand zum anderen findet unser birmanischer Guide Cho Cho den Rückweg selbst erst im zweiten Anlauf. Ein Relikt aus der Militärdiktatur: Jedes Schiff muss neben der Crew einen Guide des Tourismusministeriums MTT an Bord haben. Der ist mit 365 Dollar pro Woche das teuerste Crewmitglied, seufzt Mike. Und das Entbehrlichste, denn die meisten können kaum Englisch. Auch Cho Cho „antwortet“ auf Fragen mit einem freundlichen Lächeln und scheint den Urlaub selber zu genießen. Ist wohl ein Traumjob, den nur Jungs mit guten Regierungskontakten kriegen… Zum ersten Mal in meinem Leben gehe ich nachts schnorcheln. Es ist gar nicht so gruselig, wie gedacht. Im Schein meiner wasserdichten Taschenlampe tauchen ein Tintenfisch und ein großer Kofferfisch auf.

Am Tag darauf ist endlich genug Wind zum Segeln. Lässig pflügt Simile (15 Jahre alt, 8,5 Meter breit, 52 Fuß lang, weltweit ein Einzelstück und schon um Kap Horn gesegelt) durch die Wellen. Der grundsolide Katamaran schafft über 20 Knoten. Sein Eigner hat damit schon eine Regatta auf den Azoren gewonnen. Aber davon sind wir weit entfernt. Das Boot hat eine Pinne, die man mit zwei Fingern steuern kann, so gut hat Mike die Segel getrimmt. Plötzlich dreht er in den Wind: An der Angel hängt ein kleiner Thunfisch. Der wird gleich darauf in Teile verlegt und roh verzehrt – mariniert mit Zitronensaft, Tabasco und grünem Pfeffer. Wenn man ihn brät, wird er schnell trocken, meint Mike. Und frisch ist er ja.

Wir ankern vor der Insel Bo Cho und besuchen mit dem Dinghi Ma Kyone Galet, das mit ca. 850 Einwohnern größte Dorf der Region. Dort leben vor allem Moken, aber auch Fischer vom Festland. Hunde mit Welpen begrüßen uns. Sofort kommen Kinder anfgelaufen und haben riesigen Spaß an unseren Fotokameras (mein großer Touchscreen ist der Bringer). Beim Besuch der örtlichen Pagode ziehen wir – wie es sich gehört – die Schuhe aus (ein Mönch vor Ort trägt allerdings welche, ebenso ein Funkgerät, und raucht). Als wir zurückkommen, hat ein Junge zum Vergnügen seiner Freunde meine Gummi-Ballerinas an. Praktisch alle im Dorf leben vom Fischfang. Schon die Jüngsten jagen mit Mini-Speeren die Krabben in den Tümpeln, die die Ebbe zurückgelassen hat. Für die Schulkinder ist heute ein besonderer Tag: Die Schiffseigner und die Stiftung des Reiseveranstalters haben einen Computer mit einem Übersetzungsprogramm birmanisch/englisch und einen Drucker gekauft. Beides wird feierlich dem Direktor überreicht. An der Wand hängt ein Schild: „Building a Modern-developed Nation through Education“. Erst seit kurzem ist der Schulbesuch in Myanmar kostenlos. Nach wie vor ist er keine Pflicht, deshalb sehen viele nicht ein, warum sie gehen sollten. Es ist klar: Myanmar wird sich auch in dieser entlegenen Ecke ändern. Die Tage, in denen nur einmal pro Woche eine Handvoll Touristen vorbeischaut, sind gezählt. Das hinterlässt gemischte Gefühle: Zwar hat die Öffnung des Landes der bisher schwer drangsalierten Bevölkerung sehr geholfen, Touristen bringen Geld in die arme Gegend. Aber ob die traditionelle Kultur den erwarteten Ansturm überlebt?

Wieder an Bord nehme ich meinen Lieblingsplatz in einem der Bugkörbe ein und fühle mich über den Wellen schwebend wie Leonardo DiCaprio in „Titanic“. Zum Glück gibt es hier keine Eisberge! Wir nehmen Kurs auf Lampi Kyun, die größte Insel des Archipels. Abgesehen von Seenomaden, die manchmal dort campen, ist sie unbewohnt. Es gibt sogar Elefanten, die einst von illegalen Holzfällern hergebracht und zum Bäumefällen eingesetzt wurden. Die Holzfäller landeten im Gefängnis, während die Elefanten freigelassen wurden. In der Bucht liegen sieben Fischtrawler die abends hell beleuchtet auslaufen. Mit Seekajaks paddeln wir zum unberührten Strand. Leider herrscht Ebbe, sodass wir zu Fuß in die Mangrovensümpfe laufen müssen. Überall wieseln Krabben, Einsiedlerkrebse. Schlammspringer und kleine Fische herum. Leider kommen am späten Nachmittag die Sandfliegen heraus, die sich hungrig auf uns stürzen. Später versuche ich mich erstmals im Stehpaddeln auf einem Board. Mike macht es vor. Sieht ganz einfach und lässig aus. Meine ersten sechs Versuche, aufzustehen, landen sehr schnell im Wasser. Das Ganze ist viel kippeliger als vermutet. Dann habe ich plötzlich den Bogen raus. Wenn das Board einmal läuft, läuft es. Stolz umrunde ich „Simile“. Später liegen wir in den Beaniebags an Deck und starren stundenlang in den Sternenhimmel. Man hört nur das Plätschern der Wellen an den Strand und das Quaken der Baumfrösche im Dschungel.

Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, um Swinton zu erreichen. Für Mike ist es der schönste Ort des Törns: „Wenn ich dort ein anderes Boot liegen sehe, werde ich sauer.“  Am Abend ist ein Barbecue am Strand geplant. Deshalb ist er auf der Jagd. Der dunkle bewegte Fleck auf dem Wasser könnte vom einem Schwarm stammen, der von einem Schwertfisch umkreist wird. Aber der beißt nicht an. Werden wir nur Gemüse grillen können? Dann zieht es plötzlich an einer der beiden Angeln. Mike stoppt den Motor und kurbelt. Ein Wahoo! Der viertschnellste Fisch der Welt ist selbst ein Jäger mit messerscharfen Zähnen – und als exzellenter Speisefisch ein guter Fang. Mike nickt zufrieden: Das Dinner ist gerettet. Nach der Ankunft in Swinton schnorcheln wir erstmal eine Runde. Mike zieht noch einmal mit der Harpune los und bringt u.a. Sweetlips mit, deren Mund stark an Mick Jagger erinnert. Ganz viele Quallen treiben in der Bucht (zum Glück keine Feuerquallen). Wieder liegen in der Nähe sechs Fischerboote. Plötzlich kommt ein Moken-Paar angerudert und schenkt uns Tintenfische. Im Gegenzug bekommen sie Reis. Der ist hier wertvoll wie Gold, erklärt Mike. Den schneeweißen, feinsandigen Strand haben wir ganz für uns. Es sind viele verschiedene Pfoten- und Krallenspuren zu sehen, aber deren Verursacher zeigen sich nicht. Die verstecken sich im dichten Dschungel. Nach Einbruch der Dunkelheit gibt es ein Lagerfeuer. Daneben wird in einem Sandgraben gegrillt.

Am Morgen danach können wir endlich wieder Segel setzen. Teilweise schwappen sogar Wellen über das Vordeck. Wir steuern Macleod an, wo ein kleines Hotel steht. Die erste richtige Dusche seit Tagen! Direkt am Strand und kalt, aber Luxus pur. Das Wasser sprudelt aus einer Quelle, man kann es also unbeschwert laufen lassen. Zwar haben wir einen Wasserbereiter an Bord, der das Meerwasser trinkbar macht. Zu langen Körperreinigungen reicht das Süßwasser jedoch nicht, zumal der „Cleaner“ einen enormen Verbrauch hat. Neben Skipper Mike, dem Guide Cho Cho und dem Koch So gehört nämlich auch Win zur Crew, der seinen Job, das Boot zu putzen, sehr ernst nimmt. „Simile“ ist das sauberste Boot, das ich je gesehen habe. Nach dem Essen wird der Tisch gewischt, unterwegs die Reling abgeseift und poliert. Es ist kein Hightechboot: Wenn das Großsegel gesetzt wird, fassen alle vier das Großfall an und machen Tauziehen.

Auf dem Weg zum „Myanmar Andaman Resort“ haben meine Mitpassagierin Barb und ich unabhängig voneinander Visionen von Pizza. Ob die wohl auf der Karte steht? Mike lacht: „Das ist ein Luxushotel, das 220 Dollar die Nacht kostet. Was glaubt ihr wohl?“ Es gibt ein Menü für alle. In unserem Fall Algensalat, eine pikante Kürbissuppe und grünes Seafood-Curry. Auch gut – aber verflixt teuer. Sie haben auch Cocktails und Wein zu sehr europäischen Preisen. Die Anlage ist klein: 22 Bungalows, die 2005 so geschickt in die Landschaft eingefügt wurden, dass man sie nur ganz aus der Nähe sehen kann. Es sind kaum Gäste da, wir haben fast alles für uns. Das Resort ist nur Leuten zu empfehlen, die wirklich Ruhe suchen. Zweimal pro Woche bringt das hauseigene Speedboot mit zwei 300-PS-Motoren die Gäste von und nach Kawthoung. Das Ganze gehört einem Geschäftsmann aus Yangon, der sehr gute Regierungskontakte haben muss, und liegt in einer Bucht mit fantastischen Schnorchelmöglichkeiten. Neben den üblichen Verdächtigen (Papageienfische, Seeigel) sehe ich sehr große Anemonenfische, einen riesigen Kofferfisch, eine Meeresschildkröte, einen Cattlefisch (ähnelt einem Tintenfisch) und eine essende Seegurke, die stark an die Biester aus „Im Land der Raketenwürmer“ erinnert. Am nächsten Morgen gehen wir den einzigen vorhandenen Wanderweg: rauf auf den nächsten Hügel. Es ist so steil, dass man sich den letzten Teil an Seilen hochziehen muss. Aber die Aussicht von oben auf die Bucht entschädigt für die Mühen. Anschließend springe ich erstmal in das helltürkise Wasser und gönne mir noch eine Dusche!

Leider müssen wir schon wieder den Anker lichten. Es ist ein langer Weg zurück nach Kawthoung, das wir am letzten Tag sehr früh erreichen müssen, da mein Flug nach Yangon schon kurz nach zehn geht. Es ist der Einzige. Das ist der Grund, warum der Trip zunächst nur noch von Phuket aus angeboten wird. Unser Rückweg ist so lang, weil wie einen Umweg um eine Reihe von Inseln machen müssen, die nach wie vor militärisches Sperrgebiet sind. Zu sehen ist niemand. Nur etwas Rauch steigt auf. Am nächsten Tag allerdings sitzt ein Militärangehöriger mit im Flugzeug. Seine grüne Uniform hat viele bunte Streifen auf der Brust. Die Flip-Flops, die er dazu trägt, trüben den martialischen Eindruck ein wenig. Ist wohl auch ein Ausdruck der neuen Zeit.

 

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HOME, SWEET HOME

MADAGASKAR 🇲🇬 

Reiseroute 2013

AntananarivoAmbositra (über Ambotalampy und Antsirabe) – Ranomafana National ParkIsalo National Park (über Ambatovaki und Ambalovao) – IlakakaFianarantsoaAntsirabeAndasibe National ParkFoulpointeNosy Boraha (Besuch auf Nosy Nato)

Pest, Putziges und Putschversuche

Seit ich im Zoo erstmals Kattas und andere Lemuren gesehen habe, will ich auf die Insel, die solche schrägen Kreaturen hervorgebracht hat. Der Film „Madagascar“ bestätigt: lauter putzige Tiere. Der Reiseführer „Kulturschock Madagaskar“ hingegen warnt: ziemlich andere Sitten. So ist es bei verschiedenen Volksgruppen üblich, die Toten alle paar Jahre auszugraben und mit ihnen eine Riesenparty zu feiern. Die Internet-Recherche gibt ebenfalls zu denken: Der letzte von diversen Putschen war 2009. Ein 34-jähriger Ex-DJ hatte den regierenden Konzernchef, der das Land an die südkoreanische Firma Daewoo verkaufen wollte, mit Hilfe des Militärs abgesetzt. Ende Oktober 2013 (unmittelbar vor meiner Abreise) stehen endlich Präsidentschaftswahlen an, bei denen Unruhen ausbrechen könnten. Auf einer beliebten Ferieninsel im Norden wurden gerade drei Menschen von einem wütenden Mob als vermeintliche Organhändler bei lebendigem Leibe verbrannt. Ferner wurde das Land kürzlich von einer Heuschreckenplage heimgesucht, und ein Ausbruch der Beulenpest wird befürchtet. Schöne Aussichten: „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord“… Langweilig wird dieser Urlaub sicher nicht!

Schon der Weg dorthin ist ein Abenteuer: Beim Einchecken sehe ich zufällig, dass Air Madagascar meinen Rückflug zwei Tage nach hinten geschoben hat und muss blitzschnell umbuchen. Immerhin findet der Hinflug statt. Das Unterhaltungsprogramm an Bord der uralten Boeing, die wohl mal Air France gehörte (sieht man am abgewetzten Teppich), ist überschaubar. Auf dem winzigen Monitor stehen zwei Filme zur Auswahl: „Casino Royale“ und „Die Truman Show“. Die kann man sich aber nicht ansehen, weil das System nicht funktioniert. In Paris und Marseille muss ich umsteigen. Frankreich ist eigentlich ein schönes Land. Dummerweise sprechen alle Französisch. Selbst wenn sie Englisch sprechen. „All one“, beschreibt mir ein Mann am Schalter in Marseille den Weg zum Weiterflug nach Tana. Wie bitte??? Dann sehe ich, dass ich mich in „Hall 3“ befinde.

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Hochzeit in Tana

Die Fahrt vom Flughafen ins Zentrum der Hauptstadt Antananarivo, die kurz „Tana“ genannt wird, erweist sich als wilder Slalom durch Ochsenkarren, Märkte, die sich vom Straßenrand in die Fahrbahn ausbreiten, Radfahrer und Fußgänger. Es ist samstagmorgens kurz nach fünf und alle drei Millionen Einwohner scheinen bereits auf den Beinen zu sein. Auf die Straße gemalte Spuren gibt es ebensowenig wie Ampeln. Erkennbare Verkehrsregeln auch nicht. Das Taxi ist ein rostiger Audi. Die Schwester des Fahrers lebt in Deutschland. Er hat ihn von dort in die TÜV-freie Zone importiert. Offenbar ist er nicht der Einzige: Viele der Autos haben noch Schweizer, französische oder deutsche Nummernschilder und Beschriftungen.

Im Hotel treffe ich schon drei meiner Mitreisenden und wir machen einen Rundgang durch die City. Als wir an der Internationalen Protestantischen Kirche vorbeikommen, findet gerade eine Hochzeit statt: Catherine ehelicht István. Eine Messdienerin lädt uns ein, hereinzukommen. Wahrscheinlich wundern sich die beiden anschließend, wer die vier weißen Frauen auf ihren Hochzeitsfotos sind. Anschließend fragt ein Messdiener nach unseren Nationalitäten. Als er hört, dass wir aus drei verschiedenen Ländern stammen, fragt er, ob wir zu den internationalen Wahlbeobachtern gehören, die die Präsidentenwahl eine Woche vorher im Auge hatten. Nach dem Gewusel des zentralen Marktes rasten wir im ehemaligen Bahnhof. Abends esse ich erstmals Zebu (sehr gutes Rindfleisch).

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Salamo, Madagaskar!

Wir fahren durchs zentrale Hochland, die Heimat der Merina. Unter anderem durchqueren wir die höchste Stadt Ambotalampy (1600 m), die für ihre Aluminiumarbeiten bekannt ist. An einem Stand, der Spielzeugautos aus Holz und alten Dosen anbietet, halten wir kurz. Ich kaufe eine kleine lila Ente, die sogar eine Front- und eine Heckscheibe sowie winzige Lampen hat. Eigentlich sind die Autos als Trostpflaster für madagassische Jungs gedacht, wenn sie in einer feierlichen Zeremonie beschnitten werden. Mädchen werden zum Glück auf der Insel nicht beschnitten.

In der Stadt Antsirabe besichtigen wir eine Werkstatt, in der ein Familienbetrieb solche Spielzeuge in liebevoller Handarbeit herstellt – z.B. Mini-Fahrräder mit Schläuchen aus abgelaufenen Kanülen als Reifen. Es wird absolut nichts weggeworfen! Nebenan fertigt ein Mann Schmuck und alles mögliche andere aus Zebuhörnern an. Auch hier kreatives Recycling: Die Poliermaschine wird von einem Waschmaschinenmotor angetrieben, die Polierscheibe ist aus einem ehemaligen Ölfass herausgeschnitten und mit alter Jeans bezogen. Weiter gehts nach Ambositra, wo wir übernachten. Die Ortsnamen fangen fast alle mit „An“ an, weil das auf Malagasy eine Ortsbezeichnung ist und in etwa „da, wo“ bedeutet. In unserem Hotelzimmer liegen sechs Bibeln (dreimal das Neue Testament auf Malagasy, dreimal in deutsch/französisch). Sorry: Missionierung impossible. Ich bin Agnostikerin, meine Mitbewohnerin Jüdin. Bevor wir aufbrechen, machen wir einen kurzen Spaziergang durch das Städtchen, das deutlich kleiner als Antsirabe ist. Die Kinder gehen gerade zur Schule. Für viele ist der „Schulbus“ eine Rikscha (Pousse-pousse). Bevor wir in einem Vorort Holzschnitzer besuchen, lernen wir die Begrüßung in der Landessprache: Man sagt (bzw. singt) „Salamo“, „Salama“ oder „Salame“ – aber nicht „Salami“.

Über eine ungeteerte Straße mit Brücken aus wackeligen Holzbohlen ohne Geländer rumpeln wir zu einem Dorf, in dem Seide hergestellt wird. Unterwegs stoppen wir auf einem örtlichen Markt. Nicht nur frisches Obst und Gemüse wird angeboten. Einige Stände sind Gemischtwarenläden mit Nähgarn, Kugelschreibern u.Ä. Die Leute sind zu Fuß da und haben bis zu zwei Stunden Anmarsch hinter sich. Waren werden auf dem Kopf transportiert. Eine Frau beispielsweise balanciert einen Korb voller lebender Hühner. Für die Seidenherstellung nutzen die Dorfbewohner neben importierten chinesischen Raupen vor allem eine heimische Nachtfalterart (die Maden werden gegessen). Deren Kokons werden gekocht, fermentiert, zu Fäden gesponnen und zu Schals gewebt. Einer der Weberinnen (ist reine Frauensache) schauen wir über die Schulter. Ihr Arbeitszimmer ist gleichzeitig Schlafzimmer und Babystube für ein Huhn mit frisch geschlüpften Küken. An der Wand hängen ein muslimisches und ein christliches Motiv friedlich nebeneinander. Wir lernen, dass jede Weberin das Holz, mit dem sie die Fäden festzieht, gut hütet. Wenn sie nämlich damit geschlagen wird (absichtlich oder aus Versehen), bringt das Unglück für eine zukünftige Ehe. Dann kriegt sie wohl nie einen Mann. Aber wozu braucht sie ihn eigentlich, wenn sie doch diejenige ist, die das Geld verdient? Ich würde wahrscheinlich rufen: „Schlag mich!“ Auf dem Boden einer Hütte genießen wir ein traditionelles Mittagessen mit Reis, Bohnen und gekochtem Huhn. Die Einheimischen selbst essen nur zu besonderen Anlässen (z.B. Weihnachten) Fleisch. Zu trinken gibt es den aufgekochten Bodensatz aus dem Reistopf, der erstaunlicherweise fast wie grüner Tee schmeckt.

Überall an der Straße stehen Öfen, in denen drei bis vier Tage lang Ziegel gebrannt werden. Es passen 50.000 Stück hinein. Das reicht für zwei der typischen Hochland-Häuser der Merina. Meist haben sie drei Stockwerke: unten die Tiere, im ersten Stock Wohn-/Schlafzimmer, oben die Küche. Gerade werden die Reisfelder bestellt. Kinder fischen mit einem Moskitonetz im Fluss. Am Nachmittag fängt es wieder an zu gießen, wie an den Vortagen. Die Regenzeit ist etwas zu früh dran. Egal. Wir sitzen im Bus. Ist ein langer Weg nach Ranomafana.

 

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Stotternde Kuckucks
und samtweiche Boas

Im Ranomafana National Park machen wir im Nieselregen eine fünfstündige Wanderung im Bergnebelwald. Fünf Lemurenarten können wir beobachten: Goldener Bambuslemur (sehr selten, erst 1986 wiederentdeckt, gibt es nur in Ranomafana), Großer Bambuslemur (noch seltener, einer sitzt direkt vor unserer Nase und fiept), Rotbauchmaki, Rotstirnmaki und den etwas größeren Edwards-Sifaka. Alle fressen oben in den Bäumen Blätter, kratzen oder putzen sich und pinkeln auf uns herunter. Wir erfahren, dass sie bei trockenerem Wetter auf den Boden kommen, um Dreck zu fressen. Das neutralisiert die Säure des Bambus.

Eine große, bunte Spinne (Weibchen) hängt mit ihren Kindern in einem goldenen Netz. Keine Spur vom Vater. Den hat Mama nach der Paarung verputzt. Außerdem zeigen die Ranger uns schwarze Giraffenhalskäfer. Ständig ist ein Kuckuck zu hören. Allerdings stottert die hiesige Art: „Ku-ku-ku-kuck“. Am Straßenrand außerhalb des Parks liegt eine Madagaskar-Boa, die sich sogar streicheln lässt (fühlt sich gar nicht kalt an, sondern samtig). Auf einer Nachtwanderung sehen wir den kleinen, großäugigen Braunen Mausmaki (unfassbar süß), ein winziges, ein etwas größeres und ein großes Chamäleon, Frösche und rote Giraffenhalskäfer.

 

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Im Reich von King Julien

Auf dem Weg Richtung Süden halten wir in dem Dorf Ambatovaky. Mit Unterstützung des Isalo-Nationalparks haben die Bauern dort die Schmiedekunst gelernt und produzieren aus Altmetall Schaufeln, die sie auf einem nahen Markt verkaufen. Dementsprechend sieht man, dass viele neue Häuser gebaut werden. Im Gegensatz zu anderen Orten gibt es keine bettelnden Kinder. Die Gegend wird immer trockener und wüstenähnlicher, mit vielen Kakteen. Ein Stück verläuft die Straße parallel zu Bahngleisen. Die Züge brauchen für die knapp 170 Kilometer lange Strecke von Fianarantsoa zur Ostküste mindestens zehn Stunden, erklärt unser Tourguide Bruno. Ist ja fast wie bei der Deutschen Bahn…

In Ambalavao besuchen wir den zweitgrößten Viehmarkt des Landes. Das Riesengelände wimmelt vor handelnden Menschen und Zebus. Nachdem die Europäer ihre Kühe und damit deren Krankheiten eingeführt hatten, sind die ursprünglichen alle gestorben. Zebus mussten aus Südindien wieder neu importiert werden. Insgesamt leben neun Millionen der buckligen Rinder in Madagaskar.

Dann treffen wir im Rahmen eines Katta-Projektes endlich die Verwandten von King Julien aus der Animations-Komödie „Madagascar“. In der Nähe des Isalo National Parks zeigt die örtliche Bevölkerung den Touristen die geringeltschwänzigen Lemuren und einige Chamäleons (darunter welche der Kleinsten) in ihrem Lebensraum und verbessert dadurch ihren Lebensunterhalt. So ist der früher als wertlos angesehene Wald für die Anwohner plötzlich lukrativ und schützenswert.

Am nächsten Tag wandern wir durch den Isalo National Park. Ein örtlicher Guide erklärt uns die Gebräuche der Bara: Sie sind die einzige polygame Ethnie in Madagaskar. Ein Mann kann mehrere Frauen haben (eine Frau allerdings nicht mehrere Männer). Einem alten Brauch zufolge muss der Mann vor der Hochzeit ein Zebu klauen. Doch inzwischen greift die Regierung hart durch. Viehdiebstahl wird mit fünf bis zehn Jahren in einem Ratten- (und Pest-)verseuchten Gefängnis bestraft. Daher kaufen die meisten Bara heute die Kuh lieber. Die Begräbnissitten sind ähnlich wie den Merina speziell: Zunächst kommt der Leichnam zwei bis drei Jahre in eine kleine Höhle am Berg, die mit Steinen verschlossen wird. Wenn nur noch Knochen vorhanden sind, zieht der/die Tote in ein Seidentuch gewickelt ins Familiengrab um (eine größere Höhle im Massiv, oft nur durch Abseilen erreichbar). Das ist Anlass zu einer großen Familienfeier. Wir laufen über die Höhen durch sonnenverbranntes Grasland. Unten am Fluss hingegen gibt es dichte Vegetation mit Palmen. Zweimal erfrischen wir uns in Naturpools. Das Wasser ist erstaunlich kalt, denn die Quelle ist nicht weit entfernt. Da das Isalo-Massiv aus Sandstein besteht, gibt es sogar einen kleinen Strand am ersten Pool. Mittagspause machen wir auf einem Campingplatz, wo wir alle drei im Park vorkommenden Lemurenarten sehen: Katta (mit zwei geringeltschwänzigen Babys), Rotstirnmaki (auch mit Baby – die Mama versucht den Rucksack eines Touristen zu durchsuchen, der an einem Tisch sitzt), Larvensifaka (bewegt sich auf dem Boden auf den Hinterbeinen tänzelnd, was er uns leider nicht vormacht). Ferner sitzen ein grünes und ein braunes Chamäleon in den Bäumen.

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KROATIEN 🇭🇷 

Reiseroute 2013

Trogir – Split – Insel Brač (Bobovišća) – Insel Hvar (Stari Grad) – Blace – Insel Korčula (Korčula) – Insel Mljet (Polače) – Halbinsel Pelješac (Schnorchelstop) – StonSlano – Dubrovnik

Von der Seele
zum Herzen Dalmatiens

Meine erste Kroatienreise führte 1981 nach Istrien auf die Insel Rab. 32 Jahre später lande ich weiter südlich in Dalmatien. Eine Woche lang segele ich auf einer Bavaria 44 namens „Bionda“ zwischen dem Festland und den vorgelagerten Inseln hin und her. Die Adria sieht schon vom Flugzeug sehr verheißungsvoll aus. Ob dieses Revier auch etwas für meinen „Rasenden Hasen“ wäre? Schließlich kann auch er auf seinem Trailer mit dem Auto dorthin gebracht werden. Die Tour startet in Trogir, dessen komplett erhaltene Altstadt zum Weltkulturerbe zählt. Die Gassen sind ebenso verwinkelt wie die von Stone Town auf Sansibar. Auf „Wikipedia“ finde ich die Information, dass in „Winnetou III“ der Apachenhäuptling mit Old Shatterhand hier hindurchritt, weil Trogir das amerikanische Santa Fe darstellen sollte. Naja, das Städtchen kommt mir weder westernmäßig noch spanisch vor… Die erste Nacht verbringen wir (acht Passagiere, ein Skipper, diesmal leider kein Koch) in einer nahen Marina.

 

„Wenn Dubrovnik das Herz Dalmatiens ist, dann ist Split die Seele“, sagt die Tourbeschreibung über die zweitgrößte Stadt Kroatiens. Im Zentrum von Split liegt der Palast von Diokletian (ca. 245-313). Nachdem der römische Kaiser genug Christen verfolgt hatte, setzte er sich hier zur Ruhe. Später wurden die noch stehenden Mauern weiterverwendet: Die komplette Altstadt quetscht sich in die Ruinen hinein. Vom Kirchturm in der Mitte hat man einen schönen Blick auf das wild ineinandergebaute Ensemble von Häusern. Schließlich gehts mit dem Schiff weiter nach Brač. Wir legen in der Nähe von Bobovišća an einer Boje an, klappen die Badeleiter runter und kühlen uns erst einmal eine Runde ab. Das Nachtleben in dem urspünglichen 70-Einwohner-Dorf ist überschaubar: Es bietet zwei Restaurants und eine Kneipe.

 

 

Auf dem Weg zur Nachbarinsel Hvar sehen wir unterwegs Delfine. In einer Bucht machen wir einen Zwischenhalt und schnorcheln. Das Wasser ist glasklar. Allerdings sind die Fische weniger zahlreich und nicht so bunt wie in den Tropen. Dann fahren wir weiter nach Stari Grad. Weniger mondän als das benachbarte Hvar-Stadt, ist es ein hübsches, ruhiges Örtchen. Am Strand liegen immer noch mehr Einheimische als Touristen. Von einer Bar hallt Reggae herüber. Abends gehen wir aus. Unser Landgang ist etwas länger als geplant, da das Dingi uns wegen eines Gewitters nicht zum an einer Boje liegenden Schiff zurückbringen kann. Während wir warten, bringt uns ein mitreisendes Paar spezielle kanadische Gesten bei: Will man beispielsweise einen lästigen Verehrer loswerden und seine Freunde diskret um Hilfe bitten (Holt mich hier raus!), signalisiert man „akward turtle“. Für die „ungeschickte Schildkröte“ legt man die Handflächen übereinander und wedelt mit den Daumen.

 

Am nächsten Morgen ist endlich richtig Wind! Allerdings bläst der Maestral so kräftig, dass der Skipper entscheidet, nicht zu segeln. Auf der bisher so ruhigen See herrscht plötzlich ziemlicher Wellengang, ein Teil der achtköpfigen Crew ist seekrank. Mit Motor erreichen wir Blace auf dem Festland. Der Ort liegt an einem Flussdelta, die fruchtbare Umgebung gilt als das „Kalifornien Kroatiens“. Durch Olivenhaine laufe ich zu einem Aussichtspunkt auf den Klippen.

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Der Wind ist launisch: Am folgenden Tag ist er fast völlig eingeschlafen. Also wird für die Überfahrt nach Korčula erneut der Motor angeworfen. Das gleichnamige Städtchen ist entzückend und ebenfalls komplett erhalten. Angeblich soll Marco Polo hier geboren sein. Selbst die Befestigungen stehen noch. Allerdings werden Besucher heute nicht mehr feindselig mit den Kanonen empfangen: In einem der Wehrtürme befindet sich jetzt eine Cocktailbar. Kein Wunder, dass meine Mutter, die als jung verheiratete Frau mit meinem Vater genau 50 Jahre zuvor dort zwei Wochen Badeurlaub verbracht hatte, heute noch von dem mittelalterlichen Kleinod schwärmt.

 

Als wir Korčula verlassen und hinter der Insel vorkommen, ist genug Wind zum Segeln. Auf der Nachbarinsel Mljet legen wir im kleinen Hafen Polače direkt neben der Ruine eines antiken Römerpalastes an. Angeblich strandete einst auch Odysseus auf der Insel, die zum großen Teil aus einem bewaldeten Nationalpark besteht. Das erste (und einzige Mal) in der ganzen Woche ziehe ich Socken an und schlüpfe in die Wanderschuhe. Der Weg zu den beiden Seen Veliko jezero und Malo jezero ist landschaftlich sehr schön, aber deutlich länger als gedacht. Meine Karte hatte keinen Maßstab…

 

Auf unserer letzten längeren Etappe ist gar kein Wind. Wenigstens können wir so an einer wunderschönen Stelle vor der Halbinsel Pelješac ankern und schnorcheln. Als ich an Land gehe, erweisen mir meine Badeschuhe gute Dienste: Die Felsen sind mit Seeigeln gespickt. Später wird die Bucht wird immer schmaler, die Fahrrinne enger. Am Ende erreichen wir Ston, das am Fuße eines Hügels liegt. Darüber verläuft eine Art Miniversion der chinesischen Mauer, die man begehen kann. Seltsamerweise liegt der Ort außerhalb der Mauer, die früher dem Schutz der benachbarten Salzfelder diente. Waschräume gibt es am kleinen Hafen nicht. Also duschen wir mit einem Gartenschlauch auf dem Kai. Der Wind föhnt die Haare trocken. Die Gegend ist berühmt für ihre frischen Muscheln. Abends überwinde ich mich und probiere ich die erste Auster meines Lebens. Angenehm salzig, aber auch irgendwie fischig. Am folgenden Morgen endet unser Segeltörn im benachbarten Slano.

 

Den Rest der Strecke fahren wir mit dem Taxi. Die letzte Nacht verbringe ich einem Gästehaus in der Altstadt von Dubrovnik. Ich habe ein winziges Zimmer, in das gerade ein Bett passt. Gegenüber befindet sich ein noch winzigeres Bad mit Klo und Dusche. Das Gemäuer hat Charakter (und W-LAN!). Es liegt superzentral in einer kleinen Gasse, aber auch superlaut. Nachts hallt die Musik der zahlreichen Bars über den nahen Lužaplatz. Praktisch: Direkt vor meinem Fenster im ersten Stock hängt eine Wäscheleine. Sie läuft über Rollen, sodass ich weiterdrehen kann, während ich Bikini und Badetuch aufhänge. Bevor ich auf der berühmten Mauer um die Stadt gelaufen bin, habe ich nämlich mit herrlichem Blick auf den kleinen Hafen ein letztes Bad in der Adria genommen. Neben Trogir und Split ist auch Dubrovnik Weltkulturerbe. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, duch ein Museum zu laufen. Überall pulsiert das Leben.

 

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HOME, SWEET HOME

THAILAND 2 🇹🇭

Reiseroute 2013

Kata Beach (Phuket) – Chalong Bay (Phuket) – Ko Rang Yai – Ko Hong Phang Nga – Ko Roi – Ko Chong Lat – Ko Hong Krabi – Rai Leh (von Felsen umschlossener Festlandort) – Ko Dam – Ko Phi Phi – Ko Yao Yai – Ko Kai Nai – Ko Mai Thon – Ko Racha Yai – Chalong Bay – Kata BeachKhao Sok National ParkKhao Lak (Tagesausflug zum Ko Surin National Park) – Ko Similan National Park (Inseln Ko Tachai, Ko Bon sowie die Similan-Inseln Nr. 9, 8 und 4).

Gegen den Wind
durch die Bucht von Phang Nga

Hurra: Eine Woche Segeln in der Bucht von Phang Nga! Wir starten in Chalong Bay auf Phuket. Unser Boot ist ein 52 Fuß langer, 14 Jahre alter Katamaran aus Aluminium names „Bohemian“. Skipper Phillip ist in den letzten zehn Jahren schon um die ganze Welt gesegelt: Kanaren, Karibik, Südsee, Neuseeland. Seit zweieinhalb Jahren lebt er in Thailand – auf seinem eigenen Boot, das nebenan liegt. Wo ist es denn am schönsten? „Hier!“ Die Nächte vor und nach dem Törn verbringe ich in einem Hotel in Kata Beach. Obwohl es der „ruhigste“ der drei Hauptbadeorte auf der Halbinsel sein soll, steht am Strand Liege an Liege. Erst habe ich ein Zimmer zur Straße, über die zahllose Mopeds knattern und am frühen Morgen Trucks die benachbarte Baustelle beliefern. Dann habe ich ein Zimmer hinten zum Pool hinaus, wo einen das „umpf, umpf“ der unterhalb gelegenen Nachtbars im Zentrum in den Schlaf wiegt. Was für ein Unterschied: Vor der Insel Ko Rang Yai, wo wir unseren ersten Stop einlegen, ankert nur eine Handvoll Boote, an Land befindet sich ein winziges Resort. Man hört lediglich die kleinen Wellen an den Strand plätschern und die Vögel im Dschungel rufen.

Das Leben an Bord macht faul: Zwischen den Rümpfen vorn sind Netze gespannt, darauf befinden sich Sitzsäcke – gemütlicher als eine Hängematte. Zwischendurch raffen wir uns auf und gehen eine Runde schwimmen oder schnorcheln. Man passt sich dem Rhythmus des Tageslichts an: Um 18.30 Uhr dämmert es, um 19.00 Uhr ist es bereits dunkel, um 21.00 Uhr hat man das Gefühl, es sei mitten in der Nacht. Der Mond scheint durch das Oberlicht über meiner Koje, eine leicht Brise macht den Ventilator arbeitslos. Wer möchte, kann auch unter freiem Himmel auf dem Trampolindeck schlafen. Die Nächte sind Ende Januar warm und trocken, Mücken kommen nur sehr vereinzelt von den Inseln herübergeflogen.

Die folgenden Tage verbringen wir im nördlichen Teil der Bucht. Dort ragen unzählige Felsen wie Zähne aus dem Meer. Der berühmteste ist „James Bond Island“, das Hauptquartier des Bösewichts aus „Der Mann mit dem goldenen Colt“. Auf den meisten Inselchen leben keine Menschen, dafür Vögel (z.B. Seeadler), Zikaden, handtellergroße Schmetterlinge und Wasserdrachen. Erinnert irgendwie an Jurassic Park, auch ein richtiger Dino würde gut hier hinpassen. Die Strände sind goldgelb, das Wasser ist etwas trüb und deshalb nicht zum Schnorcheln geeignet. Stattdessen ist die Gegend für Sea Kayaking ideal. Wir haben zwei von den flachen Plastikbooten an Bord, die auch zur Überfahrt vom ankernden Schiff an die Strände sehr praktisch sind. Marinas gibt es nämlich so gut wie gar nicht. Beim Landen und beim Schwimmen muss man aufpassen. Überall sind messerscharfe Korallen. Wir haben viel zu erforschen: Ko Hong Phang Nga beispielsweise hat schöne Höhlen und eine kleine Lagune zu bieten (allerdings auch Touristenmassen), ebenso wie Ko Hong Krabi („Hong“ heißt übrigens „Raum“). Ko Roi besitzt einen herrlichen Mangrovensumpf, den wir ganz für uns haben. In Ko Chong Lat ist „Bohemian“ das einzige Touristenboot, das vor der Insel ankert. Nur Fischer mit ihren Longtailbooten sind ebenfalls vor Ort. Phillip erzählt, dass er mal bei seiner Weltumsegelung in seinem Schlafsack Fische gefangen hat. Die waren direkt in sein Cockpit geflogen.

 

Rai Leh liegt zwar auf dem Festland, ist aber von Felsen umschlossen und nur mit dem Boot zu erreichen. Als ich durch den kleinen Ort zum Strand Hat Phra Nang laufe, tropft es neben mir. Ist doch gar keine Regenwolke am Himmel? Über mir im Baum sitzt ein Affe und pinkelt ungeniert. Eine ganze Bande treibt sich dort herum. Die kleinen Biester lassen sich gerne von Touristen füttern und trinken sogar Wasser manierlich aus Plastikflaschen. Wenn ein Affe zur Abwechslung eine Krabbe essen will, steckt er seinen Schwanz in deren Loch. Die Krabbe kneift zu und er zieht sie heraus. Zwischendurch zweigt ein Weg zu einer Lagune ab, der jedoch ziemlich selbstmörderisch aussieht. Es geht fast senkrecht hoch. Die ganze Gegend ist ein Paradies für Kletterer. Außerdem sind die Felsen von Höhlen durchzogen. Echt schräg: Einzelne vom Boden emporwachsende Tropfsteine sind mit bunten Bändern geschmückt und in den beiden Höhlen am Strand stehen zusätzlich kleine Altäre sowie Holzpenisse in allen erdenklichen Größen. Jetzt weiß ich auch, warum Phillip die Höhlen als „phallisch“ beschrieben hat… Abends setzen wir mit dem Dinghi zur benachbarten Bucht Ao Ton Sai über, die von urgemütlichen Strandbars mit Hippie-Flair gesäumt ist. Auf der Karte wird u.a. ein „Magic Mushroom Shake“ angeboten. Erstmals höre ich Reggae auf Thai. Wir landen bei Ebbe und müssen durch zähen, knöcheltiefen Schlick stapfen. Danach sehen wir aus, als würden wir Socken tragen.

 

Weiter südlich in der Bucht wird der Sand weißer, das Wasser klarer und türkiser. Hier kommen die besten Schorchelplätze der Region, z.B. Ko Dam, Ko Kai Nai und Ko Mai Thon. Auf Ko Phi Phi fahren wir von einer Traumbucht zur nächsten: Lanah BayMonkey Bay und wieder zur Maya Bay, wo „The Beach“ gedreht wurde. Während tagsüber dort die Hölle los ist, wird es bei Sonnenuntergang ruhig. Ausnahmsweise liegen noch zwei Motorboote am Strand. Die Kapitäne haben die Flut verpasst (die Gezeitenunterschiede sind in der flachen Bucht sehr groß, Ebbe und Flut wechseln schnell). Nun sitzen die Passagiere auf dem Trockenen und müssen warten. Naja, es gibt schlimmere Orte… Am nächsten Morgen machen wir schnell noch einen Schnorchelgang. Um 8.30 Uhr kommen die ersten Ausflugsboote. Wir gehen und nehmen Kurs auf Ko Yao Yai. Die Nachbarinsel von Ko Yao Noi, die ich ein Jahr zuvor besucht hatte, ist ebenso schön. Am Strand halten sich kaum andere Menschen auf. Dafür sind überall im Sand Löcher, aus denen mich wieselflinke Krabben mit Stielaugen anstarren. Eine wagt sich sogar aufs Handtuch. Abends grillen wir mit Blick auf den Sonnenuntergang und das ankernde Schiff. Bevor wir wieder nach Chalong Bay zurückkehren, verbringen wir die letzte Nacht vor Ko Racha Yai. Diesmal kann ich die Insel genießen. Beim Schnorcheln sehe ich u.a. einen Adlerrochen, einen Feuerfisch und Clownfische. Anschließend paddele ich mit dem Kanu an Land. Hinter dem Luxusresort des Hauptstrandes befindet sich ein idyllisches Dorf mit grasenden Kühen, dahinter dichter Dschungel.

 

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Ich bin im Dschungelcamp –
Lasst mich hier drin!

Von Kata Beach aus fahre ich gut zweieinhalb Stunden lang mit einem Minibus nach Nordosten. Langsam ändert sich die Landschaft. Die durchgehende Bebauung weicht erst Plantagen, dann wird der Wald langsam dichter, die Landschaft hügeliger. Ziel ist das Elephant Hills Camp am Rande des Khao Sok National Parks. Neben Luxuszelten für Menschen (überdacht und mit angebautem Badezimmer, sowie Terrasse) bieten die Betreiber auch ein Camp für Elefanten. 16 Stück leben dort. Es sind alles Weibchen. Die Jüngste heißt „Haha“, ist knapp ein Jahr alt und wiegt bereits 350 Kilo. Den Namen hat sie, weil die Betreiber ihre Mutter kauften und dann feststellten, dass sie schwanger war. So hatten sie zwei Elefanten zum Preis von einem bekommen. Erwachsene Elefanten essen bis zu 250 Kilogramm Grünzeug pro Tag und trinken bis zu 200 Liter Wasser. Die Touristen fassen beim Füttern mit an. Anschließend nehmen die grauen Riesen ein ausgiebiges Schlammbad. Dann wird mit dem Wasserschlauch gewaschen und mit Kokosnussfasern per Hand poliert. Sollte ich mal wiedergeboren werden, dann bitte als Elefant in diesem Camp! Nicht mal mit Menschen ausreiten müssen die Ladys, weil die Betreiber das als nicht artgerecht betrachten. Allerdings haben nicht alle Elefanten in Thailand solch ein Glück: In Kata Beach steht ein verschüchtertes Jungtier mitten im Nachtleben und muss sich für Geld fotografieren lassen. Gezähmte Dickhäuter haben in Thailand eine lange Tradition und halfen früher beim Waldroden. Als man das 1984 verboten hat, wurden sie arbeitslos. Der Unterhalt ist teuer (s.o.) und so brachen harte Zeiten an. Die Mahouts (jeder Elefant hat seinen eigenen Führer) griffen zum Teil zu verzweifelten Methoden, um zu überleben.

Auf dem Programm stehen zudem eine Kanufahrt auf dem Sok River und ein Tagesausflug zur Küste nördlich von Khao Lak. Nach einem Zwischenstop auf dem Markt von Takua Pa gehts vom Sapan Pra Pier mit dem Speedboot weiter zur Insel Ko Maeo. Mit Kanus paddeln wir durch die Mangroven. Anschließend gibts auf einer burmesischen Dschunke Mittagessen. Bei der Siesta am Strand der Insel Ko Phra Thong ist unsere Mini-Gruppe unter sich. Auf der Rückfahrt biegt das Speedboot in einen Seitenkanal ab. Neben Tibetpalmen beeindrucken vor allem die riesigen Banyan-Bäume mit ihren Luftwurzeln.  Auf den Ästen sehen wir schlafende Schlangen. Am dritten Tag machen wir zum Abschluss vom Camp aus eine Wanderung durch den Dschungel. Beim Picknick im Wald isst ein weiblicher Waran mit. Es gibt Kokosmilchcurry mit Hühnchen und gegrilltes Schweinefleisch. „Die nehmen alles“, erklärt der Koch. Naja, es schmeckt ja auch toll und ist kräftig gewürzt. Die Kantine in unserer Firma würde wohl selbst die Echse verschmähen…

 

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Armhakelnde Kraken
und eine mondäne Muräne

Vom Khao Sok Nationalpark ist es nur ein Katzensprung zum Küstenort Khao Lak, der viel ruhiger und leerer als Phuket ist. Kein Massentourismus. Keine Straße direkt am Strand. Zwar liegt auch hier Hotel neben Hotel, aber es ist nicht alles zubetoniert. Ich habe ein extra kleines Resort gewählt – eine gute Idee. Nur ein paar Liegen säumen den Streifen vor dem Sand. Direkt nebenan kann man sich für umgerechet 8,78 € eine Stunde lang den Rücken und Nacken massieren lassen. Aaaaaah!

Hinter Khao Lak liegt der Dschungel, davor befinden sich zwei der weltbesten Unterwasserreviere: die Surin– und die Similaninseln. Erstere besichtige ich bei einem Tagesausflug. Unglaublich, aber der Sand ist tatsächlich noch weißer, das Wasser noch klarer und türkiser, die Artenvielfalt noch größer als in der Bucht von Phang Nga. Auch an Land gibts was zu sehen – z.B. ein Dorf der Moken People: Seenomaden, die nach dem Tsunami dort sesshaft geworden sind. Tradition (Schilfhütten) trifft auf Moderne (zwei Satellitenschüsseln, zwischen denen eine Wäscheleine gespannt ist).

 

Zum Ko Similan National Park mache ich einen dreitägigen Schnorcheltrip mit dem 21 Meter langen Motorboot „Sanuk 3“. Skipper Uwe erklärt, wie der unglaublich feine, weiße Sand dort zustande kommt. Es ist nichts als – Fischscheiße! Sie knabbern vorn die Korallen ab und scheiden hinten den kleingemahlenen Muschelkalk wieder aus. Erste Station ist Ko Tachai, wo in wunderschönen Korallengärten u.a. ein Barracuda und Babytintenfische herumschwimmen. Beim Landgang stoßen wir im Dschungel auf riesige, finster blickende Chicken Crabs. Vor der Nachbarinsel Ko Bon sollen Mantas leben. Leider zeigen sie sich nicht. Dafür eine Muräne, die von einem kleinen blauen Fisch die Zähne geputzt kriegt. Kurz darauf entdecke ich zwei kämpfende (oder verliebte?) Kraken mit verhakten Armen. Der Sieger lässt sich zwischen zwei Steinen nieder und nimmt genau deren Farbe an.

Von dort gehts weiter zu den neun Similaninseln, die der Einfachheit halber durchnummeriert sind. Zunächst schnorcheln wir vor Nr. 9. Es wird einfach nie langweilig: Eine schwarzweiß geringelte Seeschlange zieht unter mir durch, ebenso wie riesige Papageienfische, auf denen kleine Anhalter mitschwimmen. Nr. 8 ist eine von zwei Inseln, die betreten werden dürfen. Wir landen in der Donald Duck Bay (benannt nach einem Felsen, der wirklich entenmäßig aussieht) und klettern zu einem Aussichtspunkt hinauf. Allein ist unsere Minigruppe (vier Passagiere) allerdings nicht. Vom Festland kommen ständig Schnellboote für einen Tag herüber. Abends ankern wir dann vor Nr. 7. Am nächsten Morgen erkunden wir Nr. 4 und setzen mit einem Schlauchboot in der Princess Bay zu einem weiteren unfassbar schönen Strand über. Die einzigen menschlichen Bewohner der Similans, die Ranger, haben hier ihr Hauptquartier. Zudem gibts ein paar Zelte und Bungalows für Gäste. Bei den letzten Schnorchelgängen zeigen sich endlich mal Schwarzspitzenriffhaie. Ein kleiner Trost, denn die geplanten Unterwassertouren vor den Inseln 5, 6 und 7 müssen leider ausfallen. Ein kräftiger Wind ist aufgekommen, und die See ist zu rau. Jetzt kann ich mir gut vorstellen, warum der gesamte Ko Similan National Park während der Regenzeit unzugänglich ist. Die Inseln 1, 2 und 3 sind ohnehin immer gesperrt: Nr. 1 hat einen Marinestützpunkt, die anderen beiden sind Eiablageplätze von Meeresschildkröten.

 

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