MAROKKO 🇲🇦 

Reiseroute 2015

CasablancaRabatMeknèsVolubilisFésIfraneBremmen (Bergdorf bei Midelt zwischen Mittlerem und Hohem Atlas) – Erg Chebbi (Sahara) – El KhorbatTinghir (Todra Schlucht) – OuazarzateAít Benhaddou Aroumd (Bergdorf im Hohen Atlas) – EssaouiraMarrakesch – PORTUGAL 🇵🇹

1001 Nacht im 21. Jahrhundert

„Du fährst nach Nordafrika? Das würde ich mich jetzt nicht trauen“, höre ich im Herbst 2015 kurz nach dem Terroranschlag in Tunesien. Aber man soll sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. Die Marokkaner wissen das zu schätzen. Unterwegs zeigen uns immer wieder Menschen beide Daumen nach oben. Soll heißen: Ihr Touristen seid uns willkommen. Hundertprozentig sicher ist man nirgendwo, Angst jedoch empfinde ich während meiner Reise nicht. Mittelalter und 21. Jahrhundert, Wald und Wüste, wimmelnde, enge Städte und menschenleere, weite Landschaften, Araber und Berber – in Marokko prallen Gegensätze aufeinander, ohne dass es ständig kracht. Seit Jahrhunderten haben die verschiedenen Religionen hier friedlich zusammengelebt. Ins Zentrum der Hafenstadt Essaouira beispielsweise führt das „Tor der Toleranz“, das mit Symbolen für Christentum, Judentum und Islam verziert ist. Viele der Altstädte haben eine Mellah, ein jüdisches Viertel. Die meisten Juden allerdings sind nach der Gründung Israels oder spätestens nach dem Sechstagekrieg abgewandert. In Meknès beispielsweise sind von einst 3.000 nur noch 50 Familien übrig.

Rund 99 Prozent der Marokkaner sind Moslems – alles Sunniten. „Das eint uns“, erklärt unser Guide Mohammed, den wir „Mohammed, den Siebten“, nennen. Der aktuelle König ist nämlich Mohammed VI. Er hat eine Frau aus dem Volk (stammt aus Fés) geheiratet, gilt als sehr modern und setzt sich für ein öffentliches Gesundheitssystem und kostenlose Schulen ein. Sehr beliebt beim Volk, erklärt Mohammed (der Guide). Das Staatsoberhaupt kann sich sogar ohne Bodyguards unter die Leute mischen. Als beim „arabischen Frühling“ die Proteste auf Marokko überzugreifen drohten, hat der König schnell ein wenig von seiner absoluten Macht abgegeben. Etwas verwirrend: Auch unser Fahrer heißt Mohammed. Dass Religion eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich schon in der Landesflagge: roter Hintergrund (Symbol für die Bereitschaft sein Blut für das Land zu lassen) mit grünem (Farbe des Islam), fünfzackigem Stern (fünf Säulen des Islam). Freitags strömen die Menschen in die Moscheen. Teilweise liegen daneben Teppiche auf der Straße, auf denen Männer beten. Die Predigt des Imam wird über Lautsprecher nach draußen übertragen. An vielen Geschäften versperrt ein Stock den Eingang. Das bedeutet, dass der Besitzer in der Moschee ist. Offenbar wird das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ hier beachtet. Keiner vergreift sich an der Ware.

Die meisten Frauen tragen Kopftücher. Seltener (vor allem in den Städten) sieht man komplett verschleierte oder ganz unverschleierte Frauen. Eine interessante Kombination bei jungen Mädchen: Kopftuch und hautenge Jeans. Das ist nicht der einzige Widerspruch. Bis heute kriegt ein unverheiratetes einheimisches Pärchen kein gemeinsames Zimmer im Hotel. Bei Westlern hingegen interessiert es keinen. Ein Thema für sich ist Alkohol. Auch einige Marokkaner trinken ihn. Sie dürfen das nur nicht in der Öffentlichkeit tun. Also in Restaurants nicht an den Tischen, die auf der Straße stehen, sondern nur im Innenraum. Bei Ausländern wird das wiederum nicht ganz so eng gesehen (außer im Fastenmonat Ramadan). In Meknès probieren wir in einem Hotel Wein aus der Region, der erstaunlich gut ist. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Marokko überhaupt Wein produziert. Dazu gibt es nicht nur gesalzene Erdnüsse, sondern auch Gürkchen, in Knoblauch eingelegte Möhren und Käse. Hätte auch beinahe als Abendessen gereicht. In Fés essen wir in einem Restaurant, das zwar keinen Alkohol ausschenkt (die Lizenz ist sehr teuer), man darf sich jedoch selbst welchen mitbringen. Im Spirituosengeschäft herrscht reges Treiben. Die Flaschen werden in schwarze Tüten verpackt, damit sie nicht auf offener Straße zu sehen sind. Dem Hotel in der Nähe der Todra-Schlucht ist der Alkohol ausgegangen, also Versorgung in einem kleinen Supermarkt in Tinghir. Die Kondome stehen in einem Glas direkt neben der Kasse, aber das Hochprozentige ist hinter einer Tür mit einem kein-Zutritt-Zeichen in einem winzigen Hinterzimmer versteckt und wird natürlich wieder in schwarze Tüten gehüllt.

Speisen müssen für Moslems halal (erlaubt) sein. Schweinefleisch und Insekten sind verboten. Aber auf dem Markt in Rabat haben wir Schnecken gesehen… Naja, meint Mohammed, über diese Frage wird heftig diskutiert. Glücklicherweise hat die Ex-Kolonialmacht Frankreich in Marokko nicht nur Schnecken hinterlassen. Zum Frühstück gibts in den meisten Hotels Croissants und Baguette. Dazu Kaffee, der seinen Namen verdient und nicht wie in vielen anderen Ländern mit dem Tee verwechselt werden kann: tiefschwarz und leicht ölig. In den Bergen bekommen wir Berberkaffee mit Gewürzen, u.a. Thymian. In Fés probiere ich eine lokale Spezialität: Pastilla, eine Pastete, die mit Hühnchen gefüllt und mit Zucker und Zimt bestreut ist. Gewöhnungsbedürftig, aber durchaus lecker. Ebenfalls lecker ist marokkanisches Fast Food: In Meknès wage ich mich an einen Kamelburger. In Aít Benhaddou kocht der Wirt Couscous für alle. Er demonstriert, wie man ihn nur mit der rechten Hand isst: Erst ein bisschen Gemüse zermatschen, damit das Ganze etwas klebrig wird, dann daraus einen kleinen Ball formen. „Die jüngere Generation macht das nicht mehr“, meint Mohammed. „Der Löffel ist bei uns angekommen.“ Das beliebteste Gericht in Marokko ist allerdings nicht Couscous, sondern Tajine. Im Wüstencamp esse ich erstmals den im Tontopf gegarten Eintopf. Auch der Wirt im Bergdorf Aroumd serviert Tajine. Interessanterweise sind meistens Kartoffeln mit darin. Das ermöglicht eine unerwartete Beilage zu vielen Gerichten: Pommes! Mein lokales Lieblingsessen ist Berberomelett, eine Art Bauernfrühstück mit Gemüse.

Die Verkehrsverhältnisse sind erstaunlich vertraut. Der Zug von Casablanca nach Rabat erinnert an die Doppelstöcker der Deutschen Bahn. Er ist überfüllt und beim Aussteigen funktioniert die Tür nicht. Die Leute drängen schon hinein. Zum Glück bin ich nahkampferprobt… Der nächste Zug nach Meknès hat 15 Minuten Verspätung. Wieder fühle ich mich wie zuhause. Die meisten Autos in Marokko sind in einem hervorragenden Zustand. Es ist nämlich keine TÜV-freie Zone mehr: Alle werden jährlich überprüft, erklärt Mohammed. Und nur wenige Straßen geben einem die berühmt-berüchtigte afrikanische Massage. Erst als wir am Rand der Sahara die Dünen sehen und von der Straße auf eine Staubpiste abbiegen, wird alles geschüttelt, nicht gerührt. Kreisverkehre sind sehr beliebt. In der Mitte präsentiert jede Stadt ihre Spezialiät. In Ouarzazate ist es mal eine Filmrolle, mal eine „Action“-Klappe, in Midelt ein Apfel und in der Blumenstadt El-Kelâa M’Gouna eine Rose.

Eine saubere Sache ist der Besuch im Hamam. In Tinghir lerne ich die klassische Variante in einem öffentlichen Bad kennen. Erstaunlich: Auf der Straße sind die meisten Frauen verhüllt. Im Haman sind sie unter sich und gehen zumindest oben ohne. Auch die Frau, die mich mit der weichen, schwarzen Seife aus Oliven- oder Arganöl einseift, überall mit einem rauen Handschuh abschrubbt, und anschließend nachspült, hat kein Oberteil an und platziert meine Hand ungeniert auf ihrer Brust. Alle befinden sich in einem großen, gekachelten Raum. Privatsphäre oder Sitzmöglichkeiten gibts nicht, es sei denn, man bringt sich ein Plastikhöckerchen mit. Also kauere oder liege ich auf dem Boden und folge den Handzeichen rauf, runter, umdrehen, Arm hoch… In Marrakesch erlebe ich dann das Kontrastprogramm im Luxusbad in der Medina. Mohammed führt uns durch enge Straßen, das letzte Stück kommt uns eine Mitarbeiterin entgegen. Überall rufende Leute, hupende Autos und knatternde Motorräder, 33 Grad Hitze. Wir schlängeln uns durch eine Baustelle, dann stehen wir in einer Sackgasse vor einer Tür mit kleinem Schild: „Mythic Oriental Spa“. Man geht hindurch und betritt eine andere Welt. Zarter Duft, wohl temperiert, in der Mitte des Innenhofes ein kleiner Pool, Stille. Zur Begrüßung gibts Tee. Dann beginnt die Behandlung: Erst einseifen und peelen in einem privaten Raum (hier wird mehr sanft gerubbelt als geschrubbt), dann eine Stunde Ganzkörpermassage für insgesamt ca. 75 Euro. Zum Abschluss ein Kännchen Pfefferminztee und marokkanische Leckereien auf der Dachterasse. Himmlisch!

Auf wirklich wilde Tieren wie in anderen Ländern Afrikas treffe ich in Marokko nicht. In einem Zedernwald im Mittleren Atlas tummeln sich Berberaffen, die einzige Art im Land. Aber sie sind an Menschen gewöhnt und lassen sich aus der Hand füttern. In der Sahara und am Strand von Essaouria begegnen wir Kamelen mit ihrem unnachahmlich bräsigen Gesichtsausdruck. In einem Reiseführer lese ich, dass sie angeblich als einzige Lebewesen den hundertsten Namen Allahs kennen und sich deshalb für etwas Besseres halten. Weil der Prophet immer von Katzen begleitet wurde, gelten sie als Glücksbringer, werden versorgt und bevölkern die Medinas. Während die Städte fest in Katzenpfote sind, laufen auf den Feldern viele Hunde herum. Pech für sie: Wenn Hunde im Haus sind, kommen Engel nicht hinein. Also müssen die Vierbeiner sich nützlich machen, sonst fliegen sie raus. Außerdem viele schwarzbunte Kühe, Schaf- und Ziegenherden sowie Esel. An einem Verkaufsstand hängt ein korbartiges Gebilde, das wie ein riesiger Büstenhalter aussieht. Es wird den Eseln über den Rücken gelegt. Immer wieder stehen am Straßenrand einzelne Exemplare. Geduldig warten sie auf ihre Besitzer, die gerade auf dem Markt sind und nachher damit in ihre Dörfer zurückkehren. Öfter sehe ich Männer, die traditionelle Gewänder tragen, im Damensitz reiten. Im Gebirge werden mehr Maultiere als Esel eingesetzt. Sie sind kräftiger und kommen besser mit der Höhe klar. Auf dem örtlichen Markt in Timdhite entdecken wir lebende Schafe, die auf dem Dach von Pickups transportiert werden. Wie kriegen die Besitzer sie da bloß drauf?

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Von Stadt zu Stadt

Die Größte: Casablanca. Der Ausgangspunkt unserer Reise. Das Letzte, was ich erwartet hätte: Die Schnellstraße vom Flughafen ins Zentrum ist weihnachtlich mit roten und grünen Lichtern geschmückt (sind auch die Nationalfarben Marokkos). In einem Kreisverkehr steht sogar eine Art Tannenbaum aus Lichterketten. Und das Ende Oktober! Viel sehe ich nicht von der Stadt, weil es morgens gleich mit dem Zug weitergeht. Auf den Spuren von Humphrey Bogart und Ingrid Bergman kann man ohnehin nicht wandeln, da der legendäre Film komplett in Hollywood entstand. Auch ein „Rick’s Café“ gibts erst seit 2004.

Die vier Königsstädte: 1. Rabat. Wir machen einen Zwischenstop. Vom Bahnhof laufen wir zur Strandpromenade und dann dort entlang zur Kasbah Oudaia. Die verschachtelten Häuser hinter der hohen Mauer der Burg sind oben weiß, unten leuchtend blau. Zurück gehts quer durch die Altstadt mit ihrem Markt. Hier sieht man kaum Touristen und kann bei einem Kaffee das bunte Treiben der Einheimischen beobachten. Auf der Straße vor uns stehen Tische, an denen Männer vor uralten Schreibmaschinen sitzen. Leute, die nicht oder nicht gut genug schreiben können, diktieren ihnen Briefe.

Die vier Königsstädte: 2. Meknès. Zunächst gehen wir durch ein imposantes Stadttor. Anschließend besichtigen wir das Wasserreservoir und den Sultanspalast aus dem 17. Jahrhundert mit seinen bis zu fünf Meter dicken Mauern. Für den Fall einer Belagerung gabs einen Lebensmittel- und Wasserspeicher. Eine der Wände ziert eine riesige, 700 Jahre alte Tür, die ins Nichts führt. Sie ist nur Dekoration und spielte bereits in „Das Juwel vom Nil“ mit. Dahinter war ein Stall für 12.000 Pferde mit 3000 Säulen. Das Dach ist bei einem schweren Erdbeben, das 1755 auch Lissabon und die Reste von Volubilis zerstörte, eingestürzt. Die dicken Lehmmauern haben Löcher, die zum Klimatisieren dienen und die enormen Temperaturunterschiede ausgleichen sollen. In einer der wenigen Moscheen, die auch Nicht-Muslime betreten dürfen, befindet sich das Grab des Sultans. Es wird von von zwei Standuhren flankiert. Die waren ein Geschenk von Frankreichs König Ludwig IV. Eigentlich wollte der Sultan die Hand von dessen Tochter. Doch Ludwig lehnte ab und tröstete ihn mit den Uhren. Frustriert heiratete der Sultan daraufhin angeblich 500 Frauen und hatte 700 Kinder.

Die vier Königsstädte: 3. Fés. Die älteste der Königsstädte ist nach Casablanca und Rabat mit zwei Millionen Einwohnern die drittgrößte Metropole Marokkos. Immer wieder sieht man Afrikaner, die auf ihrem Weg nach Europa in Marokko gestrandet sind und nun Autoscheiben putzen oder betteln, um weiterzukommen. Das ganze Zentrum ist Weltkulturerbe. Zunächst besichtigen wir den „neuen“ Teil, der aus dem 14. Jahrhundert stammt. Im Königspalast finden Staatsempfänge und Feiern wie Hochzeiten statt. Etwa 80 Leute leben ständig darin, die königliche Familie gelegentlich. Der Haupteingang hat sieben Türen (heilige Zahl) und ist reich verziert. Die Keramikmosaiken und Bronzeverkleidung stammen von 1968. Die lokalen Handwerker wollten dem damaligen Herrscher Hassan II. ihre Verehrung zeigen. In die Muster der Torbögen sind kleine Fußbälle eingearbeitet, weil er ein großer Fan war.
Vom South Castle aus hat man einen tollen Blick auf das alte Fés – und auf tausende von Satellitenschüsseln. Die Medina ist Ende des 8. Jahrhunderts entstanden und wird von ca. 400.000 Menschen bewohnt. In der Mitte befindet sich die älteste Universität der Welt, die von einer Frau gegründet wurde. Studieren dürfen Frauen dort aber bis heute nicht, da nur noch Religionswissenschaften gelehrt werden. Ebenfalls mittendrin: das Mausoleum Moulay Idriss II. Der Besuch des heiligen Ortes gilt als Wallfahrt der kleinen Leute, die nicht das Geld haben, nach Mekka zu reisen. Hier ist der Sohn von Idris I. begraben, dessen Grab in Moulay Idris zuerst besucht werden muss. Die Wohnhäuser haben zwei Türen – eine Kleine für die Bewohner, eine Größere für Pferde und Gäste. Wir laufen kreuz und quer sechs Kilometer von Norden nach Süden durch die Altstadt. Man muss ständig aufpassen, nicht von Eseln oder Maultieren überrannt zu werden (sie werden zum Warentransport genutzt und haben immer Vorfahrt, Autos passen nicht durch die engen Gassen), nicht auf Waren, Katzen, Kinder oder Bettler zu treten, nicht über Stufen zu stolpern oder die Gruppe zu verlieren. Denn ohne lokalen Guide findet man aus dem Gewirr der ca. 10.000 Straßen nie wieder raus. Sonnencreme kann man sich sparen, da kaum ein Strahl bis auf den Boden dringt und vieles sogar überdacht ist. Im Souk, dem Lebensmittelmarkt, gehen die Leute täglich frische Waren einkaufen. Tiefkühlkost ist verpönt.
Während in den Medinas anderer Städte die verschiedenen Handwerke bunt gemischt sind, hat in Fés jedes sein eigenes Viertel. Zuerst besuchen wir die Töpferei. Es ist kein privater Betrieb, sondern eine staatlich geförderte Kooperative mit Ausbildungszentrum. Verarbeitet wird grauer Ton aus der Umgebung. Im Süden Marokkos hingegen ist er rot. Am Eingang sind Dachziegel gestapelt. Geformt werden sie auf den Armen, dann meist grün (für Moscheen) oder blau (für Häuser) lackiert. Neben dem Geschirr (u.a. die allgegenwärtigen Töpfe für die Tajine) beeindrucken die Mosaiks. Beispielsweise ist ein mit über 3000 handgefertigten Steinchen verzierter Brunnen ausgestellt. Wir sehen, wie diese Mosaiks entstehen: Sie werden mit der Rückseite nach oben gelegt und dann einbetoniert. Die Lederwarenhersteller wurden an den Rand der Medina verbannt. Im Fluss werden die Felle gewaschen und dann normalerweise nebenan gefärbt. Leider werden die berühmten Bottiche dafür seit vier Tagen renoviert und sind unter Gerüsten verschwunden. Beim Betreten des Shops, wo die 650 Gerberfamilien ihre Waren gemeinsam anbieten, bekommt jeder einen Minzzweig gegen den strengen Geruch. Weiter gehts zu den Schneidern, bei denen man sich z.B. eins der traditionellen Kleider mit Kapuze anfertigen lassen kann. Mein Bademantel aus Mikrofaser sieht dem Design erstaunlich ähnlich. Nebenan stellen die Weber die Stoffe dafür her. Sie sind aus ägyptischer Baumwolle, Lammwolle und Seide. Die wird nicht von Raupen, sondern aus Agavenblättern gewonnen. Diese stacheligen Gewächse säumen die ganze Strecke von Meknès nach Fés. Ich kaufe einen weichen Kakteenschal. Zuletzt schauen wir bei der Metallverarbeitung zu. Die Muster entstehen ohne Vorlage aus dem Gedächtnis und werden in Messing, Kupfer oder Silber in Teller, Teekannen oder Lampen gemeißelt.
Bevor wir Fés verlassen, halten wir an einem riesigen Supermarkt. Das totale Kontrastprogramm zum Souk: Hier gibt es alles – vom Sofa bis zum Motorrad. Überall in den Vororten wird gebaut. Die Leute kommen wegen der Jobs aus den Bergen und lassen die Stadt explosionsartig wachsen. Die Regierung versucht, mit sozialem Wohnungsbau und neuen Städten etwas weiter außerhalb entgegenzusteuern.

Die vier Königsstädte: 4. Marrakesch. Auf dem berühmten Place Jemaa El Fna essen wir an einem der unzähligen Stände (Nr. 41 bei Saíd) und es ist fantastisch – Spieße vom Grill, gebratene Auberginen, Salat, Couscous, Fladenbrot, Oliven und alles, was die Küche sonst noch zu bieten hat. Drumherum tobt das Leben. Musiker ziehen umher. Sie tragen Kappen, unter denen das Trinkgeld steckt. Auf dem Platz tummeln sich Geschichtenerzähler und Akrobaten. Das Spektakel, für das man bei der Einstufung als Weltkulturerbe eine eigene Katagerorie schaffen musste, weil es einmalig ist, betäubt alle Sinne. Eine Frau kommt auf mich zu und ehe ich es richtig mitkriege, hat sie mir blitzschnell die rechte Hand und den Unterarm mit Henna bekritzelt und Glitzer drübergestreut. Sie verlangt 100 Dirham (zehn Euro). Ich gebe ihr zehn, um sie loszuwerden, und ergreife die Flucht. Später erfahre ich, dass das auch schon vielen anderen Reisenden passiert ist. Im Hotel versuche ich, das schmierige Zeug abzuschrubben. Es ist verdammt hartnäckig. Noch Tage später habe ich orange Spuren des nicht gerade kunstvollen Tattoos, das mir nicht – wie versprochen – „einen guten Ehemann“ beschert. Kein Wunder…
Nach dem nächtlichen Irrsinn des zentralen Platzes lasse ich es am nächsten Tag erstmal ruhiger angehen. Zuerst besichtige ich den Jardin Majorelle, der eigentlich mehr Kunstwerk als Garten ist, und nach dem französischen Maler benannt wurde, der ihn gegründet hat. In der Mitte befindet sich ein Art-Deco-Bau aus den 20er-Jahren in leuchtend blau mit sonnengelb abgesetzt. Yves Saint Laurent hat die Anlage nach Majorelles Tod vor dem Verfall gerettet. Nach einem Besuch im Luxus Hammam (s.o.) fühle ich mich wieder fit genug für die Medina. Auf dem Platz ist auch tagsüber die Hölle los. Man hört ihn schon von weitem – wildes Getrommel, Flötengedudel. Wenn nachmittags die Essenstände eröffnen, nebelt der Rauch der Holzkohlenfeuer alles ein. Außer den üblichen Verdächtigen sind jetzt auch Leute mit Tieren da. Tauben, Raubvögel und Berberaffen mit T-Shirts müssen mit Touristen posieren. Und natürlich Schlangen, die um 17.00 Uhr endlich Feierabend machen wollen und sich zum Schlafen zusammengerollt haben. Nur die Kobras stellen noch gelegentlich die Köpfe auf, wenn sie mit Stöcken gepiekt werden. Schön ist das nicht.

Ruinen: Volubilis. Die alte Römersiedlung ist ein weiteres Weltkulturerbe, erst ein Drittel davon ist ausgegraben. U.a. fehlen noch die Arena und das Kolosseum. Schätzungsweise 25.000 Menschen haben hier mal gelebt. Allzu viel ist nach dem Erdbeben von 1755 nicht übrig. Die Steine der kaputten Gebäude wurden als Baumaterial genutzt. Trotzdem kann man noch erahnen, wie es einmal ausgesehen hat. Deutlich erkennbar sind Wohnhäuser, Thermen, Tempel – und ein Bordell, das mit einem in Stein gemeißelten Penis dekoriert ist. Die Römer haben in Marokko nicht nur die Olive eingeführt, sondern auch den Wein. Danke, Leute! Wieder einmal muss ich an „Das Leben des Brian“ denken: „Was haben die Römer je für uns getan?“

Wie in der Schweiz: Ifrane. Bei der Fahrt durch den Mittleren Atlas entdecke ich am Straßenrand ein Schild mit dem springenden Hirschen und Mauern gegen Schneewehen. Wir nähern uns Ifrane, einem von zwei Skigebieten Marokkos. Dies ist das für die High Society. Auch der König hat eine Residenz hier. Das andere ist bei Marrakesch und erschwinglicher. Im Zentrum des Städtchens, in dem es im Winter bis zu minus zehn Grad kalt wird, steht eine in Stein gemeißelte Löwenstatute. Doch der letzte Atlaslöwe verschwand 1923. Dahinter sind mit klassischer Musik untermalte Wasserspiele. Total bizarr: Die Fachwerkhäuser mit ihren spitzen Dächern und die mit Kastanien und Ahornbäumen gesäumten Straßen sehen wirklich nicht wie Marokko aus. Am Vortag waren wir noch in der exotischen Altstadt von Fés, einen Tag darauf mit Kamelen in der Wüste.

Die Filmstadt: Ouarzazate. Ouazarzate bedeutet „Stadt ohne Lärm“, was heute nicht mehr so gut passt. Zunächst besichtigen wir die „Horizon Association“, eine Hilfseinrichtung für Behinderte, die vom Reiseveranstalter unterstützt wird. Dort werden in einer Werkstatt Prothesen angefertigt, zudem gibts Räume für Physiotherapie und Krankengymnsstik, wo sehr arme Leute Hilfe bekommen. Denn das öffentliche Gesundheitssystem ist immer noch sehr lückenhaft und nicht immer kostenlos. Kinder lernen, mit ihren Beeinträchtigungen zu leben. In beschützenden Werkstätten arbeiten Behinderte mit Ton und Metall oder produzieren Teppiche. Die Einrichtung lebt von Spenden und von Freiwilligen und vom Verkauf der hier hergestellten Waren. Zu Mittag essen wir in einem Restaurant gegenüber der Kasbah de Taourirt. Die Tajine hier scheint gut zu sein. Eine Katze schleckt einen der Tontöpfe aus. Nachdem wir in einem Gewürz- und Heilkräuterladen vorbeigeschaut haben, duftet der ganze Minibus ziemlich exotisch.
Schräg ist ist die Besichtigung der Atlas Filmstudios. Vorbei am riesigen Buddha aus „Kundun“ gehts durch einen Tempel, bei dem je nach Bedarf die Säulen immer wieder ausgetauscht werden können – griechisch, römisch oder ägyptisch. Das Gefängnis vom „Gladiator“ befindet sich direkt hinter einem afghanischen Platz, auf dem James Bond einst in einer Eröffnungssequenz verhandelte. Die Arche Noah ist neben der Burg aus „Game of Thrones“ gestrandet. Ein Stück weiter wurde ein ägyptischer Tempel errichtet, der eine Mischung aus Luxor und Abu Simbel darstellt. „Die Ägypter haben tausende von Jahren daran gebaut, wir drei Monate“, meint unser Guide Aziz grinsend. Das Ganze diente u.a. schon als Kulisse für „Asterix und Obelix: Mission Kleopatra“, „Troja“ und „Kingdom of Heaven“.

An der Route der Kasbahs: Aít Benhaddou. Die Route der Kasbahs (Burgen) führt durch eine mit dürrem Gras bewachsene Hochebene (ca. 1600 Meter) zwischen Antiatlas und Hohem Atlas. El Khorbat ist ein Ksar (Dorf), der typisch für die südmarokkanische Architektur ist. Alles ist ineinandergebaut und von einer Mauer mit Wachtürmen umgeben. Das Highlight jedoch ist Aít Benhaddou, ein Ksar mit mehreren Kasbahs. Die Siedlung wurde im 18. Jahrhundert gegründet und war ein wichtiger Knotenpunkt zweier Karawanenstraßen von Nord nach Süd und Ost nach West. Die örtlichen Stammesführer kassierten von den Durchreisenden Steuern und wurden reich. Heute leben kaum noch Leute dort. Die Regierung hat den Bewohnern Geld gezahlt, damit sie sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses ansiedeln und die meisten Häuser in Geschäfte umgewandelt. Aít Benhaddou zieht sich einen Hügel hinauf. Oben befindet sich ein ehemaliger Speicher für Lebensmittel. Da kamen die Feinde nicht so schnell ran. Dort erleben wir wieder einen dramatischen Sonnenuntergang zwischen dunklen Wolken. Man meint fast, der Himmel ist auch nur auf eine Leinwand gemalt oder ein Computereffekt, so unwirklich schön ist das Ganze. Denn auch dies ist eine beliebte Filmkulisse. Am Fuß der Siedlung sieht man noch Spuren der Arena, die für „Gladiator“ gebaut wurde Der Wirt unseres Hotels trägt den Spitznamen „Action“, seit er in der Serie „Game of Thrones“ als Komparse mitgewirkt hat.

Für mich die schönste Stadt: Essaouira. Essaouira liegt an der Atlantikküste und hat einen lebhaften Hafen mit Markt. Alle kleinen Fischerboote sind blau. Kein Zufall: Sonst müssten ihre Besitzer Strafe zahlen. Der Hafen soll ausgebaut werden. Angeblich für die Fischer. Doch die Einheimischen fürchten: für Kreuzfahrtschiffe. Dann wäre es mit der Beschaulichkeit vorbei. Von der Befestigungsanlage bietet sich durch einen runden Durchbruch in der Mauer der berühmte Schlüssellochblick auf die Stadt. Der dicke noch komplett erhaltene Wall rund um die Medina ist mit Kanonen gespickt. Die waren nicht gegen Piraten. „Das waren wir selbst“, sagt unser Guide Rachida, sondern gegen die Franzosen und wurden 1844 das letzte Mal benutzt. Direkt neben dem Hafen beginnt ein langer Strand, ein Paradies für Surfer aller Art, da fast immer ein kräftiger Wind weht. Kamele und Pferde warten auf Reiter. Einst war Essaouira ein Hippieparadies, u.a. haben Jimi Hendrix und Mick Jagger hier gelebt. Schon damals wurde fleißig gekifft. Offiziell gab es so etwas allerdings nie. Inzwischen diskutiert man auch in Marokko, die Droge zu legalisieren. Wir wohnen in der Altstadt und essen im Restaurant „il mare“. Sehr gut, aber relativ teuer. Auf der Dachterasse kann man den Sonnenuntergang bei einem Caipirinha genießen. Später gibts Livemusik im örtlichen Stil, der Gnaoua genannt wird. Der Sänger trägt eine Kappe mit Bommel, den er mit leichten Kopfbewegungen im Takt kreisen lässt. Wir versuchen das auch, bringen aber nicht mehr als ein, zwei Umdrehungen zustande.

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Kein plattes Land

Die vielen Berge in Marokko bieten zahlreiche Wandermöglichkeiten. Bei Midelt übernachten wir zwischen dem mittleren und hohen Atlasgebirge. Bei einem Gang durch das nahe Dorf Bremmen erzählt Mohammed von der Familiensolidarität der Berber. Einige Mitglieder arbeiten in der Stadt und schicken Geld, die übrigen halten im der Heimat die Stellung, kümmern sich um Vieh und Felder. Inzwischen haben auch die entlegenen Dörfer Strom (Ziel war bis 2010). Sein Dorf wurde 2000 ans Stromnetz angeschlossen, erzählt Mohammed. „Die größte Veränderung in der marokkanischen Gesellschaft war das Fernsehen.“ Die älteren Frauen haben Gesichtstattoos, an denen Eingeweihte erkennen können, ob sie ledig, verheiratet, geschieden oder verwitwet sind. Ähnlich funktionieren die nicht permanenten Henna-Tattoos. Sind nur die Hände bemalt, ist die Frau ledig, bei Händen und Füßen heißt es für Männer: Finger weg, sie ist verheiratet. Doch was macht man(n), wenn sie tätowierte Hände hat, aber Socken trägt? „Er schickt seine Mutter gleichzeitig mit ihr ins Hamam, um nachzusehen“, meint Mohammed. Wir laufen bergauf an einem Canyon entlang. Überall Haine mit Obstbäumen, vor allem Äpfel und Walnüsse. Die Gipfel hingegen sind karg.

Auf dem Weg Richtung Sahara werden die Berge höher. Wir fahren durch den Hohen Atlas über den 1907 Meter hohen Tiz-n-Talrhemt Pass. Den Weg haben schon vor Jahrhunderten Karawanen genommen, die aus Zentral- oder Westafrika durch die Sahara gezogen sind und Elfenbein oder Sklaven gebracht haben. Der spärliche Bewuchs reicht, um zahllose Bienenvölker zu ernähren, deren Honig am Straßenrand verkauft wird.

In der Todra-Schlucht machen wir morgens eine fünfstündige Wanderung. Erst gehts hinauf auf einem Pfad, den Nomaden gebaut haben. Selbst Kamele können hier hoch, wie man an ihren Hinterlassenschaften sieht. Oben am Berg machen wir eine Teepause bei einer Nomadenfamilie, die noch ganz traditionell lebt und herumzieht. Babyziegen staksen auf wackeligen Beinen durch das Camp. Als Ställe und Vorratsräume dienen in den Berg gegrabene Höhlen. Von den acht Familienmitgliedern sind nur die Großeltern und die beiden Enkeltöchter zu Hause. Eines der Mädchen ist blond und blauäugig. Mr. Achmed serviert im mit Teppichen ausgelegten Zelt grünen Tee mit wildem Thymian, der überall wächst. Er ist inzwischen sehr berühmt. Unzählige Touristen haben ihn fotografiert und die Bilder ins Internet gestellt. Er selbst allerdings hat gar keinen Strom, geschweige denn einen Computer, die Kinder gehen nicht zur Schule. Auf dem Kamm haben wir einen spektakulären Blick in die Schlucht und auf die Ebene gegenüber. Durch Geröll gehts wieder runter durch eine halb verlassene Kasbah. Die Leute sind lieber in moderne Apartmenthäuser gegenüber gezogen. Auf einer wackeligen Brücke überqueren wir einen Fluß und balancieren über Mauern zwischen Gemüsegärten durch. Nach dem Mittagessen besuchen wir eine Kooperative für Frauen aus dem Dorf, die Teppiche weben oder knüpfen. Die Muster erzählen Geschichten. Einer beispielsweise ist eine Karte der Sahara. Lange hatten die Berber keine Schrift. Einige der Frauen können immer noch nicht lesen oder schreiben und drücken auf diese Weise ihre Gefühle und Gedanken aus.

Eine fünfstündige Fahrt bringt uns von Aít Benhaddou zum Fuß des höchsten Berges Nordafrikas, dem 4167 Meter hohen Jbel Toubkal. Es geht durch eine Landschaft, die etwas wie im Südwesten der USA aussieht, dahinter schneebedeckte Gipfel. Die gewundene Straße ist mit Kurvenzeichen gespickt, darunter steht „rappel“. Passt! Die „Vorsicht, Kamele“-Schilder sind „Vorsicht, Kühe“-Schildern gewichen. Immer wieder flache Häuser, die ähnlich wie die Almen in Europa nur im Sommer von Hirten genutzt werden. Die Straße steigt immer weiter an bis zum Tizi Tichka. Er ist mit 2260 Metern der höchste Pass Marokkos und wurde 1912 gebaut. Da er eine wichtige Abkürzung auf der Strecke zwischen Marrakesch nach Südmarokko ist, wird er gerade erweitert. Hinter dem Pass wird die Gegend grüner. Von der Kleinstadt Imlil aus steigen wir eine Stunde lang hoch zum Berberdorf Aroumd und übernachten in einer Gite, einem traditionellen Gästehaus. Am nächsten Morgen wandern wir von dort zum auf 2700 Metern Höhe gelegenen Schrein von Sidi Chamarouch. Darauf befindet sich ein Solarpanel, daneben ein Klo. Der Legende nach ist einst ist ein weißer Hund hier hochgelaufen. Die Leute sind ihm gefolgt, dann ist er hinter einem Felsen verschwunden, der nun weiß angemalt wurde. Der Quelle, die dort entspringt, werden Heilkräfte nachgesagt. Deshalb ist der Ort eine Pilgerstätte. Die Menschen bringen Gaben, darunter auch Klauen von Ziegen oder Schafen und Innereien, was die wie überall präsenten Katzen freut, die sich bedienen. Als nicht-Moslems dürfen wir in den Schrein nicht hinein, aber wir trinken das Heilwasser im Tee. Am frühen Morgen ist es noch ziemlich kalt (Reif auf dem Boden), weil sich die Sonne noch hinter dem Berg versteckt. Da kommt das Heißgetränk sehr gelegen.

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In die Wüste geschickt

Einer der Höhepunkte der Reise ist ein Abstecher in die Sahara. Nach der Mittagspause in der Oase Tafilalet sehen wir die ersten Sanddünen. Auch hier sind wie bei Ifrane wieder Barrieren neben der Straße, diesmal aus Palmwedeln gegen den Sand. Die Berge weichen einer Geröllebene, aus der sich die weithin sichtbaren, roten Sanddünen von Erg Chebbi erheben. Wir stoppen wir in der Stadt Rissani, um Wasser und vier Meter lange Schals für Turbane zu kaufen. Dann nähern wir uns der algerischen Grenze, über deren Verlauf die Länder seit der Unabhängigkeit streiten. Die Franzosen hatten beide kolonialisiert und die Trennlinie aufgehoben. Wegen der anhaltenden Spannungen zwischen Algerien und Marokko ist die Grenze jetzt geschlossen. Das müssen auch die Nomaden beachten, die immer noch durch die Wüste ziehen.

In Merzouga werden wir auch zu Nomaden und steigen vom Minibus auf Kamele um. Hier muss man sich auskennen. Die Häuser stehen wie kleine Burgen verstreut in der Geröllebene. Die „Straße“ sucht sich jeder selbst. Mein Kamel heißt Jimi Hendrix. Vor mir schreitet Omar Sharif, hinter mir Bob Marley, der einen stylischen Nasenring trägt, ab und zu seine Nase an Jimis Hintern schubbert und mir auf die Wade niest. Lenken oder schalten muss man nicht: Die Wüstenschiffe haben Automatik, denn sie sind aneinandergebunden und laufen brav hintereinander her. Ein Kamel kostet 1500 bis 2000 Euro. Sie müssen regelmäßig zum TÜV, dann gibts gelbe Knöpfe in die Ohren. Es sind alles Männchen. Die Weibchen kümmern sich um die Babys und ums Essen (Milch). Ein junges Kamel läuft am Ende. Es ist in der Ausbildung und das Einzige, was beim Start nölt. Im Schaukelgang gehts durch die Dünen. Nach einer Stunde tut der Hintern weh. Wind ist aufgekommen, da erweisen sich unsere traditionellen Turbane als sehr praktisch. Auch die Männer verschleiern sich. Trotzdem ist nachher Sand in den Augen und zwischen den Zähnen. Bei Sonnenuntergang erreichen wir das Camp und klettern zum Gucken auf eine hohe Düne. während des Essens tummeln sich unter dem Tisch selbst hier Katzen.

Anschließend machen die Kameltreiber Musik: Gesang mit Trommeln begleitet. Es klingt mehr afrikanisch als arabisch. Obwohl es nach Sonnenuntergang kühl wird, schlafen einige von uns unter freien Himmel. Ich ebenfalls. Wofür habe ich denn meinen Daunenschlafsack mitgebracht? Als der fast volle Mond aufgeht, wirds fast taghell und die Sterne verblassen. Die Kamele liegen ein paar Meter weiter und grunzen beim Wiederkäuen. Eines schnarcht. Um vier Uhr morgens krähen die ersten Hähnchen. In der Mulde, in der wir campen, gibt es Grundwasser und damit etwas Grün. Ein paar Menschen leben in der Nähe in Zelten. Selbst die Schafe haben ein eigenes Zelt. Als Wände dienen Decken. Am nächsten Morgen reiten wir zurück zur Herberge, wo unser Van steht. Wieder herrrscht strahlender Sonnenschein, es ist wie im Film „Der Himmel über der Wüste“. Die Kamele werfen lange Schatten und haben jetzt den Tag frei. Eigentlich kein schlechtes Leben: Nur morgens und abends je eine Stunde Arbeit.

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