ARGENTINIEN 🇦🇷

Reiseroute 2019

Buenos Aires – Puerto MadrynHalbinsel ValdesRawsonPunta Tombo – Buenos Aires – MendozaBarilocheEl ChalténEl CalafateBuenos Aires

Manche mögen’s bitter

Bis Anfang der 1950er-Jahre war Argentinien (von argento = Silber) eines der reichsten Länder der Erde. Doch dann ging es bergab. Zwar verbesserte sich die Lage nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems 2001 langsam wieder, als ich jedoch 2019 einreise, befindet sich der Argentinische Peso im freien Fall. Der Wechselkurs schwankt ständig, die Inflation ist so hoch, dass die Wirte die Preise auf den Speisekarten nur mit Bleistift schreiben, um sie schnell anpassen zu können.

Reiseleiterin Mimi aus Puerto Madryn erzählt, dass die Argentinier ich Land praktisch nicht mehr verlassen können. Um die eigene Währung zu stützen, hat die neoliberale Regierung den Bürgern nicht erlaubt, mehr als 200 US-Dollar pro Monat einzutauschen. Kein Wunder, dass die Opposition die Präsidentschaftswahl vor einer Woche gewonnen hat… Bargeld ist selbst für uns Touristen ein Problem: Fast alle Geldautomaten geben nur maximal 4000 Peso (zu dieser Zeit ca. 60 Euro) aus und berechnen dafür satte 635 Peso (knapp 10 Euro) Gebühren. Damit kommt man nicht weit.

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Ähnlich bitter wie die wirtschaftliche Lage ist das wichtigste Heißgetränk im Land, der Mate-Tee. Unser einheimischer Guide Stevie hat immer eine Art Tasse mit Strohhalm in der Hand, die mit der. Kräutermischung gefüllt ist. Regelmäßig wird heißes Wasser aus einer riesigen Thermosflasche nachgegossen. Kinder werden langsam an das Gebräu gewöhnt. Zuerst bekommen sie ihn stark verdünnt mit viel Zucker. Die beliebtesten alkoholischen Getränke sind ebenfalls bitter. Gerne wird Fernet Branca pur oder mit Cola getrunken. Am Flughafen probiere ich für meine letzten Pesos einen argentinischen Mojito: Cynar Julep. Mit Grapefruitsaft, Rohrzucker, Minze, einem Spritzer Zitrone und dem gleichnamigen italienischen Likör aus Artischocken und Kräutern. Etwas gewöhnungsbedürftig.

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Beim Essen fängt der Tag schon gut an. Im ersten Hotel beispielsweise gibt es zum Frühstück selbstgebackenes Brot mit einer festen Kruste, dazu Käse. Außerdem verschiedene Kuchen (die Argentinier mögen’s auch süß), frischgepresste Obstsäfte, Obstsalat und Müsli. Mein Mittagessen besteht meist aus Empanadas, die mit verschiedenen Füllungen günstig überall zu haben sind. Das Abendessen ist häufig fleischhaltig. Natürlich gibt es fantastische Rindersteaks. 400 Gramm sind eine „normale“ Größe. „Es gibt aber auch 700-Gramm-Steaks“, sagt Stevie. Erstaunlich, dass bei diesen Portionen nur relativ wenige Argentinier Übergewicht haben. Das patagonische Barbecue nach dem Rafting in Bariloche ist allerdings nicht so mein Fall, da das Fleisch sehr fettig ist. In El Calafate bestellen andere aus der Gruppe Guanako. Ich koste mal: schmeckt leicht nach Wild, also nicht so mein Fall. An einer Wűrstchenbude in La Boca probiere ich die Spezialität Choripan mit Chimichurri. Sehr würzig. Die ziemlich grobe Bratwurst wird in der Mitte aufgeschnitten und gerillt, sodass sie fast wie ein Hamburger schmeckt.

Ich hatte immer gedacht, die Mehrheit der Argentinier hätte spanische Wurzeln. Stimmt aber nicht: Die größte Gruppe von Einwanderern kam aus Italien. Das schlägt sich auch in der Küche nieder. Flächendeckend findet man Pasta und Pizza. In Mendoza speisen wir für argentinische Verhältnisse extrem früh um 20.00 Uhr im Restaurant „Fuente y Fonda“, wo Gerichte wie bei Oma serviert werden, u.a. Canneloni, Schnitzel mit Schinken und Käse überbacken und eine Art Pastete aus Rindfleisch und Püree.

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Ein „kleiner Abstecher“
zu Riesenbabys und Frackträgern

Nach einem 13-Stunden-Flug lande ich pünktlich morgens um kurz vor acht auf dem Internationalen Flughafen von Buenos Aires. Aber das dicke Ende kommt nach: Nicht nur, dass ich im Jumbo-Jet aus Frankfurt ganz hinten gesessen habe und ca. 800 Leute vor mir aussteigen. Offenbar sind vor uns schon einige andere Großraumflugzeuge gelandet. Dementsprechend monströs ist die Schlange an der Passkontrolle. Mehr als zwei Stunden dauert es, bis ich endlich meinen Einreise-Stempel bekomme. Zum Glück geht mein Anschlussflug nach Trelew erst neun Stunden später. Allerdings muss ich noch den Flughafen wechseln und einmal die Stadt durchqueren. Zum Glück habe ich vorher den günstigsten Weg dorthin recherchiert und sitze bald in einem Bus, der erst durch endlose Vororte fährt, einmal im Zentrum hält und mich nach ca. 1 1/4-Stunden am Inlands-Flughafen Jorge Newbery Airpark absetzt. Der liegt direkt am Wasser. Eine Uferpromenade ist gerade im Bau, aber es gibt schon ein Stück mit einem kleinen Park mit Kolumbus-Statue und einen Aussichtspunkt mit Bänken. Da ich noch viel Zeit bis zum Boarding habe, genieße ich die Sonne. Prompt ist mein Gesicht am Abend feuerrot. Das Meer hingegen ist bräunlich. Mein Sitznachbar im Flugzeug, der aus Buenos Aires stammt, hatte mir erklärt, dass der Rio Paraná, der nördlich der Stadt ins Meer mündet, über einen anderen Fluss mit dem Amazonas verbunden ist und aus dem Gebiet jede Menge rote Erde mitbringt.

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Die ersten drei Nächte verbringe ich 1500 Kilometer südlich von Buenos Aires in der Provinz Chubut. Die ist so groß wie Deutschland, hat aber nur 600.000 Einwohner. Vom Flughafen Trelew aus geht es nochmal 50 Minuten mit dem Auto weiter bis zum Küstenort Puerto Madryn. Mein Zimmer im Hotel „Territorio“ hat Meerblick, selbst von der Badewanne aus! Allerdings treffe ich wieder mal auf die dämlichste Erfindung seit Rosenkohl: Das Doppelbett hat nur eine einzige, extrabreite Decke mit Laken. Schlecht für Leute, die sich gerne einwickeln… Wie erwartet habe ich am nächsten Morgen ein „Bettensägemassaker“ angerichtet. Weil ich noch vier Stunden „vorgehe“, bin ich schon früh munter und bereit für meinen Tagesausflug zur Halbinsel Valdes nördlich von Puerto Madryn.

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Das Hinterland besteht wie der größte Teil Patagoniens aus platter Steppe. Am Straßenrand hoppelt ein Mama-Mara mit Baby davon. Ein paar Guanakos überqueren die sandige Piste. 30.000 leben auf der Halbinsel, denn ihr Hauptfeind, der Puma, ist selten geworden. Er ist die einzige Spezies, die hier nicht geschützt ist. Die örtlichen Farmer töten die Raubkatzen, weil sie auch ihre Schafe reißen. Auf einem der Parkplätze wieseln zwei Gürteltiere herum.

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Die großen Attraktionen des Nationalparks Peninsula Valdes befinden sich am bzw. im Wasser. Der November ist eine gute Zeit für die Walbeobachtung. Rund 1000 Südliche Glattwale tummeln sich jede Saison in der windgeschützten Bucht Golfo Nuevo. Es ist ihre Kinderstube: Zuerst treffen die schwangeren Weibchen ein. Sie bringen ihre Jungen zur Welt, päppeln sie hoch und ziehen dann wieder Richtung Süden. Die Riesenbabys sind bei der Geburt zwei Meter lang, zwei Tonnen schwer und trinken 200 Liter Milch am Tag. Die Mutter hat keine Zitzen, der Nachwuchs keine Lippen. Also spritzt Mama die butterartige Milch ins Wasser, das Baby filtert sie heraus.

 

Vom Örtchen Puerto Piramide stechen wir mit einem kleinen Katamaran in See (s. Film). Schon vom Ufer aus sieht man die ersten Wale. Das Wasser ist wie flüssiges Silber und ganz ruhig, weil es ausnahmsweise windstill ist. Man sieht sofort alles, was rausguckt. Dafür sind die Wale bei solchem Wetter nicht so aktiv, erklärt der Guide. Geduld ist gefragt. Das Boot bewegt sich langsam, und pro Wal darf sich immer nur ein Schiff nähern. Aber schließlich bekommen wir „unser“ Weibchen und sein zwei Monate altes Baby zu Gesicht. Wir stoppen den Motor ganz und hoffen, dass die beiden zu uns kommen, was sie tatsächlich tun. Man kann sie atmen hören und sieht die charakteristischen weißen Flecken auf den Körpern. Einmal gerät das Boot zwischen Mutter und Kind und zieht sich vorsichtig zurück. Wieder vereint schwimmen sie davon. Zum Abschied winkt Mama endlich einmal mit der Schwanzflosse und wir kehren zum Ufer zurück.

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Anschließend machen wir uns auf den Weg zu den Seeelefanten in Caleta Valdes, die ebenfalls gerade ihre Jungen gekriegt haben. Deshalb hängen Orcas direkt vor der Küste ab. Die örtlichen Killerwale haben eine weltweit einzigartige Jagdtechnik entwickelt: Sie springen mit den Wellen auf den Strand, schnappen sich die Kleinen und lassen sich ins Wasser zurückgleiten. Die Chance genau in diesem Augenblick vor Ort zu sein, ist allerdings sehr gering. Dokumentarfilmer warten oft tagelang auf die spektakulären Bilder. Von oben blickt man auf die Kolonie. Die meisten Seeelefanten schlafen am Strand, ein Baby schreit.

 

Etwas nördlich gibt es eine kleine Pinguin-Kolonie. Aber von denen werde ich am folgenden Tag noch viel mehr sehen. In Punta del Norte am Ende der Halbinsel befinden sich weitere Seeelefanten, an die man etwas näher herankommt. Allerdings nicht so nahe, wie ich gedacht habe. Auch diese dösen im Sand. Nach der anstrengenden Paarungszeit ist Siesta angesagt. Wenn die Babys größer sind, verschwinden die Seeelefanten ins Meer. Dann übernehmen die Seelöwen, um ihren Nachwuchs zu bekommen. Im Spätsommer springen die Orcas wieder regelmäßig zur Jagd auf den Strand.

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Am nächsten Tag mache ich einen Ausflug Richtung Süden. Immer wieder sieht man am Straßenrand rote Fahnen und Heiligenbilder. Der Fahrer hupt Salut. Die Schreine erinnert an den Volkshelden Gauchito Gil. Er war im 19. Jahrhundert eine Art argentinischer Robin Hood, der die Reichen beraubte und es den Armen gab. Bei Trelew steht eine riesige Skulptur von einem Dino, der einst hier lebte. Den hätte ich gerne mal live gesehen. In der Gegend gibt es massenhaft Fossilien. Weil Patagonien zweimal in der Erdgeschichte unter Wasser, war, findet man neben Dinosaurierknochen auch versteinerte Austern.

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Unser erster Stopp ist in Rawson, wo wir im Fischereihafen ein Schlauchboot besteigen. An einer eine kleinen Seelöwenkolonie vorbei fahren wir hinaus aus Meer, wo wir Commerson-Delfine sehen wollen. Die „Pandas des Meeres“ sind schwarzweiß, klein und flink. Es gibt es nur in Argentinien, Chile und irgendwo im Indischen Ozean. Man muss sie nicht lange suchen. Die Meeressäuger kommen zum Boot, um in der Bugwelle zu surfen. Weil man das beim eigenen Boot schlecht sieht, ohne über Bord zu fallen, wartet ein zweites Boot und fährt neben uns her (s. Film).

 

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Dann geht es weiter nach Punta Tombo, das sich echt mitten in der Pampa befindet. Die Gegend wird hügeliger. Schließlich erreichen wir die Bucht, die sehr schön ist: an der Küste rote Felsen, blaues Meer, grüne Büsche und gelbes Gras. Aber das Highlight hier sind die Magellan-Pinguine. Mehr als eine Million leben in der Kolonie. Obwohl ich auch eine schwarze Jacke trage, fühle ich mich unter den ganzen Fracktägern etwas underdressed. Gerade wird gebrütet. Die Partner teilen sich den Job: Einer sitzt auf dem Nest (entweder unter den Büschen oder in Erdlöchern), der Andere geht fischen. Von einem Aussichtspunkt kann man beobachten, wie die Vögel ins Wasser wackeln und dann elegant in die Wellen tauchen. Aber selbst sie haben damit zu kämpfen und werden beim Anlanden manchmal von den Latschen gerissen. Im Sommer ist übrigens Ruhe. Dann zieht es die Pinguine nach Norden.

 

Ein eingezäunter Weg von ca. 1,5 Kilometern schlängelt sich durch die Kolonie. Die Menschen dürfen ihn nicht verlassen, aber die Pinguine überqueren. Und sie haben Vorfahrt (s. Film)! Auch wenn die Kleinen zum Knuddeln aussehen, ist Anfassen natürlich verboten. Dann würden sie sicher auch hacken. So scheinen die Menschen sie nicht zu stören. Einige brüten sogar direkt neben dem Weg. Vielleicht beobachten sie zum Zeitvertreib die vorbeigehenden Leute. Ist ja vermutlich ziemlich langeweilig, stundenlang auf dem Nest zu sitzen. Manche Piguine genießen den Schatten unter den hölzernen Stegen, über die der Weg teilweise führt.

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Wein, Wasser und
ein kackendes Guanako

Am nächsten Tag starte ich von Buenos Aires aus eine zweiwöchige Rundreise. Guide Esteban alias „Stevie“ empfängt die Gruppe mit einer guten („Ich habe Empanadas organisiert.“) und einer schlechten Nachricht: „Wir müssen morgen um 3.45 Uhr aufbrechen, damit wir den ersten Flug nach Mendoza kriegen“. Dementsprechend wird der Abend nicht allzu lang.

Lohn des frühen Aufstehens: Wir haben den ganzen Tag, um Mendoza zu erkunden. Zunächst zeigt uns Marina, die in der Nähe eine kleine Weinbar besitzt, das Zentrum. Nachdem ein Erdbeben 1861 alles zerstört hatte, wurde die Stadt komplett neu gebaut. Die Straßen sind im Schachbrettmuster angelegt und mit Bäumen aus aller Welt gesäumt, sodass die Bürgersteige im Schatten liegen. Kanäle bringen Schmelzwasser aus den Anden zu jeder einzelnen Pflanze. Sonst wäre hier Wüste mit Kakteen und Büschen. Denn die von Westen kommenden Regenwolken schaffen es nur selten über die hohen Berge. Neben einem zentralen Platz gibt es vier weitere kleinere – einen spanischen, einen italienischen, einen chilenischen und einen mit einem Denkmal des Unabhängigkeitskämpfers San Martín. Ein noch größeres Monument ihm zu Ehren befindet sich vor der Stadt auf dem Hügel La Gloria, von dem man einen schönen Blick hat.

 

Krönender Abschluss des Rundgangs ist ein Abstecher in Marinas Bar. Sie verkauft nur Weine von ganz kleinen Herstellern. Und beschreibt sie mit Leidenschaft wie Männer: „Die sind wie Vater und Sohn. Der Sohn stürmisch, explodiert im Mund, der Vater gesetzter, mehr ausbalanciert.“ Wir probieren einen fantastischen Malbec und einen ebenfalls sehr guten Cabernet Sauvignon. Dazu Käse, Oliven umd Brot. Ich bin mal wieder im Himmel! Dann ist Siesta angesagt. Zwischen 13.00 und 17.00 Uhr ruht die ganze Stadt. Gearbeitet wird von 9.00 bis 13.00 Uhr und 17.00 bis 21.00 Uhr. Dementsprechend essen die Einheimischen frühestens um 22.00 Uhr zu Abend.

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Am nächsten Tag machen wir von Mendoza (750 m) aus einen Ausflug in die Anden. Unser Ziel ist der 3400 m hohe Monte Arenales. Hinter einer Rangerhütte fahren wir noch ein Stück mit dem Minibus über die kurvige Straße bis auf ca. 2800 m, dann geht es zu Fuß weiter. Der Weg steigt stetig an. An den Berghängen weiden Guanakos, über uns Kondore, ein riesiges Kaninchen hoppelt vorbei. Ein kalter Wind kommt auf. Ich keuche in der dünnen Luft mal wieder wie eine Dampflok, schaffe es aber schließlich auf den Gipfel, von dem man einen schönen Blick auf einen türkisblauen See hat. Hinter uns ragen noch deutlich höhere Berge auf. Nach einem Picknick beginnen wir den Abstieg. Diesmal sehen wir die Guanakos noch näher. Eine Familie überquert den Weg. Zuerst Mama und Kind, dann Papa, der auf den Weg kackt, um sein Revier zu markieren. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit rennen die drei die Schutthalde hinunter und am anderen Ende wieder hoch. Die Sonne lässt sich kaum blicken, weil Hochnebel in den Gipfeln hängt.

 

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70 Prozent der argentinischen Weine kommen aus der Gegend um Mendoza. Sie sind deutlich stärker als in Europa. Denn die Trauben bekommen viel Sonne, sodass sie viel Zucker enthalten. Die ersten Rebstöcke wurden Anfang des 17. Jh. eingeführt. Zunächst aus religiösen Gründen („Blut Christie“), aber schnell wurde das Weintrinken selbst zur Religion. Zwei von den 835 Weingütern in der Gegend erkunden wir bei einer Fahrradtour. Erster Stopp ist der größere Produzent Nieto Senetiner. 1900 wurden hier die ersten Rebstöcke gepflanzt. Auch sie werden mit Schläuchen künstlich bewässert. Eine Million Liter Rotwein pro Jahr wird hergestellt (höhere Qualitäten).

 

In der Nähe befindet sich ein zweites Weingut, das 19 Millionen Liter Weißwein, Sekt und jüngere Rotweine produziert. Die ersten Tage verbringt der Wein in Betontanks. Natürliche Hefe wird zugesetzt, die den Zucker in Alkohol umsetzt. Dann wird der Wein in Fässer aus französischer Eiche umgefüllt und gelagert. Nach dreimaliger Benutzung werden die Fässer an Möbelfabriken verkauft. Zweite Station ist das kleinere Weingut Clos de Chacras, das nur 150.000 Liter pro Jahr liefert. Dort essen wir im Schatten eines Baums stundenlang zu Mittag. Ein Drei-Gänge-Menü inklusive zwei Wein für 24 Euro. Fairer Preis! Wir genießen diese Siesta, denn vor uns liegt eine 18-stündige Busfahrt.

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Schokolade, Wildwasser
und spektakuläre Aussichten

Der Bus ist bequemer als ein Flugzeug. Man die Sitze etwas weiter nach hinten schieben. Dank der Flasche Malbec, die ich aus Marinas Bar mitgebracht habe, schlafe ich ganz ordentlich. Langsam wird die vorher flache Landschaft interessanter. Viele Seen, Hügel, im Hintergrund schneebedeckte Berge. Endlich erreichen wir Bariloche, das idyllisch an einem See liegt. Der Nahuel Huapi ist dreimal so groß wie Buenos Aires, bis zu 400 m tief und hat sein eigenes Monster: Huapilito.

 

Der Ort gilt als Schokoladenhauptstadt Argentiniens, hat ein Skiort-Feeling und eine Architektur, die teilweise an die Schweiz erinnert. Mit einem kleinen Sessellift fahren wir zum Aussichtspunkt Cerro Viejo. Runter geht es dann auf einer Sommerrodelbahn. Noch einen besseren Blick hat man vom Campanario, der laut National Geographic zu den zehn schönsten Aussichtspunkten der Welt zählt.

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Von Bariloche aus fahren wir für einen Rafting-Trip eineinhalb Stunden durch Wälder und an Seen entlang zum Rio Manso. Es sieht echt aus wie in den Alpen, zumal die Europäer Pflanzen wie Kiefern eingeführt haben, die wie so oft die einheimischen Arten verdrängen. Die Berge in dieser Gegend sind deutlich niedriger als bei Mendoza, „nur“ bis zu 3000 Meter hoch. Startpunkt ist eine bilderbuchmäßige Estancia. Von dort geht es 15 Kilometer den Fluss hinunter. „Perfekte Bedingungen“, schwärmt Guide Martin. Schmelzwasser sorgt dafür, dass die zehn Stromschnellen statt 2 bis 3 eine Stärke von 3 bis 4 (von 6) haben. Sie tragen Namen wie „Rührei“, „Hundezahn“ und „Deep Throat“. Das verspricht Action (s. Film). Allerdings sorgt das Schmelzwasser auch für eine Temperatur von gerade mal sechs Grad…

 

Unmittelbar vor der chilenischen Grenze stoppen wir. Neben der „Befestigung“, einem kleinen Stacheldrahtzaun, kraxeln wir eine Viehweide hinauf, wo schon die Kleinbusse warten, die uns zur Estancia zurückbringen. An der Schotterpiste lädt uns ein offenes Tor zum Grenzübertritt ein. Neben einem Schild machen wir Fotos auf der chilenischen Seite. Also habe ich auch dieses Land schon betreten – ca. fünf Minuten lang.

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Bizarre Felsen und
etwas zahmeres Wildwasser

Am Flughafen von Bariloche teilt sich die Gruppe. Stevie und vier Reisende verlassen uns. Ich fliege mit den anderen sieben weiter gen Süden nach El Calafate, wo wir acht weitere Leute und den neuen Guide Ezra treffen, der ursprünglich aus Chicago stammt und Patagonien liebt. Dann geht es dreieinhalb Stunden mit einem Minibus durch die Pampa. Am Straßenrand reitet ein Gaucho mit Hunden an einem Weidezaun entlang. Zwischendurch einzelne Estancias, die rote Dächer haben. In früheren Zeiten war das Pflicht, da sie als Wegweiser dienten. So musste im Winter immer der Schnee runtergeschaufelt werden. Schließlich ragen bizarre Berge aus der Ebene. Zu ihren Füßen liegt der Ort El Chaltén, der erst 1985 gegründet wurde. Im Sommer hat er ca. 1500 Einwohner, im Winter die Hälfte.

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Strahlender Sonnenschein empfängt uns am nächsten Morgen. Für diese Gegend ist es verhältnismäßig windstill. Die Berge zeigen sich in voller Pracht, selbst der berühmte Fitz Roy, der sich sonst gerne hinter Wolken versteckt. Ideal, denn wieder steht Rafting auf dem Programm. Diesmal auf dem örtlichen Rio de la Vueltas (s. Film). Die Schneeschmelze fãngt hier unten erst an, deshalb ist der Wasserstand relativ niedrig. Der Fluss wird nicht durch Dämme reguliert. Man muss das Wasser nehmen, wie es kommt. Eine Woche zuvor war Rafting noch gar nicht möglich, jetzt sind die Stromschnellen recht zahm. Da bleibt beim Paddeln durch den Canyon Zeit genug, um in Ruhe die unglaublichen Aussichten zu genießen. Wir tragen Trockenanzüge, mit denen wir am Ende ins eisige Nass springen. Plötzlich denk ich, mich tritt ein Pferd. Im von Sedimenten getrübten Wasser sieht man die Felsen nicht…

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El Chaltén ist ein Paradies für Wanderer und Kletterer, die in den fast senkrechten Felswänden hängen. Nach dem Rafting steige ich zum Mirador de los Condores hinauf, von dem man eine gute Aussicht auf den Ort und das allgegenwärtige Bergmassiv hat. Überall an den Hängen blühen Blumen. Auf dem Rückweg mache ich einen Abstecher zum Mirador de las Águilas, von dem man von der anderen Seite des Berges über die Ebene bis zu einem See blicken kann.

 

Die bekannteste Tageswanderung führt zur Laguna de los Tres. Und die ist kein Spaziergang. Da unser Hotel am anderen Ende des Ortes liegt, haben wir schon einen Anmarsch von zwei Kilometern. Der Weg selbst ist 20 Kilometer lang: zehn hin, zehn zurück. Zunächst steigt er leicht an. Wir passieren den Mirador de Rio de la Vueltas mit einem Blick in das Flusstal. Wieder herrscht perfektes Wetter. Richtig übel ist der zehnte Kilometer, auf dem 400 Höhenmeter überwunden werden müssen. Es geht steil über Stufen und Felsbrocken. Aber die Aussicht auf den Fitz Roy ist es wert! Der See zu seinen Füßen ist noch zugefroren. Auf dem Rückweg legen wir an der Laguna Capri eine kurze Pause ein. Langsam legt sich eine Wolke auf den Fitz Roy.

 

Bevor wir am nächsten Tag nach El Calafate zurückfahren, laufe ich sehr gemächlich zum Aussichstspunkt Mirador del Torre hoch und mache oben eine lange Mittagspause mit Käse, Crackern und Malbec. Der Wind ist heftig. Also kauere ich mich auf den Boden. Auf einem anderen Weg kehre ich nach El Chaltén zurück. Nach zwei Bilderbuchtagen herrscht zunächst „normales“ patagonisches Wetter: dunkle Wolken und ein paar Regenspritzer. Später setzt sich die Sonne wieder durch.

 

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Bebrillte Tyrannen
und gefrorenes Wasser

El Calafate liegt am Lago Argentino. Der riesige See wird im Sommer durch Schmelzwasser noch größer. Unzählige Zugvögel tummeln sich am sumpfigen Ufer. Im Vogelschutzgebiet Laguna Nimez beobachte ich u.a. Flamingos, Greifvögel, Gänse und Enten. Darunter sind auch einige Arten, die ich noch nie zuvor gesehen habe, z.B. ein schwarzer Brillentyrann, der mit seinen weißen Augenringen eigentlich eher lieb aussieht.

 

Wie rund 80 Prozent Patagoniens besteht auch die Umgebung von El Calafate aus Steppe. Früher waren Schafe die Haupteinnahmequelle der Estancias. Im 19. Jahrhundert hat man Immigranten mit kostenlosem Land in die unwirtliche Ecke gelockt. Schafe brauchen hier mehr Fläche, als in der fruchtbaren Gegend im Norden Argentiniens. Dementsprechend groß sind die Grundstücke. Weil die Wollpreise gefallen sind, stellen nun viele um auf Kühe oder Übernachtungen für Touristen. Die meisten von denen zieht es in den nahen Nationalpark Los Glaciares. Im südlichen Eisfeld Amerikas gibt es 2000 Gletscher. In den Anden schneit es 300 Tage im Jahr. Sieben bis 20 Meter Schnee liegen oben, verdichten sich zu Eis und fließen dann bergab. Unser Ziel ist der Perito Moreno – ­ 27 Kilometer lang, bis zu fünf Kilometer breit. Er ist weder der größte, noch der höchste Gletscher Argentiniens. Dafür ist er gut erreichbar, denn seine Zunge befindet sich gerade mal 200 Meter über dem Meeresspiegel. Zur Musik von „Game of Thrones“ steuern wir den ersten Aussichtspunkt an. Perfekt: Über den Perito Moreno wölbt sich ein Regenbogen. Er kommt zwei Meter pro Tag voran und zieht sich wie eine Autobahn in den Lago Argentino, bis er auf eine Landzunge stößt und den südlichen Arm des Sees blockiert. In diesem Stadium befindet er sich bei meinem Besuch. Das gestaute Wasser frisst sich langsam unter dem Eis hindurch. Schließlich entsteht eine Brücke, die irgendwann spektakulär zusammenbricht.

 

 

Der Perito Moreno schwimmt nicht, sondern liegt auf dem Grund des Sees und ragt 30 bis 70 Meter aus dem Wasser. Bei einer Bootsfahrt kommen wir näher heran. Ständig knistert und knackt es im Eis. Manchmal brechen mit lautem Knall Stücke ab. Es ist die Saison, in der der Gletscher kalbt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gletschern schrumpft er nicht. Was unten schmilzt, wächst oben wieder nach. Im Besucherzentrum führen Galerien zu Aussichtsbalkonen, die den Perito Moreno von allen Seiten zeigen. Bei meinem ersten Besuch setzt heftiger Regen ein. Am nächsten Tag kehre ich mit einigen anderen noch einmal für eine geführte Gletscherwanderung zurück. Wir setzen mit dem Boot zum anderen Ufer über und laufen an der Seite entlang bis zum Einstiegspunkt. Mit Krampen unter den Schuhen sieht man das Naturwunder wieder aus einer anderen Perspektive. Zum Schluss gibt’s Whisky on the rocks, natürlich mit Gletschereis. Die Sonne kommt heraus, und der Perito Moreno leuchtet türkis.

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Zu guter Letzt: Buenos Aires

Die meisten aus der Gruppe reisen weiter nach Chile, um im Torres del Paine Nationalpark zu wandern. Ich hingegen muss nach Buenos Aires zurück. Erstmals habe ich Zeit, mich in der Stadt etwas umzusehen. Vom zentral gelegenen Hotel aus mache ich einen Spaziergang zum berühmten Friedhof Recoleta. Der schließt um 17:30, und ich erreiche ihn um 17:45… Vor dem Eingang spielt ein Trio Jazz. In der Nähe tanzen zwei Paare Tango. Ziemlich touristisch hier. Allerdings genießen auch die Einheimischen den herrlichen Samstagnachmittag und bummeln über den Kunsthandwerkermarkt auf dem benachbarten Platz. Abends besuche ich eine Tagoshow im nostalgischen Restaurant Querandi. Nach einem Drei-Gänge-Menü wird die Geschichte des Tanzes von den Anfängen Ende des 19. Jahrhunderts bis heute erzählt.

 

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Bevor ich am nächsten Tag den Rückflug antrete, mache ich noch einen Abstecher nach La Boca. Am Fußballstadion lässt der Uber-Fahrer mich und ein Ehepaar aus der Gruppe raus und meint düster: „Das ist der Feind.“ Beim örtlichen Fußballclub ist es wohl wie bei Bayern München. Die Boca Juniors haben eine Menge glühender Fans, aber der Rest Argentiniens hasst sie. Wenn das Team spielt, muss die Hölle los sein. Es gab schon so schlimme Ausschreitungen, dass die gegnerischen Fans nicht mehr ins Stadion gelassen werden, erzählte uns Stevie, der einen der Lokalrivalen unterstützt. Um das Stadion herum ist alles in den Vereinsfarben blau und gelb gestrichen. Es gibt viele Wandgemälde und überall Skulpturen von Maradona, obwohl der dort nur eine Saison gespielt hat. Auf vielen Balkonen stehen ebenfalls Figuren, u.a. von Evita und der Comicfigur Mafalda. Im Zentrum von La Boca leuchten die Häuser kunterbunt in allen Farben. Manche scheinen nur noch vom Lack zusammengehalten zu werden. Ohne Anstrich sähen die aus dem Blech abgewrackter Schiffe gebauten Hütten wohl eher trist aus.

 

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