SRI LANKA 🇱🇰

Reiseroute 2017

NegomboAnuradhapura (Ausflug nach Mihintale) – PolonnaruwaDambullaMinneriya NationalparkSigiriyaKandyBandarawelaIdalgashinnaUdaweriyaBambarakanda WasserfallBandarawela – Udawalawe (Elephant Transit Home) – MirissaGalle Colombo

Cuba Libre mit Cojones
und der Rat des Erleuchtetten

Ähnlich wie Thailand ist Sri Lanka Schilda-mäßig ein Hotspot. Meine Sammlung mit schrägen Schildern aus aller Welt wächst weiter. Immer wieder ein Klassiker: Speisekarten. In einem Restaurant bieten sie einen ganz speziellen Cuba Libre an – mit „Drak Rum, Fresh Lime Juicd, Cock“. Der Barkeeper hat offensichtlich Eier! Manche Hinweise sind nicht übermäßig erhellend: „Tote Rate – 36“ an einem Wasserfall lässt sich erst in Kombination mit der englischen Version „Recoded death up to date – 36“ erraten. (Vermutlich sind hier 36 Menschen tödlich verunglückt. Oder Ratten.) Nebulös bleibt auch das Verbot, harmlos aussehende Wasserbecken in einem Park zu betreten: „You may meet with disasters“. (Piranhas? Haie? Flutwellen? Beulenpest?) Ebenso spirituell wie mysteriös ist dieses in Stein gemeißelte Fundstück aus einem Tempel:

Eigentlich habe ich alle Menschen in Sri Lanka (auch die Männer) als sehr freundlich erlebt. Warum also warnt auf dem Bahnhof in Galle ein Schild: „Seid höflich in Gegenwart von Frauen“? Immerhin gibts hier endlich mal Anzeigetafeln, die funktionieren – aus Holz mit Uhren, deren Zeiger man mit der Hand auf die Abfahrtszeit stellen kann. (Liebe Deutsche Bahn, vielleicht wäre das die Lösung eurer Probleme.)

Das coolste TukTuk, das ich je gesehen habe, ist mit Fernseher, Subwoofer, Webcam und Bob-Marley-Lackierung ausgestattet, und in einem Halter neben dem Fahrersitz steckt eine halbvolle Wodkaflasche. Die Fahrgäste hingegen dürfen weder Alkohol noch Gras dabeihaben. (Besteck, Waffen und Hunde übrigens auch nicht.)

Dann wären da noch: Ein armes „nicht Hupen“-Verkehrsschild, das keiner beachtet. Ein Mann, der direkt neben der Mahnung „Dies ist ein heiliger Ort. Bitte benehmen sie sich gut auf dem Gelände“ ungeniert raucht. Ein Rettungsschwimmer, der an einer Tafel mit der Aufschrift „Giftige Tiere. Nicht ins Wasser gehen“ lehnt und Massen von Menschen beobachtet, die genau dies tun.

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Vier Religionen auf einer Insel

Auf der Flagge von Sri Lanka ist rechts ein Löwe, der ein Schwert hält. Er symbolisiert die singhalesische Mehrheit (Buddhisten), der orange Streifen in der Mitte steht für die Tamilen (Hindus), der grüne Streifen links für die Moslems. An unserem Startpunkt, der Hafenstadt Negombo, hingegen sind die meisten Einwohner katholisch. Mein Taxifahrer heißt Anthony nach St. Anton und zeigt mir mehrere große Kirchen und Heiligenschreine mit neonleuchtenden Kreuzen. Nicht umsonst sieht der Ort europäisch aus: Die Kanäle wurden von den Portugiesen begonnen, von den Holländern vollendet.

Unser Guide Kasun ist Buddhist, stammt aber aus einer Familie, in der man mal in die Kirche, mal in den hinduistischen oder buddhistischen Tempel und mal in die Moschee geht. Obwohl viele Menschen auf Sri Lanka solch einen multikulturellen Hintergrund haben, hat das Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht immer pro­blem­los funktioniert: Von 1983 bis 2009 herrschte Bürgerkrieg zwischen den Singhalesen im Südwesten und den Tamilen im Nordosten der Insel. Seit dem Ende blüht nicht nur das Land, sondern auch der Tourismus auf. Meine Rundreise konzentriert sich auf die Mitte und den Südwesten. Der Nordosten, der jahrzehntelang gar nicht bereist werden konnte, soll immer noch recht unerschlossen sein.

Im kulturellen Dreieck (s.u.) besichtigen wir vor allem buddhistische Tempel. Einmal machen wir unterwegs aber auch an einem Hindutempel Station, der von einem reichen Tamilen gestiftet wurde. Er ist sehr bunt und dem Gott Skanda gewidmet. Dessen Tier ist der Pfau, von dem zahlreiche lebende Exemplare umherspazieren. Ebenso wie lebende Hühner, die als Opfer in den Tempel gebracht wurden. Am schönsten finde ich aber den Elefantengott Ganesha. Sein Tier ist die Maus. Kasun erzählt uns, warum Ganesha einen Elefantenkopf hat: Sein Bruder Skanda hatte sich in eine Frau verliebt, wusste aber nicht, wie er sie erobern sollte. Der kluge Ganesha hatte eine Idee: „Pass auf, ich verwandele mich in einen Elefanten und erschrecke sie, du rettest sie. Dann verstecke ich mich im Wald und du besprenkelst mich mit Wasser, damit ich mich zurückverwandeln kann. Gesagt, getan. Doch die Frau wurde vor Schreck ohnmächtig. Skanda schüttete ihr Wasser ins Gesicht. Leider reichte das restliche Wasser nicht mehr zum Besprenkeln des ganzen Körpers seines Bruders. Der Kopf blieb übrig. Dumm gelaufen für Ganesha…

In allen Tempeln gilt wieder: Schuhe aus! Meine europäischen Winterfüße, die monatelang in kuschelig-weiche Fellstiefel verpackt waren, werden schlagartig auf den harten Boden der Realität geholt: Kiesel pieken und auf glühend heißem Pflaster frittiere ich mir die Fußsohlen. Immerhin ist hier (im Gegensatz zu Myanmar) wenigstens das Tragen von Socken erlaubt. Ebenfalls verboten sind Kopfbedeckungen. Das gilt auch für Moslems. Einmal kommen uns auf dem Ausgrabungsgelände in Po­lon­na­ru­wa muslimische Mädchen entgegen. Wie bei allen Schulkindern ist ihre Uniform komplett weiß. Zwei tragen Nikab und sehen damit fast aus wie Gespenster (oder Mitglieder vom Ku Klux Klan). Eine besondere Regel, die mir zuvor weder in Myanmar, noch in Thailand begegnet ist: Man darf sich nicht mit dem Rücken zu einer Buddha-Statue fotografieren lassen, woran überall Schilder erinnern.

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Verschollen im kulturellen Dreieck

Die ersten Siedler auf Sri Lanka haben sich in der Gegend mit dem wenigsten Niederschlag niedergelassen. Dort befinden sich die ältesten Städte, die heute archäologische Stätten mit Weltkulturerbe-Status sind. Sie bilden ein Dreieck, dessen Ecken wir zu Beginn unserer Rundtour nacheinander ansteuern:

1. ANURADHAPURA

Als Erstes machen wir einen Abstecher nach Mihintale. Es ist ein Fels, auf dessen Gipfel 1840 Stufen führen. Daneben befindet sich die Kantaka Stupa aus dem 3. Jh. v. Chr., umgeben vom wohl ersten Naturschutzgebiet der Welt: Nachdem der damalige König zum Buddhismus konvertiert war, wollte er die Tiere nicht mehr töten und stellte seine Jagdgründe unter Schutz.

Die archäologische Stätte in Anuradhapura erkunden wir mit dem Fahrrad. Aber erstmal hinkommen! Der Weg vom Hotel führt durch drei Kreisverkehre. Und das mit Linksverkehr. Der Zweite ist besonders wuselig. Auf dem Hinweg verliere ich den Anschluss an die Gruppe, weil Autos kommen und kriege die Krise. Auf dem Rückweg verliere ich einen Schuh und kriege nochmal die Krise. Es ist ein sonniger und heißer Tag und selbst mir ist warm. Als wir im Hotel sind, falle ich erstmal in den Pool. Herrlich! Aber die Mühen lohnen sich: Wir besichtigen beispielsweise die Jathawanaramaya Stupa, einst das dritthöchste Gebäude der Welt. Sie wurde um 380 n. Chr. gebaut, ist also 600 Jahre jünger als die Kantaka Stupa in Mihintale. Besser renoviert ist die Mahavihawihara Stupa, die gleich mehrere Reliquien von Buddha enthält. In der Nähe befindet sich ein Ableger des mythischen Bodhi-Baumes, unter dem Buddha erleuchtet wurde. Er gilt als ältester Baum der Welt und wird wie ein Gott verehrt. Eine besonders interessante, gut erhaltene Buddha-Statue sehen wir im Komplex Abayagiriya. Der Gesichtsausdruck ändert sich je nach Blickwinkel: Von Links lächelt er froh, von der Mitte milde und von Rechts traurig. Am Elephant Pond genießen wir ein fantastisches vegetarisches Picknick und probieren erstmals einen Salat aus Bananenblüten.

2. POLONNARUWA

Wieder steigen wir aufs Fahrrad. Diesmal gibts auf dem Weg vom Hotel nur einen haarigen Kreisverkehr zu überwinden. Dafür drängt mich auf dem Rückweg beinahe ein mit Soldaten beladener Truck von der Straße. Außerdem klingeln einem vom allgegenwärtigen Hupkonzert die Ohren. Obwohl fast 1000 Jahre alt, ist Polonnaruwa deutlich jünger als Anuradhapura. Nach der Unabhängigkeit Sri Lankas 1984 wurde mit der Restaurierung begonnen. Highlight des Komplexes ist der Rock Temple mit vier in den Fels gemeißelten, riesigen Buddhas. Ebenfalls interessant: das heilige Viereck. Es besteht aus einem Meditationszentrum und drei Tempeln, die von drei Königen nacheinander für die Zahnreliquie gebaut wurden, die inzwischen in Kandy verwahrt wird. Vom ehemaligen königlichen Palast sind nur zwei Etagen übrig. Das Gebäude hatte sogar einen Swimmingpool mit Umkleideraum und ein Klo mit Sickergrube. Ein Stausee sorgte für frisches Wasser. Am Ufer befinden sich Reste des Rathauses, wo das (vom König, nicht vom Volk gewählte) Ministerkabinett tagte.

In der Nähe von Polonnaruwa befinden sich zwei weitere Sehenswürdigkeiten. Der Tempel in Dambulla besteht aus fünf Höhlen voller Buddha-Statuen – stehende, sitzende und liegende. Bei den liegenden Buddhas muss man auf die Zehen achten, erklärt uns Kasun. Sind sie direkt übereinander, ist er verstorben und bereits im Nirwana. Sind sie versetzt, schläft er nur. Schwieriger zu deuten sind die verschiedenen Handgesten. Eine erhobene rechte Hand mit der Fläche nach außen z.B. heißt nicht „stop“, sondern, dass Buddha keine Angst vor dem Tod hat. Was hingegen die Statuen sagen wollen, die einem eine Art Stinkefinger entgegenrecken, weiß man nicht.

Die Felsfestung Sigiriya ist von Gärten umgeben. Erst wohnte hier der König. Später war das Ganze ein Kloster, dann fünfhundert Jahre lang in Vergessenheit geraten. Kasun jagt uns so früh aus dem Bett, dass wir um sieben Uhr zur Öffnungszeit dort sind. Eine weise Entscheidung: Als wir von der Besichtigung zurückkehren, steht eine Riesenschlange im Eingangsbereich.

3. KANDY

Bevor wird in der Stadt ausgesetzt werden, gibt Kasun Tipps zum Einkaufen: Handeln und den Händler kommen lassen – „Es ist wie fischen. Lass den Fisch den Job machen.“ Kandy liegt von Hügeln umgeben auf 528 Metern Höhe an einem See. Aber so idyllisch, wie es wirkt, war das Leben wohl nicht immer. Ein Friedhof aus der englischen Kolonialzeit zeigt, dass die meisten Menschen damals jung gestorben sind. Ein alter Mann kennt die Geschichte jedes Verblichenen. Einer ist von einem Elefanten totgetrampelt worden, ein anderer ließ sein Leben beim Versuch, einem Elefanten davonzulaufen – Hitzschlag. Sehr sinnig finde ich die Inschrift auf einem Grabstein (Rechtschreibfehler inklusive): „Man appoints but god can disapoint“.

In Kandy befindet sich das größte Heiligtum in Sri Lanka, der Zahntempel. Die Reliquie von Buddha wird in einem Schrein im ersten Stock ausgestellt. Es herrscht großer Andrang. Im Erdgeschoss ertönt wilde Musik von einem Trommler und und einem Flötisten, der wie ein Schlangenbeschwörer spielt. Einmal im Jahr findet eine Prozession statt, bei der ein Elefant den Schrein abwechselnd zu einem der beiden benachbarten Tempeln trägt.

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Im Hochland:
Wandern und Tee trinken

Auf Sri Lanka gedeihen 101 Reis- und 48 Bananensorten. Die Briten fingen an, dort Kaffee anzubauen, aber Moskitos liebten die Büsche und brachten Malaria auf die Insel. Deshalb stieg man auf Tee um. Heute befindet sich der größte Teemarkt der Welt in Colombo. In Kandy besichtigen wir die Teefabrik Geragama, die 1903 gebaut wurde und nur schwarzen Tee produziert. Die frisch gepflückten Blätter werden zunächst 24 Stunden ausgebreitet, anschließend mehrmals in einem Kessel mit wachsendem Druck gerollt und geschüttelt. Dabei sortieren sich verschieden große Teile bis hin zum Dust (Staub), der schlechtesten Qualität, heraus. Es folgen Fermentation und Oxidation. Der Abfall dient als Dünger. Grüner Tee kommt vom selben Strauch, wird nur nicht fermentiert. Nach der Führung machen wir eine Teeprobe mit Orange Pekoe. Statt Zucker gibts dazu Palmsirup, den man nicht hineintut, sondern vorher lutscht.

Als im Hochland die Teeplantagen angelegt wurden, weigerten sich die Singhalesen, dort zu arbeiten. Also holten die Briten arme Tamilen aus Südindien ins Land. Sie liefen von der Küste zu Fuß, wobei zwei Drittel unterwegs starben. Die Tamilen im Norden schauen auf die im Hochland hinab, weil sie einer niedrigen Kaste angehören. In den Bergen begeben wir uns auf eine zweitägige Wanderung durch die Plantagen. Es sind Kooperativen. Männer pflegen die Sträucher, Frauen pflücken den Tee. Arbeitsbeginn ist um 7.30 Uhr, 10.30 Teepause, 14.00 Mittagessen, 16.30 Feierabend. Sie verdienen 1000 Sri-Lanka-Rupien pro Tag (ca. 6 Euro) und gehen mit 55 Jahren in Rente. Einmal kommen wir durch eine organische Teeplantage mit männlichen Pflückern. Auch wir machen jeden Morgen eine Teepause mitten in einer Plantage.

Startpunkt unserer Wanderung ist die kleine Bahnstation Idalgashinna. Es hat die ganze Nacht durchgeschüttet. Wolken liegen wie Wattebäuschchen über den Tälern. An einem Baum vollführt unser lokaler Guide Raj ein hinduistisches Ritual. Jeder bekommt einen roten Punkt auf die Stirn. Es ist ein drittes Auge, das Schutz bieten soll, z. B. vor den Wildschweinen, die in den Wäldern leben. Erstmal gehts bergauf. Es bieten sich immer wieder tolle Aussichten. Der höchste Punkt ist ein Pass auf fast 2000 Metern. Insgesamt laufen wir an sieben Dörfern vorbei. In Udaweriya übernachten wir im Gästehaus „Misty Mount Lodge”. Der Name ist sehr passend: Vom Garten aus sieht man den Nebel aufsteigen und wieder runtergehen. Die Unterkunft ist einfach. In unserem Zimmer stehen fünf Betten nebeneinander, sonst nichts. Den geräumigen Aufenthaltsraum haben wir für uns, es gibt keine anderen Gäste. Abends holen die Guides zwei Bongotrommeln heraus. Alle singen und tanzen.

Am nächsten Morgen brechen wir zum zweiten Teil der Wanderung auf. Zunächst ist es sonnig, dann fängt es an zu regnen, wieder Sonne, erneut ein heftiger Guss. Eine Mitreisende hat sich aus der Plastiktüte für Schmutzwäsche, die im letzten Hotel auslag, ein Rucksack-Cover gebastelt. Ich verschwinde samt Tagesgepäck unter meinem riesigen orangeroten Regencape. Von weitem sehe ich repektabel aus (dieselbe Farbe tragen viele buddhistische Mönche), von der Seite mehr wie ein Huhn. Endpunkt der Wanderung ist der Bambarakanda Wasserfall, der mit 241 Metern der höchste in Sri Lanka und Nr. 65 in der Welt ist. Nach dem Mittagessen bringt uns der Minibus zurück ins Hotel nach Bandarawela. Die Kurven auf der Straße sind so eng, dass der Fahrer manchmal zurücksetzen muss. An den Steilhängen sieht man die Folgen von Abholzungen und Einführung fremder Baumarten wie Eukalyptus und Kiefer: in der Regenzeit Erdrutsche, in der Trockenzeit Buschfeuer. Am nächsten Tag besichtigen wir im Touristenort Ella einen weiteren Wasserfall. Dann gehts bergab – zur Küste.

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Die Küste: Meeresschildkröten
und Mensch am Spieß

Als wir den Küstenort Mirissa erreichen, springen wir erst einmal ins Meer. Unser Hotel „Silanmo” ist nur von der stark befahrenen Straße vom Strand getrennt und liegt schön am Hang. Nach dem Essen gehts in eine der zahlreichen Strandbars. Jeden Abend fungiert eine andere als Disco, was mit einer weithin sichtbaren Lichtshow markiert wird. Eine riesige Meeresschildkröte kommt aus dem Wasser, um mitten im Getümmel ihre Eier abzulegen. Am nächsten Morgen will ich unbedingt die Blauwale sehen, die hier vor der Küste leben. Dummerweise versagt der Wecker und freiwillig wird mein Körper nicht rechtzeitig zur Abfahrt um 5.45 Uhr wach. Zum Trost gehe ich mit Schildkröten schnorcheln (s. Film) und gönne mir dann eine einstündige Deep-Tissue-Ganzkörpermassage im „Secret Root Spa“, das in einem verträumten Garten abseits der Straße liegt.

Der Weg zur Stadt Galle ist nicht weit und führt an der Küste entlang. Bei den berühmten Stelzenfischern halten wir kurz. Heute posieren sie allerdings nur noch für die Touristen und baden einen gefangen Fisch ein paar Mal, bevor sie die Angel wieder auswerfen. Einer füttert die Krabben, die zwischen den Felsen herumwieseln. Ich frage mich, warum die Männer auf Baumstämmen hocken und sich aus dem Holz nicht eine bequemere Plattform bauen. Für Haie muss das Ganze wirken wie Mensch am Spieß. Fischer-Kebab. Wahrscheinlich schmeißen sie schon den Grill an.

Galle war mal portugiesisch, holländisch und englisch. Die komplett erhaltene Altstadt ist von einem Fort umgeben. Nicht einmal der verheerende Tsunami von 2004 konnte dessen dicken Mauern und dem Wall, auf dem man rundherum laufen kann, etwas anhaben. Am Straßenrand stehen Oldtimer. Unser „Frangipani Motel” ist wie die Nachbarhäuser ein sehr hübscher Kolonialbau. Nur die Mickymaus-Vorhänge vor dem Zimmerfenster passen nicht ganz ins Bild.

Die Reise endet in der Hauptstadt Colombo. Die kann zwar mit spektakulären Orten wie Havanna oder Sydney nicht mithalten, hat aber durchaus einige interessante Gebäude zu bieten: Das Opernhaus beispielsweise hat die Form einer Lotusblüte. Das Rathaus ähnelt dem weißen Haus. Daneben befindet sich ein schöner Park, in dem eine prächtig geschmückte Braut für einen Fotografen posiert. Etwas makaber: das „World Trade Center“, ein Hochhaus mit Zwillingstürmen. Unser Hotel „Zmax Fairway“ ist nagelneu und liegt zentral im Fort-Distrikt gegenüber vom alten Dutch Hospital, wo im Innenhof abends live eine Band spielt. Gut, dass ich im Hotel nicht mehr schlafen muss, weil mein Flug schon so früh am nächsten Morgen geht. Die Bässe der umliegenden Bars und Clubs wummern in mein Zimmer.

Am Nachmittag laufe ich mit meiner Mitreisenden Olivia zum örtlichen Strand, der winzig, aber dafür umso voller ist. Badebekleidung wird überbewertet: Die Menschen gehen einfach so ins Wasser – die Schulkinder mit ihren strahlend weißen Uniformen, die Lehrerinnen mit eleganten Saris, eine Muslima im schwarzen Gewand samt Schleier. Unterwegs werden wir immer wieder von Tuk-Tuk-Fahrern angesprochen, die trotz höflicher Ablehnung ihrer Dienste hartnäckig im Schritttempo neben uns herfahren, um unsere Meinung zu ändern. Auffällig gut gekleidete Herren machen erst etwas Smalltalk und erzählen dann von einem einmalig günstigen Sale („Nein danke, ich kaufe lieber teuer“), einer Ausstellung („Nein danke, ich hasse Kunst“) und einer Elefantenzeremonie („Nein danke, ich bin allergisch gegen Elefanten“). Ein Paar aus unserer Gruppe wird zum Geburtstag eines fünfjährigen Mädchens eingeladen. Wahrscheinlich findet all das im selben schäbigen Shop statt, den kein Tourist freiwillig betreten würde…

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Elefantös und affig

Auf Sri Lanka gibt es noch viele wilde Elefanten. Da die Insel dicht besiedelt ist, kommt es oft zu Konflikten mit Dorfbewohnern. In den letzten 15 Jahren hat das fast 2000 Elefanten und 836 Menschen das Leben gekostet. Am besten kann man die grauen Riesen in den Nationalparks beobachten: Im Minneriya NP sehen wir gleich zwei Herden. Auch im Udawalawe NP grasen direkt neben der Straße zwei Dickhäuter. Ein Elektrozaun hält sie von der Fahrbahn fern. Verwaiste oder verletzte Tiere werden im benachbarten Elephant Transit Home aufgezogen und später wieder ausgewildert. Bei dem kleinen Elefanten, der eine Beinprothese trägt, ist das allerdings nicht möglich. Um 12.00 Uhr kriegen alle ihr Futter. Erst Milch, dann Blätter. Sie kommen mit wippenden Ohren angerannt (s. Film). Einige nehmen nachher noch ein Bad, obwohl es ohnehin wie aus Kannen schüttet. Das Zentrum wird von der Regierung geleitet. Dazu gehört ein Museum mit interessanten Elefantenfakten wie: „Babys trinken bis zu 11,4 Liter Milch täglich und lutschen an ihren Rüsseln wie Menschenkinder am Daumen.“

Allgegenwärtig sind Affen verschiedener Arten, von denen die meisten ziemlich seltsame Frisuren haben. Denen ist nichts heilig: weder die archäologischen Stätten, noch die Tempel. In Dambulla beispielsweise hat man zur Abschreckung das obere Ende des Zauns unter Strom gesetzt. Also quetschen sie sich durch die quadratischen Maschen darunter und schaffen es sogar in einen verschlossenen Papierkorb. Einige Exemplare trinken aus einem Wasserhahn. Sie können ihn auf- und zudrehen. In Kandy lauern die Biester im ehemaligen königlichen Garten, dem Udawattakele Royal Forest Park, schon am Eingang auf Touristen. In den Hotels warnen Schilder vor ihren Langfingern. In Mirissa taucht die Affenbande morgens auf dem riesigen Balkon auf (s. Film). Ich kann gerade noch die Tür schließen, da hat der Erste schon die Pfoten an der Scheibe.

Das Nationaltier von Sri Lanka ist allerdings weder ein Elefant, noch ein Affe, sondern das Riesenhörnchen. Daneben sehe ich viele gestreifte Palmenhörnchen. Eins trinkt in einem Tempel respektlos aus einer Opferschale. In Polonnaruwa beobachte ich im Hotelpool erstmals einen schwimmenden Gecko. Die Klebefüßchen tragen ihn über das Wasser und der Schwanz rudert.

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Ayurveda und Curry

Bei reichen Städtern ist es heute ein Statussymbol, bei Krankheiten in eine Privatklinik zu gehen. Unser Guide Kasun jedoch sucht lieber einen Ayurveda-Arzt auf. Es gibt drei Elemente im Körper, erklärt Kasun. Geraten die aus dem Gleichgewicht, wird man krank. Ziel ist also, alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Erst gibt der Doktor ein Medikament, das die Krankheit verstärkt, dann eins, um sie zu kontrollieren, dann eins, um sie an der Wurzel auszurotten. Die traditionelle Medizin Sri Lankas ist keine Hexerei, sondern arbeitet vor allem mit Heilpflanzen. In einem Gewürzgarten erfahren wir etwas über die Einsatzmöglichkeiten von Zimt, Sandelholz, Muskatnuss, Aloe Vera & Co.

Zum Glück dienen die Gewürze nicht nur als Heilmittel, sondern peppen auch das Essen auf. In Bandarawela zeigt uns eine Frau in einem Privathaus, wie sie kocht. Zuerst setzt sie braunen Reis auf und segnet ihn. Die Singhalesen haben großen Respekt vor den Nahrungsmitteln, deshalb findet man in Sri Lanka auch kein Street Food. Schließlich bereitet die Herrin des Hauses verschiedene Currys zu: Huhn, Fisch, Kartoffeln, Aubergine und zwei Gemüsesorten, die ich noch nie gesehen habe. Alle Zutaten sind frisch. Sogar die Kokosmilch stammt nicht aus der Dose, sondern wird mühsam einer Kokosnuss abgerungen: Wir helfen dabei, das weiße Fruchtfleisch von der Schale zu raspeln und auszupressen. Die Flocken werden mit Chili zu Sombol verarbeitet. Bei den Currys kommt (anders als bei der Koch-Demonstration auf Borneo) keine fertige Paste zum Einsatz, sondern zig verschiedene Gewürze werden jeweils zusammengemischt. Immer mit dabei sind etwas Tamarind, das Bakterien abtötet, und Curryblätter. Es duftet fantastisch. Auch in den Restaurants essen wir oft ebenso günstig wie gut. Mein Lieblingsgericht heißt „Chop Chop“ (manchmal „Kottu“ genannt). Es besteht aus kleingehackten Roti-Fladen, Gemüse und Ei. Die Zubereitung ist, wie der Name schon andeutet, ohrenbetäubend. Üblicherweise essen die Einheimischen mit den Fingern der linken Hand. Dabei darf der Reis nicht über die mittleren Gelenke kommen, lernen schon die Kinder. Das Essen ist oft nur lauwarm. Klar: Keiner will sich die Finger verbrennen.

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Bahn, Bus und TukTuks

Den größten Teil der Strecke reisen wir in einem privaten Minibus. Zwei Teilstücke allerdings legen wir mit dem Zug zurück. „Bereits im Jahr 1867 fauchten die ersten Dampfrosse von Colombo ins Hochland (…). Noch heute lässt die Trasse die Herzen aller Eisenbahnfans höher schlagen“, schwärmt mein Merian-Reiseführer. Wir fahren in sechs Stunden von Kandy nach Bandarawela. Zunächst gehts durch Ortschaften, dann windet sich die eingleisige Strecke durch Teeplantagen und Bergregenwald. Die gefederten Waggons schaukeln sanft hin und her. Es regnet leicht. Die Türen lassen sich während der Fahrt problemlos öffnen. Überall gucken Fahrgäste heraus. Kaum weniger berühmt ist die Bahnstrecke von Galle nach Colombo, die z.T. direkt am Meer entlangführt. Leute im Gleis? Das ist hier kein Thema: An einigen Stellen benutzen die Anwohner einen Abwasserkanal neben dem Gleis als Bürgersteig. Diesmal sind die Waggons ziemlich alt. Die Klimaanlage besteht aus einer Batterie Ventilatoren an der Decke, die nicht funktionieren. Dafür sind die Fenster offen. Der Zug hat in der Regel eine halbe Stunde Verspätung. An diesem Tag ist er pünktlich. So ist müssen wir auf unseren Minibus warten.

Ein Erlebnis sind auch unsere beiden Fahrten mit Linienbussen von Anaradhapura nach Polonnaruwa und von dort weiter nach Dambulla. Der erste Bus hat Spitzendeckchen mit Plastiküberzug auf den Sitzen, im Hintergrund läuft ein Radiosender mit bollywoodartiger Musik. Außerhalb der Städte dreht der Fahrer richtig auf und scheucht alle anderen mit der Hupe vor sich her. Kurven nimmt er so sportlich, dass wir fast von den sehr schmalen Sitzen rutschen. Der zweite Bus hat keine Spitzendeckchen, aber dafür ein noch kräftigeres Soundsystem, das locker den ratternden Motor übertönt.

Wer den Hauch des Todes spüren möchte, sollte in ein TukTuk steigen. In Kandy bringen drei der Höllenmaschinen die Gruppe vom Abendessen zurück ins Hotel, das oben am Berg liegt. Dabei liefern sich die Fahrer ein Wettrennen. In Colombo gibt unser Chauffeur auf dem Rückweg vom Restaurant trotz des irren Verkehrs Vollgas und nagelt zentimetergenau an den anderen TukTuks vorbei.

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HOME, SWEET HOME

NUR FLIEGEN IST SCHÖNER

„Als wie wennze fliechs“ – so bezeichnet man im Ruhrgebiet gerne ein besonders tolles Erlebnis. Allerdings ist das Fliegen selbst nicht immer so toll.

Hier meine persönlichen Flop 3 der Flughäfen:

1. Antananarivo

Beim Einchecken sehe ich zufällig, dass Air Madagascar meinen Rückflug von der Hauptstadt Antananarivo mal eben zwei Tage nach hinten geschoben hat, muss blitzschnell umbuchen und einen Umweg über Mauritius machen. Immerhin findet der Hinflug wie geplant statt. Das Unterhaltungsprogramm an Bord der uralten Boeing, die wohl mal Air France gehörte (sieht man am abgewetzten Teppich), ist überschaubar. Auf dem winzigen Monitor stehen zwei Filme zur Auswahl: „Casino Royale“ und „Die Truman Show“. Die kann man sich aber nicht ansehen, weil das System nicht funktioniert. Aber ich komme schließlich an.

Der Rückflug von Nosy Boraha wird haariger: Der Flughafen der im Süden Madagaskar vorgelagerten Insel ist winzig. Es gibt nicht einmal einen Zaun ums Rollfeld, neben dem Zebus weiden. Was machen die, wenn plötzlich eine Kuh auf der Start- und Landebahn steht? Besser nicht weiter darüber nachdenken. Auch der Check-in ist nicht übermäßig streng. Es ist zwar ein Gerät zum Durchleuchten des Handgepäcks vorhanden. Allerdings werden die Passagiere einfach durchgewinkt (vermutlich kaputt). Naja, die Strecke ist wohl für Terroristen nicht allzu interessant. Die Propellermaschine nach Antananarivo ist sogar fast pünktlich. Hilft aber nicht, da der Anschlussflug nach Mauritius um drei Stunden nach hinten verschoben wurde. Nun sitze ich sieben Stunden auf dem Hauptstadt-Flughafen, der absolut nichts zu bieten hat (nicht einmal eine Gepäckaufbewahrung und kaum Sitzgelegenheiten). Da ich meinen großen Rucksack bewachen muss, kann ich den kostbaren Sitz vor dem Eingang ohnehin nicht aufgeben. Aus dem erhofften Besuch der benachbarten Krokodilfarm wird nichts: Regelmäßiger Busverkehr existiert nicht (Taxi Brousse fahren erst los, wenn sie voll sind). Der Taxifahrer, mit dem ich gerade einen Preis ausgehandelt habe, will noch auf dem Parkplatz extra Geld fürs Parkticket abzocken und verlangt plötzlich das Doppelte. Non, merci! Dann sitze ich halt rum. Weil durch die Verschiebung des Fluges nach Mauritus die Zeit zum Umsteigen für meine beiden Anschlussflüge nach Paris und von dort weiter nach Hamburg nun extrem knapp ist, werde ich noch genug Bewegung bekommen.

2. Atlanta

Ich fliege 2011 von Hamburg über Amsterdam und Atlanta nach Guatemala City. Der Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport ist der Flughafen mit dem weltweit größten Passagieraufkommen (fast 90 Millionen pro Jahr). Prompt steht vor der Passkontrolle eine Riesenschlange. Wartezeit für Nicht-US-Bürger: knapp eine Stunde. Endlich dran. „Bitte die vier Finger der rechten Hand auf den Scanner legen, nun den rechten Daumen, die vier Finger der linken Hand, den linken Daumen. Jetzt noch in diese Kamera schauen. Danke! Was wollen Sie in den USA?“ – „Im Flughafenhotel übernachten und morgen früh weiterfliegen.“ Einen kaum lesbaren Stempel in den Pass. Einmal tief durchatmen.

Koffer vom Gepäckband fischen und durch den Zoll rollen. Dort ausgefüllten Fragebogen abgeben („Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt mit Tieren? Führen Sie Planzenteile/Schnecken/Waren/Warenmuster/Geschenke/Geldbeträge über 10.000 Dollar mit sich?“ Richtige Antwort: nein). Nochmal tief durchatmen. „Hier nicht stehenbleiben“, brüllt eine Flughafenmitarbeiterin. Koffer schnell weiterrollen.

Nix wie raus und nach dem Langstreckenflug ab ins Hotelbett! Zu früh gefreut: Koffer wieder einchecken. „Aber ich will doch den Flughafen verlassen…“ – „Trotzdem!“ Handgepäck und Passagierin werden nämlich nach Hamburg und Amsterdam ein drittes Mal gescreent (wahrscheinlich leuchte ich fortan im Dunkeln). Vor der Handgepäck-Kontrolle eine Riesenschlange. Ganz tief durchatmen.

Als ich nach insgesamt zwei Stunden endlich den öffentlich zugänglichen Ausgang des Flughafens erreiche, wartet mein Koffer schon mutterseelenallein auf mich – mit aufgebrochenem Schloss. Es waren jedoch keine Diebe, die hier eine wunderbare Gelegenheit hätten, sondern die Freunde und Helfer von der „Homeland Security“, die den Inhalt durchwühlt haben. Innen finde ich ein Kärtchen: „Wir dürfen das!“ Eigentlich habe ich keinerlei terroristische Ambitionen, aber plötzlich verspüre ich den Drang, etwas kaputtzumachen. Irgendwas. Einfach so. Ich lasse es. Stattdessen stelle ich mir vor, wie ich auf dem Rückflug eine Mausefalle zwischen die schmutzigen Socken packe und wenn der nächste Heimatschützer seine Finger in meinen Koffer steckt… Ich verwerfe auch diese Idee und kaufe mir Spezialschlösser (8 Dollar pro Stück) für USA-Reisende: Die kann die „Homeland Security“ öffnen, ohne sie zu zerstören. Nach diesen Erfahrungen bin ich für den Weiterflug am nächsten Morgen drei Stunden vorher am Airport – und stehe 30 Minuten später am Gate. Nicht mal meinen Pass sehen sich die Amerikaner diesmal an. Die wollen mich wohl ganz schnell wieder loswerden…

3. London-Heathrow

Der größte Flughafen in Europa ist der Schlimmste. Hier ist man schonmal stundenlang mit einem Bus zwischen den Terminals unterwegs und muss sogar innerhalb eines Terminals  mit einem führerlosen Zug fahren. Einmal habe ich mehrere Stunden totzuschlagen. Weil Heathrow weit außerhalb liegt, reicht die Zeit nicht für einen Stadtbummel. Endlich ist mal herrliches Sommerwetter. Aber im neuen Terminal 5 gibt es nichts, wo man schön draußen sitzen kann. Schließlich lasse ich mich im Raucherbereich nieder. Hier sind zwischen den Terminal und das Parkhaus ein paar Bäumchen geklemmt worden. Einziger Pluspunkt: Wenn es mit dem Anschluss knapp wird, gibt es es Überholspuren an den Kontrollpunkten.

Auf den weiteren Plätzen folgen Frankfurt (unübersichtlich und schlecht ausgeschildert) und Johannesburg (Riesen-Schlangen an den Einwanderungs-Schaltern).

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Aber natürlich gibt es auch gute Flughäfen.
Hier meine persönlichen Top 3:

1. Singapur

Das ist keine Minderheiten-Meinung: Der Changi Airport gewinnt regelmäßig bei Umfragen über die besten Flughäfen der Welt. Wenn man wenig Zeit zum Umsteigen hat, kann man zumindest in einem der tropischen Gärten kurz Frischluft schnappen. Bei mindestens drei Stunden Aufenthalt ist ein Besuch auf der Dachterasse des Flughafenhotels die beste Wahl. Dort gibts gemütliche Liegen, einen Swimmingpool und einen Whirlpool, der für die verkrampften Muskeln das Paradies ist. Für Leute, die mindestens sechs Stunden Zeit haben, bietet der Flughafen sogar kostenlose Stadtrundfahrten und Shuttle-Busse in die City an. In jedem Fall lädt Changi Airport zum Shoppen ein. Vor allem Technik ist im zollfreien Bereich sensationell günstig.

2. Amsterdam

Für mich der beste Flughafen in Europa. Nicht zu groß, lichtdurchflutet, mit Kunstausstellungen und Tulpen-Deko ein Hingucker. Einziger Minuspunkt: Die Kontrolleure sind hier besonders pingelig. Einmal verpasse ich fast meinen Anschlussflug, weil die Mitarbeiterin trotz meines Hinweises, dass sie schon boarden, nicht erweichen lässt und alles aus meinem Rucksack herausholt. Den Vogel schießt aber einige Jahre später ein Kollege ab: Der Super-Pedant packt nicht nur meinen ganzen Rucksack aus. Er guckt sich jede einzelne Batterie in meinem Solarpanel an, begutachtet jedes Pflaster im Erste-Hilfe-Set und öffnet sogar meinen Regenschirm (ja, da ist eine Speiche kaputt, das war der Wind in Durban). Zum Glück bin ich ausnahmsweise mal nicht in Eile.

3. Vancouver

Vancouver ist nicht nur eine wunderschöne Stadt. Der Flughafen ist ebenfalls spitze. Überall sind Wasserbecken und sogar Aquarien. Zur Begrüßung winken freundlich ein paar Feuerquallen. Auch die Einreise ist schnell und unkompliziert. Keine blöden Fragen wie in den USA. Knapp dahinter in meiner Rangliste: Dubai.

Der aufregendste Flughafen:

Kai Tak

In Hongkong lande ich 1996 noch auf dem 1998 geschlossenen Flughafen Kai Tak. Dessen einzige Start- und Landebahn ragt in die Bucht von Kowloon und endet abrupt im Meer. Also müssen die Maschinen direkt am Anfang aufsetzen und dementsprechend tief anfliegen. Dass man dabei den Anwohnern in die Zimmer gucken kann, ist nicht übertrieben.
Vor dem Rückflug sehen wir uns das Spektakel noch einmal von unten an. Merkwürdigerweise gibt es keine Besucherterrasse. Also begeben wir uns auf das Dach des Flughafen-Parkhauses. Ein lautes Dröhnen ertönt. Heftig blinkend fliegt ein Jumbo-Jet direkt über unsere Köpfe und verschwindet hinter dem Flughafengebäude. Dann noch einer. Noch einer… Vor dem Parkhaus befindet sich eine mehrspurige Schnellstraße, dahinter steht ein Apartmenthaus, das ein Makler wohl als „verkehrsgünstig gelegen“ anpreisen würde. Wer hier lebt, hat garantiert nicht mehr alle Tassen im Schrank. Vermutlich fällt auch regelmäßig der Schrank von der wackelnden Wand. Und falls mal jemand auf dem Dach Wäsche aufhängt, landet die nächste Maschine mit Socken am Fahrwerk.

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Interessante Flugzeuge:

Airbus A 380

2009 erlebe ich auf der Strecke London – Singapur eine Premiere: Die Kabine des Jets sieht irgendwie anders aus, die Flügel sind extrem lang und wackeln fast wie bei einem Vogel. Stolz heißt der „Quantas“-Pilot die Passagiere im „brandneuen“ Airbus A 380 willkommen. Gut ein Jahr später entgeht eine der sechs Riesen-Maschinen der australischen Gesellschaft tatsächlich nur knapp einer Brandkatastrophe. Schwitz… 2016 investiere ich bei einem zehneinhalb-Stunden-Flug von Paris nach Johannesburg 26 Euro extra, um einen Platz auf dem Oberdeck zu bekommen. Tatsächlich ist die kleinere Kabine deutlich gemütlicher und es sind an den Fenstern nur zwei statt drei Sitze nebeneinander. Die Hoffnung, dass man oben nicht so lange auf sein Essen warten muss, erfüllt sich nicht. Ich sitze ganz hinten, mein Dinner ist schon fast kalt, als es mich gegen halb zwei in der Nacht erreicht.

Boeing Dreamliner

Der Flug von Kapstadt nach Amsterdam in der Maschine ist eine Freude: Fensterscheiben, die sich auf Knopfdruck blau tönen lassen, gegen Aufpreis W-LAN (ab 10.000 Fuß Höhe), Steckdose… Dann habe ich noch das Glück, das in meiner Dreierreihe der mittlere Platz frei ist.

Die kleinste Maschine,
in der ich bisher geflogen bin

Von Darwin im Norden Australiens aus mache ich einen Tagesausflug nach Tiwi Island. Unsere Reisegruppe fliegt mit zwei winzigen Propellerflugzeugen dorthin. Die Piloten höchstpersönlich fertigen die Reisenden in einer Baracke, die nicht viel größer als ein Carport ist, ab und wiegen jeden. Gewichtsmäßig gut verteilt klettern jeweils ein Pilot und fünf Passagiere über die Tragflächen in die Kabinen. Weil es keine Klimaanlage gibt, reißt unser Pilot direkt nach der Landung noch beim Ausrollen die Tür auf.

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LESOTHO 🇱🇸 

Reiseroute 2016

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – SWASILAND 🇸🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – MOSAMBIK 🇲🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – Mafika-LisiuSÜDAFRIKA 🇿🇦 – MalealeaSÜDAFRIKA 🇿🇦 

Über die Berge durch
die Tore zum Paradies

Bevor wir zwei Nächte in Malealea verbringen, machen wir von den südafrikanischen Drakensbergen aus einen Tagesausflug in den äußersten Norden Lesothos, wo die Bergkette Maloti heißt. Dafür müssen wir über den ca. 2200 Meter hohen Monantsa Pass. Die schmale, gewundene Straße wird gerade erweitert. Der Fahrer rumpelt über halbverlegtes Pflaster zwischen den Bauarbeitern hindurch. Sie tragen Decken um die Schultern. Es schneit! Die Grenzstation ist winzig und besteht nur aus einem Container. Dahinter liegt das Dorf Mafika-Lisiu, das etwa 1000 Einwohner hat. Ähnlich wie im Zululand stehen auch hier viele traditionelle Rundhütten für Zeremonien mit den Geistern der Ahnen. Der stellvertretende Direktor der Grundschule begrüßt uns und erklärt, dass diese Bildungseinrichtung von der Gemeinde organisiert wird und kostenlos ist. Später hingegen müssen die Kinder zwei Stunden zur Highschool laufen. Das kostet Geld, was sich weniger als 45 Prozent der Bewohner leisten können. Erst wenn es ein Kind ins Collage schafft, gibts Unterstützung von der Regierung. Die Macht in Lesotho hat übrigens der Premierminister. Es gibt auch einen König der aber nichts zu sagen hat.

Zuerst klettern wir einen Hang hinauf zu einer Höhle mit Malereien der San, der Ureinwohner Afrikas, deren Zeichnungen ich bereits in Namibia gesehen habe. Wieder unten im Dorf halten wir an einem Haus, das eine weiße Fahne herausgehängt hat. Das heißt nicht etwa, dass die Bewohner kapitulieren: Sie haben Bier aus Maismehl hergestellt. „Noa“ heißt „Prost“ auf Sesotho, der Nationalsprache. Das Gebräu ist etwas säuerlich, aber man gewöhnt sich daran. Dann kommen wir an der winzigen Polizeidienststelle vorbei. „Gibt es hier viele Verbrechen“, frage ich. „Oh ja“, antwortet der Guide. Hier werden Marihuana („Mountain Cabbage“), Ziegen und Schafe nach Südafrika geschmuggelt.

Anschließend besuchen wir einen traditionellen Heiler. Er erzählt uns, dass seine Ausbildung ein Jahr gedauert hat. Zum Schluss wurde eine Ziege geschlachtet, deren Blut er er aus der Kehle getrunken hat, während sie noch lebte. Er ist ein Sangoma, sagt auch die Zukunft voraus. Aber nicht sehr spezifisch. Tiere heilt er nicht, denn im Gegensatz zu Menschen hätten sie keine Ahnen. Er betreibt auch keine Hexerei. Denn wenn er Menschen Schaden zufügte, würden die Vorfahren ihn bestrafen. Wenn der Sangoma etwas nicht heilen kann (z. B. Diabetes, Aids, Krebs), schickt er die Patienten weiter zu einem westlichen Arzt. Am letzten Stop lernen wir das typische Essen kennen: Morgens, mittags und abends gibt es Pap (Maisbrei). Wir bekommen eine Probe mit spinatartigem Gemüse. Vor dem Haus flämmt eine Frau gerade die Haare von einem Ziegenkopf ab. Eigentlich gibt es Fleisch nur zu besonderen Gelegenheiten, aber ein Schakal hatte das Tier getötet.

 

Auf der Rückfahrt nach Südafrika überqueren wir wieder die Grenze und bekommen noch zwei Stempel in den Pass. Am nächsten Morgen umrunden wir Lesotho und durchqueren eine dramatisch schöne Landschaft mit grasbewachsenen Hochebenen, Staudämmen und einem Blick auf die Berge, aus denen Nebel aufsteigt. Wir fahren durch den Golden Gate Nationalpark. Am Straßenrand tummeln sich Paviane. Die rötlichen Berge erinnern etwas an Arizona. In Ladybrand kaufen wir nochmal ein, bevor wir von Westen in Maseru Bridge wieder nach Lesotho einreisen. Der Grenzübergang ist erheblich größer, als der vom Vortag. Schließlich ist Maseru die Hauptstadt. Dann holpern wie über den 2001 Meter hohen Gates of Paradise Pass bis nach Malealea, wo wir in der gleichnamigen Lodge übernachten. Angesichts der Straßenverhältnisse fragt man sich, wie wohl der in der Nähe gelegene God Help Me Pass aussieht.

Eine traumhafte Wanderung

Die Malealea Lodge hat einen herrlichen Garten, in dem u.a. eine Pfauenfamilie herumspaziert. Gegründet wurde sie von Südafrikanern aus Bloemfontain, die sie inzwischen in der dritten Generation führen. Das umgebende Dorf wird mit einbezogen. Jeden Abend treten Bands und Chöre aus der Umgebung auf. Einheimische Guides veranstalten Village Walks und Wanderungen. Mit zwei Mitreisenden nehme ich das Angebot an und ziehe mit Emmanuel los. Kurz nach neun Uhr brechen wir auf. Unterwegs begegnen uns immer wieder Hirten mit Ziegen, Schafen und Kühen. Die meisten tragen die traditionellen Decken oder zumindest Wollmützen. Dabei hatte das Wetter endlich ein Einsehen: Strahlend blauer Himmel, die Sonne scheint angenehm warm. Nur wo der Wind hinkommt, ist es etwas kühler. Überall blühen die Wildblumen. Erst geht es über eine ca. 1800 Meter gelegene Hochebene, dann 120 Meter tief hinunter in die Pitseng Gorge. Durch die Schlucht laufen wir zu Felsenpools. Das Wasser ist eisig. Trotzdem hüpfen wir drei Wanderer ganz kurz hinein und machen ein Selfie.

Anschließend kraxeln wir steil bergauf aus der Schlucht heraus über eine Hochebene zu weiteren Felszeichnungen der San, zu denen man wieder herabklettern muss. Die Malereien sind meist ziemlich niedrig angebracht, weil die Buschmänner so klein waren. Sie sind ziemlich verblasst. Es gibt drei, von denen die dritte schwer zugänglich ist. Die anderen beiden sind ca. 800 und 900 Jahre alt, wobei die Zeichentechnik 27.000 Jahre zurückgeht. Dargestellt werden vor allem Tiere, aber auch Tänzer und Jäger. Besonders fällt eine Figur auf, deren Penis mit einem Balken bedeckt ist. Das bezog sich wohl darauf, dass es einem neuem Jäger nicht erlaubt war, dem ersten Tier, das er mit einem vergifteten Pfeil getroffen hatte, zu folgen. Während die anderen dem Tier auf der Spur blieben und auf seinen Tod warteten, musste er im Camp bleiben. Da die Buschmänner an eine besondere Beziehung zwischen dem neuen Jäger und seiner ersten Beute glaubten, durfte er nicht urinieren – das Tier hätte dasselbe getan und das Gift aus dem Körper gespült. Kurz vor den Felszeichnungen erleben wir eine Überraschung: Ein Chor aus 36 Kindern singt in einer Höhle für die Besucher. Sie stammen aus den umliegenden Dörfern und haben gerade Schulferien.

 

In einem Bogen geht es leicht bergauf zurück zum Dorf Makhomalong, das wir am Ende der Wanderung besichtigen. Es ist eins von 14 Dörfern, die zur Region Malealea gehören, und hat ca. 800 Einwohner. Am Rand liegt der Friedhof. In Lesotho werden die Toten nicht verbrannt, sondern begraben. Auf vielen Gräbern sind Kreuze, denn die meisten Bewohner sind Christen. Einige sind richtig alt geworden. „Wir haben auch eine 95-jährige Frau im Dorf“, sagt Emmanuel. Anschließend kommen wir am Haus des „Chiefs“ vorbei. Das Dorfoberhaupt wacht u. a. über das freie Land, das keinem gehört. Will jemand darauf ein Häuschen bauen, kann er es sich zuteilen lassen. Außerdem kümmert sich der Chief um die Ärmsten der Armen und gibt ihnen zu essen. In dieses Amt wird man nicht gewählt, es wird vererbt. Zurzeit hat es eine Frau inne, die die Stellung für ihren Sohn hält. Der kann erst Chief werden, wenn er 30 Jahre alt ist. Weiter gehts zum „Craftcenter“, einem kleinen Shop mit Kunsthandwerk und Souvenirs, die von Aidswaisen (Lesotho hat nach Swasiland die zweithöchste HIV-Rate der Welt) gefertigt wurden.

Viele Häuser haben stachelige Agaven und Kakteen als Zäune. Die Agaven liefern gleichzeitig Hautcreme und Medizin, die Kakteen essbare Früchte. Zum Abschluss betreten wir eine Hütte, vor der eine gelbe Flagge weht. Weiß bedeutet „Hier gibts Bier aus Maismehl“ und Rot weist auf Lebensmittel hin – das wissen wir ja schon von unserem Besuch in Mafika-Lisiu. Aber Gelb? Wir landen in einem „Pub“, das zweiprozentiges Hopfenbier verkauft. Wenn das selbstgebraute Gesöff alle ist, wird die Flagge umgelegt. Kurz nach 17 Uhr sind wir wieder in der Lodge. Meine Health App auf dem Handy zeigt für diesen Tag 24.984 Schritte an. Erstmal ein Savanna (bester Cider der Welt), dann eine Dusche!

 

Am nächsten Tag verlassen wir Lesotho durch den Grenzübergang Van Rooyens Gate und nehmen Kurs auf die Wild Coast. „Go in peace“, verabschiedet uns ein Schild aus dem Königreich.

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HOME, SWEET HOME

MOSAMBIK 🇲🇿 

Reiseroute 2016

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – SWASILAND 🇸🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – Ponta Malongane – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – LESOTHO 🇱🇸 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 

Kalter Regen –
Sylt lässt grüßen

Von Swasiland fahren wir ein kurzes Stück durch Südafrika zur Grenze nach Mosambik. Das letzte Stück zum Campingplatz in Ponta Malogane müssen wir mit Vierradantrieb zurücklegen, weil die „Straße“ durch tiefen Sand führt. Der Fahrer legt in dem offenen Jeep ein erstaunliches Tempo vor.

Der Campingplatz befindet sich direkt am Meer und ist dicht mit Bäumen bewachsen. Die streunenden Hunde am Strand schließen sich uns an. Einer schläft später im Kreis der Zelte. Abends gehen wir im nahen Dorf essen. Das Restaurant „Amigo’s“ ist gut und zum Glück teilweise überdacht. Kaum haben wir bestellt, bricht ein Gewitter los. Der Besitzer hört einen Mitreisenden und mich deutsch miteinander reden und spricht uns an. Er stammt aus Südafrika und hat deutsche Eltern. Nachher gehen wir nebenan in die Bar „The Drunken Clam“.

Endlich haben wir einen ganzen Tag zur Verfügung und müssen nicht frühmorgens wieder die Zelte abbrechen. Leider macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Es ist kühl und bewölkt. Wenigstens hat der Regen vom Vortag aufgehört. Trotzdem findet sich niemand, der außer mir mit dem Boot zur Walbeobachtung und zum Schwimmen mit Delfinen herausfahren will. Dabei hatte ich mich so darauf gefreut! Notgedrungen schnorchele ich direkt vom Strand aus an ein paar Steinen. Ein riesiger Papageifisch zeigt sich, dann bin ich mitten in einem Schwarm schlanker silberner Fische. Das Wasser ist mit 23 Grad etwas kühler als erwartet, jedoch durchaus noch erträglich. Anschließend setze ich mich warm verpackt an den Strand. Erst am Nachmittag reißt die Wolkendecke etwas auf. Es fühlt sich mehr nach Sylt an, als nach Subtropen.

 

Am nächsten Morgen gehts zurück über die Sandpiste Richtung Südafrika. Der Fahrer will offenbar die Zeit unterbieten, die sein Kollege auf der Hinfahrt geschafft hat, scheitert aber. Wieder warten an einem Feld zwei Hunde, die uns bellend begleiten. An der Grenze ist diesmal eine lange Schlange. Andere Leute haben wohl auch genug vom miesen Wetter. Wenn ich bedenke, dass ich für den Mini-Aufenthalt in Mosambik im Vorfeld ein Visum beantragen und meinen Pass nach Berlin schicken musste, denke ich: „Das war viel Aufwand für sehr wenig.“

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HOME, SWEET HOME

SWASILAND 🇸🇿 

Reiseroute 2016

SÜDAFRIKA 🇿🇦 – Hlane NationalparkSÜDAFRIKA 🇿🇦 – MOSAMBIK 🇲🇿 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 – LESOTHO 🇱🇸 – SÜDAFRIKA 🇿🇦 

13 Königinnen bringen kein Unglück

In Mananga überqueren wir die Grenze nach Swasiland. Der kleine Binnenstaat hat nur knapp 1,5 Millionen Einwohner. Er liegt zwischen Südafrika und Mosambik und ist eine der letzten absoluten Monarchien auf der Welt. Natürlich hängt das Bild von König Mswati III. im Büro des Grenzübergangs an der Wand, ebenso wie das seiner Mutter. Zur Zeit gibt es 13 Königinnen. Immer wieder heiratet der Herrscher weitere Frauen, die er auf einem Tanzfestival auswählt. Am Eingang der Immigration steht eine Box mit kostenlosen Kondomen: „Love safely“. Es geht sehr entspannt zu. Das Personal scherzt und zieht handgeschriebene Zettel mit Fremdsprachen zu Rate. „Guten Tag“, begrüßt mich der Beamte, der ohne viel Aufhebens meinen Pass stempelt. Im Gegenzug lerne ich gleich etwas siSwati: “nitumanga“ (ich liebe dich).

„Wenn ich sage rennt,
dann rennt“

Die Fahrt geht zunächst durch sanfte Hügel zwischen saftig grünen Feldern hindurch. Sieht nicht übermäßig exotisch aus. Zum Hlane Nationalpark hin wird es trockener. Dort liegt unser Campingplatz „Ndlovu“ (Elefant). Am Eingang sind Schlingen ausgestellt, mit denen Bewohner der umgebenden Dörfer verbotenerweise wildern wollten. Als wir Mittags ankommen, ist es sehr heiß. Schatten gibt es kaum, weil die kleinen Bäume nur wenige Blätter haben. Hinter dem Restaurant befindet sich ein Wasserloch, das lediglich mit einer Doppelreihe Stacheldraht abgetrennt ist. Ob das im Ernstfall ein unhappy Hippo abhält? Antilopen können ohnehin hindurchschlüpfen.

Direkt vom Campingplatz starten einige von uns mit zwei Rangern zu einem Bushwalk. Zuvor müssen wir eine Erklärung unterschreiben, dass wir keinen verklagen, wenn wir vom Löwen gefressen oder vom Elefanten plattgemacht werden. Außerdem bekommen wir Tipps für die Begegnung mit Raubkatzen: Einem Löwen nie den Rücken zudrehen und direkt in die Augen schauen. Einem Leoparden hingegen nie in die Augen schauen. „Und wenn ich sage rennt, dann rennt und macht nicht erst Fotos“, sagt Ranger Mavela. Später erzählt er uns von der Geschichte Swasilands, das seine Unabhängigkeit 1968 durch Verhandlungen gewann: „Wir kämpfen nicht gern.“

Es gibt wegen der Elefanten im Park viele tote Bäume. Dazwischen grasen Impalas mit schwarzen Streifen am Hintern, die ein „M“ formen. „Mac Donald’s für Löwen“, meint Mavela. Die „Big Five“ sehen wir aus unserem Spaziergang nicht, dafür u.a. einen rückwärts laufenden Käfer, der Ameisen fängt und stirbt, wenn er sich paart. Es ist ein „antlion“ , einer der „Small Five“. Die anderen sind „buffalo weaver“, „leopard tortoise“, „elephant screw“ und „rhino beetle“. Daneben gibt es noch die „Ugly Five“: Marabu, Gnu, Hyäne, Geier und Warzenschwein. Mavela würde allerdings lieber statt der Gnus lieber Paviane in die Liste aufnehmen.

Abends tanzt das Personal für die Gäste des Campingplatzes, begleitet von vielstimmigem Gesang und drei Trommeln. Am Ende werden wir aufgefordert, mitzutanzen. Der Grundschritt ist einfach: eins, zwei, linkes Bein hochwerfen, eins, zwei, rechtes Bein hochwerfen. Aber in dem lockeren Staub ist das anstrengend. Ich frage meine Nachbarin, wovon das Lied handelt: „Bend the Pig“, antwortet sie. Unser Fahrer Gordon ergänzt, dass es um ein Warzenschwein am Spieß geht, das gedreht werden muss. Ein anderer Song heißt „Ich vermisse meine Mutter“.

Die Nacht ist unruhig: Erst ist mir heiß, dann kalt, dann wieder heiß. Verdächtig nah brüllen Löwen. Dann muss ich auf die Toilette und checke das Wasserloch. Nichts. Ohnehin klingelt mein Wecker um 5:30 Uhr. Bereits um 5:07 weckt mich ein Donnerschlag, dem ein heftiges Gewitter folgt.

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HOME, SWEET HOME

PANAMA 🇵🇦 

Reiseroute 2016

KUBA 🇨🇺 – COSTA RICA 🇨🇷 – Isla BastimentosBoqueteSanta CatalinaPanama City

Oh wie schön ist Panama!

Janosch hat Recht: Panama ist wirklich schön! Wie Costa Rica bietet das relativ kleine Land die Küsten zweier Ozeane mit Hochland dazwischen. Touristisch ist es noch nicht so erschlossen und sehr ursprünglich. Von Puerto Viejo de Talamanca in Costa Rica fahren wir mit einem Minivan durch endlose Bananenplantagen (Chiquita, vormals United Fruit Company) weiter an der Karibikküste entlang nach Sixaola an der Grenze zu Panama, die von einem Fluss gebildet wird. Zu Fuß gehts über eine Brücke nach Guabito. Dort wartet ein anderer Van, der uns nach Almirante bringt. Mit einer Fähre setzen wir zur Isla Bastimentos im Bocas del Toro Archipel über. Das Boot legt direkt an der Veranda unseres Hotels „Carribean View“ an. Der Hauptort der Insel (3000 Einwohner) ist übersichtlich. Es gibt nur eine Straße, keine Autos, nicht einmal Fahrräder. Zu den meisten Stränden kommt man nur per Boot.

So erkunde ich den Achipel vom Wasser aus. Am ersten Abend machen wir einen Abstecher nach Bocas Town auf der benachbarten Hauptinsel. Dort befindet sich auch der postkartenmäßige Starfish Beach, der seinem Namen alle Ehre macht. Überall liegen große orangene und gelbe Seesterne im Sand. Die Delphine in der Dolphin Bay zeigen sich leider nur kurz. Wunderschön sind die Isla Zapatilla Norte im Nationalpark östlich der Isla Bastimentos und der Felsen Bird Island nördlich der Hauptinsel, wo Weißbauchtölpel, Rotschnabel-Tropikvögel, Prachtfregattvögel und Braunpelikane leben. Eine besondere Vogelbegegnung haben wir in einem Hotel am Ostende der Isla Bastimentos. Am Ende des Steges hocken zwei rote Aras am Weg, die miteinander schmusen. Dann hüpfen sie hinter eine kleine Hütte und gucken neugierig um die Ecke. Als eine Mitreisende einen Schritt auf die Papageien zugeht, um ein Foto zu machen, schnellt einer hervor und hackt ihr ohne Vorwarnung in den Fuß. Kurz darauf greift er einen Mann an, der an ihm vorbeilaufen will. Später erfahren wir, dass er als gefiederter Wachhund berühmt-berüchtigt ist. Ein echtes Übel-Geflügel! Direkt bei dem Hotel kann man in den Mangroven schnorcheln. In der Nähe befindet sich ein Unterwasser-Garten mit einer unglaublich bunten Vielfalt an Korallen.

Weiter gehts von Almirante aus mit einem Minibus Richtung Süden. Die kurvige Straße windet sich in die Berge, ein Faultier kriecht über die Fahrbahn. Der Kühler des ältlichen Wagens beginnt zu kochen. Nach einer Verschnaufpause schafft er es doch noch über den Pass. In der Kleinstadt Boquete müssen wir in einen Jeep umsteigen, der uns zum „Tree Trek Mountain Resort“ bringt, das auf knapp 1700 Metern Höhe in einer Kaffeplantage liegt. Im Garten umschwirren winzige Kolibris riesige Blüten. Erst bekomme ich ein Zimmer mit Blick auf den Parkplatz. Enttäuscht frage ich in der Rezeption, ob ich nicht wie die anderen eins auf der anderen Seite mit Blick auf die Berge bekommen kann. Das ist nicht verfügbar, dafür bekomme ich eine Hütte namens „Geisha“ (eine Kaffeesorte) ganz für mich allein. Jackpot! Es ist ein Traum mit Terrasse und Fernblick. Nach Tagen brauche ich erstmals wieder mein Fleeceshirt und eine Wolldecke. Ich messe nach: „nur“ noch 25 Grad. Im Gemeinschaftsraum brennt ein Kaminfeuer. Die Bar bietet statt „Sex on the Beach“ einen „Sex on the Tree“ an. Denn direkt vom Resort aus kann man Ziplinig machen. Ein Jeep fährt uns die Straße weiter hoch zum Start. Über zwölf Seile gehts durch den Nebelwald runter, bis man wieder direkt im Resort ankommt.

Bei der Abfahrt sitzt am Haupteingang eine Motte, die so groß wie meine Hand ist. Ihre Flügel wackeln im Wind, Es sieht fast so aus, als würde sie uns hinterherwinken. Wieder steigen wir in Boquete in einen Minivan um. Bei einem Abstecher in den Supermarkt will ich für abends eine kleine Flasche Wein und eine Einmalportion Pringles erstehen. Die Verkäuferin zeigt auf den Wein und sagt etwas, von dem ich nur „diez“ und „liquor“ verstehe. Muss man mindestens zehn sein, um hier Alkohol zu kaufen? Will sie meinen Ausweis sehen? Ein Kollege kommt hinzu und übersetzt, dass man vor zehn Uhr morgens keinen Alkohol bekommen kann. Blick auf die Uhr: zehn vor zehn. Also nur die Pringles. Der australische Mitreisende hinter mir muss sein Bier stehenlassen. Unser Guide Vin erklärt uns, dass der Supermarkt erzkonservativen Evangelikalen gehört. Ohnehin gibt es in Panama schräge Sitten. Am Nationalfeiertag, der drei Tage dauert, wird gar kein Alkohol verkauft, was er auch nicht wusste – „war eine trockene Angelegenheit“. Vin stammt aus Guatemala und kennt lustigerweise Juan, den Guide der mich 2011 durch Yucatan gelotst hat.

Auf dem Weg nach Südosten wird die Gegend trockener. Auf sonnenverbrannten Grasflächen stehen viele Rinder. Schließlich erreichen wir das Örtchen Santa Catalina an der Pazifikküste. Wir kommen in den „Cabanas Sherrley“ unter, einer kleinen Herberge in der Nähe der felsigen Punta Brava zwischen den Stränden El Estero (extrem feiner, schwarzer Sand) und der etwas helleren Playa Santa Catalina. Die Zimmer haben nicht verschiedene Nummern, sondern verschiedene Farben. Wir sind zu dritt in pink. Höhepunkt hier ist ein Tagesausflug zum Nationalpark Coiba, einem Archipel vor der Küste. Den ersten Stop legen wir an der Isla Granito de Oro ein, die aus zwei kleinen Felsen mit weißem Sandstrand besteht. Wir schnorcheln rundherum. Atemberaubend: Ich sehe erst zwei einzelne Adlerrochen, dann ziehen vier auf einmal hintereinander an mir vorbei. Außerdem große gelbschwarz gestreifte Wimpelfische, zwei verschiedene Arten von Kofferfischen (mit ihren Glubschaugen meine heimlichen Lieblinge) und Massen anderer Fische. Beim zweiten Schnorchelstop vor der Isla Ranchería entdeckte ich auch die dritte, leuchtend gelbe Art von Kofferfischen. Die Insel selbst hat einen unfassbar schönen Strand voller Kokospalmen, hinter dem eine kleine Lagune liegt. Dorthin führt eine Schleifspur durch den Sand, neben der riesige Fußabdrücke sind. „Ein vier Meter langes Krokodil“, erklärt einer der Guides.

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Den Kanal voll

Die Panamericana bringt uns schließlich in die Hauptstadt, die viel schöner ist, als erwartet. Unterwegs machen wir einen Abstecher zu den „Miraflores Locks“. Bei den Schleusen auf der Pazifikseite des berühmten Kanals befindet sich ein Museum mit Aussichtsterrasse. Wir sehen gerade noch, wie ein Frachtschiff, das rechts und links nur ein paar Zentimeter Platz hat, sich herauswindet. Ich stelle mir vor, wie es sich für Weltumsegler anfühlen muss, mitgeschleust zu werden. Nebenan entstehen neue Schleusen für ganz große Pötte, die eigentlich im Januar eingeweiht werden sollten. Streiks haben das verhindert. Jetzt sollen sie im Mai eröffnet werden… Der bisherige Kanal ist zwischen 1903 und 1914 von 45.000 Menschen gebaut worden. Die Erweiterung ist die derzeit größte Baustelle der Welt.

Perfektes Timing: Wir erreichen Panama City am Karnevalssamstag. Das Treiben hier ist ebenso bunt wie in Rio. Die größte Party im Land steigt an der für den Verkehr gesperrten Strandpromenade. Gerade formiert sich eine der vielen Paraden – Karnevalsköniginnen mit prächtigem Kopfschmuck, schwarze und rote Teufel (traditionelle mythische Figuren), Mauren, Ägypter und ein Hulk laufen vorbei. Als ich am Sonntagmorgen zurückkehre, ist die Party schon wieder voll im Gang. Wummernde Bässe überall. Noch sind mehr Polizisten als Leute auf dem Gelände. Jeder wird vor dem Betreten des Geländes gründlich durchsucht. Wasserpistolen allerdings dürfen mitgebracht werden. Zudem stehen trotz anhaltender Dürre Wasserwerfer bereit – um die Feiernden bei 35 Grad abzukühlen. Vor den Bühnen regnet es in Strömen. Und statt Bonbons fliegen leere Trinkflaschen in die Menge. Es schneit Schaum auf einen Mann mit Santa Hat. Bizarr!

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PORTUGAL 🇵🇹 

Definitiv einen Blick wert: Lissabon

Bei meiner Reise nach Marokko im Herbst 2015 steige ich jeweils in Lissabon um. Auf dem Hinflug habe ich gut zwei Stunden Aufenthalt. Das reicht nur für einen Caipi und eins von diesen leckeren portugiesischen Vanilletörtchen („Nata“). Von oben sieht die Stadt gut aus, auch wenn es gerade regnet. Auf dem Rückweg habe ich mehr Zeit und nutze sie: Vom Flughafen fährt ein Bus für 3,50 Euro direkt ins Zentrum. Nach knapp 30 Minuten stehe ich auf dem Rossio. Von diesem Platz laufe ich zur Küste, wo sich die Parlamentsgebäude befinden. Obwohl es fast Mitte November ist, herrscht wunderschönes Spätsommerwetter. Ich bin nicht die Einzige, die auf der Mauer am Ministrand die Sonne genießt.

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Das Hoch im Atlantik: Azoren

Sao Miguel Nordwesten

Anfang Juni 2018 zieht es mich in die allerwestlichste Ecke Europas. Ich besuche drei der neun Inseln, die einsam und allein ca. 1500 Kilometer vor der Küste Portugals mitten im Atlantik liegen: São Miguel, Pico und Faial. Zwar ensteht das Azorenhoch in der Nähe des Archipels. Das bedeutet aber nicht, dass dort immer schönes Wetter ist. Man kann alle Jahreszeiten an einem Tag erleben. Es wird nie ganz kalt (auch im Winter nicht unter 16 Grad) und nie ganz heiß (auch im Sommer nicht über 24 Grad). Mit Regen muss man immer rechnen. Nach zwei Wochen ungewöhnlich warmen Wetters in Hamburg (im Mai!) bin ich verwöhnt. Während ich meist dick eingemummelt in den Urlaub fliege und mich dann vor Ort erleichtere, ist es diesmal eher umgekehrt. Schon beim Umsteigen in Lissabon bläst ein unangenehm kühler Wind. Entgegen der Erwartungen empfangen mich die Azoren zunächst mit strahlendem Sonnenschein.

Die Inseln sind unglaublich grün. Überall stehen auf den Hügeln glückliche Kühe, die keinen Stall kennen, und für Fleisch, Milch und Käse sorgen. Auf dem Markt stapeln sich Berge von Ananas, riesige Tomaten und dicke Kartoffeln. Entweder ernten hier die dümmsten Bauern, oder es liegt einfach am guten Boden und dem Klima, das (fast) alles wachsen lässt. An Fisch herrscht natürlich ebenfalls kein Mangel. Dementsprechend vielseitig und fantastisch ist das Essen.

Ebenfalls fantastisch sind die Menschen. Das merke ich noch einmal, als ich zum Flughafen muss. Am nächsten Tag ist Nationalfeiertag, der Präsident besucht Ponta Delgada und die Innenstadt ist schon gesperrt. So kommt das bestellte Taxi im Verkehrschaos nicht zum zentral gelegenen Hotel Camoes durch. Ich irre mit meinem Gepäck Richtung Hafen, wo ich eine Gruppe Polizisten und Offizielle sehe. Als ich verzweifelt frage, was ich tun soll, erbarmt sich einer der Polizisten und fährt mich mit einem Kollegen im Streifenwagen hin.

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SĂO MIGUEL: Unterirdisches Essen und Kraterseen

Meine Rundreise startet und endet auf São Miguel im Osten des Archipels. 18.000 der 138.000 Einwohner leben an der Südküste im Hauptort Ponta Delgada. Von dort aus erkunden wir zuerst Furnas im Osten der Insel. Das Dorf liegt in einem Einsturzkrater, der mit Wasser gefüllt ist. Aus der Erde kommt Dampf. Überall sind Hügel mit Namensschildern. Es ist aber kein Friedhof. Hier wird unser Mittagessen, der berühmte Eintopf Cozido, gekocht. Morgens um sechs werden riesige Pötte mit Schweine-, Rindfleisch und Hühnchen, Blutwurst, Chorizo, Kartoffeln, Süßkartoffeln und Yamswurzeln, Möhren und Kohl und anderem Gemüse gefüllt. Dann wird das Ganze begraben und am Mittag wieder ausgebuddelt. Ein Problem, sagt unser Guide Nuno, sind die Portionen: „Sie sind sehr groß. Eher für Fischer, Bauern und Walfänger gemacht.“ Unsere fünfköpfige Touristengruppe schafft nicht einmal die Hälfte.

Nach dem Essen entspannen wir im Parque Terra Nostra, einem subtropischen Botanischen Garten mit Riesenfarnen, Blumen und Wasserläufen. Es gibt ein großes Badebecken und kleinere Whirlpools, die von einer Thermalquelle gespeist werden. Das 30 Grad warme Wasser ist gelb, weil schwefelhaltig. Nicht weit weg sind weitere, kochend heiße Caldeiras. Es riecht streng. Anschließend fahren wir zur Nordküste, wo sich die einzige Teeplantage Europas befindet. Sie stellen sowohl schwarzen und grünen Tee mit museumsreifen Maschinen her.

Bei einer Jeeptour durch den Westen der Insel halten wir an einem Aussichtspunkt. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf den Ort Sete Cidades, der an einem Kratersee liegt. Eine Brücke teilt das Gewässer in einen blauen und einen grünen Teil. Nuno gibt uns zunächst die romantische Erklärung für das Phänomen: Es waren einmal eine Prinzessin mit blauen Augen und ein Bauer mit grünen Augen. Beide weinten, weil sie nicht heiraten durften. Die wissenschaftlichtliche Version ist eher profan: Der eine Teil wirkt grün, weil er mehr Algen enthält und den umgebenden Wald reflektiert. Im blauen Teil spiegelt sich der Himmel. An dem Aussichtspunkt befindet sich die Ruine eines Luxushotels. Es lief nicht, weil auf 550 Metern Höhe häufig Nebel herrscht. Ein Stück weiter kann man in der anderen Richtung auf den Santiago Lake hinunterschauen. In Sete Cidades besichtigen wir die neogotische Kirche São Nicolau. Das Land gehört nach wie vor einer reichen Familie, die Häuser darauf den Leuten, was den Verkauf erschwert. Am blauen See befindet sich ein Überlauftunnel aus den 1930er-Jahren, durch den man zur Nordküste laufen kann (wenn man eine Taschenlampe hat). Daneben ist eine Picknickwiese, die Einheimischen schmeißen die Grills an.

Unser Mittagesessen hingegen ist ein traditionelles Buffet mit deftigen Spezialitäten wie Blutwurst mit Ananas (nicht so ganzen mein Fall). Anschließend gehts weiter zur Lagoa do Fogo, dem Feuersee in einem Krater. Das türkise Wasser und die weißen Strände wirken fast karibisch. In der Caldera Velha genieße ich erneut das Baden in Thermalpools. Letzte Station ist eine Ananasplantage. Die tropischen Gewächse werden in Treibhäusern gezogen. Um Früchte zu tragen, müssen die Pflanzen gestresst werden. Dazu wird Rauch ins Treibhaus geblasen. Nach zwei Jahren erhält man dann eine Ananas pro Pflanze.

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PICO: Wein und Meer

Von São Miguel fliegen wir frühmorgens zu den zentralen Azoren nach Pico, auf die Heimatinsel von Nuno. Die kleine Propellermaschine hätte mir fast den Urlaub verdorben. Sie war nämlich ausgebucht und die Einzige an diesem Tag. Zum Glück konnte ich über eine Warteliste nachrücken. In Pico fahren wir durch die Weinfelder, die zum Weltkulturerbe gehören. Sie sind von kleinen Mäuerchen aus Lavasteinen durchzogen. Das kam so: Zunächst versuchten die Menschen, Getreide anzubauen, aber das funktionierte nicht. Dann trugen sie die Lavaschicht ab und stellten fest: ideal für Reben! Doch wohin mit all den Steinen? Zunächst wurden die Grundstücksgrenzen mit Mauern markiert. Die restlichen Steine wurden als Schutz gegen Wind, Salz und Wetter um die Weinstöcke gelegt. So geschützt wird der Wein sehr süß und stark (16 bis 18 Prozent). Deswegen wird er wie Sherry als Aperitif oder Likörwein getrunken. In Madalena, Nunos Heimatort setzen wir mit der Fähre nach Faial über. Die See ist ziemlich rau. Im Hafen liegt das Wrack eines Schiffes, das im Januar von den Wellen auf die Felsen geworfen wurde. Zum Glück ist keiner ernsthaft verletzt worden.

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FAIAL: Treffpunkt der Weltumsegler

Ganz in Blau zeigt sich diese Insel. Überall sind Hortensien, sogar als Hecken zwischen den Feldern. Dementsprechend heißt der Hauptort Horta. Er ist sehr hübsch, mit einigen Jugendstilbauten. Unser Hotel Do Canal ist modern und zentral direkt an der Marina gelegen. Gleichzeitig ist es nur ein kurzer Weg nach Porto Pim, wo sich ein schöner Strand befindet. Auf einer Mauer aus Lavasteinen huschen Eidechsen umher. Darüber thront ein zauberhaftes Häuschen, das unbewohnt ist. Ich träume davon, wie es wäre Geld zu haben, das Häuschen zu kaufen und zu renovieren. Wie es aussähe, wenn es wieder strahlend weiß wäre. Mit zartlila Fensterläden. Oder roten. Und üppigen Blumen auf der Terrasse… Vom nahen Monte Queimado aus hat man einen tollen Blick zu beiden Seiten über die Bucht und die Marina.

Direkt an der Marina liegt auch die legendäre Seglerkneipe Peter Café Sport, die gerade den 100. Geburtstag feiert. Überall hängen von Atlantiküberquerern signierte Wimpel und Bilder an den Wänden. Im ersten Stock befindet sich das Scrimshaw Museum mit Schnitzereien aus Walzähnen und -knochen. Nicht nur das Essen lohnt sich hier (unser Menü: Fischsuppe, gegrillter Thunfisch mit Knoblauch und Schokoladenkuchen). Die Kneipe ist auch für ihren Gin Tonic mit selbst hergestelltem Gin berühmt. Während ich das legendäre Gesöff genieße, setzt sich eine Segelcrew aus Nordirland an meinen Tisch, die gerade mit der „Minnie B“ von den Bermudas herübergekommen ist. 14 Tage lang war das Ehepaar Norma und Phil mit einem Freund ununterbrochen auf See, immer in drei Stunden-Schichten am Steuer. In den vergangenen neun Jahren sind die beiden um die Welt gesegelt: Von Europa in die Karibik, durch den Panamakanal in die Südsee (französisch Polynesien war für sie das Schönste), über Neuseeland, rund ums Kap der guten Hoffnung, zu den Bahamas über die Bermudas bis nach Horta. Kap Hoorn und das Rote Meer haben sie vermieden. Phil hält sich einen Finger wie eine Pistole an den Kopf: „Wir sind die einfache Route gefahren.“

Und sie sind nicht allein. Die Hafenpromenade ist eine riesige Freiluft-Galerie. Um eine gute Reise zu haben, verewigen sich die Weltumsegler auf dem Beton an der Mole mit mehr oder weniger kunstvollen Gemälden. Die könnte ich stundenlang betrachten. Eines der Boote hieß „Unsinkable II“. Unwillkürlich frage ich mich, was wohl mit „Unsinkable I“ passiert ist. Sogar ein Rasender Hase hat schon angelegt: „Runaway Bunny“. Der Yachthafen wurde 1986 gegründet und hat 300 Liegeplätze. 2500 bis 3000 Schiffe machen pro Jahr hier Station. Damit ist die Marina die fünftbelebteste in der Welt.

An einem Tag zeigt sich das Wetter von seiner richtig ungemütlichen Seite – stürmischer Wind und immer wieder Regen. Wir ändern den Plan und machen statt Whale Watching erst einmal Bird Watching im Inselinneren, u. A. am Vulkan Capelinhos. Die Berge sind nebelverhangen, was der Landschaft einen unwirklichen Anstrich verleiht. Neben vertrauten Amseln, Rotkehlchen und Spatzen sehen wir Stieglitze, Mönchsgrasmücken, Kanarengirlitze und die kleinen, seltenen Wintergoldhähnchen.

Am nächsten Morgen ist es ruhiger, sodass wir mit einem Schlauchboot rausfahren können, um Seevögel zu beobachten. Im Hafen liegt ein Frachter. Er kommt einmal die Woche, um Lebensmittel zu bringen. Deshalb war der kleine Supermarkt am Tag zuvor so leer! Die Mole ist mit Tetrapoden (hier Hahnenfüße genannt) befestigt. Überall wimmeln Krabben und Felsentauben herum. Auf der Kaimauer hocken Möwen. In den steilen Klippen brüten massenweise Seeschwalben. Und die scheißen auf uns! Etwas weiter befindet sich ein weißer Felsen, der ursprünglich das Innere eines Vulkans war. Dort nisten die Sturmtaucher. Sie werden bis zu 40 Jahre alt, und die Paare bleiben ein Leben lang zusammen. Oft haben sie im ersten Jahr der Beziehung noch kein Küken. Abends nähern wir uns noch einmal vom Land aus dem Felsen. Sobald es dunkel wird, kehren die Eltern zu ihren Nestern zurück. Die Männchen rufen klagend „Aua, aua, aua!“ und die Weibchen antworten mit einem tieferen Schnarren. Es ist ein wildes Konzert.

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WHALE WATCHING: Die Qual der Walbeobachtung

24 verschiedene Walarten tummeln sich in den Gewässern rund um die Azoren. Gleich am ersten Tag gehen wir von Ponta Delgada aus Meeressäuger jagen. Natürlich nicht mehr wie bis Mitte der 1980er-Jahre mit Harpunen, sondern mit unseren Kameras. Nuno erzählt, dass auf den Azoren schlechte Ernten dazu geführt hatten, dass die Bevölkerung wirtschaftlich am Ende war. Nur deshalb wurde mit dem Fang von Pottwalen begonnen. Gegessen wurde deren Fleisch hier nie. Inzwischen sind sie wieder eine gute Einnahmequelle: Überall bieten Veranstalter für die Touristen Whale Watching an. Ich habe große Erwartungen! Wir fahren mit einem Schlauchboot hinaus, das gut motorisiert ist. Die See ist etwas bewegt. Trotzdem bleiben wir trocken. Man sitzt wie auf einem Pferd, das manchmal etwas bockt. Vom Land aus dirigieren auf den alten Beobachtungsposten Helfer mit starken Ferngläsern den Kapitän per Sprechfunk, wenn sie etwas gesichtet haben. Riesige Gruppen von Gemeinen Delfinen flitzen um das Boot. Auch ein paar „Flipper“-artige Große Tümmler und Sturmtaucher begleiten uns. Nur die Wale zeigen sich leider nicht.

Aber wir geben nicht auf! Von Horta aus fahren wir noch zweimal mit einem 13 Meter langen Katamaran aufs Meer, das nach dem stürmischen Tag noch ziemlich rau ist. Und tatsächlich: Zwischen Faial und Pico sehen wir mehrere Pottwale, die größten Zahnwale mit dem größten Hirn von allen Lebewesen. In einem Kindergarten dümpeln vier Jungtiere wie U-Boote an der Oberfläche vor sich hin. Auch die Mütter kommen immer wieder hoch. Es ist wie bei Eisbergen: Man sieht nur die kleine Rückenflosse aus dem Wasser schauen und erahnt die Gesamtgröße des Tieres erst, wenn die Wellen den großen Kopf freispülen oder beim Abtauchen die Schwanzflosse in die Luft ragt. Gelegentlich sprüht eine Fontäne. Schnauf! Pottwale haben das Blasloch nicht in der Mitte, sondern auf der linken Seite. Schon bei der Geburt sind die Weibchen fünf Meter, die Männchen acht Meter lang. Später könnes es dann zwölf bis 20 Meter werden. Zwischendurch schwimmt eine Meeresschildkröte vorbei. Sie ist aus Florida herübergekommen und wird irgendwann wieder dorthin zurückkehren. Auf dem Rückweg spielen Delfine direkt vor dem Bug. Selbst in der Hafeneinfahrt hält sich eine Gruppe auf. (s. FILM)

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HOME, SWEET HOME

MAROKKO 🇲🇦 

Reiseroute 2015

CasablancaRabatMeknèsVolubilisFésIfraneBremmen (Bergdorf bei Midelt zwischen Mittlerem und Hohem Atlas) – Erg Chebbi (Sahara) – El KhorbatTinghir (Todra Schlucht) – OuazarzateAít Benhaddou Aroumd (Bergdorf im Hohen Atlas) – EssaouiraMarrakesch – PORTUGAL 🇵🇹

1001 Nacht im 21. Jahrhundert

„Du fährst nach Nordafrika? Das würde ich mich jetzt nicht trauen“, höre ich im Herbst 2015 kurz nach dem Terroranschlag in Tunesien. Aber man soll sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. Die Marokkaner wissen das zu schätzen. Unterwegs zeigen uns immer wieder Menschen beide Daumen nach oben. Soll heißen: Ihr Touristen seid uns willkommen. Hundertprozentig sicher ist man nirgendwo, Angst jedoch empfinde ich während meiner Reise nicht. Mittelalter und 21. Jahrhundert, Wald und Wüste, wimmelnde, enge Städte und menschenleere, weite Landschaften, Araber und Berber – in Marokko prallen Gegensätze aufeinander, ohne dass es ständig kracht. Seit Jahrhunderten haben die verschiedenen Religionen hier friedlich zusammengelebt. Ins Zentrum der Hafenstadt Essaouira beispielsweise führt das „Tor der Toleranz“, das mit Symbolen für Christentum, Judentum und Islam verziert ist. Viele der Altstädte haben eine Mellah, ein jüdisches Viertel. Die meisten Juden allerdings sind nach der Gründung Israels oder spätestens nach dem Sechstagekrieg abgewandert. In Meknès beispielsweise sind von einst 3.000 nur noch 50 Familien übrig.

Rund 99 Prozent der Marokkaner sind Moslems – alles Sunniten. „Das eint uns“, erklärt unser Guide Mohammed, den wir „Mohammed, den Siebten“, nennen. Der aktuelle König ist nämlich Mohammed VI. Er hat eine Frau aus dem Volk (stammt aus Fés) geheiratet, gilt als sehr modern und setzt sich für ein öffentliches Gesundheitssystem und kostenlose Schulen ein. Sehr beliebt beim Volk, erklärt Mohammed (der Guide). Das Staatsoberhaupt kann sich sogar ohne Bodyguards unter die Leute mischen. Als beim „arabischen Frühling“ die Proteste auf Marokko überzugreifen drohten, hat der König schnell ein wenig von seiner absoluten Macht abgegeben. Etwas verwirrend: Auch unser Fahrer heißt Mohammed. Dass Religion eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich schon in der Landesflagge: roter Hintergrund (Symbol für die Bereitschaft sein Blut für das Land zu lassen) mit grünem (Farbe des Islam), fünfzackigem Stern (fünf Säulen des Islam). Freitags strömen die Menschen in die Moscheen. Teilweise liegen daneben Teppiche auf der Straße, auf denen Männer beten. Die Predigt des Imam wird über Lautsprecher nach draußen übertragen. An vielen Geschäften versperrt ein Stock den Eingang. Das bedeutet, dass der Besitzer in der Moschee ist. Offenbar wird das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ hier beachtet. Keiner vergreift sich an der Ware.

Die meisten Frauen tragen Kopftücher. Seltener (vor allem in den Städten) sieht man komplett verschleierte oder ganz unverschleierte Frauen. Eine interessante Kombination bei jungen Mädchen: Kopftuch und hautenge Jeans. Das ist nicht der einzige Widerspruch. Bis heute kriegt ein unverheiratetes einheimisches Pärchen kein gemeinsames Zimmer im Hotel. Bei Westlern hingegen interessiert es keinen. Ein Thema für sich ist Alkohol. Auch einige Marokkaner trinken ihn. Sie dürfen das nur nicht in der Öffentlichkeit tun. Also in Restaurants nicht an den Tischen, die auf der Straße stehen, sondern nur im Innenraum. Bei Ausländern wird das wiederum nicht ganz so eng gesehen (außer im Fastenmonat Ramadan). In Meknès probieren wir in einem Hotel Wein aus der Region, der erstaunlich gut ist. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Marokko überhaupt Wein produziert. Dazu gibt es nicht nur gesalzene Erdnüsse, sondern auch Gürkchen, in Knoblauch eingelegte Möhren und Käse. Hätte auch beinahe als Abendessen gereicht. In Fés essen wir in einem Restaurant, das zwar keinen Alkohol ausschenkt (die Lizenz ist sehr teuer), man darf sich jedoch selbst welchen mitbringen. Im Spirituosengeschäft herrscht reges Treiben. Die Flaschen werden in schwarze Tüten verpackt, damit sie nicht auf offener Straße zu sehen sind. Dem Hotel in der Nähe der Todra-Schlucht ist der Alkohol ausgegangen, also Versorgung in einem kleinen Supermarkt in Tinghir. Die Kondome stehen in einem Glas direkt neben der Kasse, aber das Hochprozentige ist hinter einer Tür mit einem kein-Zutritt-Zeichen in einem winzigen Hinterzimmer versteckt und wird natürlich wieder in schwarze Tüten gehüllt.

Speisen müssen für Moslems halal (erlaubt) sein. Schweinefleisch und Insekten sind verboten. Aber auf dem Markt in Rabat haben wir Schnecken gesehen… Naja, meint Mohammed, über diese Frage wird heftig diskutiert. Glücklicherweise hat die Ex-Kolonialmacht Frankreich in Marokko nicht nur Schnecken hinterlassen. Zum Frühstück gibts in den meisten Hotels Croissants und Baguette. Dazu Kaffee, der seinen Namen verdient und nicht wie in vielen anderen Ländern mit dem Tee verwechselt werden kann: tiefschwarz und leicht ölig. In den Bergen bekommen wir Berberkaffee mit Gewürzen, u.a. Thymian. In Fés probiere ich eine lokale Spezialität: Pastilla, eine Pastete, die mit Hühnchen gefüllt und mit Zucker und Zimt bestreut ist. Gewöhnungsbedürftig, aber durchaus lecker. Ebenfalls lecker ist marokkanisches Fast Food: In Meknès wage ich mich an einen Kamelburger. In Aít Benhaddou kocht der Wirt Couscous für alle. Er demonstriert, wie man ihn nur mit der rechten Hand isst: Erst ein bisschen Gemüse zermatschen, damit das Ganze etwas klebrig wird, dann daraus einen kleinen Ball formen. „Die jüngere Generation macht das nicht mehr“, meint Mohammed. „Der Löffel ist bei uns angekommen.“ Das beliebteste Gericht in Marokko ist allerdings nicht Couscous, sondern Tajine. Im Wüstencamp esse ich erstmals den im Tontopf gegarten Eintopf. Auch der Wirt im Bergdorf Aroumd serviert Tajine. Interessanterweise sind meistens Kartoffeln mit darin. Das ermöglicht eine unerwartete Beilage zu vielen Gerichten: Pommes! Mein lokales Lieblingsessen ist Berberomelett, eine Art Bauernfrühstück mit Gemüse.

Die Verkehrsverhältnisse sind erstaunlich vertraut. Der Zug von Casablanca nach Rabat erinnert an die Doppelstöcker der Deutschen Bahn. Er ist überfüllt und beim Aussteigen funktioniert die Tür nicht. Die Leute drängen schon hinein. Zum Glück bin ich nahkampferprobt… Der nächste Zug nach Meknès hat 15 Minuten Verspätung. Wieder fühle ich mich wie zuhause. Die meisten Autos in Marokko sind in einem hervorragenden Zustand. Es ist nämlich keine TÜV-freie Zone mehr: Alle werden jährlich überprüft, erklärt Mohammed. Und nur wenige Straßen geben einem die berühmt-berüchtigte afrikanische Massage. Erst als wir am Rand der Sahara die Dünen sehen und von der Straße auf eine Staubpiste abbiegen, wird alles geschüttelt, nicht gerührt. Kreisverkehre sind sehr beliebt. In der Mitte präsentiert jede Stadt ihre Spezialiät. In Ouarzazate ist es mal eine Filmrolle, mal eine „Action“-Klappe, in Midelt ein Apfel und in der Blumenstadt El-Kelâa M’Gouna eine Rose.

Eine saubere Sache ist der Besuch im Hamam. In Tinghir lerne ich die klassische Variante in einem öffentlichen Bad kennen. Erstaunlich: Auf der Straße sind die meisten Frauen verhüllt. Im Haman sind sie unter sich und gehen zumindest oben ohne. Auch die Frau, die mich mit der weichen, schwarzen Seife aus Oliven- oder Arganöl einseift, überall mit einem rauen Handschuh abschrubbt, und anschließend nachspült, hat kein Oberteil an und platziert meine Hand ungeniert auf ihrer Brust. Alle befinden sich in einem großen, gekachelten Raum. Privatsphäre oder Sitzmöglichkeiten gibts nicht, es sei denn, man bringt sich ein Plastikhöckerchen mit. Also kauere oder liege ich auf dem Boden und folge den Handzeichen rauf, runter, umdrehen, Arm hoch… In Marrakesch erlebe ich dann das Kontrastprogramm im Luxusbad in der Medina. Mohammed führt uns durch enge Straßen, das letzte Stück kommt uns eine Mitarbeiterin entgegen. Überall rufende Leute, hupende Autos und knatternde Motorräder, 33 Grad Hitze. Wir schlängeln uns durch eine Baustelle, dann stehen wir in einer Sackgasse vor einer Tür mit kleinem Schild: „Mythic Oriental Spa“. Man geht hindurch und betritt eine andere Welt. Zarter Duft, wohl temperiert, in der Mitte des Innenhofes ein kleiner Pool, Stille. Zur Begrüßung gibts Tee. Dann beginnt die Behandlung: Erst einseifen und peelen in einem privaten Raum (hier wird mehr sanft gerubbelt als geschrubbt), dann eine Stunde Ganzkörpermassage für insgesamt ca. 75 Euro. Zum Abschluss ein Kännchen Pfefferminztee und marokkanische Leckereien auf der Dachterasse. Himmlisch!

Auf wirklich wilde Tieren wie in anderen Ländern Afrikas treffe ich in Marokko nicht. In einem Zedernwald im Mittleren Atlas tummeln sich Berberaffen, die einzige Art im Land. Aber sie sind an Menschen gewöhnt und lassen sich aus der Hand füttern. In der Sahara und am Strand von Essaouria begegnen wir Kamelen mit ihrem unnachahmlich bräsigen Gesichtsausdruck. In einem Reiseführer lese ich, dass sie angeblich als einzige Lebewesen den hundertsten Namen Allahs kennen und sich deshalb für etwas Besseres halten. Weil der Prophet immer von Katzen begleitet wurde, gelten sie als Glücksbringer, werden versorgt und bevölkern die Medinas. Während die Städte fest in Katzenpfote sind, laufen auf den Feldern viele Hunde herum. Pech für sie: Wenn Hunde im Haus sind, kommen Engel nicht hinein. Also müssen die Vierbeiner sich nützlich machen, sonst fliegen sie raus. Außerdem viele schwarzbunte Kühe, Schaf- und Ziegenherden sowie Esel. An einem Verkaufsstand hängt ein korbartiges Gebilde, das wie ein riesiger Büstenhalter aussieht. Es wird den Eseln über den Rücken gelegt. Immer wieder stehen am Straßenrand einzelne Exemplare. Geduldig warten sie auf ihre Besitzer, die gerade auf dem Markt sind und nachher damit in ihre Dörfer zurückkehren. Öfter sehe ich Männer, die traditionelle Gewänder tragen, im Damensitz reiten. Im Gebirge werden mehr Maultiere als Esel eingesetzt. Sie sind kräftiger und kommen besser mit der Höhe klar. Auf dem örtlichen Markt in Timdhite entdecken wir lebende Schafe, die auf dem Dach von Pickups transportiert werden. Wie kriegen die Besitzer sie da bloß drauf?

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Von Stadt zu Stadt

Die Größte: Casablanca. Der Ausgangspunkt unserer Reise. Das Letzte, was ich erwartet hätte: Die Schnellstraße vom Flughafen ins Zentrum ist weihnachtlich mit roten und grünen Lichtern geschmückt (sind auch die Nationalfarben Marokkos). In einem Kreisverkehr steht sogar eine Art Tannenbaum aus Lichterketten. Und das Ende Oktober! Viel sehe ich nicht von der Stadt, weil es morgens gleich mit dem Zug weitergeht. Auf den Spuren von Humphrey Bogart und Ingrid Bergman kann man ohnehin nicht wandeln, da der legendäre Film komplett in Hollywood entstand. Auch ein „Rick’s Café“ gibts erst seit 2004.

Die vier Königsstädte: 1. Rabat. Wir machen einen Zwischenstop. Vom Bahnhof laufen wir zur Strandpromenade und dann dort entlang zur Kasbah Oudaia. Die verschachtelten Häuser hinter der hohen Mauer der Burg sind oben weiß, unten leuchtend blau. Zurück gehts quer durch die Altstadt mit ihrem Markt. Hier sieht man kaum Touristen und kann bei einem Kaffee das bunte Treiben der Einheimischen beobachten. Auf der Straße vor uns stehen Tische, an denen Männer vor uralten Schreibmaschinen sitzen. Leute, die nicht oder nicht gut genug schreiben können, diktieren ihnen Briefe.

Die vier Königsstädte: 2. Meknès. Zunächst gehen wir durch ein imposantes Stadttor. Anschließend besichtigen wir das Wasserreservoir und den Sultanspalast aus dem 17. Jahrhundert mit seinen bis zu fünf Meter dicken Mauern. Für den Fall einer Belagerung gabs einen Lebensmittel- und Wasserspeicher. Eine der Wände ziert eine riesige, 700 Jahre alte Tür, die ins Nichts führt. Sie ist nur Dekoration und spielte bereits in „Das Juwel vom Nil“ mit. Dahinter war ein Stall für 12.000 Pferde mit 3000 Säulen. Das Dach ist bei einem schweren Erdbeben, das 1755 auch Lissabon und die Reste von Volubilis zerstörte, eingestürzt. Die dicken Lehmmauern haben Löcher, die zum Klimatisieren dienen und die enormen Temperaturunterschiede ausgleichen sollen. In einer der wenigen Moscheen, die auch Nicht-Muslime betreten dürfen, befindet sich das Grab des Sultans. Es wird von von zwei Standuhren flankiert. Die waren ein Geschenk von Frankreichs König Ludwig IV. Eigentlich wollte der Sultan die Hand von dessen Tochter. Doch Ludwig lehnte ab und tröstete ihn mit den Uhren. Frustriert heiratete der Sultan daraufhin angeblich 500 Frauen und hatte 700 Kinder.

Die vier Königsstädte: 3. Fés. Die älteste der Königsstädte ist nach Casablanca und Rabat mit zwei Millionen Einwohnern die drittgrößte Metropole Marokkos. Immer wieder sieht man Afrikaner, die auf ihrem Weg nach Europa in Marokko gestrandet sind und nun Autoscheiben putzen oder betteln, um weiterzukommen. Das ganze Zentrum ist Weltkulturerbe. Zunächst besichtigen wir den „neuen“ Teil, der aus dem 14. Jahrhundert stammt. Im Königspalast finden Staatsempfänge und Feiern wie Hochzeiten statt. Etwa 80 Leute leben ständig darin, die königliche Familie gelegentlich. Der Haupteingang hat sieben Türen (heilige Zahl) und ist reich verziert. Die Keramikmosaiken und Bronzeverkleidung stammen von 1968. Die lokalen Handwerker wollten dem damaligen Herrscher Hassan II. ihre Verehrung zeigen. In die Muster der Torbögen sind kleine Fußbälle eingearbeitet, weil er ein großer Fan war.
Vom South Castle aus hat man einen tollen Blick auf das alte Fés – und auf tausende von Satellitenschüsseln. Die Medina ist Ende des 8. Jahrhunderts entstanden und wird von ca. 400.000 Menschen bewohnt. In der Mitte befindet sich die älteste Universität der Welt, die von einer Frau gegründet wurde. Studieren dürfen Frauen dort aber bis heute nicht, da nur noch Religionswissenschaften gelehrt werden. Ebenfalls mittendrin: das Mausoleum Moulay Idriss II. Der Besuch des heiligen Ortes gilt als Wallfahrt der kleinen Leute, die nicht das Geld haben, nach Mekka zu reisen. Hier ist der Sohn von Idris I. begraben, dessen Grab in Moulay Idris zuerst besucht werden muss. Die Wohnhäuser haben zwei Türen – eine Kleine für die Bewohner, eine Größere für Pferde und Gäste. Wir laufen kreuz und quer sechs Kilometer von Norden nach Süden durch die Altstadt. Man muss ständig aufpassen, nicht von Eseln oder Maultieren überrannt zu werden (sie werden zum Warentransport genutzt und haben immer Vorfahrt, Autos passen nicht durch die engen Gassen), nicht auf Waren, Katzen, Kinder oder Bettler zu treten, nicht über Stufen zu stolpern oder die Gruppe zu verlieren. Denn ohne lokalen Guide findet man aus dem Gewirr der ca. 10.000 Straßen nie wieder raus. Sonnencreme kann man sich sparen, da kaum ein Strahl bis auf den Boden dringt und vieles sogar überdacht ist. Im Souk, dem Lebensmittelmarkt, gehen die Leute täglich frische Waren einkaufen. Tiefkühlkost ist verpönt.
Während in den Medinas anderer Städte die verschiedenen Handwerke bunt gemischt sind, hat in Fés jedes sein eigenes Viertel. Zuerst besuchen wir die Töpferei. Es ist kein privater Betrieb, sondern eine staatlich geförderte Kooperative mit Ausbildungszentrum. Verarbeitet wird grauer Ton aus der Umgebung. Im Süden Marokkos hingegen ist er rot. Am Eingang sind Dachziegel gestapelt. Geformt werden sie auf den Armen, dann meist grün (für Moscheen) oder blau (für Häuser) lackiert. Neben dem Geschirr (u.a. die allgegenwärtigen Töpfe für die Tajine) beeindrucken die Mosaiks. Beispielsweise ist ein mit über 3000 handgefertigten Steinchen verzierter Brunnen ausgestellt. Wir sehen, wie diese Mosaiks entstehen: Sie werden mit der Rückseite nach oben gelegt und dann einbetoniert. Die Lederwarenhersteller wurden an den Rand der Medina verbannt. Im Fluss werden die Felle gewaschen und dann normalerweise nebenan gefärbt. Leider werden die berühmten Bottiche dafür seit vier Tagen renoviert und sind unter Gerüsten verschwunden. Beim Betreten des Shops, wo die 650 Gerberfamilien ihre Waren gemeinsam anbieten, bekommt jeder einen Minzzweig gegen den strengen Geruch. Weiter gehts zu den Schneidern, bei denen man sich z.B. eins der traditionellen Kleider mit Kapuze anfertigen lassen kann. Mein Bademantel aus Mikrofaser sieht dem Design erstaunlich ähnlich. Nebenan stellen die Weber die Stoffe dafür her. Sie sind aus ägyptischer Baumwolle, Lammwolle und Seide. Die wird nicht von Raupen, sondern aus Agavenblättern gewonnen. Diese stacheligen Gewächse säumen die ganze Strecke von Meknès nach Fés. Ich kaufe einen weichen Kakteenschal. Zuletzt schauen wir bei der Metallverarbeitung zu. Die Muster entstehen ohne Vorlage aus dem Gedächtnis und werden in Messing, Kupfer oder Silber in Teller, Teekannen oder Lampen gemeißelt.
Bevor wir Fés verlassen, halten wir an einem riesigen Supermarkt. Das totale Kontrastprogramm zum Souk: Hier gibt es alles – vom Sofa bis zum Motorrad. Überall in den Vororten wird gebaut. Die Leute kommen wegen der Jobs aus den Bergen und lassen die Stadt explosionsartig wachsen. Die Regierung versucht, mit sozialem Wohnungsbau und neuen Städten etwas weiter außerhalb entgegenzusteuern.

Die vier Königsstädte: 4. Marrakesch. Auf dem berühmten Place Jemaa El Fna essen wir an einem der unzähligen Stände (Nr. 41 bei Saíd) und es ist fantastisch – Spieße vom Grill, gebratene Auberginen, Salat, Couscous, Fladenbrot, Oliven und alles, was die Küche sonst noch zu bieten hat. Drumherum tobt das Leben. Musiker ziehen umher. Sie tragen Kappen, unter denen das Trinkgeld steckt. Auf dem Platz tummeln sich Geschichtenerzähler und Akrobaten. Das Spektakel, für das man bei der Einstufung als Weltkulturerbe eine eigene Katagerorie schaffen musste, weil es einmalig ist, betäubt alle Sinne. Eine Frau kommt auf mich zu und ehe ich es richtig mitkriege, hat sie mir blitzschnell die rechte Hand und den Unterarm mit Henna bekritzelt und Glitzer drübergestreut. Sie verlangt 100 Dirham (zehn Euro). Ich gebe ihr zehn, um sie loszuwerden, und ergreife die Flucht. Später erfahre ich, dass das auch schon vielen anderen Reisenden passiert ist. Im Hotel versuche ich, das schmierige Zeug abzuschrubben. Es ist verdammt hartnäckig. Noch Tage später habe ich orange Spuren des nicht gerade kunstvollen Tattoos, das mir nicht – wie versprochen – „einen guten Ehemann“ beschert. Kein Wunder…
Nach dem nächtlichen Irrsinn des zentralen Platzes lasse ich es am nächsten Tag erstmal ruhiger angehen. Zuerst besichtige ich den Jardin Majorelle, der eigentlich mehr Kunstwerk als Garten ist, und nach dem französischen Maler benannt wurde, der ihn gegründet hat. In der Mitte befindet sich ein Art-Deco-Bau aus den 20er-Jahren in leuchtend blau mit sonnengelb abgesetzt. Yves Saint Laurent hat die Anlage nach Majorelles Tod vor dem Verfall gerettet. Nach einem Besuch im Luxus Hammam (s.o.) fühle ich mich wieder fit genug für die Medina. Auf dem Platz ist auch tagsüber die Hölle los. Man hört ihn schon von weitem – wildes Getrommel, Flötengedudel. Wenn nachmittags die Essenstände eröffnen, nebelt der Rauch der Holzkohlenfeuer alles ein. Außer den üblichen Verdächtigen sind jetzt auch Leute mit Tieren da. Tauben, Raubvögel und Berberaffen mit T-Shirts müssen mit Touristen posieren. Und natürlich Schlangen, die um 17.00 Uhr endlich Feierabend machen wollen und sich zum Schlafen zusammengerollt haben. Nur die Kobras stellen noch gelegentlich die Köpfe auf, wenn sie mit Stöcken gepiekt werden. Schön ist das nicht.

Ruinen: Volubilis. Die alte Römersiedlung ist ein weiteres Weltkulturerbe, erst ein Drittel davon ist ausgegraben. U.a. fehlen noch die Arena und das Kolosseum. Schätzungsweise 25.000 Menschen haben hier mal gelebt. Allzu viel ist nach dem Erdbeben von 1755 nicht übrig. Die Steine der kaputten Gebäude wurden als Baumaterial genutzt. Trotzdem kann man noch erahnen, wie es einmal ausgesehen hat. Deutlich erkennbar sind Wohnhäuser, Thermen, Tempel – und ein Bordell, das mit einem in Stein gemeißelten Penis dekoriert ist. Die Römer haben in Marokko nicht nur die Olive eingeführt, sondern auch den Wein. Danke, Leute! Wieder einmal muss ich an „Das Leben des Brian“ denken: „Was haben die Römer je für uns getan?“

Wie in der Schweiz: Ifrane. Bei der Fahrt durch den Mittleren Atlas entdecke ich am Straßenrand ein Schild mit dem springenden Hirschen und Mauern gegen Schneewehen. Wir nähern uns Ifrane, einem von zwei Skigebieten Marokkos. Dies ist das für die High Society. Auch der König hat eine Residenz hier. Das andere ist bei Marrakesch und erschwinglicher. Im Zentrum des Städtchens, in dem es im Winter bis zu minus zehn Grad kalt wird, steht eine in Stein gemeißelte Löwenstatute. Doch der letzte Atlaslöwe verschwand 1923. Dahinter sind mit klassischer Musik untermalte Wasserspiele. Total bizarr: Die Fachwerkhäuser mit ihren spitzen Dächern und die mit Kastanien und Ahornbäumen gesäumten Straßen sehen wirklich nicht wie Marokko aus. Am Vortag waren wir noch in der exotischen Altstadt von Fés, einen Tag darauf mit Kamelen in der Wüste.

Die Filmstadt: Ouarzazate. Ouazarzate bedeutet „Stadt ohne Lärm“, was heute nicht mehr so gut passt. Zunächst besichtigen wir die „Horizon Association“, eine Hilfseinrichtung für Behinderte, die vom Reiseveranstalter unterstützt wird. Dort werden in einer Werkstatt Prothesen angefertigt, zudem gibts Räume für Physiotherapie und Krankengymnsstik, wo sehr arme Leute Hilfe bekommen. Denn das öffentliche Gesundheitssystem ist immer noch sehr lückenhaft und nicht immer kostenlos. Kinder lernen, mit ihren Beeinträchtigungen zu leben. In beschützenden Werkstätten arbeiten Behinderte mit Ton und Metall oder produzieren Teppiche. Die Einrichtung lebt von Spenden und von Freiwilligen und vom Verkauf der hier hergestellten Waren. Zu Mittag essen wir in einem Restaurant gegenüber der Kasbah de Taourirt. Die Tajine hier scheint gut zu sein. Eine Katze schleckt einen der Tontöpfe aus. Nachdem wir in einem Gewürz- und Heilkräuterladen vorbeigeschaut haben, duftet der ganze Minibus ziemlich exotisch.
Schräg ist ist die Besichtigung der Atlas Filmstudios. Vorbei am riesigen Buddha aus „Kundun“ gehts durch einen Tempel, bei dem je nach Bedarf die Säulen immer wieder ausgetauscht werden können – griechisch, römisch oder ägyptisch. Das Gefängnis vom „Gladiator“ befindet sich direkt hinter einem afghanischen Platz, auf dem James Bond einst in einer Eröffnungssequenz verhandelte. Die Arche Noah ist neben der Burg aus „Game of Thrones“ gestrandet. Ein Stück weiter wurde ein ägyptischer Tempel errichtet, der eine Mischung aus Luxor und Abu Simbel darstellt. „Die Ägypter haben tausende von Jahren daran gebaut, wir drei Monate“, meint unser Guide Aziz grinsend. Das Ganze diente u.a. schon als Kulisse für „Asterix und Obelix: Mission Kleopatra“, „Troja“ und „Kingdom of Heaven“.

An der Route der Kasbahs: Aít Benhaddou. Die Route der Kasbahs (Burgen) führt durch eine mit dürrem Gras bewachsene Hochebene (ca. 1600 Meter) zwischen Antiatlas und Hohem Atlas. El Khorbat ist ein Ksar (Dorf), der typisch für die südmarokkanische Architektur ist. Alles ist ineinandergebaut und von einer Mauer mit Wachtürmen umgeben. Das Highlight jedoch ist Aít Benhaddou, ein Ksar mit mehreren Kasbahs. Die Siedlung wurde im 18. Jahrhundert gegründet und war ein wichtiger Knotenpunkt zweier Karawanenstraßen von Nord nach Süd und Ost nach West. Die örtlichen Stammesführer kassierten von den Durchreisenden Steuern und wurden reich. Heute leben kaum noch Leute dort. Die Regierung hat den Bewohnern Geld gezahlt, damit sie sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses ansiedeln und die meisten Häuser in Geschäfte umgewandelt. Aít Benhaddou zieht sich einen Hügel hinauf. Oben befindet sich ein ehemaliger Speicher für Lebensmittel. Da kamen die Feinde nicht so schnell ran. Dort erleben wir wieder einen dramatischen Sonnenuntergang zwischen dunklen Wolken. Man meint fast, der Himmel ist auch nur auf eine Leinwand gemalt oder ein Computereffekt, so unwirklich schön ist das Ganze. Denn auch dies ist eine beliebte Filmkulisse. Am Fuß der Siedlung sieht man noch Spuren der Arena, die für „Gladiator“ gebaut wurde Der Wirt unseres Hotels trägt den Spitznamen „Action“, seit er in der Serie „Game of Thrones“ als Komparse mitgewirkt hat.

Für mich die schönste Stadt: Essaouira. Essaouira liegt an der Atlantikküste und hat einen lebhaften Hafen mit Markt. Alle kleinen Fischerboote sind blau. Kein Zufall: Sonst müssten ihre Besitzer Strafe zahlen. Der Hafen soll ausgebaut werden. Angeblich für die Fischer. Doch die Einheimischen fürchten: für Kreuzfahrtschiffe. Dann wäre es mit der Beschaulichkeit vorbei. Von der Befestigungsanlage bietet sich durch einen runden Durchbruch in der Mauer der berühmte Schlüssellochblick auf die Stadt. Der dicke noch komplett erhaltene Wall rund um die Medina ist mit Kanonen gespickt. Die waren nicht gegen Piraten. „Das waren wir selbst“, sagt unser Guide Rachida, sondern gegen die Franzosen und wurden 1844 das letzte Mal benutzt. Direkt neben dem Hafen beginnt ein langer Strand, ein Paradies für Surfer aller Art, da fast immer ein kräftiger Wind weht. Kamele und Pferde warten auf Reiter. Einst war Essaouira ein Hippieparadies, u.a. haben Jimi Hendrix und Mick Jagger hier gelebt. Schon damals wurde fleißig gekifft. Offiziell gab es so etwas allerdings nie. Inzwischen diskutiert man auch in Marokko, die Droge zu legalisieren. Wir wohnen in der Altstadt und essen im Restaurant „il mare“. Sehr gut, aber relativ teuer. Auf der Dachterasse kann man den Sonnenuntergang bei einem Caipirinha genießen. Später gibts Livemusik im örtlichen Stil, der Gnaoua genannt wird. Der Sänger trägt eine Kappe mit Bommel, den er mit leichten Kopfbewegungen im Takt kreisen lässt. Wir versuchen das auch, bringen aber nicht mehr als ein, zwei Umdrehungen zustande.

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Kein plattes Land

Die vielen Berge in Marokko bieten zahlreiche Wandermöglichkeiten. Bei Midelt übernachten wir zwischen dem mittleren und hohen Atlasgebirge. Bei einem Gang durch das nahe Dorf Bremmen erzählt Mohammed von der Familiensolidarität der Berber. Einige Mitglieder arbeiten in der Stadt und schicken Geld, die übrigen halten im der Heimat die Stellung, kümmern sich um Vieh und Felder. Inzwischen haben auch die entlegenen Dörfer Strom (Ziel war bis 2010). Sein Dorf wurde 2000 ans Stromnetz angeschlossen, erzählt Mohammed. „Die größte Veränderung in der marokkanischen Gesellschaft war das Fernsehen.“ Die älteren Frauen haben Gesichtstattoos, an denen Eingeweihte erkennen können, ob sie ledig, verheiratet, geschieden oder verwitwet sind. Ähnlich funktionieren die nicht permanenten Henna-Tattoos. Sind nur die Hände bemalt, ist die Frau ledig, bei Händen und Füßen heißt es für Männer: Finger weg, sie ist verheiratet. Doch was macht man(n), wenn sie tätowierte Hände hat, aber Socken trägt? „Er schickt seine Mutter gleichzeitig mit ihr ins Hamam, um nachzusehen“, meint Mohammed. Wir laufen bergauf an einem Canyon entlang. Überall Haine mit Obstbäumen, vor allem Äpfel und Walnüsse. Die Gipfel hingegen sind karg.

Auf dem Weg Richtung Sahara werden die Berge höher. Wir fahren durch den Hohen Atlas über den 1907 Meter hohen Tiz-n-Talrhemt Pass. Den Weg haben schon vor Jahrhunderten Karawanen genommen, die aus Zentral- oder Westafrika durch die Sahara gezogen sind und Elfenbein oder Sklaven gebracht haben. Der spärliche Bewuchs reicht, um zahllose Bienenvölker zu ernähren, deren Honig am Straßenrand verkauft wird.

In der Todra-Schlucht machen wir morgens eine fünfstündige Wanderung. Erst gehts hinauf auf einem Pfad, den Nomaden gebaut haben. Selbst Kamele können hier hoch, wie man an ihren Hinterlassenschaften sieht. Oben am Berg machen wir eine Teepause bei einer Nomadenfamilie, die noch ganz traditionell lebt und herumzieht. Babyziegen staksen auf wackeligen Beinen durch das Camp. Als Ställe und Vorratsräume dienen in den Berg gegrabene Höhlen. Von den acht Familienmitgliedern sind nur die Großeltern und die beiden Enkeltöchter zu Hause. Eines der Mädchen ist blond und blauäugig. Mr. Achmed serviert im mit Teppichen ausgelegten Zelt grünen Tee mit wildem Thymian, der überall wächst. Er ist inzwischen sehr berühmt. Unzählige Touristen haben ihn fotografiert und die Bilder ins Internet gestellt. Er selbst allerdings hat gar keinen Strom, geschweige denn einen Computer, die Kinder gehen nicht zur Schule. Auf dem Kamm haben wir einen spektakulären Blick in die Schlucht und auf die Ebene gegenüber. Durch Geröll gehts wieder runter durch eine halb verlassene Kasbah. Die Leute sind lieber in moderne Apartmenthäuser gegenüber gezogen. Auf einer wackeligen Brücke überqueren wir einen Fluß und balancieren über Mauern zwischen Gemüsegärten durch. Nach dem Mittagessen besuchen wir eine Kooperative für Frauen aus dem Dorf, die Teppiche weben oder knüpfen. Die Muster erzählen Geschichten. Einer beispielsweise ist eine Karte der Sahara. Lange hatten die Berber keine Schrift. Einige der Frauen können immer noch nicht lesen oder schreiben und drücken auf diese Weise ihre Gefühle und Gedanken aus.

Eine fünfstündige Fahrt bringt uns von Aít Benhaddou zum Fuß des höchsten Berges Nordafrikas, dem 4167 Meter hohen Jbel Toubkal. Es geht durch eine Landschaft, die etwas wie im Südwesten der USA aussieht, dahinter schneebedeckte Gipfel. Die gewundene Straße ist mit Kurvenzeichen gespickt, darunter steht „rappel“. Passt! Die „Vorsicht, Kamele“-Schilder sind „Vorsicht, Kühe“-Schildern gewichen. Immer wieder flache Häuser, die ähnlich wie die Almen in Europa nur im Sommer von Hirten genutzt werden. Die Straße steigt immer weiter an bis zum Tizi Tichka. Er ist mit 2260 Metern der höchste Pass Marokkos und wurde 1912 gebaut. Da er eine wichtige Abkürzung auf der Strecke zwischen Marrakesch nach Südmarokko ist, wird er gerade erweitert. Hinter dem Pass wird die Gegend grüner. Von der Kleinstadt Imlil aus steigen wir eine Stunde lang hoch zum Berberdorf Aroumd und übernachten in einer Gite, einem traditionellen Gästehaus. Am nächsten Morgen wandern wir von dort zum auf 2700 Metern Höhe gelegenen Schrein von Sidi Chamarouch. Darauf befindet sich ein Solarpanel, daneben ein Klo. Der Legende nach ist einst ist ein weißer Hund hier hochgelaufen. Die Leute sind ihm gefolgt, dann ist er hinter einem Felsen verschwunden, der nun weiß angemalt wurde. Der Quelle, die dort entspringt, werden Heilkräfte nachgesagt. Deshalb ist der Ort eine Pilgerstätte. Die Menschen bringen Gaben, darunter auch Klauen von Ziegen oder Schafen und Innereien, was die wie überall präsenten Katzen freut, die sich bedienen. Als nicht-Moslems dürfen wir in den Schrein nicht hinein, aber wir trinken das Heilwasser im Tee. Am frühen Morgen ist es noch ziemlich kalt (Reif auf dem Boden), weil sich die Sonne noch hinter dem Berg versteckt. Da kommt das Heißgetränk sehr gelegen.

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In die Wüste geschickt

Einer der Höhepunkte der Reise ist ein Abstecher in die Sahara. Nach der Mittagspause in der Oase Tafilalet sehen wir die ersten Sanddünen. Auch hier sind wie bei Ifrane wieder Barrieren neben der Straße, diesmal aus Palmwedeln gegen den Sand. Die Berge weichen einer Geröllebene, aus der sich die weithin sichtbaren, roten Sanddünen von Erg Chebbi erheben. Wir stoppen wir in der Stadt Rissani, um Wasser und vier Meter lange Schals für Turbane zu kaufen. Dann nähern wir uns der algerischen Grenze, über deren Verlauf die Länder seit der Unabhängigkeit streiten. Die Franzosen hatten beide kolonialisiert und die Trennlinie aufgehoben. Wegen der anhaltenden Spannungen zwischen Algerien und Marokko ist die Grenze jetzt geschlossen. Das müssen auch die Nomaden beachten, die immer noch durch die Wüste ziehen.

In Merzouga werden wir auch zu Nomaden und steigen vom Minibus auf Kamele um. Hier muss man sich auskennen. Die Häuser stehen wie kleine Burgen verstreut in der Geröllebene. Die „Straße“ sucht sich jeder selbst. Mein Kamel heißt Jimi Hendrix. Vor mir schreitet Omar Sharif, hinter mir Bob Marley, der einen stylischen Nasenring trägt, ab und zu seine Nase an Jimis Hintern schubbert und mir auf die Wade niest. Lenken oder schalten muss man nicht: Die Wüstenschiffe haben Automatik, denn sie sind aneinandergebunden und laufen brav hintereinander her. Ein Kamel kostet 1500 bis 2000 Euro. Sie müssen regelmäßig zum TÜV, dann gibts gelbe Knöpfe in die Ohren. Es sind alles Männchen. Die Weibchen kümmern sich um die Babys und ums Essen (Milch). Ein junges Kamel läuft am Ende. Es ist in der Ausbildung und das Einzige, was beim Start nölt. Im Schaukelgang gehts durch die Dünen. Nach einer Stunde tut der Hintern weh. Wind ist aufgekommen, da erweisen sich unsere traditionellen Turbane als sehr praktisch. Auch die Männer verschleiern sich. Trotzdem ist nachher Sand in den Augen und zwischen den Zähnen. Bei Sonnenuntergang erreichen wir das Camp und klettern zum Gucken auf eine hohe Düne. während des Essens tummeln sich unter dem Tisch selbst hier Katzen.

Anschließend machen die Kameltreiber Musik: Gesang mit Trommeln begleitet. Es klingt mehr afrikanisch als arabisch. Obwohl es nach Sonnenuntergang kühl wird, schlafen einige von uns unter freien Himmel. Ich ebenfalls. Wofür habe ich denn meinen Daunenschlafsack mitgebracht? Als der fast volle Mond aufgeht, wirds fast taghell und die Sterne verblassen. Die Kamele liegen ein paar Meter weiter und grunzen beim Wiederkäuen. Eines schnarcht. Um vier Uhr morgens krähen die ersten Hähnchen. In der Mulde, in der wir campen, gibt es Grundwasser und damit etwas Grün. Ein paar Menschen leben in der Nähe in Zelten. Selbst die Schafe haben ein eigenes Zelt. Als Wände dienen Decken. Am nächsten Morgen reiten wir zurück zur Herberge, wo unser Van steht. Wieder herrrscht strahlender Sonnenschein, es ist wie im Film „Der Himmel über der Wüste“. Die Kamele werfen lange Schatten und haben jetzt den Tag frei. Eigentlich kein schlechtes Leben: Nur morgens und abends je eine Stunde Arbeit.

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