KENIA 🇰🇪 

Reiseroute 2010

NairobiLake Nakuru National ParkLake Naivasha (Hell’s Gate National Park) – Loita Hills (Besuch im Massai-Dorf) – Masai Mara (Ballonfahrt über die Savanne) – Nairobi – TANSANIA 🇹🇿 

Nairobbery? Halb so wild!

Die Reise nach Kenia und Tansania ist mein erster Trip nach Afrika. Die Vorstellungen von dem Kontinent schwanken zwischen den paradiesischen Landschaftsaufnahmen aus Kinofilmen wie „Jenseits on Afrika“ und „Hatari“ sowie schrecklichen Nachrichtenbildern von Hungersnöten und Massakern. Im Reiseführer steht über Kenias Hauptstadt, dass sie wegen der hohen Kriminalitätsrate „Nairobbery“ genannt wird, und dass zwei Drittel der drei Millionen Einwohner in Slums leben. Dementsprechend lande ich mit gemischten Gefühlen auf dem Flughafen, der einen mit 70er-Jahre-Charme empfängt. Nach den strengen Sicherheitsvorkehrungen auf europäischen Flughäfen irritiert die Tatsache, dass in der Halle der unklimatisierten Gepäckausgabe zwecks Lüftung die Türen zum Rollfeld weit offen stehen.

Auf der anderen Seite ist selbst unser eher einfaches Hotel von hohen Zäunen umgeben und wird von uniformierten Männern bewacht. Trotzdem versichert der einheimische Tourguide, dass man (zumindest tagsüber) gefahrlos allein durch das Zentrum der Metropole laufen kann (wenn man sich nicht gerade mit Gold und Brillanten behängt). Also tue ich es und stelle fest: Nairobi ist vielleicht nicht die schönste Stadt der Welt, aber eheblich besser als ihr Ruf.

In der Mitte gibts unerwartet viel Grün und schon im Vorort Langata liegt der erste Nationalpark. Am Eingang befindet sich der (sehr empfehlenswerte) Safari Walk – ein Mix aus Zoo und botanischem Garten, in dem die verschiedenen Landschaftstypen Kenias mit ihrer Tierwelt vorgestellt werden. Ein guter Überblick zum Einstieg! Ebenfalls in Langata befindet sich der berühmteste Platz für Kenias Nationalgericht „Nyama Choma“ (gebratenes Fleisch): das Restaurant „Carnivore“ – defintiv nichts für den kleinen Hunger oder für Vegetarier. Neben Rind oder Hühnchen vom Grillspieß gibts hier auch Exotischeres wie Krokodil.

 

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Arm an Geld, reich an Lebensfreude

Auch andere Klischees werden vor Ort relativiert: „Die ganze Armut – ist das nicht furchtbar deprimierend?“ werde ich nach der Reise gefragt. Nein! Zwar müssen die meisten Kenianer mit einem Einkommen von weniger als 1 US-Dollar pro Tag auskommen und können sich nur gelegentlich „Nyama Choma“ leisten. Unterernährte Menschen sind dennoch im Süden des Landes die Ausnahme: Das moderate Klima liefert genügend Zutaten für traditionelles, einfaches Essen wie den Maisbrei „Ugali“, immer frisches Obst und Wasser. (Im trockenen Norden Kenias soll es allerdings ganz anders aussehen.)

Weniger Geld, mehr Zeit: Im Vorbeifahren sehen wir sehr einfache Hütten – deren Bewohner unserem Truck fröhlich zuwinken. Beim Gang durch die Dörfer kommen Kinder ohne Schuhe angelaufen – mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. Fast alle Ostafrikaner, die wir treffen, wirken gelassen und zufrieden – und erwecken damit eher Neid als Mitleid.

Zudem ist Kenia (ebenso wie Tansania) ein für afrikanische Verhältnisse politisch relativ stabiler und demokratischer Staat, in dem eine Vielzahl unterschiedlicher Völker friedlich zusammenlebt. Sicher hat das Land große Probleme – das Schul- und Gesundheitssystem ist ziemlich katastrophal, Korruption in der Verwaltung weit verbreitet. Doch viele Privatinitiativen sorgen für Verbesserungen im Kleinen: Immer wieder sehen wir, wie sich die Landbevölkerung mit einfachen Mitteln und viel Engagement selbst hilft. Oft sind es die Frauen eines Dorfes, die ihren Familien ein Zusatzeinkommen verschaffen, indem sie z.B. gemeinsam einen Teich zur Fischzucht anlegen oder Schafwolle spinnen, daraus Schals und Socken stricken und an die Besucher verkaufen.

 

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TIA

Der Truck, mit dem unsere Reisegruppe unterwegs ist, fährt sich gleich auf dem ersten Campingplatz mit einem Hinterrad im Schlamm fest. Ein paar Tage später bleibt er in den Weiten der Masai Mara in einer Bodensenke stecken. Nach einer stundenlangen, staubigen Fahrt und dem schweißtreibenden Aufbau meines Zeltes steuere ich das Waschhäuschen des Campingplatzes an und habe die Auswahl zwischen drei Duschen: Die Rechte liefert nur kochend heißes Wasser, die Linke ist eiskalt und die in der Mitte funktioniert gar nicht. In solchen Situationen macht man es am besten wie die Einheimischen: Die Schultern zucken und „TIA“ („This is Africa“) sagen. „Hakuna matata“ (bloß keinen Stress)! Aufregen bringt nichts. Meckern genauso wenig. Perfektionisten könnten schon im Hotel in Nairobi eine ansehliche Fehler-Liste erstellen („Die Badezimmertür klemmt, die Balkontür auch, die Bettwäsche ist fleckig, der altersschwache Boiler streikt…“). Das Personal würde geduldig zuhören, sich freundlich entschuldigen und denken: „TIA!“

„TIA!“ heißt übrigens nicht, dass in Afrika grundsätzlich nichts klappt. Viele Dinge funktionieren vielleicht nicht, wie sie sollen, aber auf wundersame Weise anders. Und immer geht es irgendwie weiter: Unseren Truck kriegen wir beide Male mit Hilfe eines Treckers bzw. Jeeps und gemeinsamem Anschieben wieder flott. An kalte Duschen gewöhnt man sich mit der Zeit: Das härtet ab und allzu häufiges und langes Duschen ist eh nicht gut für die Haut. Mit leiser Schadenfreude erfahren wir, dass das „Sorry, heute gibts leider kein heißes Wasser“-Phänomen wenigstens keine Klassenunterschiede macht: Eine Luxuslodge in der Serengeti, in der eine Übernachtung 400 Dollar kostet, ist genauso davon betroffen wie unser Buschcampingplatz.

„TIA“ macht manchmal sogar das in Europa Unmögliche möglich. Ein Beispiel dafür erlebe ich gleich am ersten Tag. Ich besichtige das Animal Orphanage am Eingang des Nairobi Nationalparks. Dort werden verletzte oder verwaiste Tiere aufgepäppelt. Wenn möglich werden sie wieder ausgewildert, wenn nicht, in Gehegen gehalten. Ein Zoowärter nähert sich unauffällig und spricht mich an. Nach etwas Small Talk fragt er plötzlich: „Hast Du schon mal einen Geparden gestreichelt?“ „Nein.“ „Willst Du?“ „Darf ich???“ Der Wärter steigt über den kleinen Begrenzungszaun vor einem Geparden-Gehege und bedeutet mir, ihm zu folgen. Direkt am Maschendrahtzaun liegt eine der Raubkatzen. „Fass ruhig durch“, ermutigt mich der Wärter. Die Gepardin – ihr Name ist Sharon – leckt mir mit ihrer Reibeisenzunge die Hand.

Aber der Wärter hat noch mehr zu bieten. Er deutet auf ein anderes Gehege mit drei Geparden-Schwestern im Teenager-Alter: „Mit denen kann man sich fotografieren lassen. Allerdings ist das ziemlich teuer und man muss sich vorher im Büro anmelden. Naja, der Boss guckt gerade nicht. Mal sehen, ob mein Kollege Zeit hat. Warte kurz…“ Ehe ich michs versehe, befinde ich mich bei den Raubkatzen im Gehege und kraule eine von ihnen im Nacken, während der Wärter mit meiner Kamera fotografiert.

Mein zunächst schüchtern angebotenes Trinkgeld nehmen die Beteiligten gerne an (das wurde wohl erwartet). So sind am Ende sind alle zufrieden: Ich weiß jetzt, wie sich eine Gepardin anfühlt (nicht so weich wie sie aussieht, sondern mehr wie ein Rauhaardackel) und besitze ein tolles Erinnerungsfoto. Die Tierpfleger haben sich etwas nebenbei verdient. Und die Gepardin? Gibt mit einem tiefen Schnurren, das den Boden vibrieren lässt, zu verstehen, dass auch sie von dem System profitiert.

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Immer erreichbar

In Deutschland ist dan Mobilfunknetz stellenweise löcherig wie ein Schweizer Käse – wer z.B. schon einmal versucht hat, zwischen Bremen und Osnabrück zu telefonieren oder mobil zu surfen, weiß wovon ich rede. Das ist in Ostafrika anders: Selbst mitten in der Wildnis der Masai Mara steht ein elegant als Baum getarnter Sendemast.

Dementsprechend gibt es praktisch überall einen Top-Empfang, was auch die Einheimischen zu schätzen wissen: Im abgelegenen Massai-Dorf erzählt der Älteste gerade von der Kultur seines Volkes, als unter seiner traditionellen Kleidung (farbenfrohe, raffiniert gewickelte Baumwoll-Decken) ein Handy klingelt. Da es in der Gegend keinen Strom gibt, muss er es zum Aufladen in den nächsten größeren Ort bringen. Dort gibt es extra einen Shop für diesen Zweck.

Ein echt „kuhles“ Dorf

Der Besuch im Massai-Dorf ist eines der absoluten Highlights der Woche in Kenia. Es liegt äußerst idyllisch in den Loita Hills, von denen man bis in die Ebene der Masai Mara blicken kann. Unsere kleine Gruppe (21 Leute) campt ganz allein auf einer Wiese – ein Bach fließt an den Zelten vorbei, Bäume spenden Schatten. Als es dunkel wird, wachen drei Krieger mit Speeren bewaffnet am Lagerfeuer, damit keiner von wilden Tieren gefressen wird. „Erschreckt Euch nicht, wenn Ihr nachts mal auf die Toilette müsst. Sie werden Euch diskret folgen, um sicherzugehen, dass Euch nichts passiert“, erklärt unser Tourguide.

Bei der Besichtigung des nahen Dorfes erfahren wir viel über das stolze Volk, dessen Kultur hier noch nicht vom Massentourismus verdorben wurde. Wer im Mittelpunkt steht, wird schon an der Architektur klar: Rinder! Die traditionellen Lehmhütten gruppieren sich rund um einen großen Platz, auf dem die Tiere abends zusammengetrieben werden. „Wem gehören in Eurem Land die Kühe?“ fragt der Dorfälteste verschmitzt. „Den Bauern.“ Falsch: „Den Massai! Alle Kühe auf der Welt gehören den Massai.“ Auch wir dürfen beim Melken mit Hand anlegen, was gar nicht so einfach ist. Während ich versuche, etwas Milch aus dem Euter abzuzweigen, spüre ich plötzlich etwas Warmes, Weiches an meiner Hand. Es ist das Maul eines Kälbchens, das seine Quelle nicht mit mir teilen will. Nach wie vor wird Reichtum eines Massai an der Größe seiner Herde gemessen. So kriegt ein Mann ohne Kühe keine Frau. Der Älteste im Nachbardorf hingegen hat sehr viele Kühe, elf Frauen und 62 Kinder. Der Chief, der uns herumführt, ist immerhin mit sechs Frauen verheiratet (eine für Montag, eine für Dienstag… Sonntag ist frei) und Vater von 48 Kindern. (P.S.: Gleichberechtigung gibts bei den Massai nicht.)

Obwohl in Kenia eigentlich Schulpflicht herrscht, macht der Staat für die Massai eine Ausnahme. Alle Kinder zur Schule zu schicken (Uniformen, Bücher), wäre für eine Familie unbezahlbar. Außerdem werden die Kinder als Helfer beim Hüten der Kühe und Ziegen dringend gebraucht. So schicken die Eltern nur die Aufgewecktesten zur Schule. Manche studieren anschließend, nehmen Jobs an, ziehen in die Stadt und wohnen im westlichen Stil. Wenn sie allerdings in ihre Heimat zurückkehren, müssen sie sich wieder der Tradition anpassen. Wie der Dorfälteste, der zwischenzeitlich selbst als Tourguide für Reisegruppen arbeitet und somit parallel in zwei völlig verschiedenen Welten lebt.

Hausbau ist übrigens Frauensache. Die Behausungen ohne Strom und Wasser und mit einem Dach aus getrocknetem Kuhdung mögen einfach sein, aber der Chief sagt: „Dafür zahlen wir keine Miete. Wir sind unabhängig.“ Die Massai leben immer noch halbnomadisch: Nach ein paar Jahren geben sie das Dorf auf und bauen sich an anderer Stelle ein Neues. Für campende Besuchergruppen haben sie Verständnis: „Ihr seid ebenfalls Nomaden.“

Empfangen werden wir bei den Massai üblich: Zur Begrüßung versammeln sich alle auf dem Dorfplatz. Die Frauen tanzen und singen, schließlich werden die weiblichen Gruppenmitglieder zum Mitmachen aufgefordert. Am nächsten Tag sind die Männer an der Reihe. Beim Tanzen springen die jungen Krieger so hoch sie können. Einer fällt dabei besonders auf: Er trägt einen hohen Hut – aus Löwenmähne. Den darf nur derjenige aufsetzen, der die Raubkatze eigenhändig (lediglich mit den traditionellen Waffen!) erlegt hat, was selten gelingt und hohes Ansehen verleiht. Die Krieger haben sich die Haare mit Ocker gefärbt. Meine ebenfalls unnatürlich roten Haare faszinieren sie, denn für Massai-Frauen ist das Färben absolut unüblich. „Naja“, sage ich: „Irgendwie bin ich auch Kriegerin.“

 

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Give me „Big Five“

54 Nationalparks und Reservate gibt es in Kenia (insgesamt zehn Prozent der Landesfläche). Drei davon besuchen wir: Lake Nakuru National Park, Hell’s Gate National Park und Masai Mara National Reserve. Wie alle Safari-Reisenden wollen wir u.a. die „Big Five“ (Löwe, Nashorn, Büffel, Elefant und Leopard) in freier Wildbahn sehen.

Meine ganze Kindheit hindurch hat mich ein Plüschtier namens „Nosie“ begleitet. Dementsprechend habe ich ein besonderes Verhältnis zu den Dickhäutern. Im Lake Nakuru National Park können wir neben zig Breitmaul- sogar eins der seltenen Spitzmaul-Nashörner beobachten. Einen ungewöhnlichen Anblick bieten auch zwei Löwinnen. Die haben es sich auf einem Baum direkt neben der Straße gemütlich gemacht und lassen faul die Pfoten baumeln. Die berühmten Flamingo-Massen des Schutzgebietes hingegen erblicken wir nur als pinkfarbene Wolke aus der Ferne. Da es in der „Trockenzeit“ 2010 ungewöhnlich viel geregnet hat, ist das Seeufer zu schlammig für unseren schweren Truck.

 

Obwohl er gar nicht so weit entfernt ist, sieht die Landschaft am Lake Naivasha wieder ganz anders aus. In unmittelbarer Nähe unseres Campingplatzes leben Flusspferde. Die Vegetarier sind als Menschenkiller bei den Einheimischen gefürchteter als alle Raubkatzen zusammen: In der Dunkelheit kommen sie zum Grasen aus dem Wasser. Wenn dann etwas zwischen ihnen und ihrem Element steht, wird es gnadenlos plattgemacht. Weitaus eleganter bewegt sich der König des Gewässers: Bei einer Bootsfahrt lockt der Kapitän mit Fischen einen Seeadler an, der sich im Sturzflug seine Snacks holt. Der nahe gelegene Hell’s Gate National Park ist einer der wenigen, die man zu Fuß erkunden darf. Hier gibts nämlich weder Löwen, noch Nashörner. Dafür treffen wir u.a. ein 17 Tage altes Giraffenbaby, das uns mit großen Kulleraugen anstarrt.

 

Die berümten riesigen Tierherden sehen wir in der Masai Mara. Zur Zeit der Reise (September) befinden sich rund zwei Millionen Gnus, Gazellen und Zebras dort, die von der Serengeti herübergewandert sind. Nicht alle schaffen es: Geier fressen gerade einen Gnu-Kadaver – von innen! Der lange Hals eines Vogels verschwindet dabei völlig im Hintern des Kadavers. Das gibt dem Ausdruck „jemanden in den Arsch kriechen“ eine völlig neue Bedeutung… Die Mitglieder der Reisegruppe sind sich einig: „Iiieh, wie eklig!“ – und fotografieren fleißig.

Teuer, aber unvergesslich ist eine Ballonfahrt bei Sonnenaufgang. Schon vor dem Start nähert sich eine Herde Elefanten. Anschließend gibts ein Champagnerfrühstück in der weiten Landschaft. In all den Naturdokus im Fernsehen wirkt die sonnenverbrannte Savanne heiß. Tatsächlich kann man selbst tagsüber oft einen Pullover gebrauchen: Das Ganze liegt fast 2000 Meter hoch! Zudem gießt es einen Nachmittag lang wie aus Kannen.

 

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