KUBA 🇨🇺 

Reiserouten

1. Reise 2010

Havanna (Hauptstadt) – Soroa (Orchideengarten) – Vinales (Kleinstadt) – María La Gorda (Strand) – Havanna

2. Reise 2016

HavannaCienfuegosCayo LargoPlaya IguanasPedraza ReefCayo RosarioCayo de la CantilesCayo Rico – Cayo Hijo de los BallenatesCienfuegos (Ausflug zur Schweinebucht) – HavannaCOSTA RICA 🇨🇷  – PANAMA 🇵🇦 

Eine Insel für sich

Im Gegensatz zu anderen mittelamerikanischen Ländern mit bunt gemischter Bevölkerung hat auf Kuba nicht jede ethnische Gruppe ihre eigene Lebensart behalten. Es hat sich eine einzigartige gemeinsame Kultur entwickelt, die sich auch stark von der des benachbarten Jamaika unterscheidet. Was aber macht diese Kultur so besonders? Hier meine (ganz subjektiven) Lieblings-Klischees:

MUSIK Obwohl man sich in der Karibik befindet, ist nirgendwo Reggae zu hören. Die Insel vibriert im Salsa-Takt. Dessen Rhythmen sind allgegenwärtig – sie erklingen aus den Häusern und den Autos (wobei man sich bei manchem Gefährt wundert, dass es angesichts der wummernden Bässe nicht auseinanderfällt, s. OLDTIMER). Oft wird sogar live gespielt – selbst im menschenleeren Orchideen-Park bei strömendem Regen oder tief in der Provinz in einem kleinen Straßencafé. An einer Raststätte höre ich erstmals kubanischen Reggaeton, einen etwas raueren Mix aus Salsa und HipHop. Das gefällt mir am besten!

RUM Es mag an manchem mangeln (s. SOZIALISMUS), aber „Havanna Club“ geht nie aus. Zuckerrohr für die Rum-Herstellung ist schließlich genug vorhanden. Vielleicht fehlt mal die Minze (dann gibts keinen Mojito), mal die – ohnehin etwas gewöhnungsbedürftige – Cola (dann gibts keinen Cuba Libre). In diesem Fall wird der Rum halt pur getrunken.

ZIGARREN Nichtraucher-Gesetze wie bei uns wird es auf Kuba wohl nie geben. Immerhin wächst hier der wohl beste Tabak der Welt. Bei der Besichtigung einer Fabrik sehen wir, wie aus den Blättern die legendären Zigarren gerollt werden. Auf dem Tisch. Das das auf den Oberschenkeln der Arbeiterinnen geschieht, ist wohl ein Mythos.

OLDTIMER Für Fans von amerikanischen Straßenkreuzern aus den 50ern ist Kuba das Paradies. Es gibt sie in zwei Zuständen: entweder top-gepflegt und chromglänzend oder nur noch vom Rost zusammengehalten. Unser Taxi gehört zur zweiten Sorte. Es hat keine Fensterscheiben mehr und vom zerbröselten Fahrersitz, auf dem wir für Fotos Platz nehmen, pieken sogar Metallteile in den Hintern. Damit mal beim deutschen TÜV vorfahren… Weil Original-Ersatzteile fehlen, werden die Motoren oft recht kreativ repariert – z.B. mit Stücken aus Waschmaschinen oder Fernsehern. Die Straßen sind zwar wegen des Auto- und Benzinmangels relativ leer, aber die Fahrer müssen mit allem rechnen: Da steht ’nen Pferd auf dem Flur, bzw. eine Kuh auf der „Autobahn“! Zäune gibst kaum, auf dem Land laufen die Tiere häufig frei herum. Außerdem sind dort neben motorisierten Oldtimern auch Pferdekutschen und Ochsenkarren noch weit verbreitet.

SOZIALISMUS „Viva la revolución!“ Gut 50 Jahre später begutachtet Che Guevara das Geschehen noch von unzähligen Hauswänden und T-Shirts. Auf der Briefmarke, die ich auf eine Postkarte klebe und nach Hause schicke, ist ebenfalls sein Porträt. Leider ist die Karte immer noch unterwegs… Ein Land der Gegensätze: Manches funktioniert vorbildlich (z.B. Gesundheits- und Schulsystem), manches nicht so gut bis gar nicht. Besonders schlimm muss die Situation Anfang der 90er nach dem Zusammenbruch des wichtigsten Verbündeten, der Sowjetunion, gewesen sein. Da wurde sogar gehungert, erzählt uns ein Guide. Heute noch gibts praktisch keinen öffentlichen Busverkehr – dafür aber organisiertes Trampen: LKW-Fahrer müssen auf Kuba auch Leute transportieren. An bestimmten Punkten (z.B. Tankstellen) stehen Männer in gelben Warnwesten, die wartende Passagiere auf die vorbeikommenden Trucks verteilen. Positiv bemerkbar macht sich, dass die kubanische Regierung das Land in den letzten Jahren etwas geöffnet hat und den Bürgern mehr Privatinitiave erlaubt (s.u.).

SCHWEINEBUCHT Nicht erst seit der gescheiterten Invasion von 1961 ist das Verhältnis zwischen Kuba und den USA schwer gestört. Selbst im Jahr 2010 boykottiert der große Bruder im Norden noch den kleinen Inselstaat – was z.T. absurde Folgen hat: So kann ich den Luxus genießen, direkt von Paris nach Havanna zu fliegen. Vom benachbarten Miami dagegen muss man einen Riesenumweg über Mexiko machen. Bei der Ein- und Ausreise fällt auf, dass die Visa nicht in den Reisepass, sondern auf eine sogenannte „Touristenkarte“ gestempelt werden – wohl um US-Bürgern bei der Rückkehr in ihre Heimat Ärger mit den Behörden zu ersparen. Dafür müssen „Gringos“, die sich nach Kuba trauen, teuer bezahlen. Beim Wechseln von US-Dollar werden nämlich zehn Prozent „Umtauschsteuer“ verlangt (bei anderen Währungen nicht). Die US-Bürger, die sich nicht nach Kuba trauen, weil sie sich immer noch vor der „roten Gefahr“ fürchten, kann ich übrigens beruhigen: Die Kubaner haben viel mehr Angst vor euch, als ihr vor denen! Bisher gibt es nur ein MacDonald’s auf der Insel – in Guantánamo Bay. Viele fragen sich nun, ob sich das nach Castros Tod ändern wird. Was passiert, wenn all die Exil-Kubaner, die in Miami ein „Little Havanna“ gegründet haben, zurückkehren? Wird Havanna dann ein „Little Miami“? Und die Küste eine zweite „Riviera Maya“?

 

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Großstadt, Kleinstadt, Traumstrand

Im Vergleich zu den USA sieht Kuba auf der Karte winzig aus. Das täuscht: Die Insel ist zwar nicht allzu breit, dafür aber rund 1250 Kilometer lang. Dementsprechend sehe ich bei meiner einwöchigen Rundreise nur den äußersten Westen. Die subtropische Landschaft ist nicht spektakulär (keine Regenwälder, Wüsten oder hohe Gebirge), aber sehr vielfältig und hübsch. Auf dem Weg von Havanna in die Kleinstadt Vinales stoppen wir in Soroa, um uns eine der größten Orchideensammlungen der Welt (über 700 Arten) anzusehen.

Vinales selbst ist zauberhaft. Die Gruppe wird auf Privathäuser verteilt. Seit kurzem ist es – unter strengen Auflagen – Kubanern erlaubt, ein Gästezimmer zu vermieten. Das Essen, das unsere Gastgeberin für uns kocht, ist fantastisch – viel besser als das in den staatlichen Restaurants. Unser kubanischer Tourguide Sergio organisiert außerdem ein Abendessen in einem Bauernhaus, das für Außenstehende nie als Restaurant zu erkennen gewesen wäre. Abends gehen wir aus. Die Frage wohin, ist schnell geklärt: Es gibt nur drei Bars/Restaurants in Vinales. Natürlich wird dort live-Musik gespielt. Und natürlich wird Salsa getanzt. Ungewohnt für uns Frauen: An Partnern mangelt es nicht. Tanzmuffel aus Nordeuropa oder -amerika müssen sich vorsehen. Stehen nicht genügend „Freiwillige“ an der Tanzfläche, kommt der Herr an den Tisch, um eine Dame aufzufordern – selbst wenn der Freund oder Ehemann daneben sitzt! Ein weiteres Klischee bestätigt sich in der Praxis: Kubaner sind tolle Tänzer. Zum Glück gehört zum Reiseprogramm auch eine „informelle Salsa-Stunde“. Die gibt uns ein Einheimischer am Nachmittag in der Garage seines Elternhauses.

Vinales liegt in einem idyllischen Tal, das viel zu bieten hat. An einem Vormittag besuchen wir die Höhle Cueva Santo Tomás (genau da regnet es – Glück gehabt!). Am Nachmittag wandern wir durch die Tabakfelder der Umgebung und über sanfte Hügel – immer mit Blick auf die berühmten „Mogotes“ (bizarr geformte Kalkfelsen).

 

Am nächsten Tag mache ich von Vinales aus mache ich einen Ausflug auf die kleine Insel Cayo Levisa, die vor der Nordküste Kubas liegt. Am sehr schönen Badestrand halten sich nur wenige Touristen auf. Allerdings ist es ziemlich windig und kühl.

Wärmer ist es im äußersten Westen der Insel an der Südküste. Dort verbringen wir zwei Nächte in der ehemaligen Piratenbucht María La Gorda. Angeblich stammt der Name von einem ziemlich molligen Mädchen, an das heute noch ein Felsen erinnert. Man kann hier direkt vom Ufer aus loschnorcheln. Erstmals sehe ich einen Rotfeuerfisch in freier Wildbahn. Er hat seinen Stammplatz unter dem kleinen Pier. Am herrlichen Tropen-Strand sind kaum Menschen, da das einzige Hotel nur wenige Zimmer hat. Leider soll die Bettenzahl demnächst erhöht werden. Direkt hinter dem Hotel beginnt ein Nationalpark, das Guanahacabibes Reservat.

 

Am letzten Tag besichtigen wir die liebevoll restaurierte Altstadt von Havanna, die sich um vier Pätze (Plaza Vieja, Plaza de San Francisco, Plaza de Armas und Plaza de la Catedral) gruppiert. Bevor ich zum Flughafen fahren und in den europäischen Winter zurückkehren muss, laufe ich vom Hotel zur Uferpromenade, dem Malecón, um noch einmal die Sonne zu genießen. Wie die Einheimischen mache ich es mir auf der breiten Kaimauer gemütlich. Neben mir richten sich zwei Männer und eine Frau häuslich ein. Sie packen einen Cassettenrecorder und eine Kühlbox aus. Musik ertönt und in einem Plastikbecher wird fix ein Mojito gemixt. Einer der Männer bietet mir einen Schluck an. Dann tanzen wir noch einen letzten Salsa auf dem Bürgersteig. Ein perfekter Abschluss für diesen Urlaub!

Sechs Jahre später besuche ich die Insel erneut. Wie die meisten anderen Touristen denke ich: „Schnell nochmal hin, bevor die Amerikaner kommen.“ Denn unter dem US-Präsidenten Obama scheint sich das Verhältnis langsam zu normalisieren. Einiges hat sich 2016 tatsächlich verändert: Als ich in Havanna ankomme, erkenne ich den Flughafen kaum wieder. Die Blechverschläge der Passkontrolle sind frisch in rot gestrichen und haben sich gewaltig vermehrt. Dementsprechend steht die Schlange nicht mehr über den ganzen Flughafen. Sogar Kameras, die jeden fotografieren sind jetzt da. Die Touristenkarte muss man sich zwar immer noch im voraus besorgen, aber es man kriegt sie jetzt auch übers Reisebüro und muss nicht mehr den Reisepass mit einem 20-Euro-Schein nach Berlin an die kubanische Botschaft schicken (nicht einmal ein Konto zum Überweisen gab es 2010). Während ich am Gepäckband warte, fällt mir auf, dass viele der Koffer ganz umweltfreundlich in knallgrüne Plastikfolie eingewickelt und somit nur noch an der Größe zu unterscheiden sind. Eine Zollbeamtin geht vorbei. Sie trägt zu ihrer Uniform schwarze Netzstrümpfe. Caliente!

Kunst an jeder Ecke: Skulptur auf der Plaza Vieja

Inzwischen dürfen private Vermieter mehr als ein Zimmer anbieten. Dementsprechend findet man überall günstige „Casa Particular“. Auch ich übernachte in solch einer Frühstückspension mitten in der Altstadt (Amargura No. 255). Das Haus stammt aus dem Jahr 1717, sieht von außen winzig aus, ist aber sehr tief. Regelmäßig verkehrende Buslinien gibt es jetzt ebenfalls, zumindest zwischen den größeren Städten. Das nutzen wir bei unserer Fahrt von Havanna nach Cienfuegos und zurück. Am Rückspiegel hängen die kubanische und die US-Flagge schon friedlich nebeneinander. Beim Essen hingegen herrscht nach wie vor ein gewisser Mangel. Auf dem Rückweg in die Hauptstadt machen wir Mittagspause in einer Raststätte. Die Sandwiches sehen nicht sehr vielversprechend aus, und eine Mitreißende schnappt mir das letzte Stieleis vor der Nase weg. Sonst gibt es nur vergilbte Packungen mit schwer erkennbarem Inhalt (Kekse?). Ich krame aus meinem Rucksack eine Snackbox vom Hinflug hervor, die noch zwei winzige Stückchen Schokolade und zwei Karamellbonbons enthält. Nach dem ausgefallenen Mittagessen bin ich hungrig und blicke ich mich in Havanna nach einem Restaurant fürs Abendessen um. An der Plaza de Armas sind mehrere verschiedene nebeneinander. Alle haben die gleiche Karte. Erster ernsthafter Versuch in einem Fischrestaurant am Hafen. Nach Stunden reicht mir eine gelangweilte Kellnerin eine spärliche Speisekarte und lässt sich nicht mehr blicken. Ich gebe auf. Zweiter Versuch: Mein Lonely Planet empfiehlt ein arabisches Restaurant. Nach langem Suchen finde ich die Adresse, aber das El Medina existiert schon lange nicht mehr. Dritter Versuch: Ich blicke auf die Speisekarte eines Restaurants und interessiere mich für das gegrillte Fischfilet. Als ich den Kellner frage, ob sie auch Pommes dazu haben, meint er „nein“. Fisch haben sie heute aber auch nicht. Vierter Versuch: Ein kleiner Laden in einer Nebenstraße, der zumindest hip aussieht. An der Wand hängen antike Schreibmaschinen, mein Tisch ist eine uralte Nähmaschine. Er steht aus einer Empore und ich blicke durch die offene Tür in die Gasse. Die spanische Speisekarte verstehe ich nur teilweise und wähle etwas, was nach Hamburger klingt. Das Gericht ist nicht allzu überzeugend, kostet aber immerhin weniger als die sehr gute Caipirinha (3 CUC, also etwa 3 Euro). Auf der einen Seite bin ich froh, dass es MacDonald’s immer noch nicht nach Havanna geschafft hat. Auf der anderen Seite…

 

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Segeln im Süden

Segeln plus Kuba – diese Kombination ist für mich unwiderstehlich. Also buche ich einen einwöchigen Trip durch den Canarreos-Archipel. Bei der Abfahrt in Havanna gießt es in Strömen. Laut Aussagen der Mitreisen hat es in in der Hauptstadt die ganze letzte Woche geregnet. „El Niño“, erklärt Ossie, der Guide, der uns zur Marina begleitet. Nach der Ankunft in Cienfuegos zeigt er uns die Innenstadt im Kolonialstil (Weltkulturerbe). Dann gehts endlich aufs Boot namens „Van Gogh“, das unter französischer Flagge fährt. Es ist eine Catana 43 und echt wie gemalt (solange man nicht zu genau hinsieht). Nach dem Abendessen lichten wir den Anker für die zehnstündige Überfahrt zu der Inselgruppe. Sobald wir den geschützten Hafen verlassen, wird das Wasser kabbelig und drei von uns vier Pasagieren beginnen langsam zu sterben. Nach einer unendlich langen Nacht werden wir mit einem ersten Blick auf die Hauptinsel Cayo Largo belohnt. Wir ankern am Ostzipfel, der Punta del Este. Obwohl es ziemlich kalt ist, verbringe ich die ganze Nacht im Cockpit auf der schmalen Bank am Esstisch. In der Kabine halte ich es gar nicht aus. Beim Frühstück umkreisen Pelikane und Fregattvögel (sehr elegante Flieger) das Schiff, um zu sehen, ob etwas für sie abfällt. Nach dem gestrigen trüben Tag mit viel Regen scheint jetzt die Sonne. Die letzten Wolken verziehen sich. Mir gehts schon viel besser! Allerdings ist es ziemlich kühl. Wir lichten den Anker und laufen an der Südküste entlang Richtung Westen bis zur Playa Sirena. Ein stetiger Nordost-Wind weht. Das tut er wohl öfter, denn die Bäume am Ufer sind alle schief.

Beim Mittagesen erzählt unser Kapitän Alberto, dass er mehr als zwanzig Jahre bei der kubanischen Marine war. Und zwar auf einem U-Boot. Vom Sinken versteht er also etwas… Dass ein Schwesterschiff unseres Katamarans vier Wochen zuvor untergegangen ist, nachdem es auf einen Felsen gelaufen war, erfahren wir zum Glück erst am Ende der Reise.

Wir fahren mit dem Katamaran direkt an den Strand der Playa Iguanas, die in einer Lagune liegt und ihrem Namen alle Ehre macht. Dort wartet schon eine ganze Leguanfamilie auf unsere Salatreste. Beim Schnorcheln zwischen Mangroven sehe ich zwischen den Wurzeln Tausende von Babyfischen. Auf dem Boden liegen Quallen auf dem Rücken und strampeln mit den Füßen (Armen?). Das Wasser ist so flach, dass man den Bauch einziehen muss. Auch ein Rotfeuerfusch tunmmelt sich dort. Wunderschön sind die vielen Conches, riesige Schnecken mit pinkfarbenen Innenseiten. Wie die Luft ist auch das Wasser recht kalt.

Über Nacht ankern wir in der Lagune. Koch Hugo wirft eine Nylonschnur mit Haken aus, mit einem Stück Hühnchen als Köder. Nicht gerade eine Hightech-Angel, aber ungeheuer wirkungsvoll. Die Red Snapper prügeln sich geradezu darum. Nach kurzer Zeit liegen vier davon im Boot. Wieder mal stirbt mein Abendessen vor meinen Augen. Obwohl ein kräftiger Wind weht, liegt das Boot recht ruhig in der Strömung. Mein Körper nutzt die Chance und holt den fehlenden Schlaf nach. Jetzt ist die Kabine sehr gemütlich. Die großen Luken allerdings lasse ich zu. Auch so ist es frisch. Hätte ich bloß meinen Daunenschlafsack mitgenommen! Aber wer denkt, dass man den in der Karibik braucht? Schließlich ziehe ich meinen Bademantel über den Schlafanzug und decke mich nicht nur mit dem Laken, sondern auch mit einem großen Handtuch zu. Außerdem schlüpfe ich in mein Seideninlet. Besser!

Morgens lichten wir den Anker und fahren erstmal zu Marina von Cayo Largo, um Wasser und Benzin zu bunkern. Noch ist die Marina, die während des Törns immer wieder angelaufen wird, sehr klein. Es gibt in der Nähe ein Hotel, eine Bank, ein paar Souvenirstände und eine kleine Bar mit Terrasse über dem Wasser, unter der sich sechs riesige Tarpune und viele kleine Fische tummeln. Neben den halbverfallenen alten Stegen befinden sich ein paar brandneue mit ultramodernen Anschlüssen für Wasser und Strom. Direkt am Hafen ist eine Meeresschildkrötenstation. Alle drei Arten kommen an die Strände der Insel: Suppenschildkröten, Unechte Karettschildkröten und Echte Karettschildkröten. An der 24 Kilometer langen Küste legen sie ca. 100.000 Eier. 10.000 bis 20.000 werden genommen und in der Aufzuchtstation ausgebrütet. Die Neugeborenen werden im Meer freigelassen. Ein paar bleiben zur Information in der Station. Die Kleinsten sind einen Monat alte Suppenschildkröten. Wenn man sie in die Hand nimmt, strampeln sie mit ihren Miniflossen. Eine der seltenen Echten Karettschildkröten namens Nancy steckt zum Schlafen ihren Kopf in den Abfluss. Besonders anhänglich ist eine Unechte Karettschildkröte namens Maria. Sie wird vom Wärter mit einer Zahnbürste abgeschrubbt und scheint zu lächeln. Auch von dem Besuchern lässt sie sich gerne streicheln, am liebsten unter der rechten Vorderflosse. Ihre linke Vorderflosse ist gelähmt. Deshalb kann sie nicht ins offene Meer zurück.

Nach einem Schnorchelstop am Pedraza Riff nehmen wir Kurs auf Cayo Rosario. Der Wind frischt weiter auf. Zwischendurch fliegende Fische, Fregattvögel und Seeschwalben, von denen eine uns lange begleitet. Alberto und Hugo werfen die Angel aus und fangen einen großen Barracuda. Beeindruckende Zähne. „Vorsicht“, warnt Alberto. „Der lebt noch und kann dir den Finger abbeißen.“ Vor Cayo Rosario ankern wir nur, die benachbarte Cayo de la Cantiles betreten wir. Bevor wir mit dem Dinghi landen, huscht ein Schwein über den Strand. Wir gehen ein paar Meter zu einer kleinen Rangerstation, die mit vier Mann besetzt ist und nur aus einer Holzhütte, einem Solarpanel und einer eingezäunten Satellitenschüssel besteht. Ich sehe einen Leguan, einen wunderschönen grün glänzenden Kolibri und viele Schmetterlinge. Ranger Luis läuft mit uns ein Stückchen über spitze Vulkanfelsen durch die Wildnis und zeigt uns in einem Tümpel aus Regenwasser ein kubanisches Krokodil namens Pepe, das er mit einem Fisch an der Leine anlockt. Süßwasserschildkröten leben ebenfalls in dem Tümpel. Bis zur Lagune in der Mitte der Insel voller Flamingos kommen wir nicht. Schon vorher ist alles überflutet, zu gefährlich. Hugo nimmt ein paar Hummer, Fische und Kokosnüsse für uns mit.

Die Insel Cayo Rico besichtigen wir wieder im strömenden Regen. Sie ist bis auf ein Restaurant unbewohnt. Dort hängen Jutías herum, die mit Brot angelockt werden. Die großen Nager, die es nur auf Kuba gibt, sind eigentlich nachtaktiv. Aber zum Fressen stehen sie auf. Am Strand laufen wir entlang zum Ende der Insel. Auf der einen Seite ist der Ozean, dahinter beginnt eine Lagune mit Mangroven. Alles ist voller Leben. Im flachen Wasser filtert eine riesige Schnecke den feinen Sand. Außerdem entdecken wir Einsiedlerkrebse, eine Mini-Winkerkrabbe und seltsame weiche Kügelchen, von denen keiner weiß, was es ist. Auf der Wattenmeerseite sind wieder die Quallen, die auf dem Rücken liegen. Viele Vögel, darunter Pelikane und Fregattvögel. Obwohl auch die Resorts von Cayo Largo aus Gäste auf die Insel bringen, ist alles noch ganz ursprünglich. Lediglich Plastikmüll, der vom Meer angeschwemmt wurde, trübt das perfekte Bild an einigen Stellen.

Der beste Schnorchelplatz ist das Riff vor Cayo Hijo de los Ballenates. Wir machen an einer Boje fest, die an einem Schiffswrack befestigt ist. Ich kann mich kaum losreißen: Korallen, Massen verschiedener Fische, darunter zwei Kugelfische, ein wunderschöner blauer Drückerfisch, ein riesiger Papageifisch, ein Stechrochen und als Höhepunkt ein gepunkteter Adlerrochen. Nur die erhofften Mantas, die dort leben sollen, zeigen sich nicht.

Leider hat sich das Wetter weiter verschlechtert. Für den nächsten Tag ist Sturm angesagt. Alberto entscheidet, früher als geplant nach Cienfuegos zurückzukehren. An dem Extratag mache ich mit einem Taxi einen Ausflug zur Schweinebucht, die recht unspektakulär und ziemlich felsig ist. Zunächst schnorchele ich in der Cueva de los Pesces. Die Cenote hat offenbar eine Verbindung zum Meer, denn sie ist mit Salzwasser gefüllt. Dementsprechend sehe ich darin auch quietschbunte Fische, darunter einen Königin-Engelfisch. Die Höhle ist sehr interessant, aber ziemlich klein. Zu klein für die einstündige Anfahrt. Fahrer Fernando spricht ausschließlich spanisch. Insofern ist die Verständigung schwierig. Ich würde gern den nahen Nationalpark sehen, aber dort sind wohl die Straßen zu schlecht für den klapprigen Lada. Fernando erzählt etwas von „Cocodrilos“. Da ich Krokodile liebe, stimme ich zu. Die Farm ist nicht sehr groß, bietet jedoch kubanische Krokodile vom Baby bis zum ausgewachsenen, fauchenden Männchen. Mit dem vierjährigen Freddie kann man sich fotografieren lassen. Er kriegt sogar einen Strohhut aufgesetzt. Armer Kleiner, aber es sieht sehr süß aus!

Die Rückfahrt nach Havanna treten wir vom vier Sterne-Hotel „Jagua“ aus an. Es ist ein bizarrer Mix aus kapitalistischer Fifties-Architektur (erbaut von Batistas Bruder), sozialistischer Sixties-Tristesse und einer modernen Lobby. Neben einem gepflegten Pool führt eine holprige Treppe ins brackige Hafenwasser. Im benachbarten Garten stehen unwirklich kitschige Betonskulpturen von Flamingos und einem röhrenden Hirschen. Mit Steinchen sind Muster und Sprüche auf die Erde gelegt.

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